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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 10.05.2002
Aktenzeichen: 11 U 212/00
Rechtsgebiete: BRAO, BGB


Vorschriften:

BRAO § 51 b
BGB § 215 II
BGB § 222
Zur Frage der Pflichten eines mit der Prüfung von Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens beauftragten Anwalts, zur Frage der Kausalität der Pflichtverletzung für den späteren Schaden und zur Frage der Verjährung von Schadensersatzansprüchen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 212/2000

Verkündet am: 10. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17. Oktober 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

1.) Der Kläger führte gegen den Beklagten W. einen Zahlungsprozess beim Landgericht S, mit dem er Ansprüche aus Steuerberatertätigkeit und aus Erstattung von Personal- und Sachkosten aufgrund einer Bürogemeinschaft mit dem Beklagten W. geltend machte. Das Landgericht S wies die Klage durch Urteil vom 13. Juni 1995 - 23 O 149/95 - ab, weil der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung der Steuerberatervergütung nicht hinreichend substantiiert habe. Der Behauptung des Klägers über die vereinbarte Kostenerstattung fehle die nötige Substanz, so dass eine Zeugenvernehmung auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufe.

Der Kläger hat den beklagten Anwalt innerhalb der bis zum 28. August 1995 laufenden Berufungsfrist beauftragt, anhand des dem Beklagten übersandten Urteils die Erfolgsaussichten der Berufung und die Berechtigung einer Schadensersatzforderung gegen den erstinstanzlichen Anwalt zu überprüfen. Daraufhin wandte der Beklagte sich mit Schreiben vom 22. August 1995 an Rechtsanwalt R., den erstinstanzlichen Prozessanwalt des Klägers. Diesem warf der Beklagte vor, den Vorprozess durch grob fehlerhafte Prozessführung verloren zu haben. Wegen des unzureichenden Prozessvortrags als Ursache für den ungünstigen Prozessausgang machte der Beklagte für den Kläger Schadensersatzansprüche geltend. Zugleich wies er daraufhin, dass der Kläger keine Berufung einlegen werde, weil diese wegen der Bestimmung des § 528 ZPO kaum erfolgversprechend sei. Rechtsanwalt R. möge aber von sich aus prüfen, ob und inwieweit er eine Berufung für sinnvoll halte.

Rechtsanwalt R. reagierte auf das Schreiben vom 22. August 1995 nicht und legte keine Berufung ein. Deshalb nahm der Kläger Rechtsanwalt R. im Rechtsstreit 23 O 337/96 LG S auf Schadensersatz in Anspruch. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme verurteilte das Landgericht S Rechtsanwalt R. durch Urteil vom 27. Mai 1997 zur Zahlung von 14.204,10 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 09. September 1995. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte überwiegend Erfolg. Das OLG N wies durch Urteil vom 20. November 1997 - 4 U 1043/97 - die Klage bis auf einen Betrag von 790,95 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 09. September 1995 ab. Das OLG N vermisste einen konkreten Vortrag des Klägers, welche genauen Sachinformationen er Rechtsanwalt R. erteilt habe und wie diese Informationen schriftsätzlich verwertet worden seien. Eine Stellungnahme zu den Erfolgsaussichten der Berufung sei von Rechtsanwalt R. nach Erhalt des Schreibens des Beklagten vom 22. August 1995 nicht mehr zu erwarten gewesen.

Der Kläger nimmt den Beklagten, dem er im beim OLG N anhängigen Berufungsprozess den Streit verkündet hat, auf Schadensersatz wegen der abgewiesenen Ansprüche nebst Zinsen und auf Erstattung der Prozesskosten in Anspruch. Er wirft dem Beklagten vor, ihn unrichtig über die Aussichten einer Berufung beraten und Rechtsanwalt R. durch Schreiben vom 22. August 1995 veranlasst zu haben, dass dieser keine Berufung einlegte.

Zwischen den Parteien hat unstreitig ein Anwaltsvertrag bestanden. Wird ein Anwaltsvertrag vom Anwalt schlecht erfüllt und dadurch der Mandant geschädigt, kann eine Schadensersatzforderung aufgrund positiver Forderungsverletzung begründet sein.

2.) Der Kläger hat den Beklagten während des Laufs der Berufungsfrist des Urteils des Landgerichts S vom 13. Juni 1995 beauftragt, die Erfolgsaussichten einer Berufung und darüber hinaus etwaige Schadensersatzforderungen gegen Rechtsanwalt R. zu überprüfen. Beiden Parteien war bekannt, dass dem Beklagten die Gerichtsakte des Vorprozesses nicht zur Verfügung stand, sondern er innerhalb der kurzen noch zur Verfügung stehenden Zeit der Berufungsfrist seine Prüfungsaufgaben wahrnehmen sollte. Diese äußeren Bedingungen grenzten zwar die Erkenntnismöglichkeiten des Beklagten ein, machten aber dennoch eine gründliche Auseinandersetzung mit der rechtlichen Beurteilung des Urteils des Landgerichts S und möglichen Erfolgsaussichten erforderlich.

Der um eine Beratung ersuchte Rechtsanwalt ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH zu einer umfassenden und erschöpfenden Belehrung des Mandanten verpflichtet, solange der Mandant die Beratung nicht eindeutig auf bestimmte Teilbereiche beschränkt. Der Anwalt muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt daraufhin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Mandanten erstrebten Erfolg herbeizuführen. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel führen können, und Nachteile für den Mandanten zu verhindern, soweit sie voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Mandanten den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit dem Mandanten erörtern. Er muss den Mandanten nicht nur über das Vorhandensein, sondern auch über das ungefähre, in etwa abschätzbare Ausmaß des Risikos unterrichten, weil der Mandant in der Regel nur aufgrund einer Einschätzung auch des Risikoumfangs über sein weiteres Vorgehen entscheiden kann (BGH NJW 1993, 1779, 1780; 1995, 449, 450; 1996, 2648, 2649; 1998, 2048, 2050, j. m. w. N.).

Dieser Verpflichtung ist der Beklagte nicht gerecht geworden.

Der Beklagte hat von einer Berufung abgeraten, weil er eine Ergänzung des Vortrags aufgrund der Präklusionsvorschriften des § 528 ZPO nicht für erfolgversprechend hielt. Diese Beurteilung war fehlerhaft. Soweit der Vortrag zur Begründung der geltend gemachten Ansprüche ergänzungsbedürftig war, hätte sich die Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 528 Abs. 1 oder 2 ZPO gerichtet, denn die Anwendung der schärferen Bestimmung des § 528 Abs. 3 ZPO hätte vorausgesetzt, dass bereits das Landgericht den Vortrag des Klägers wegen Verspätung zurückgewiesen hätte. Dies war hier aber nicht geschehen, sondern das Landgericht hielt den Vortrag des Klägers für unsubstantiiert und so ungenau, dass er auf einen Ausforschungsbeweis hinausliefe. Eine Zulassungsbeschränkung nach § 528 Abs. 1 oder 2 ZPO hätte voraussichtlich nicht zur Zurückweisung eines neuen Vortrags geführt, weil der zusätzliche, zur Substantiierung erforderliche Vortrag bereits in der Berufungsbegründung hätte enthalten sein müssen und das Berufungsgericht aufgrund der prozessualen Sorgfalts- und Förderungspflicht gehalten gewesen wäre, durch geeignete Maßnahmen einer Verzögerung entgegen zu wirken (Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., Rz. 18 zu § 528). Da es ohne Weiteres möglich war, einen Anspruch auf Zahlung einer Steuerberatervergütung und auf anteilige Erstattung gemeinschaftlicher Kosten zu substantiieren, hätte das OLG N prozessleitend die vom Kläger benannten Zeugen sowie etwaige Zeugen des Vorprozessbeklagten laden können. Demzufolge wäre die für eine Präklusion erforderliche Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits vermieden worden.

Der Beklagte hätte, da die Berufung Erfolgsaussichten besaß, dem Kläger empfehlen müssen, rechtzeitig einen beim OLG N zugelassenen Anwalt mit der Einlegung der Berufung zu beauftragen. Im Rahmen der Berufung hätte nicht nur der Sachvortrag ergänzt werden können, sondern der Beklagte hätte auch berücksichtigen müssen, dass möglicherweise die Anforderungen des Landgerichts S an die Substantiierung eines Anspruchs überzogen waren und auch die Voraussetzungen eines unzulässigen Ausforschungsbeweises nicht vorlagen. Auch wenn dies möglicherweise allein aufgrund des dem Beklagten vorliegenden Urteils nicht entschieden werden konnte, war es verfehlt, von vornherein die Berufung für nicht aussichtsreich zu halten. Die richtige Empfehlung des Beklagten hätte demnach dahingehend lauten müssen, gegen das Urteil des Landgerichts S Berufung einzulegen, den Vortrag zu ergänzen, die Anforderungen an die Substantiierung eines Anspruchs und die Voraussetzungen eines unzulässigen Ausforschungsbeweises in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und Rechtsanwalt R. im Berufungsverfahren den Streit zu verkünden.

Ein weiterer anwaltlicher Fehler könnte darin gesehen werden, dass die Formulierungen im Schreiben vom 22. August 1995 möglicherweise missverständlich waren und als Kündigung des Mandatsverhältnisses aufgefasst werden konnten. Ob dies aufgrund der Ausführungen des Urteils des OLG N vom 20. November 1997 nahe lag, kann offen bleiben, denn als Anwalt hätte der Beklagte unmissverständliche Formulierungen wählen müssen. Auf diesen anwaltlichen Fehler kommt es jedoch nicht entscheidend an, weil das Schwergewicht in der rechtlichen Empfehlung lag, keine Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts S einzulegen.

Mit der Empfehlung des Beklagten, von der Einlegung einer Berufung abzusehen, lag nicht nur eine unrichtige Beratung vor, sondern auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wahl des sichersten Weges. Wenn die Möglichkeit besteht, einen Anspruch gegen einen Primärschuldner zu verfolgen und, falls dies wegen anwaltlicher Fehler nicht gelingt, den Anwalt auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, ist grundsätzlich der sicherere Weg die Verfolgung des Anspruchs zunächst gegen den Primärschuldner bei gleichzeitiger Streitverkündung gegenüber dem Anwalt wegen möglicherweise im ersten Rechtszug begangener Fehler. Dieser Empfehlung gebührt der Vorrang vor einer Entscheidung für einen Verzicht auf die Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil, mit dem die Klage gegen den Primärschuldner und Ausgangsbeklagten abgewiesen wurde, denn bei einer Beschränkung der Rechtsverfolgung allein auf anwaltliche Schadensersatzansprüche wird der riskantere Weg gewählt. Dies gilt nicht nur wegen des Verzichts auf eine von zwei Möglichkeiten, sondern auch wegen der größeren rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des anwaltlichen Regressprozesses gegenüber dem Ausgangsprozess. Im Regressprozess hätte der Mandant nicht nur die Substantiierung des Anspruchs gegen den Primärschuldner ohnehin nachzuholen, sondern er hätte die zusätzliche rechtliche Schwierigkeit zu bewältigen, das Gericht davon zu überzeugen, dass die auf einer fehlenden Substantiierung beruhende Klageabweisung im Ausgangsprozess durch einen Verstoß des Rechtsanwalts gegen die Sachverhaltsermittlungspflicht und nicht auf einem Informationsmangel des Mandanten beruhte.

3.) Die Pflichtverletzung eines Anwalts ist für den ungünstigen Prozessausgang ursächlich, wenn bei hypothetischer Betrachtung das Gericht des Vorprozesses ohne anwaltlichen Fehler eine für den Mandanten günstigere Entscheidung hätte treffen müssen. Für die hypothetische Betrachtungsweise ist allein maßgebend, wie das Vorverfahren nach Auffassung des mit dem anwaltlichen Schadensersatzanspruchs befassten Gerichts richtig hätte entschieden werden müssen. Unerheblich ist, wie das seinerzeit mit dem Vorverfahren befasste Gericht mutmaßlich entschieden hätte (BGH NJW 1994, 1211, 1212 f.; 2000, 730, 732; 2000, 1572, 1573). Bei der Frage, wie der Ausgangsprozess richtigerweise ohne anwaltlichen Fehler hätte entschieden werden müssen, handelt es sich um die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität, bei der die nach § 287 ZPO vorgesehenen Beweiserleichterungen möglich sind. Danach reicht für die richterliche Überzeugung eine überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit.

Da der Beklagte dem Kläger davon abgeraten hat, Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts S vom 13. Juni 1995 einzulegen, obwohl bei objektiver Betrachtungsweise durchaus mit einer erfolgreichen Berufung hätte gerechnet werden können, kommt es im Rahmen der Kausalität allein darauf an, wie der Rechtsstreit gegen den Beklagten W. in einem hypothetischen Berufungsverfahren ausgegangen wäre.

Das Berufungsgericht hätte den Anspruch auf Erstattung anteiliger Bürokosten einschließlich Lohnkosten nicht als unsubstantiiert abweisen und die Beweisantritte des Klägers auch nicht als Ausforschungsbeweise zurückweisen dürfen, denn selbst der knappe Vortrag des Klägers hätte im Hinblick darauf, dass wesentliche Teile dieses Vortrags unstreitig waren und darüber hinaus gesetzliche Regelungen eingriffen, die Zuerkennung des geltend gemachten Anspruchs ermöglicht. Im Vorprozess war lediglich die vom Kläger behauptete Kostenteilung streitig, während die gemeinsame Mitbenutzung unstreitig war (BA 36). Ohne ausdrückliche Vereinbarung über die Kostentragung des gemeinsam genutzten Büros hätten der Kläger und der Beklagte W. gemäß §§ 748, 742 BGB jeder die Hälfte der Kosten zu tragen gehabt. Da der Kläger lediglich eine Kostentragungsvereinbarung behauptet hatte, die ohnehin der gesetzlichen Regelung entsprach, bestand kein Anlass für eine weitere Substantiierung. Ein weiterer Tatsachenvortrag wäre nur erforderlich gewesen, wenn der Kläger eine für ihn günstigere, von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarung behauptet hätte. Im Berufungsverfahren hätte die Frage einer Kostentragungsvereinbarung ohne Weiteres offen bleiben können, weil die vom Kläger begehrte Rechtsfolge bereits der gesetzlichen Regelung hätte entnommen werden können.

Auch wenn es auf die im Regressprozess durchgeführte Beweisaufnahme nicht unbedingt ankam, hat die Beweisaufnahme die Behauptung des Klägers über eine vereinbarte Kostenteilung bestätigt, denn selbst der Zeuge W. hat eine derartige Kostenteilungsvereinbarung eingeräumt und lediglich gemeint, mit Gegenansprüchen aus der Vermittlung von Mandaten und aus teilweise getragenen Kosten aufrechnen zu können. Hiermit wäre er jedoch nicht durchgedrungen, weil sein Vortrag gänzlich unsubstantiiert war. Auch wegen der Lohnkosten für den Angestellten K. hätte der Beklagte W. die Hälfte der Kosten tragen müssen, denn nach der Aussage der Zeugin M. war der Angestellte K. auch für den Beklagten W. tätig (BA 163).

Die Steuerberaterkosten hat der Beklagte W. im Vorprozess nicht bestritten, sondern lediglich als unsubstantiiert beanstandet (BA 37). Im Regressprozess hat der Zeuge W. eingeräumt, die Steuerberaterkosten gingen in Ordnung. Die Einrede der Verjährung hat der Beklagte W. im Vorprozess nicht erhoben, obwohl der Kläger in der Klagebegründung ausgeführt hat, er sehe sich "wegen drohender Verjährung" gezwungen, die Forderungen gerichtlich geltend zu machen (BA 24). Soweit die Berufung meint, der Beklagte W. hätte spätestens im Berufungsverfahren die Einrede der Verjährung erhoben, ist nicht ersichtlich, auf welche Tatsachen diese Annahme gestützt werden kann, denn wenn der Beklagte W. die Einrede der Verjährung erheben wollte, hätte es einer ordnungsgemäßen Prozessführung entsprochen, diese Einrede bereits im ersten Rechtszug anzubringen und näher zu begründen.

Eine etwaige im Vorprozess erhobene Einrede der Verjährung kann lediglich die Steuerberatervergütung betreffen, weil nur diese innerhalb der kurzen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB verjährt. Die Steuerberaterkosten in Höhe von 3.710,94 DM sind in Rechnungen der Jahre 1992 und 1993 berechnet und durch einen am 23. Dezember 1994 beim Amtsgericht S eingegangenen Mahnbescheidsantrag geltend gemacht worden. Die Zustellung erfolgte am 07. Februar 1995. Die Verzögerung beruhte darauf, dass das Amtsgericht durch Verfügung vom 28. Dezember 1994 den Antragsteller um Kennzeichnung des Anspruchs und Einreichung von zwei weiteren Anlagen bat. Diese am 29. Dezember 1994 abgesandte Verfügung wurde durch den anwaltlichen Schriftsatz vom 10. Januar 1995 beantwortet. Nach der anschließenden Verfügung des Amtsgerichts S vom 25. Januar 1995 fehlten die angegebenen Anlagen, die daraufhin durch anwaltlichen Schriftsatz vom 31. Januar 1995 umgehend nachgereicht wurden, so dass daraufhin die Zustellung veranlasst wurde.

Nach § 693 Abs. 2 ZPO war zur Verjährungsunterbrechung auf die Einreichung des Mahnbescheidsantrags abzustellen, wenn die Zustellung demnächst erfolgte. Geringfügige Verzögerungen bis zu 2 Wochen aufgrund eines schuldhaften Verhaltens des Antragstellers hindern die Annahme einer demnächst erfolgten Zustellung nicht. Kommt es zu weiteren Verzögerungen aufgrund einer nachlässigen Sachbehandlung im Gerichtsbereich, sind diese Verzögerungen dem Antragsteller nicht zuzurechnen, so dass sie bei der Frage, ob die Zustellung demnächst erfolgt ist, unberücksichtigt bleiben müssen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., Rz. 5 zu § 693). In diesem Fall hat das Amtsgericht zumindest für die Bearbeitung des am 10. Januar 1995 eingegangenen Schriftsatzes 15 Tage benötigt, obwohl nur festzustellen war, dass die Anlagen nicht beigefügt waren. Da der Anwalt des Klägers die Beanstandungen des Gerichts jeweils unverzüglich beantwortet hatte, hätte bei zügiger Bearbeitung durch das Mahngericht eine demnächstige Zustellung ohne Weiteres erfolgen können. Die Einrede der Verjährung wäre demnach voraussichtlich ohne Erfolg geblieben.

Bejaht man die Kausalität der unzutreffenden Empfehlung des Beklagten, von der Einlegung der Berufung abzusehen und stattdessen einen anwaltlichen Regressanspruch zu verfolgen, für den Schaden des Klägers, kommt es nicht mehr auf den Ausgang des Regressprozesses beim Landgericht S und beim OLG N an, denn der Schaden des Klägers wurde bereits dadurch verursacht, dass der Kläger auf anwaltliche Empfehlung des Beklagten ein klageabweisendes, in der Berufung aber abänderbares Urteil des Landgerichts S rechtskräftig werden ließ. Der anschließende Regressprozess hätte im Erfolgsfall allenfalls dazu dienen können, dem Kläger auf seine Schadensersatzforderung anrechenbare Vorteile zu verschaffen.

Auf den Einwand des Beklagten, der Regressprozess sei schlecht geführt worden, denn das OLG N habe die Klage in erster Linie wegen eines unzureichenden Vortrags zu den dem beklagten Prozessanwalt erteilten Sachinformationen abgewiesen, kommt es nicht an, weil der Ausgang des Regressprozesses für die Kausalität zwischen Pflichtverletzung des Beklagten und eingetretenem Schaden nicht erforderlich ist. Wenn der Erstanwalt bei der Verfolgung von Ansprüchen seines Mandanten Fehler begeht, wird der Ursachenzusammenhang durch Fehler eines Zweitanwalts nur dann unterbrochen, wenn der Zweitanwalt in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt (BGH NJW 1993, 1779, 1780).

Ein völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Eingriff ist nicht darin zu sehen, dass dem Zweitanwalt im Regressprozess lediglich eine substantiierte Darlegung des Ausgangsanspruchs gelingt, ihm aber Substantiierungsmängel bei der Darlegung der anwaltlichen Pflichtverletzung unterlaufen. Da es dem Grundsatz des sichersten Wegs entsprochen hätte, den Ausgangsprozess im Wege der Berufung fortzusetzen und dort etwaige Substantiierungsmängel zu beheben, weil dies ohne Weiteres mit Erfolg möglich gewesen wäre, müssen Fehler bei der Substantiierung eines Regressanspruchs auch dem Erstanwalt zugerechnet werden, denn derartige Substantiierungsmängel sind im Hinblick auf die Schwierigkeit der Rechtsmaterie nicht ungewöhnlich und hätten bei Empfehlung der Fortsetzung des Ausgangsprozesses vermieden werden können. Wenn der Beklagte dem Kläger den riskanteren Weg empfahl, die Einlegung der Berufung in das Ermessen des erstinstanzlichen Anwalts zu stellen und für den Fall der Nichteinlegung der Berufung sich allein auf die Verfolgung eines anwaltlichen Regressanspruchs zu verlassen, hat der Beklagte dem Kläger den riskanteren Weg empfohlen, so dass es auch nahe liegt, ihm die hier eingetretene Verwirklichung der Risiken bei der Durchsetzung der Verfolgung des anwaltlichen Regressanspruchs zuzurechnen.

Sollte hingegen das OLG N die Substantiierungsanforderungen zu hoch angesetzt haben, hätte sich ein Fehler verwirklicht, der in der gerichtlichen Praxis nicht als ungewöhnlich bezeichnet werden muss. Auch insoweit hat der Beklagte den Kläger durch seine Empfehlung einem erhöhten Risiko ausgesetzt und muss dieses auch bei Fremdfehlern tragen, denn ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, sich dafür einzusetzen, dass die zu Gunsten seines Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich ermittelt und bei der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt werden. Verletzt er diese Pflicht schuldhaft, so dass maßgebliche Gesichtspunkte bei der Entscheidung übersehen werden, können dem Anwalt auch Fehler des Gerichts zugerechnet werden (BGH NJW 1994, 1211, 1213; 1995, 1419, 1420; 1996, 48, 51; 1997, 250, 253; NJW-RR 1990, 1241, 1242).

Im Hinblick darauf, dass bereits im Rahmen der Kausalität eine Zurechnung des Ergebnisses des beim OLG N geführten Prozesses bejaht werden muss, kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen einer Streitverkündung tatsächlich erfüllt waren, denn im Rahmen der Kausalität kann dem Anwalt auch ein fehlerhaft geführter oder entschiedener Prozess zugerechnet werden, ohne dass hierfür eine Streitverkündung notwendig wäre. Demzufolge muss dies Ergebnis auch für eine fehlerhafte Streitverkündung gelten.

4.) Dem Kläger sind im Vorprozess gegen den Beklagten W. 11.546,20 DM wegen anteiliger Kostenerstattung, Steuerberatergebühren und wegen Erstattung von 439,71 DM Büromöbelkosten entgangen. Hinzukommen die Prozesskosten, so dass das Landgericht S im Regressprozess einen Betrag von 14.204,10 DM zuerkannt hat. Des Weiteren hätte der Kläger zumindest 4 % Prozesszinsen beanspruchen können. Zumindest in Höhe der im angefochtenen Urteil ausgeurteilten Forderung wäre ein Schaden des Klägers anzunehmen.

5.) Der Beklagte hat bereits im ersten Rechtszug die Einrede der Verjährung erhoben. Nach § 51 b BRAO verjährt die Schadensersatzforderung des Mandanten gegen den Rechtsanwalt wegen anwaltlicher Pflichtverletzung in 3 Jahren ab Entstehung des Anspruchs, spätestens jedoch in drei Jahren nach Beendigung des Auftrags. Abweichend hiervon hat das Landgericht eine 30-jährige Verjährungsfrist wegen positiver Forderungsverletzung angenommen und sich auf die Entscheidung BGH NJW 1993, 1779 gestützt. Diese Entscheidung enthält jedoch keine Abgrenzung darüber, wann die 3-jährige Verjährungsfrist nach § 51 b BRAO eingreift und wann abweichend hiervon eine längere Verjährungsfrist anzunehmen ist. Auch bei einem Schadensersatzanspruch wegen positiver Forderungsverletzung gilt die 3-jährige Verjährungsfrist des § 51 b BRAO, wenn das Vertragsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant die Tätigkeit einer spezifisch anwaltlichen Berufsausübung zum Gegenstand hat (Feuerich/Braun, BRAO, 3. Aufl., Rz. 4 zu § 51 b m. w. N.). Die Beratung darüber, ob gegen ein klageabweisendes Urteil Berufung eingelegt werden soll, stellt eine berufstypische anwaltliche Tätigkeit dar, so dass dem Anwalt auch die kurze 3-jährige Verjährungsfrist des § 51 b BRAO zu Gute kommt.

Die 3-jährige Verjährungsfrist beginnt mit der Entstehung der Schadensersatzforderung. Nur wenn der Schaden erst nach Beendigung des Mandats entsteht, ist die Verjährungsfrist ab Mandatsende zu berechnen. Ein Schaden ist eingetreten, wenn sich die Vermögenslage des Mandanten infolge des schädigenden Ereignisses objektiv verschlechtert hat. Dies ist nicht der Fall, solange nur das Risiko eines Vermögensnachteils infolge der anwaltlichen Pflichtverletzung besteht. Für die Entstehung eines Schadens reicht es aus, dass sich die Verschlechterung des Vermögens dem Grunde nach verwirklicht hat, auch wenn ihre Höhe noch nicht beziffert werden kann. Die Schädigung des Mandanten durch eine nachteilige gerichtliche Entscheidung entfällt nicht wegen der Unsicherheit, ob der Schaden bestehen bleibt und endgültig wird. Bei der Versäumung prozessualer Fristen, deren Beachtung zur Änderung eines nachteiligen Urteils erforderlich ist, ist ein Schaden mit Ablauf der Rechtsmittelfrist eingetreten, weil ein Rechtsmittel keinen Erfolg mehr haben kann (BGH NJW 2000, 1263, 1264; 2000, 1267).

Das klageabweisende Urteil des Landgerichts S wurde dem Anwalt des Klägers am 28. Juli 1995 (Bl. 56 b BA) zugestellt. Demnach hätte Berufung gegen dieses Urteil bis zum 28. August 1995 eingelegt werden können. Mit der am 29. August 1995 eingetretenen Rechtskraft des Urteils war der Schaden entstanden, weil die Klageabweisung aufgrund des Ablaufs der Berufungsfrist endgültig wurde. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch das zwischen den Parteien bestehende Mandat, denn der Beklagte hat sich durch Schreiben vom 09. August 1995 und 22. August 1995 an Rechtsanwalt R. gewandt, um diesen zur Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung anzuregen und ihm gegenüber Schadensersatzansprüche anzumelden. Da das Mandatsverhältnis bei Eintritt der Rechtskraft des klageabweisenden Urteils des Landgerichts S noch fortbestand, begann die 3-jährige Verjährungsfrist mit Eintritt der Rechtskraft des genannten klageabweisenden Urteils. Demzufolge hätte der Kläger bis zum 28. August 1998 für eine Unterbrechung der Verjährung Sorge tragen müssen.

Der Kläger hat dem Beklagten im Regressprozess durch Schriftsatz vom 25. September 1997 den Streit verkünden lassen. Die Streitverkündung lag zwar innerhalb der 3-jährigen Verjährungsfrist. Nach § 215 Abs. 2 BGB gilt die Unterbrechung der Verjährung durch Streitverkündung aber als nicht erfolgt, wenn nicht binnen 6 Monaten nach Beendigung des Prozesses Klage auf Befriedigung oder Feststellung des Anspruchs erhoben wird. Das Urteil des OLG N wurde dem anwaltlichen Vertreter des Klägers am 25. November 1997 (Bl. 88 Band II BA) zugestellt. Damit wurde die Klageabweisung im Regressprozess rechtskräftig. Die erst am 10. Mai 2000 eingegangene Regressklage gegen den Beklagten lag außerhalb der 6 Monatsfrist. Im Hinblick darauf kommt es nicht darauf an, ob Beanstandungen der Streitverkündung durchgreifen, weil die verjährungsunterbrechende Wirkung der Streitverkündung ohnehin entfallen ist.

Der Mandant, dessen primärer Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Anwaltsvertrages verjährt ist, hat einen sekundären Ersatzanspruch, wenn der Rechtsanwalt den Schaden in Gestalt der Primärverjährung verursacht hat, indem er im Rahmen der umfassenden vertraglichen Beratungspflicht eine bis zum Mandatsende entstandene sekundäre Pflicht, den Auftraggeber auf die Möglichkeit einer eigenen Schadensersatzhaftung und deren kurze Verjährung hinzuweisen, schuldhaft verletzt hat und der Mandat bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Primärverjährung verhindert hätte. Diese sekundäre Pflicht entsteht, wenn der Anwalt vor Eintritt der Primärverjährung und bis zum Ende des Mandats begründeten Anlass zur Prüfung hatte, ob er durch eine Pflichtverletzung den Mandanten geschädigt hat. Erforderlich ist weiterhin, dass ein sorgfältiger Anwalt bei dieser Prüfung seine mögliche Haftpflicht erkennen konnte (BGH NJW 1996, 48, 50; 1996, 661, 662; 1999, 2183, 2184; 2000, 1263, 1264 f.; 2000, 1267; 2001, 826, 828).

Die Hinweispflicht des Rechtsanwalts entfällt, wenn der Mandant noch innerhalb der Verjährungsfrist einen anderen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den fehlerhaft tätigen Anwalt beauftragt, weil dann die rechtliche Beratung des mit der Durchsetzung der Regressforderung beauftragten Rechtsanwalts an die Stelle der Hinweispflicht des früheren Anwalts tritt. Es reicht aber nicht aus, wenn ein neuer Rechtsanwalt im bisherigen oder einem anderen Verfahren tätig wird und als Nebenpflicht dieser Tätigkeit auch auf bestehende Regressansprüche hinweisen müsste (BGH NJW 2000, 1263, 1265). Demnach kann es nicht ausreichen, dass die Rechtsanwälte V. und Partner dem Beklagten im Rahmen des beim OLG N anhängigen Berufungsverfahrens durch Schriftsatz vom 25. September 1997 (Bl. 40 Band II BA) den Streit verkündet haben, denn die Rechtsanwälte V. und Partner waren lediglich beauftragt, Regressforderungen gegen Rechtsanwalt R. durchzusetzen und hatten im Rahmen dieses Mandats die Nebenpflicht, dem Kläger durch Streitverkündung auch anderweitige Schadensersatzansprüche zu erhalten. Sie waren aber nicht beauftragt, für den Kläger auch Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten tatsächlich zu erheben. Deshalb war der Beklagte im Rahmen seiner Sekundärpflicht gehalten, den Kläger über etwaige Fehler und die zu beachtende Verjährungsfrist zu belehren.

Der Sekundäranspruch beginnt grundsätzlich mit Ablauf der Primärfrist nach § 51 b BRAO. Er verjährt innerhalb von 3 Jahren, wobei allerdings das Mandatsende den Fristablauf erheblich verkürzen kann, denn die Hinweispflicht besteht nicht länger als das Mandat. War das Mandat des Anwalts bereits vor der Verjährung des Primäranspruch beendet, beginnt die Frist für den Lauf der Verjährung des Sekundäranspruchs mit dem Mandatsende (BGH NJW 1985, 2250, 2253; 1996, 661, 662).

Das Mandatsverhältnis endet üblicherweise mit der Erledigung des Auftrags. Selbst wenn der Anwalt das Mandat nicht erfolgreich abschließen konnte, kann eine Beendigung des Mandatsverhältnisses eintreten, wenn der Anwalt nach dem Mandatsvertrag keine weitere Tätigkeit mehr für den Mandanten erfüllen kann (Feuerich/Braun, a. a. O., Rz. 12 zu § 50). Etwaige nachvertragliche Pflichten des Anwalts haben auf die Beendigung des Mandats keinen Einfluss (Feuerich/Braun, a. a. O., Rz. 23 zu § 51 b).

Der Beklagte ist mit der Überprüfung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts S und mit der Verfolgung anwaltlicher Schadensersatzansprüche gegen den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten beauftragt worden. Diesen Auftrag hat er durch Überprüfung und durch Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Rechtsanwalt R. ausgeführt. Da die außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht zum Erfolg führte, musste Klage gegen Rechtsanwalt R. beim Landgericht S, bei dem der Beklagte nicht zugelassen war, erhoben werden. Spätestens mit der Beauftragung der Rechtsanwälte V. und Partner, die im September 1996 Klage beim Landgericht S einreichten, war an sich der Auftrag des Beklagten erledigt, denn der Beklagte war auch nach dem Vortrag des Klägers nicht weiterhin als Korrespondenzanwalt tätig. Bei einem in S ansässigen Mandanten wäre im Übrigen die Korrespondenztätigkeit eines Schleswiger Anwalts zwecks Informationen von beim Landgericht S zugelassenen Anwälten ungewöhnlich. Legt man den September 1996 als Beginn der Sekundärverjährung zu Grunde, weil zu diesem Zeitpunkt das Mandatsverhältnis endete (BGH NJW 1985, 2250, 2253; 1996, 2929, 2931), wäre auch der Sekundäranspruch verjährt, weil die Klage nicht bis September 1999 eingereicht worden ist.

Im ersten Rechtszug hat der Kläger vorgetragen, das Mandat der Parteien sei nicht beendet worden, denn sie hätten während der ganzen Zeit und auch während des Berufungsverfahrens beim OLG N in ständigem Kontakt gestanden (Bl. 99 d. A.). Abweichend hiervon hat der Kläger ausgeführt, der Haftungsprozess gegen Rechtsanwalt R. sei verlorengegangen, weil der Beklagte beim Prozess nicht mitgewirkt habe (Bl. 110 b d. A.). Dieser Vortrag deutet wiederum daraufhin, dass das Mandat mit Beginn des Haftungsprozesses beendet war und allein die Rechtsanwälte V. und Partner tätig wurden.

Der Beklagte hat behauptet, er habe seit Beauftragung der Rechtsanwälte V. und Partner den Kläger nicht mehr anwaltlich beraten; er sei lediglich gelegentlich vom Kläger über den Stand der Dinge informiert worden (Bl. 103 d. A.). In der Berufung hat der Beklagte behauptet, er habe dem Kläger bereits Ende August 1995 nahegelegt, seine Ansprüche durch einen beim Landgericht S zugelassenen Rechtsanwalt verfolgen zu lassen (Bl. 136 d. A.).

Die Berufungserwiderung enthält keinen ausdrücklichen Vortrag darüber, wann das Mandatsverhältnis beendet worden ist. Mit der Berufungserwiderung ist aber ein Schreiben des Klägers vom 13. Januar 1998 an den Beklagten vorgelegt worden, mit dem der Kläger dem Beklagten das Urteil des OLG N sowie die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde zur Kenntnisnahme überreichte. Dieses Schreiben endet mit folgendem Satz: "Sollten Sie dazu Anmerkungen haben, würde ich mich über Ihren Anruf freuen". Ob der Beklagte auf dieses Schreiben Beratungsleistungen erbracht hat, lässt sich der Berufungserwiderung nicht entnehmen. Wenn der Beklagte weiterhin beratend tätig sein sollte, wäre entweder sein Auftrag nicht erledigt gewesen oder es wäre zumindest innerhalb der Primärverjährungsfrist zu einer erneuten Mandatierung gekommen, die zum Wiederaufleben der Belehrungspflicht geführt hätte. Aufgrund des Erhalts des Schreibens vom 13. Januar 1998 wäre der Beklagte dann verpflichtet gewesen, sein anwaltliches Verhalten auf Fehler zu überprüfen und den Kläger über begangene Fehler und die Dauer der Verjährungsfrist zu unterrichten.

Der Kläger hat seinen Vortrag dahingehend ergänzt, nach Erhalt des Schreibens vom 13. Januar 1998 sei es zu einem Telefongespräch der Parteien gekommen. Der Beklagte habe sich vom Ausgang des Berufungsverfahrens beim OLG N überrascht gezeigt. Gegenüber dem Kläger habe er erklärt, dass der Kläger wegen des verlorenen Prozesses Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten oder Rechtsanwalt V. haben könne. Es sei aber sachgerecht, zunächst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde abzuwarten. Diesen Ratschlag habe der Kläger befolgt und erst nach der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde dem Beklagten mit Schreiben vom 08. Oktober 1998 Schadensersatzansprüche angekündigt.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es zu telefonischen Kontakten gekommen ist. Allerdings ist der Inhalt des Telefongesprächs streitig, denn der Beklagte stellt die Empfehlung, gegen ihn oder Rechtsanwalt V. vorzugehen, in Abrede. Über den Inhalt des Telefongesprächs ist kein Beweis zu erheben, weil auch der Vortrag des Klägers nicht ergibt, dass der Beklagte im Anschluss an das Schreiben vom 13. Januar 1998 erneut mandatiert wurde. In diesem Telefongespräch ging es nicht um eine Weiterverfolgung der Schadensersatzforderung des Klägers gegen Rechtsanwalt R. durch den Beklagten, denn der Rechtsstreit war rechtskräftig abgeschlossen. Mit der Einlegung und Begründung der Verfassungsbeschwerde hatte der Kläger einen anderen Rechtsanwalt beauftragt. Der Zweck des Telefongesprächs der Parteien konnte deshalb nur darin bestehen, eine sich bereits abzeichnende Regressforderung gegen den Beklagten zu klären. Wenn der Mandant mit seinem Rechtsanwalt die Möglichkeit eines gegen den Anwalt gerichteten Regresses bespricht und hierbei auch die Schadensersatzpflicht eines weiteren Anwalts erörtert wird, kann darin keine Fortsetzung eines zunächst abgeschlossenen Mandats gesehen werden.

Der Einrede der Verjährung, die dem Beklagten ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 222 BGB gewährt, steht weder ein Schuldanerkenntnis noch ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung entgegen. Der Beklagte hat durch Schreiben vom 13. Oktober 1998 (Bl. 166 d. A.) gegenüber seinem Haftpflichtversicherer eine Schadensmeldung abgegeben und den anwaltlichen Pflichtverstoß im Hinblick darauf eingeräumt, dass er nunmehr die von ihm nicht nachvollziehbare Entscheidung des OLG N gegen sich gelten lassen müsse. Eine Abschrift dieser Schadensmeldung hat der Beklagte dem Kläger überreicht. Darin ist weder ein deklaratorisches Anerkenntnis noch ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu sehen. Räumt ein Anwalt eine Pflichtverletzung ein und meldet er den Schadensfall seinem Haftpflichtversicherer zwecks Überprüfung der Schadensersatzforderung, reicht dies für ein Anerkenntnis nicht aus (BGH NJW 2000, 2661, 2663).

Aufgrund des Versicherungsvertrags ist der Anwalt verpflichtet, dem Haftpflichtversicherer den Sachverhalt einschließlich begangener Fehler mitzuteilen und ihm die weitere Überprüfung zu überlassen. Demzufolge hat der Beklagte am Ende des Schreibens vom 13. Oktober 1998 den Haftpflichtversicherer gebeten, die weitere Korrespondenz mit dem Kläger zu führen und alles weitere als Haftpflichtversicherer zu veranlassen. Bereits diese Formulierung zeigt, dass der Kläger nicht klar und unzweideutig auf eine Regulierung durch den Haftpflichtversicherer vertrauen durfte, sondern zunächst dessen Stellungnahme abwarten und erforderlichenfalls rechtzeitig Klage innerhalb der Verjährungsfrist erheben musste.

Die Berufung des Beklagten auf die Einrede der Verjährung stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar. An diesen Einwand sind strenge Maßstäbe anzulegen, so dass nur grobe Verstöße gegen Treu und Glauben die Einrede der Verjährung ausschließen können. Dies wäre der Fall, wenn der Schadensersatzpflichtige den Berechtigten durch sein Verhalten von der rechtszeitigen Klageerhebung abgehalten und ihn nach objektiven Maßstäben zur Annahme veranlasst hat, eine vollständige Befriedigung des Anspruchs werde auch ohne Rechtsstreit erzielt. Allein die Annahme des Berechtigten, mit der Klage noch warten zu können, begründet den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gegenüber der Verjährungseinrede noch nicht (BGH NJW 1996, 2929, 2931). Dieser Einwand ist stets dann ausgeschlossen, wenn dem Anspruchsteller noch genügend Zeit zur rechtzeitigen Erhebung der Klage verbleibt (BGH NJW 2000, 2661, 2663).

Da nach dem Vortrag des Klägers die Korrespondenz mit dem Haftpflichtversicherer durch dessen Schreiben vom 29. Oktober 1998 begann, konnte der Kläger durch rechtzeitige Klageerhebung die Verjährung unterbrechen, weil zumindest die Frist für die Verjährung des Sekundäranspruchs zu diesem Zeitpunkt noch lief. Selbst wenn der Haftpflichtversicherer sich in der vorgerichtlichen Korrespondenz nicht auf die Einrede der Verjährung berufen hatte, hätte der Kläger vom Haftpflichtversicherer entweder einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung verlangen oder rechtzeitig durch Klageeinreichung die Verjährung unterbrechen müssen.

6.) Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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