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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 10.02.2009
Aktenzeichen: 1 W 38/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 116
ZPO § 127
1. Kleingläubigern, die nur einen geringen Anteil an der Gesamtsumme der festgestellten Forderungen haben, ist die Beteiligung an den Prozesskosten in der Regel nicht zumutbar. Als Kleingläubiger sind diejenigen anzusehen, deren Anteil 5 % des Gesamtvolumens der festgestellten Forderungen nicht übersteigt.

2. Bei der Feststellung des Nutzens Beteiligung an den Kosten des Rechtsstreits ist es gerechtfertigt, einen Abschlag für das Prozessrisiko vorzunehmen. Gerade bei den Anfechtungsansprüchen ist das Prozessrisiko verhältnismäßig hoch anzusiedeln, weil es hierfür auf schwierig darzulegende tatsächliche Voraussetzung ankommen kann.

3. Dem Kostenanteil der jeweiligen Gläubiger ist deren Mehrerlös bei erfolgreicher Klage gegenüberzustellen.

4. Die Gläubigerstruktur und das Vorhandensein vieler Gläubiger können zur Unzumutbarkeit für den Insolvenzverwalter im Sinne des § 116 ZPO führen. Zumindest bei sechs Gläubigern ist die Grenze der Unzumutbarkeit noch nicht erreicht.


1 W 38/08

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch die Einzelrichterin am 10. Februar 2009 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 15. Mai 2008 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage, mit der er als Insolvenzverwalter der X-GmbH nach Insolvenzanfechtung von der Antragsgegnerin die Zahlung von 83.027,32 € verlangt.

Das Landgericht hat die begehrte Prozesskostenhilfe mit dem angegriffenen, am 21. Mai 2008 bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangenen Beschluss versagt mit der Begründung, den drei Großgläubigern der Schuldnerin sei die Aufbringung der Prozesskosten zumutbar, weil der zu erwartende Prozesserlös jeweils die anteiligen Prozesskosten deutlich überschreite und sich auch der den Antragsteller treffende Verwaltungsaufwand für die Einwerbung der Prozesskosten in Grenzen halte.

Dagegen richtet sich die am 30. Mai 2008 eingegangene Beschwerde des Antragstellers, mit der er im Wesentlichen geltend macht: Den Finanzbehörden sei eine Beteiligung an den Prozesskosten nicht zumutbar. Für die restlichen Gläubiger sei der nach der Rechtsprechung erforderliche Nutzen der Prozessführung nicht ausreichend groß; die erforderliche Quotenverbesserung von 40 - 50 % werde nicht erreicht. Kleingläubiger hätten außer Betracht zu bleiben.

Auf den Hinweis des Senats hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 3. Februar 2009, auf den verwiesen wird, weitere Angaben zu den nach der eingereichten Liste der Insolvenzanmeldungen vorläufig bestrittenen Forderungen gemacht und darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung einen unzumutbaren Koordinierungsaufwand teilweise schon bei 3 oder 5 Gläubigern annehme. Zudem seien bei einer Privatgläubigerin deren Vermögensverhältnisse nicht bekannt, so dass nicht klar sei, ob diese die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen könne. Könne diese Gläubigerin nicht herangezogen werden, so werde die Aufbringung der Kosten für die anderen Gläubiger erst recht unzumutbar.

II.

Die gemäß § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die begehrte Prozesskostenhilfe versagt.

Gemäß § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO erhält ein Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Aufbringung der Prozesskosten ist den wirtschaftlich Beteiligten zumutbar.

Unstreitig reicht die vorhandene Insolvenzmasse nicht aus, um die erforderlichen Kosten für die Prozessführung zu decken. Davon ist auch das Landgericht ausgegangen.

Zu Recht ist das Landgericht auch der Auffassung, dass den wirtschaftlich Beteiligten die Aufbringung der Kosten zumutbar ist. Vorschüsse von Prozesskosten sind solchen Beteiligten zuzumuten, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich deutlich größer sein wird als die verauslagten Gerichtskosten (BGH, NJW-Spezial 2009, 21; OLG Köln ZIP 2007, 1030 - Juris Rn. 5; MüKo-ZPO-Motzer, 2. Aufl., § 116 Rn. 15). Dabei ist die Zumutbarkeit durch eine wertende Abwägung aller Gesamtumstände zu ermitteln (BGH a.a.O. Rn. 15).

Kleingläubigern, die nur einen geringen Anteil an der Gesamtsumme der festgestellten Forderungen haben, ist die Beteiligung an den Prozesskosten in der Regel nicht zumutbar. Mit einer in der Rechtsprechung (OLG Hamm, ZIP, 147 - Juris Rn. 4) und Literatur (Zöller-Philippi, 27. Aufl., § 116 Rn. 7 a) vertretenen Ansicht sind als Kleingläubiger diejenigen anzusehen, deren Anteil 5 % des Gesamtvolumens der festgestellten Forderungen nicht übersteigt.

Nach dem im Beschwerdeverfahren aktualisierten Vortrag des Antragstellers beträgt die Gesamtsumme der festgestellten Forderungen 135.429,83 €. Als wirtschaftlich beteiligte Großgläubiger können daher nur diejenigen berücksichtigt werden, deren Forderungen den Betrag von 6.771,99 € übersteigt. Dabei handelt es sich um folgende Gläubiger:

- D. Bank (lfd. Nr. 13)

- D GmbH (lfd. Nr. 18-20)

- T. K. (lfd. Nr. 21)

- Finanzamt (lfd. Nr. 23)

- A.L. GmbH (lfd. Nr. 25)

- B. (lfd. Nr. 31-33)

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Finanzamt aus der Gruppe der wirtschaftlichen beteiligten Großgläubiger nicht auszunehmen. Mit der h. M. (OLG Hamm, a.a.O. - Juris Rn. 23; OLG Koblenz, OLGR 2006, 316; Stein/Jonas-Bork, 21. Aufl., § 116 Rn. 10; MüKo-ZPO-Motzer, § 116 Rn. 16) ist der Senat der Auffassung, dass eine Privilegierung der Finanzbehörden unter Geltung der neuen Insolvenzordnung nicht sachgerecht ist.

Dass einer der oben aufzählten Großgläubiger die Prozesskosten nicht unschwer aufbringen kann, hat der Antragsteller nicht ausreichend dargelegt. Er hat bezogen auf die Gläubigerin T. K. zwar Zweifel angemeldet, weil es sich um eine Privatperson handele, deren Vermögensverhältnisse dem Antragsteller nicht bekannt seien. Dieses Vorbringen ist indes unsubstantiiert und reicht nicht, um der beim Antragsteller liegenden Darlegungslast zu genügen.

Auch nach der zu erwartenden Insolvenzquote und dem absoluten Verhältnis von Nutzen und Kosten ist für diese genannten Großgläubiger die Kostenbeteiligung zumutbar.

Bei einem Erfolg der Klage würde sich die Insolvenzmasse um rd. 83.000 € erhöhen. Allerdings ist im Rahmen der Abwägung auch das Prozess- und Vollstreckungsrisiko zu berücksichtigen. Gerade bei den Anfechtungsansprüchen ist das Prozessrisiko verhältnismäßig hoch anzusiedeln, weil es hierfür auf schwierig darzulegende tatsächliche Voraussetzung ankommen kann (OLG Köln, ZIP 2007, 1030 - Juris Rn. 7). Ein Vollstreckungsrisiko ist dagegen hier nicht anzunehmen, weil bei der Antragsgegnerin als Sparkasse davon auszugehen ist, dass die Vollstreckung erfolgreich verlaufen wird. Der Senat hält daher einen Abschlag von 25 % von dem Klagbetrag für angemessen, so dass die unstreitige Masse von 16.477,65 € um 62.250 € (= 75 % von 83.000,-- €) auf 78.727,65 € anwachsen wird. Nach Abzug der Gerichtskosten und der Verwaltergebühren sowie der Masseverbindlichkeiten verbleiben gut 36.000 € zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger.

Dem stehen festgestellte Insolvenzforderungen in Höhe von rd. 135.000 € gegenüber. Die zu erwartende Insolvenzquote beträgt daher 26,75 %. Die vom Antragsteller angenommene Quote von knapp 24 % beruht darauf, dass er von höheren Verwalter- und Gerichtskosten ausgeht.

Für die weitere Betrachtung ist dem Kostenanteil der jeweiligen Gläubiger der Mehrerlös bei erfolgreicher Klage gegenüberzustellen. Mit dem Antragsteller geht der Senat von Kosten für das beabsichtigte Verfahren von 6.241,60 € aus. Das führt hier zu folgenden Feststellungen:

 lfd. Nr.Gläubiger (über 5 %)festgest. ForderungQuote f. KostenAnteil KostenErlös = 26,75 %
13D. Bank8.453,39 €7,7 %480,60 €2.261,28 €
18-20D. GmbH14.628,99 €13,2 %823,89 €3.913,25 €
21T. K.25.000,00 €22,6 %1.410,38 €6.687,50 €
23Finanzamt41.379,15 €37,5 %2.340,60 €11.068,92 €
25A. L. GmbH7.000,00 €6,3 %393,22 €1.872,50 €
31-33B.13.949,02 €12,6 %786,44 €3.731,36 €
      
 zusammen110.410,55 €99,9 % 

Wie dieser Aufstellung zu entnehmen ist, übersteigt der Mehrerlös die aufzuwendenden Kosten um mehr das Vierfache. Auch die absoluten Beträge, die den Gläubigern nach Abzug der Kosten verbleiben, sind nicht gering. Der zu erwartende Nutzen der beabsichtigten Klage ist daher für diese Gläubiger erheblich.

Gegen die Zumutbarkeit i.S.d. § 116 ZPO spricht auch nicht der Koordinierungsaufwand, mit dem die Eintreibung der Vorschüsse bei den sechs Gläubigern für den Antragsteller verbunden ist. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Gläubigerstruktur und das Vorhandensein vieler Gläubiger zur Unzumutbarkeit für den Insolvenzverwalter führen kann. Eine einheitliche Handhabung hat sich indes bislang nicht herausgebildet. In seiner Entscheidung vom 6. März 2006 hat der BGH (NJW-RR 2006, 1064) zwar ausgeführt, bereits bei fünf Gläubigern sei der Koordinierungsaufwand zu groß. Dem sind die Instanzgerichte bereits vorher, aber auch nachher zu Recht nicht gefolgt (AG Göttingen, NZI 1999, 506: Grenze bei 20 Gläubigern; OLG Düsseldorf ZIP 2002, 1208: 12 Gläubiger unproblematisch; OLG Koblenz OLGR 2006, 316: 15 Gläubiger noch zumutbar; OLG Schleswig, SchlAnz 2008, 25: 12 Gläubiger zumutbar). Zwar teilt der Senat die Auffassung des BGH, dass der Rechtsverfolgung des Insolvenzverwalters im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens grundsätzlich ein eigenständiges, schutzwürdiges Interesse beizumessen ist (BGH a.a.O.). Es ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass durch die Vermehrung der Insolvenzmasse auch die Vergütung des Insolvenzverwalters steigt. Dies stellt einen angemessenen Ausgleich für den erhöhten Koordinierungsaufwand dar. Zumindest bei sechs Gläubigern ist die Grenze der Unzumutbarkeit noch nicht erreicht.

Nach allem ist die Beschwerde daher unbegründet.



Ende der Entscheidung

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