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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: 11 U 15/06
Rechtsgebiete: BeurkG, BNotO


Vorschriften:

BeurkG § 17
BNotO § 19
1. Bei der Beurkundung einer Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH durch Umwandlung von Gesellschafterdarlehn in Stammkapital hat der Notar besondere Belehrungspflichten.

2. Er darf sich nicht darauf verlassen, dass die erforderlichen Belehrungen von dritter Seite erfolgt sind, sondern hat zu prüfen, ob die Gesellschafter solche Belehrungen auch richtig verstanden haben.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 15/06

verkündet am: 7. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2006 durch für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 23. Dezember 2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Feststellungsausspruch folgende Fassung erhält:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte auch den weiteren Schaden zu ersetzen hat, der den Gesellschaftern A., B. und C. wegen der unterbliebenen Belehrung in der Verhandlung am 10. Juli 1996 (Urkunde Nr. 290 der UR des Jahres 1996) entstanden ist.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 293.977,13 €.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Fa. A. & Partner GmbH. Er nimmt den beklagten Notar auf Schadensersatz aus abgetretenem Recht in Anspruch. Nach den in der Akte befindlichen Abtretungsvereinbarungen (Bl. 39 - 44 d.A.) haben die Gesellschafter A., B. und C. ihre Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen einer fehlerhaften Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Stammkapital der GmbH abgetreten. Den entsprechenden Kapitalerhöhungs- und Umwandlungsbeschluss der Gesellschafter beurkundete der Beklagte am 10.07.1996 und meldete die Kapitalerhöhung zum Handelsregister an, so dass die entsprechende Eintragung am 22.07.1996 erfolgte. Wegen der Unterkapitalisierung der GmbH sehen die Gesellschafter sich einer Nachschusspflicht ausgesetzt, die nach ihrer Auffassung bei ordnungsgemäßer Belehrung durch den beklagten Notar nicht entstanden wäre, weil der Kapitalerhöhungsbeschluss dann unterblieben wäre.

Der Kläger begehrt weiterhin die Freistellung von Kosten, die in dem gegen den Steuerberater D. geführten Vorprozess entstanden sind. Zusätzlich nimmt der Kläger den Beklagten auf Feststellung der Pflicht zum Ersatz des weitergehenden Schadens in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Es ist zur Auffassung gelangt, dem Beklagten sei ein Verstoß gegen die notarielle Aufklärungspflicht anzulasten. Die vom Beklagten behauptete Vorkenntnis der Gesellschafter über die Tragweite ihres Kapitalerhöhungsbeschlusses sei nicht bewiesen worden. Die fehlende Belehrung der Gesellschafter habe den ihnen entstandenen Schaden verursacht. Den Gesellschaftern stehe weder eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zur Verfügung noch sei ihnen der Vorwurf des Mitverschuldens zu machen. Sie hätten die Einlegung eines Rechtsbehelfs nicht versäumt, weil eine Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht möglich gewesen sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das vom Beklagten mit der Berufung angefochtene Urteil des Landgerichts verwiesen.

Der Beklagte vertritt mit der Berufung weiterhin die Auffassung, eine Aufklärung der Gesellschafter durch ihn sei anlässlich des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht notwendig gewesen, weil die Gesellschafter aufgrund der Beratung durch die beteiligten Banken, den Steuerberater D. und den Rechtsanwalt E. ausreichende Kenntnis über die Auswirkungen eines Kapitalerhöhungsbeschlusses unter Verrechnung von Gesellschafterdarlehen mit der gezeichneten erhöhten Stammeinlage gehabt hätten. Die Gesellschafter hätten ihn trotz Kenntnis der finanziellen Situation der GmbH über diese nicht unterrichtet. Vielmehr hätten sie ihm gegenüber unrichtige Erklärungen über die finanzielle Situation der GmbH abgegeben. Eine etwaige Pflichtverletzung habe sich auf den fraglichen Schaden nicht ursächlich ausgewirkt, weil die Gesellschafter eine positive Entwicklung der GmbH erwartet hätten und Kaufinteressenten für GmbH-Anteile vorhanden gewesen seien, so dass die Kapitalerhöhung auf jeden Fall beurkundet worden wäre. Insoweit habe er lediglich den von den Beteiligten ernsthaft gewollten Willen beurkundet. Den Gesellschaftern hätten die im ersten Rechtszug behaupteten anderweitigen Ersatzmöglichkeiten zugestanden. Ihnen sei weiterhin ein Mitverschulden vorzuwerfen. Der Feststellungsausspruch sei zu weit gefasst. Wegen der nicht bezifferten Ansprüche sei die Einrede der Verjährung erhoben worden.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen des weitergehenden Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die von ihnen im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

1. Der Kläger nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch, weil er ihm vorwirft, der Beklagte habe gegenüber den Beteiligten der Beurkundung des Gesellschafterbeschlusses vom 10.07.1996 seine Pflichten aus § 17 BeurkG verletzt, weil er weder den Sachverhalt ausreichend ermittelt noch die Beteiligten über die Auswirkungen der Umwandlung eines Gesellschafterdarlehens in eine Stammeinlage belehrt habe.

Der Beklagte ist bei der Beurkundung des Gesellschafterbeschlusses vom 10.07.1996 und bei dem ihm obliegenden Vollzug dieser Urkunde als Notar tätig geworden, so dass alleinige Anspruchsgrundlage für etwaige Schadensersatzansprüche die §§ 19 BNotO, 839 BGB sind. Nach diesen Bestimmungen kann vom Notar Schadensersatz verlangt werden, wenn er eine gegenüber einem Beteiligten bestehende Amtspflicht verletzt und ihn dadurch schuldhaft geschädigt hat, sofern keine Haftungsausschließungsgründe eingreifen. Geschützte Dritte, denen gegenüber der Beklagte Amtspflichten zu erfüllen hatte, waren die Urkundsbeteiligten A., B. und C.. Diese drei Urkundsbeteiligten haben ihre gegen den Beklagten gerichteten Schadensersatzansprüche an den Kläger abgetreten, so dass der Kläger aktivlegitimiert ist.

2. Das Landgericht hat entgegen der Auffassung der Berufung zu Recht entschieden, dass der Beklagte seine Pflicht zur Aufklärung des der Beurkundung zugrunde liegenden Sachverhalts und zur Belehrung der Urkundsbeteiligten zumindest fahrlässig verletzt hat.

Nach § 17 BeurkG soll der Notar den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Dabei soll er darauf achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden. Bestehen Zweifel, ob das Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, muss der Notar Bedenken mit den Beteiligten erörtern. Diese Amtspflicht soll gewährleisten, dass der Notar eine rechtswirksame Urkunde errichtet, die dem wahren Willen der Beteiligten entspricht.

Der Notar kann den Willen der Beteiligten nur dann rechtlich zutreffend erfassen und in die passende Form kleiden, wenn er den zugrunde liegenden Sachverhalt kennt. Deshalb muss er den Tatsachenkern des zu beurkundenden Geschäfts aufklären. Er hat ihm vorgelegte Unterlagen zu prüfen, soweit diese für den zu beurkundenden Vertrag von Bedeutung sind. Dies gilt auch für die Prüfungs- und Belehrungspflicht des § 17 BeurkG, weil diese nur bei Kenntnis des Sachverhalts ordnungsgemäß erfüllt werden kann. Eine regelungsbedürftige Frage muss der Notar auch ungefragt ansprechen, dazu den Willen der Parteien in Erfahrung bringen, die notwendigen Belehrungen erteilen und bei Bedarf entsprechende Regelungen vorschlagen. Der Notar darf nicht erwarten, dass die Beteiligten diese Fragen selbst erkennen und zur Erörterung stellen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Notar verpflichtet ist, "ins Blaue hinein" ohne Rücksicht auf ein schutzwürdiges Interesse der Beteiligten zu belehren. Die Belehrungspflicht des Notars erstreckt sich insbesondere auf Umstände, die geeignet sind, das erstrebte Ziel zu gefährden. Auf die Richtigkeit tatsächlicher Angaben der Beteiligten darf der Notar grundsätzlich vertrauen. Soweit die Beteiligten aber Rechtsverhältnisse schildern, kann der Notar sich nicht darauf verlassen, dass die Äußerungen rechtsunkundiger Personen die Rechtsverhältnisse zuverlässig wiedergeben (BGH NJW 1991, 1346, 1347; 1993, 2744, 2745; 1995, 330, 331; 1996, 520, 521 und 524, 525).

Wenn eine GmbH, der die Gesellschafter bereits Darlehen gewährt haben, in finanzielle Schwierigkeiten gerät, wird häufig der Versuch unternommen, die finanzielle Situation der GmbH dadurch zu verbessern, dass Gesellschafterdarlehen in haftendes Stammkapital umgewandelt werden. Die Umwandlung von Gesellschafterdarlehen in Stammkapital führt bei einer überschuldeten GmbH zu einer Nachzahlungspflicht der Gesellschafter bis zur Höhe der übernommenen neuen Stammeinlage, wenn die übernommene Stammeinlage aufgrund der Überschuldung der GmbH nicht vollwertig ist. Diese Rechtslage hat das Landgericht auf Seite 11 des angefochtenen Urteils zutreffend dargestellt.

Wenn die Gesellschafter einer GmbH einen Kapitalerhöhungsbeschluss fassen und Gesellschafterdarlehen in Stammeinlagen umwandeln wollen, besteht im Regelfall für den Notar Anlass, die Vollwertigkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs zu klären und die Beteiligten darüber zu belehren, dass bei einer unterkapitalisierten GmbH eine Nachschusspflicht wegen der übernommenen neuen Stammeinlage auf die Gesellschafter zukommen kann (BGH NJW 1996, 524, 525; OLG Düsseldorf NJW 1995, 1761). Der Beklagte stellt nicht in Abrede, dass den Notar eine entsprechende Aufklärungs- und Belehrungspflicht treffen kann. Er wendet lediglich ein, dass im konkreten Fall keine Belehrungspflicht bestanden habe, weil die Gesellschafter aufgrund vorangegangener Beratungen durch beteiligte Banken, durch ihren Steuerberater sowie durch ihren Rechtsanwalt ausreichend über die Rechtslage in Kenntnis gesetzt worden seien.

Zu den Amtspflichten des Notars gehört es, dass er sich darüber vergewissert, ob die Beteiligten bestimmte Regelungen bewusst oder in Unkenntnis der Rechtslage getroffen haben (BGH NJW 1994, 2283). Allerdings braucht der Notar nicht die wirtschaftlichen Überlegungen, die einem Vertragsschluss zugrunde liegen, zu erforschen (BGH NJW 1991, 1346, 1347). Die Belehrungspflicht entfällt lediglich dann, wenn der Notar sich zuverlässig davon überzeugt hat, dass die Beteiligten sich über die rechtliche Tragweite ihrer Erklärungen und das damit verbundene Risiko vollständig im Klaren sind. Für die Voraussetzungen des Entfallens der notariellen Belehrungspflicht ist der Notar beweispflichtig, weil es sich um eine Ausnahme der gesetzlich geregelten Belehrungspflicht handelt (BGH NJW 1995, 330, 331; 1996, 522, 523).

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte die Beteiligten anlässlich der Beurkundung des Kapitalerhöhungsbeschlusses über das Risiko der Nachschusspflicht bei Umwandlung eines nicht vollwertigen Gesellschafterdarlehens nicht belehrt hat. Der Beklagte hat deshalb den Beweis der fehlenden Belehrungsbedürftigkeit der Beteiligten zu führen.

Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte den Beweis einer fehlenden Belehrungsbedürftigkeit der Beteiligten nicht geführt hat, so dass der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweiserhebung gebunden ist. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen begründen, sind nicht vorhanden.

Die Zeugin F., die als Bankkauffrau mit der Finanzierung der in Schwierigkeiten geratenen GmbH befasst war, konnte sich nicht daran erinnern, ob über die Werthaltigkeit eingebrachter Darlehen und eine mögliche Nachschusspflicht gesprochen wurde. Auch der von der Zeugin gefertigte Besprechungsvermerk der G-bank vom 30.07.1996 (Bl. 336 - 338 d.A.) lässt nicht darauf schließen, dass die Rechtsfolgen der Umwandlung eines nicht werthaltigen Gesellschafterdarlehens in eine Stammeinlage Gegenstand der Besprechung war. Nach diesem Besprechungsvermerk wurde die wirtschaftliche Situation der GmbH erörtert. Hierzu gehörte auch die Tilgung von Gesellschafterdarlehen des ausgeschiedenen Gesellschafters H.. Nach Seite 2 dieses Vermerks (Bl. 337 d.A.) wurde lediglich ein Modell "angedacht", das nicht einmal die am 10.07.1996 beurkundete Kapitalerhöhung betraf. Auch wegen dieser Kapitalerhöhung fehlt eine Belehrung über die Umwandlung eines nicht vollwertigen Gesellschafterdarlehens in Haftungskapital.

Auch die seinerzeitige Gesellschafterin A. hat in ihrer Zeugenvernehmung bestätigt, über die Nachschusspflicht nicht belehrt worden zu sein. Nach dem Beweisbeschluss des Landgerichts vom 27.08.2004 ist die Zeugin A. darüber vernommen worden, ob sie am 20.06.1996 bei den Verhandlungen mit der Bürgschaftsbank über die Folge der Nachschusspflicht bei nicht gegebener Werthaltigkeit der eingebrachten Darlehensforderungen unterrichtet worden sei. Diese Frage hat die Zeugin verneint und zusätzlich darauf hingewiesen, dass sie bei einer derartigen Belehrung Konkurs angemeldet hätte.

Im Vorprozess 5 U 83/00 hat der 5. Zivilsenat aufgrund einer Beweisaufnahme durch Urteil vom 20.09.2001 ausgeführt, es sei nicht bewiesen, dass der Steuerberater D. den Umwandlungsbeschluss veranlasst habe. Es ist demzufolge anzunehmen, dass der Steuerberater D. die Gesellschafter über die Rechtsfolgen der Umwandlung von Darlehen in Stammkapital nicht belehrt hat. Dieses Urteil ist rechtskräftig geworden, denn der Beklagte, dem im Vorprozess der Streit verkündet worden war, hat trotz der ihm vom Kläger mit Schreiben vom 09.10.2001 mitgeteilten Möglichkeit, gegen das Urteil des 5. Zivilsenats Revision einlegen zu können, hiervon keinen Gebrauch gemacht. Deshalb ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Beklagte, dem das Urteil des Vorprozesses übersandt worden war, keine Erfolgsaussichten für die Einlegung der Revision annahm und somit auch bereit war, das Ergebnis der Beweisaufnahme hinzunehmen.

Der ebenfalls vom Landgericht vernommene Zeuge E. hat bekundet, er sei im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung vom 10.07.1996 nicht befasst gewesen und habe deshalb auch nicht über die Nachschusspflicht belehrt. Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage ergeben sich nicht aus dem vom Zeugen E. angefertigten Schaubild (Bl. 121 d.A.), denn dort werden lediglich Darlehens- und Vermögensverhältnisse dargestellt. Ein konkreter Bezug zu einer beabsichtigten Kapitalerhöhung geht aus dem Schaubild nicht hervor.

3. Das Landgericht hat weiterhin zutreffend ausgeführt, dass die Pflichtverletzung des Beklagten für den eingetretenen Schaden der Gesellschafter ursächlich geworden ist.

Ob die Ursächlichkeit zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden besteht, richtet sich danach, welchen Verlauf die Dinge bei ordnungsgemäßer Erfüllung der notariellen Amtspflichten genommen hätten. Wenn ein Gesellschafter, der eine nicht werthaltige Darlehensforderung in eine Stammeinlage umwandeln will, nicht in der Lage oder willens ist, einer Pflicht zur Nachentrichtung der übernommenen Stammeinlage nachzukommen, spricht dies dafür, dass ein Kapitalerhöhungsbeschluss bei Kenntnis der Nachschusspflicht nicht getroffen worden wäre (BGH NJW 1996, 524, 525). Die Abtretungen der Regressforderungen der Gesellschafter wegen fehlender Zahlungsfähigkeit zeigen deutlich, dass die Gesellschafter mangels eigener finanzieller Mittel an einem Kapitalerhöhungsbeschluss nicht mitgewirkt hätten. Dies wird auch durch die Aussage der Zeugin A. bestätigt, wonach sie in Kenntnis der Nachschusspflicht einen Konkursantrag für die GmbH gestellt hätte. Es ist deshalb unerheblich, ob eine positive Entwicklung der GmbH erwartet wurde oder mögliche Kaufinteressenten vorhanden waren, denn diese ungewissen Aussichten hätten die Zeugin A. von der Stellung eines Konkursantrages angesichts der hohen Überschuldung der GmbH nicht abhalten können, zumal die Zeugin A. sich als Geschäftsführerin hätte schadensersatzpflichtig machen können, wenn sie den Konkursantrag trotz Konkursreife nicht gestellt hätte. Unter diesen Umständen bestehen keine Zweifel daran, dass der Kapitalerhöhungsbeschluss bei ordnungsgemäßer Belehrung unterblieben wäre.

4. Der Schaden der Zedenten besteht darin, dass sie infolge der unzureichenden Belehrung über die Unzulässigkeit der Aufrechnung einer nicht werthaltigen Darlehensforderung gegen den Anspruch auf Einzahlung der erhöhten Stammeinlage mit einer Nachschusspflicht belastet wurden. Bei ordnungsgemäßer Belehrung wäre die Kapitalerhöhung unterblieben und das Vermögen der Zedenten nicht mit dieser Forderung belastet worden. Bei einem sofortigen Konkursantrag wäre diese Forderung nicht entstanden.

Das Landgericht hat die Schadensersatzforderung um eine voraussichtliche Konkursquote gekürzt. Ob dies zulässig war oder wegen der Regelung des § 32 a GmbHG das Darlehen ohnehin wie Haftkapital hätte behandelt werden müssen, kann offen bleiben. Bei der voraussichtlichen Konkursquote handelt es sich um eine im Rahmen der Vorteilsanrechnung zu berücksichtigende Vermögensposition, für die der Beklagte beweispflichtig ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Konkursquote höher als vom Landgericht angenommen ausfallen würde. Bei einer niedrigeren oder gänzlich entfallenden Konkursquote ist der Kläger durch den Feststellungsantrag geschützt. Im Hinblick auf die teilweise Klageabweisung ist das Feststellungsinteresse gegeben, weil die Entstehung eines künftigen Schadens möglich ist.

5. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit gegen die beteiligten Banken besteht entgegen der Auffassung der Berufung nicht, weil die Banken nicht verpflichtet waren, die Gesellschafter über die Gestaltung der Kapitalerhöhung zu beraten. Dies war allein Aufgabe des Beklagten. Die Beweisaufnahme hat auch nicht ergeben, dass die Banken einen unrichtigen Rat gegeben hätten, für den sie, auch wenn keine Beratungspflicht bestand, hätten haften können.

Auch der Steuerberater D. war weder zur gesellschaftsrechtlichen Beratung verpflichtet noch hat er insoweit unrichtig beraten. Dies hat die Beweisaufnahme des Vorprozesses, in dem dem Beklagten der Streit verkündet wurde, ergeben.

Gegen Rechtsanwalt bestand ebenfalls kein Schadensersatzanspruch, weil die Beratung über die geplante Kapitalerhöhung nicht Gegenstand seines Mandats war und auch kein Anlass bestand, die Zedenten über die geplante Kapitalerhöhung zu beraten. Im Rahmen des ihm erteilten Mandats musste Rechtsanwalt E. nicht damit rechnen, dass die Zedenten sich in Unkenntnis der Rechtsfolgen der Umwandlung eines Gesellschafterdarlehens in eine Stammeinlage Schaden zufügen könnten.

Gegenüber der Geschäftsführerin A. bestand kein Schadensersatzanspruch wegen eines verspäteten Konkursantrags oder wegen unrichtiger Angaben im Kapitalerhöhungsbeschluss und der darauf folgenden Registeranmeldung. Die von ihr abgegebenen Erklärungen beruhten darauf, dass der Beklagte ihr die verwendeten Rechtsbegriffe nicht ausreichend erklärt hatte und demzufolge die tatsächlich nicht gewollten Erklärungen abgegeben wurden, die in die vom Beklagten entworfenen Urkunden aufgenommen wurden. Hinzu kommt, dass der Beklagte auch gegenüber der Geschäftsführerin A. seine Aufklärungspflicht verletzt und sich ihr gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht hat. Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit scheidet aus, wenn der Notar einen Geschädigten darauf verweist, gegen einen anderen Urkundsbeteiligten Schadensersatzansprüche geltend zu machen und der Notar in diesem Fall dem anderen Urkundsbeteiligten gegenüber schadensersatzpflichtig wäre (BGH NJW-RR 2004, 1704, 1705).

6. Die Schadensersatzforderung ist nicht gemäß § 254 BGB wegen eines mitwirkenden Verschuldens der Zedenten zu kürzen.

Die Belehrung des Notars über die Folgen der Einbringung einer nicht werthaltigen Darlehensforderung in einen Kapitalerhöhungsbeschluss gehört zu den Aufklärungspflichten des Notars, die wegen der Unkenntnis der Urkundsbeteiligten über die rechtlichen Zusammenhänge einer derartigen Kapitalerhöhung erforderlich ist. Wenn Urkundsbeteiligte infolge einer unterbliebenen Belehrung die Rechtsverhältnisse nicht zutreffend darstellen können, kann ihnen dies nicht als Mitverschulden angerechnet werden.

Ein Mitverschulden besteht auch nicht darin, dass die Zedenten es unterlassen haben, ihren Kapitalerhöhungsbeschluss anzufechten und die Handelsregistereintragung zu verhindern. Es ist nicht ersichtlich, dass den Beteiligten in der kurzen Zeit zwischen dem Kapitalerhöhungsbeschluss am 10.07.1996 und der Eintragung im Handelsregister am 22.07.1996 die rechtlichen Zusammenhänge bekannt geworden sind. Sollte in diesen unterbliebenen Handlungen ein Rechtsbehelf im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB gesehen werden, führt dies aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht zum Haftungsausschluss.

7. Der Beklagte hat sich wegen der Schäden, die Gegenstand des hilfsweisen Feststellungsantrags sind, auf die Einrede der Verjährung berufen. Die Einrede der Verjährung greift nicht durch, weil die Klageschrift rechtzeitig eingereicht wurde und der Kläger den hilfsweise geltend gemachten Feststellungsantrag lediglich auf bereits bezifferte Schadensersatzansprüche beschränkt hat, so dass keine Änderung des Streitgegenstands eintrat. Soweit lediglich einzelne Schadenspositionen im Rahmen eines einheitlichen Schadensersatzanspruchs ausgetauscht werden, ist dies für die Verjährungsunterbrechung unschädlich.

8. Der Einwand der Berufung, dass der auf Seite 8 des angefochtenen Urteils wiedergegebene hilfsweise gestellte Feststellungsantrag vom Wortlaut des Tenors abweicht, ist begründet. Das Landgericht wollte im Rahmen des Hilfsantrags die noch im weiteren Verlauf des Konkursverfahrens sich ergebenden Schäden erfassen. Soweit der Urteilstenor über den Hilfsantrag (Bl. 321 d.A.) möglicherweise hinausgeht, liegt lediglich eine sprachliche Abweichung vor. Diese Abweichung kann durch eine Berichtigung des Urteilstenors nach § 319 ZPO richtig gestellt werden. Für die Urteilsberichtigung nach § 319 ZPO ist auch das Berufungsgericht während des laufenden Berufungsverfahrens zuständig (Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., Rz. 22 zu § 319). Die im Urteilstenor vorhandene und im Feststellungsantrag fehlende Angabe der UR-Nr. hat der Senat bei der Richtigstellung des Feststellungsantrags beibehalten, weil dies der Kennzeichnung des Feststellungsanspruchs dienlich ist.

9. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO, 63 Abs. 2 GKG. Die Festsetzung des Streitwerts entspricht dem unbeanstandet gebliebenen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzungsbeschluss.

Ein Anlass zur Zulassung der Revision ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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