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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 10.05.2001
Aktenzeichen: 1 W 6/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 269 III S. 2
Derjenige, der eine Klage zurücknimmt, trägt die Kosten, aus welchen Gründen er auch die Klage zurückgenommen haben mag.

SchlHOLG, 1. ZS, Beschluss vom 10. Mai 2001, - 1 W 6/01 -,


Beschluss

1 W 6/01 4 O 299/98 Landgericht Kiel

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Godbersen, den Richter am Oberlandesgericht Czauderna und die Richterin am Oberlandesgericht Hamann am 10. Mai 2001 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 20. Dezember 2000 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 12.000 DM.

Gründe

Die Klägerin hat mit der am 23. Dezember 1998 eingereichten Klage aus abgetretenem Recht Ansprüche aus einer Architekthaftpflichtversicherung gegen die beklagte Versicherungsgesellschaft geltend gemacht. Ihre Ansprüche hatten ihr die GmbH und deren Geschäftsführer, der Architekt , persönlich mit Erklärung vom 20. April 1998 (Bl. 28 d. A.) abgetreten. Nach längerem Verfahren, in dem sich die Beklagte mit verschiedenen Gründen gegen die Ansprüche verteidigt hatte, hat sie mit Schriftsatz vom 5. September 2000 (Bl. 202 d. A.) geltend gemacht, dass schon die erste Prämie des Versicherungsvertrages nicht gezahlt worden sei, so dass auch deshalb schon kein Versicherungsschutz bestehe. Das habe sie leider erst jetzt festgestellt. Die Klägerin hat daraufhin die Klage mit Zustimmung der Beklagten zurück genommen. Die Parteien haben wechselseitige Kostenanträge gestellt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Kosten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO der Klägerin auferlegt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin mit dem Antrag, in Änderung des Beschlusses der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Bei Rücknahme einer Klage sind die Kosten nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO grundsätzlich und ohne Rücksicht auf die Gründe der Klagrücknahme dem Kläger aufzuerlegen. Ausnahmen gelten nach dieser Vorschrift nur, soweit über die Kosten bereits rechtskräftig erkannt ist oder sie "dem Beklagten aufzuerlegen sind". Dieser letzte Halbsatz ist durch das Kindesunterhaltsgesetz vom 6. April 1998 (BGBl. I S. 666) eingefügt worden. Er bezieht sich auf die ausdrückliche gesetzliche Ausnahme von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, die durch das Kindesunterhaltsgesetz in § 93 d ZPO für die Kostenverteilung bei Rücknahme von Unterhaltsklagen eingeführt worden ist. (vgl. Bundestagsdrucksache 13/7338 S. 33). In diesem Fall kann bei der Kostenentscheidung nach Rücknahme der Klage ausnahmsweise zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, dass der Gegner zum Verfahren durch Unterlassung von Auskünften oder durch unvollständige Angaben Anlass gegeben hat. Eine ähnliche Regelung gibt es für die Rücknahme von Scheidungsanträgen in § 626 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Daraus folgt, dass diese Ausnahmeregelungen nicht entsprechend auf alle Fälle der Klagrücknahme ausgedehnt werden dürfen.

Es wird zwar die Ansicht vertreten, dass abweichend von § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO in entsprechender "reziproker" Anwendung von § 93 ZPO den Beklagten die Kosten auferlegt werden könnten, wenn er zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hatte, die Klage aber noch vor Rechtshängigkeit z. B. durch Erfüllung oder auf andere Weise unbegründet geworden ist (Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 269 RdNr. 15; Haubelt, ZZP Bd. 89 S. 192, 195; Weber, DRiZ 1979, S. 245).

Abgesehen davon, dass ein solcher Fall hier nicht vorgelegen hat, worauf das Landgericht im angefochtenen Beschluss zutreffend hingewiesen hat, kommt bei der Klagrücknahme eine entsprechende Anwendung von § 93 ZPO aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nimmt auf die Gründe, die den Kläger zur Rücknahme bewegen, keine Rücksicht. Wenn aber jede formelle und sachliche Prüfung der Klage im Falle des § 269 ZPO ausgeschlossen ist, muss das erst recht hinsichtlich der Frage gelten, ob der Beklagte möglicherweise durch sein Verhalten Anlass zur Erhebung eine unzulässigen oder unbegründeten Klage gegeben hat (OLG Karlsruhe MDR 1994, 1245; OLG Köln FamRZ 1986, 278; Zöller/Greger, ZPO; 22. Aufl., § 269 RdNr. 18; Münchner-Kommentar/Betz, ZPO, § 93 RdNr. 4; Baumbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 93 RdNr. 10; Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 269 RdNr. 72).

Auch wenn das im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen kann, so hat der Gesetzgeber schon frühere Vorschläge zur Änderung des § 269 ZPO (vgl. Weber, DRiZ 1979, 245 f.) nicht aufgegriffen und erneut durch die Vorschriften der §§ 93 d und 626 Abs. 1 ZPO deutlich gemacht, dass der strenge Grundsatz des § 269 Abs. 3 Satz 2 nur in wenigen ausdrücklich geregelten Fällen durchbrochen werden soll.

Es liegt daher keine ungewollte gesetzliche Lücke vor, die durch eine analoge Anwendung von § 93 ZPO geschlossen werden dürfte.

Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 97 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Der Beschwerdewert bemisst sich nach den bislang entstandenen Kosten des Rechtsstreits (§ 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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