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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 24.04.2009
Aktenzeichen: VAs 2/09
Rechtsgebiete: EGGVG, BtMG, KostO


Vorschriften:

EGGVG §§ 23 ff.
EGGVG § 28 Abs. 1 S. 1
EGGVG § 30 Abs. 3
BtMG § 35
BtMG § 35 Abs. 1
BtMG § 35 Abs. 1 S. 1
KostO § 30 Abs. 2
KostO § 30 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock - 1. Strafsenat - BESCHLUSS

VAs 2/09

In dem Verfahren auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG

wegen Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K., den Richter am Oberlandesgericht H. sowie den Richter am Amtsgericht H.

auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft

am 24. April 2009 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Zurückstellung der Strafvollstreckung und über die Zustimmung zu der Zurückstellung wird auf Kosten des Antragstellers als unbegründet verworfen.

2. Der Geschäftswert für das Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird gem. § 30 Abs. 3 EGGVG i. V. m. § 30 Abs. 2 und 3 KostO auf 3.000.00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist mit Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - S. vom 11.11.2008 (14 Ls 1069/08) wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens (mit Betäubungsmitteln) in 12 Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Dieses Urteil ist seit dem 05.02.2009 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 05.02.2009 hat der (in dieser Sache seit April 2008 in Untersuchungshaft, seit dem 05.02.2009 in Strafhaft befindliche) Antragsteller die Zurückstellung der (weiteren) Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG beantragt. Diesem Antrag hat das Amtsgericht S. mit Verfügung vom 09.02.2009 nicht zugestimmt, woraufhin die Staatsanwaltschaft S. mit Verfügung vom 12.03.2009 unter Hinweis auf die verweigerte Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Zurückstellung der weiteren Strafvollstreckung abgelehnt hat.

Gegen diese am 12.03.2009 abgesandte Entscheidung hat sich der Verurteilte mit am 13.03.2009 bei der Staatsanwaltschaft eingegangenem Schreiben seines Verteidigers vom 12.03.2009 beschwert. Diese Beschwerde hat der Generalstaatsanwalt in R. mit Bescheid vom 25.03.2009 zurückgewiesen, die dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 02.04.2009 förmlich zugestellt worden ist.

Mit seinem am 03.04.2009 beim Oberlandesgericht Rostock eingegangenen Antrag vom 01.04.2009 begehrt der Verurteilte die gerichtliche Entscheidung hinsichtlich des Bescheids des Generalstaatsanwalts.

II.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere ist er form- und fristgerecht beim zuständigen Oberlandesgericht (§§ 25, 26 EGGVG) angebracht worden.

2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da die Entschließung der Antragsgegnerin nicht rechtswidrig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, § 28 Abs. 1 S. 1 EGGVG.

a) Einer gerichtlichen Nachprüfung unterliegt vorliegend die Entschließung der Antragsgegnerin nur insoweit, ob diese das ihr zustehende Ermessen nicht oder fehlerhaft ausgeübt hat oder eine willkürliche Entscheidung vorliegt. Das Oberlandesgericht darf insbesondere sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Vollstreckungsbehörde setzen. Es kommt daher nicht darauf an, ob auch eine andere Entscheidung in Betracht gekommen oder vertretbar gewesen wäre (vgl. Weber, BtMG, 3. Aufl. § 35 Rn. 199 f. m .w. N.; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 35 Rn. 374 m. w. N.)

Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist hierbei der Ablehnungsbescheid in der Gestalt des Beschwerdebescheides, so dass grundsätzlich die Ermessenserwägungen der Beschwerdebehörde, also hier des Generalstaatsanwalts in R. maßgebend sind.

b) Rechtsfehler im vorbezeichneten Sinne, die eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat sich in ihrer Verfügung vom 12.03.2009 (i. V. m. der Verfügung des Amtsgerichts S. vom 09.03.2009) in der Form der Beschwerdeentscheidung des Generalstaatsanwalts vom 25.03.2009 in ausreichendem Maße mit den Gründen des Antragstellers für sein Zurückstellungsgesuch auseinandergesetzt.

Die Vollstreckungsbehörden und das Amtsgericht haben ihre Entscheidung auf ausreichende Tatsachengrundlagen gestützt und im Rahmen dessen den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum weder überschritten noch missbraucht. Soweit die Staatsanwaltschaft von einer umfassenden Begründung ihrer Verfügung abgesehen hat, genügen die Entscheidungen des Amtsgerichts und des Generalstaatsanwalts in ihrer Gesamtheit den Anforderungen und ermöglichen eine Überprüfung der versagenden Entscheidung.

Soweit der Antragsteller die Auffassung vertritt, es seien von den Vollstreckungsbehörden fehlerhaft die Maßstäbe des Revisionsrechts zu Grunde gelegt worden, verkennt er die Bedeutung der Urteilsgründe für das Verfahren nach § 35 BtMG. Hat das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens eine BtM-Abhängigkeit i. S. d. § 35 Abs. 1 BtMG nicht festgestellt, so gilt dies grundsätzlich als erwiesen (vgl. Körner a. a. O. Rn. 61 ff.). Dass entsprechende Urteilsfeststellungen nachträglich widerlegt werden können (vgl. Weber a. a. O. § 35 Rn. 49), berührt nicht die Bedeutung der Urteilsfeststellungen an sich.

Durchgreifende Anhaltspunkte für gegenteilige Tatsachen, die die Urteilsfeststellungen erschüttern könnten, mithin belegen könnten, dass der Antragsteller die abgeurteilten Straftaten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, sind vorliegend aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe kann gem. § 35 Abs. 1 S. 1 BtMG nämlich nur zurückgestellt werden, wenn feststeht, dass der Täter die der Freiheitsstrafe zu Grunde liegende Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat. Das setzt einen unmittelbaren Kausalzusammenhang voraus. Ein solcher ist nicht immer schon dann gegeben, wenn zur Tatzeit eine Rauschgiftabhängigkeit bestanden hat und in ihr - unabhängig vom konkreten Einzelfall - allgemein eine Erklärung für das begangene Delikt gefunden werden kann. Kausalität besteht vielmehr nur für Taten, die der Beschaffung von Drogen zur Befriedigung der Sucht dienen sollten oder die der Täter ohne die Betäubungsmittelabhängigkeit nicht begangen hätte. Die bloße, wenn auch mit gewichtigen Anhaltspunkten begründete Vermutung, dass die Tat ihre Ursache in der Sucht hatte, reicht für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nicht aus. Die Drogensucht muss die Bedingung, nicht nur Begleiterscheinung der Straftat gewesen sein (vgl. Kammergericht Berlin, Beschluss vom 18.12.2007 - 1 VAs 79-80/07 - zitiert nach Juris; Weber a. a. O. § 35 Rn. 33 ff. m. w. N.; Körner a. a. O. § 35 Rn. 86 ff. m. w. N.).

Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Vollstreckungsbehörden sind zutreffend davon ausgegangen, dass weder den Feststellungen des verfahrensgegenständlichen Urteils noch sonstigen Tatsachen zu entnehmen ist, dass ein derartiger Ursachenzusammenhang zwischen einer Betäubungsmittelabhängigkeit des Antragstellers und den abgeurteilten Straftaten besteht. Zwar mag sich dem im Erkenntnisverfahren erstatteten Gutachten des Sachverständigen Dr. O. entnehmen lassen, dass bei dem Antragsteller ein behandlungsbedürftiger Hang zum übermäßigen Konsum psychoaktiver Substanzen besteht und er nach Einschätzung des Sachverständigen ohne entsprechend spezialisierte Suchttherapie nicht dauerhaft abstinent leben werde. Jedoch ist der Sachverständige in Bezug auf die dem Antragsteller vorgeworfenen Straftaten zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser trotz der vorliegenden Polytoxikomanie in der Lage gewesen sei, anders als vorgeworfen zu handeln.

Damit ist aber gerade kein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen (etwaiger) Betäubungsmittelabhängigkeit und Straftatbegehung belegt.

3. Nach alledem sind Ermessensfehler weder in der Entscheidung des Amtsgerichts S. noch in der Entscheidung der Antragsgegnerin ersichtlich, so dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit der Kostenfolge der §§ 30 Abs. 1 EGGVG, 130 Abs. 1 KostO zurückzuweisen war.

III.

Diese Entscheidung des Senats ist nicht weiter anfechtbar (§ 29 Abs. 1 S. 1 EGGVG).

Ende der Entscheidung

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