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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 15.06.2004
Aktenzeichen: 11 U 47/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276
Zum Umfang der anwaltlichen Prüfungs- und Beratungspflichten vor Einlegung einer Berufung nach neuem Recht.3
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 47/03

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juni 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 21.03.2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 6.926,14 €.

Gründe:

I.

Der Kläger verfolgt mit der Klage anwaltliche Gebührenansprüche, die Beklagte wendet dem Klageanspruch gegenüber eine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung ein und macht mit der Widerklage übersteigende Schadensersatzansprüche geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage Erfolg gegeben.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie des Tenors und der Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf die Darstellung des am 21. März 2003 verkündeten Urteils des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel Bezug genommen.

Gegen das dem Kläger am 27.03.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.04.2003 Berufung eingelegt und diese Berufung nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.06.2003 mit einem am 27.06.2003 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger macht geltend:

Das Landgericht habe übersehen, dass das Klagziel im Vorprozess mit der Erklärung der S.-ag, man sei bereit, die WEA der Beklagten in W.. anzuschließen, nicht erreicht gewesen sei. Auch die weiteren Antragsziele, nämlich die Feststellung, dass die S.-ag nicht nur zum Anschluss der WEA, sondern auch zur Abnahme des Stroms und zu dessen Bezahlung verpflichtet sei, seien nicht erledigt gewesen. Deshalb sei die landgerichtliche Auffassung zur Unzulässigkeit der Klage im Vorprozess vorschnell gewesen. Man hätte eine Berufung überdies auch darauf stützen können, dass ein Beweisangebot der dortigen Klägerin - der hier Beklagten - übergangen worden sei. Das Landgericht habe im Vorprozess auch übersehen, dass die S.-ag sich zu Unrecht auf den Standpunkt gestellt habe, dass lediglich ein Anspruch auf Abschluss eines Anschlussvertrages verlangt werden könne, nicht aber die Anschlusspflicht unmittelbar sich aus dem Gesetz herleiten lasse. Es sei auch nicht überzeugend, dass das erstinstanzliche Gericht dieses Verfahrens angenommen habe, dass in einem Berufungsverfahren im Vorprozess kein Raum für geänderte Klageanträge gegeben gewesen sei. Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und - bei Abweisung der Widerklage - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 1.779,29 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.07.2002 (GA 137) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen

2. die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Dem Kläger stehen (unstreitig) für die Bearbeitung des von der Beklagten erteilten Mandates "Prüfung der Erfolgsaussichten der Berufung" die mit der Klage geltend gemachten Gebühren zu, die Ansprüche des Klägers auf Zahlung sind aber durch die Aufrechnung mit einem Teil der Schadensersatzansprüche der Beklagten wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung erloschen. Der Beklagten stehen auch über den mit der Klageforderung verrechneten Betrag hinaus Schadensersatzansprüche gegen den Kläger zu, die der Widerklage vor dem Landgericht zu Recht zum Erfolg verholfen haben.

Der Kläger hat seine anwaltlichen Pflichten bei der Beratung der Beklagten, ob Berufung gegen das klageabweisende Urteil im Prozess der Beklagten gegen die S.-ag - 5 O 88/01 LG Itzehoe - eingelegt werden solle, verletzt. Durch die Pflichtverletzung sind der Beklagten Kosten entstanden, die sie bei richtiger anwaltlicher Beratung nicht aufzuwenden gehabt hätte und die der Kläger ihr zu ersetzen hat.

Der Kläger hat das ihm erteilte Mandat inhaltlich und vom Ergebnis her fehlerhaft erfüllt.

Die Aufgabe des Klägers bestand in der gutachterlichen Beurteilung der Erfolgsaussichten der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts Itzehoe im Prozess der Beklagten gegen die S.-ag.

Die Beratung über die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels erfordert eine sorgfältige Rechtsprüfung. Die Berufung im Vorprozess wäre schon nach der seit 2002 geltenden Fassung der Vorschriften der ZPO über die Berufung durchzuführen gewesen, denn das erstinstanzliche Urteil war im schriftlichen Verfahren ergangen und die Schriftsatzfristen liefen erst im Frühjahr 2002 ab. Auf der Grundlage der ZPO in neuer Fassung war auch insbesondere die Prüfung anzustellen, mit welchen Argumenten man in der Berufung noch gehört werden konnte. Die Beratung muss stets Chancen und Risiken des Rechtsmittels umfassen und abwägen und auch die Kostenrisiken berücksichtigen. All dies ist dem Mandanten darzustellen, damit dieser eine vernünftige Entscheidung treffen kann, ob er die Risiken eingehen will.

Im Berufungsempfehlungsschreiben des Klägers vom 21.05.2002 finden sich überhaupt keine rechtlichen Argumente, weshalb das erstinstanzliche Urteil angreifbar erscheine.

Es gab auch keine persönlichen oder telefonischen Kontakte, in denen der Inhalt der Empfehlung ergänzt worden wäre. Selbst als die Beklagte bereits Berufung eingelegt hatte, nun noch andere Anwälte konsultierte und der Kläger von diesen Anwälten gebeten wurde, ihnen mitzuteilen, mit welchen Argumenten seiner Meinung nach die Mandantin die Berufung gewinnen könne, erteilte er keine weiteren Hinweise. Er übermittelte das Schreiben der neuen Anwälte nur an die Mandantin "zur Kenntnisnahme", wies auf seine noch offene Rechnung hin und erklärte, er gehe davon aus, dass die Mandantin die neuen Anwälte davon informiert habe, dass mittlerweile schon vier Anwälte mit der Sache betraut seien.

Die juristische Beratungsleistung des Klägers erschöpfte sich daher in dem Text des Berufungsempfehlungsschreibens vom 22.05.2002.

Das sehr knappe Schreiben stellt schon einleitend die Möglichkeiten, mit neuen Argumenten in der Berufung durchzudringen, sehr geschönt und in der Realität kaum zutreffend dar, indem es voranstehend darauf hinweist, dass die Berufung eine vollständige neue Tatsacheninstanz darstelle und - soweit vom Gericht gesetzte Fristen und der allgemeinen Prozessförderungspflicht nachgekommen werde - sämtliche Tatsachen und Beweise auch im Berufungsverfahren vorgetragen werden könnten.

Diesen Hinweis wird man angesichts des auf den Vorprozess bereits anzuwendenden neuen Rechts als fehlerhaft zu betrachten haben, denn der Möglichkeit, neue Tatsachen vorzutragen, stand § 531 ZPO im Weg. (Um neu erlangte Tatsachenerkenntnisse, die zulässig erstmals in der Berufung hätten vorgetragen werden können, ging es hier nicht.)

Der Satz "der Richter macht es sich zu leicht", ersetzt nicht die Darstellung der rechtlichen Fehler des Urteils oder des Angriffsmittels, das die richterliche Auffassung zu korrigieren geeignet scheint.

Irgendwelche Risikoabwägungen beinhaltet das Schreiben nicht, auch die erheblichen Kosten bei einem Streitwert von immerhin 685.131,12 € und das daraus erwachsende Kostenrisiko werden nicht angesprochen.

Der Inhalt der Auskunft entspricht nicht den Anforderungen, die an eine gutachterliche anwaltliche Äußerung zu stellen sind, um dem Mandaten eine sachgerechte Entscheidung zu erlauben.

Die Empfehlung ist im Übrigen nicht nur inhaltlich, sondern auch im Ergebnis fehlerhaft gewesen, denn mit dem Prozessziel der Mandantin war der Rechtsstreit auch in der Berufung ersichtlich nicht zu gewinnen.

Der Kläger hat die Berufung nicht empfohlen und die Beklagte sie auch nicht eingelegt, um die möglichen Ziele zu erreichen, die die Berufungsbegründung aufzeigt. Die Beklagte wollte weder einen Titel über eine generelle Anschlusspflicht - ohne Festlegung eines Einspeiseorts - noch hegte sie Zweifel, dass die S.-ag - wenn sie denn anschlösse - den Strom abnehmen oder bezahlen werde. Es ging ihr auch nicht um die Frage, ob eine Anschlusspflicht aus dem Gesetz direkt herzuleiten sei oder eines Vertrages bedürfe oder um einen Angriff auf die Kostenentscheidung des Urteils.

Die Beklagte hatte den Auftrag, die Erfolgsaussichten der Berufung zu prüfen, zunächst nicht spezifiziert. Der Kläger hat als anzustrebenden Erfolg (zutreffend) angenommen, dass allein der Anschluss der Windenergieanlagen (nachfolgend WEA) am Einspeisepunkt R. von der Mandantin angestrebt werde und ihr helfen könne. Dies zu erreichen war also das Ziel der empfohlenen Berufung.

In dem Antwortschreiben auf die Berufungsempfehlung, in dem die Mandantin dem Kläger darlegte, weshalb sie dem Rat folgen wolle und was es zu erreichen gelte, hatte die Beklagte - bevor der Kläger dann Berufungsanwälte für die Mandantin beauftragte - aufgelistet, dass es ihr darum gehe

a) den Anschluss an den technisch und wirtschaftlich günstigsten Anschlusspunkt zu erreichen,

b) alle Netzdaten der S.-ag offengelegt zu bekommen (um feststellen zu können, ob der angebotene Anschlusspunkt den vorstehenden Anforderungen entsprach),

c) festzustellen, dass die S.-ag bereits 1994/96 technisch in der Lage war, die WEA der Partei anzuschließen.

Es ging sowohl bei der Empfehlung als auch bei der Entscheidung, Berufung einzulegen, in erster Linie um das Ziel, einen konkreten Anschlusspunkt (möglichst R.) zu erlangen oder jedenfalls die Unterlagen, aus denen sich ermitteln und kontrollieren ließ, ob dies wirklich technisch und wirtschaftlich ausgeschlossen war.

Dieses Ziel konnte aber in zweiter Instanz nicht erreicht werden, so dass der Mandantin von der Einlegung eines Rechtsmittels mit diesem Ziel abgeraten hätte werden müssen.

Das unter Punkt c) geschilderte Anliegen der Mandantin war nicht zu erreichen, weil in dem Prozess, in dem es um Anschließungsanträge aus dem Jahr 2001 ging, Anschlussmöglichkeiten aus den Jahren 1994/96 keinerlei Relevanz haben konnten. Dies Anliegen war auch in I. Instanz nicht Gegenstand von Antragsprogramm oder Vortrag.

Klageanträge, die die ersten beiden Punkte widerspiegelten (insbesondere Punkt b)), waren in I. Instanz nicht gestellt.

Das EEG eröffnet durchaus auch Möglichkeiten, Auskunft über Netzanschlussdaten zu erzwingen, um überprüfen zu können, ob die Weigerung des Betreibers, eine WEA anzuschließen oder den Anschluss an einem bestimmten Punkt vorzunehmen, berechtigt ist (sh. Salje, EEG, § 3 Rdn 70 ff.). Dies war in erster Instanz aber nicht beantragt worden.

Die Beklagte hatte im Vorprozess auf Anschluss noch zu errichtender Windenergieanlagen (nachfolgend WEA) an das Einspeisungsnetz der S.-ag geklagt.

Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass gegen eine Klage auf Anschluss ohne Nennung eines konkreten Einspeisepunktes nichts einzuwenden ist, eine solche Klage ist die Regel und über solche Klagen und die Vollstreckbarkeit entsprechender Titel ist in zahlreichen Fällen gerichtlich positiv entschieden worden. Wird vom Netzbetreiber der Anschluss verweigert, kann eine solche Klage zum Erfolg verhelfen.

Der Kläger hat aber in der Berufungsempfehlung selbst den Unterschied des in der Berufung verfolgten Anliegens der Beklagten mit der Vielzahl anderer Fälle aufgezeigt, in denen über eine Anschlusspflicht gerichtlich entschieden worden war. Der Unterschied lag nämlich darin, dass hier in Frage stand, ob der Anschluss überhaupt jemals verweigert worden war und darin, dass jedenfalls im Prozess bereits eine Netzanschlusszusage erteilt worden war.

Dies genügte der Beklagten aber nicht, weil die S.-ag zwar schriftsätzlich uneingeschränkt ihre Anschlussbereitschaft erklärt hatte, im Termin aber von einem Anschluss in W.. gesprochen hatte. Für den Einspeisepunkt W.. hätte die Beklagte Kosten für ca. 10 km Zuleitung aufbringen müssen, während es in R. einen näheren Einspeisepunkt gab.

In der Berufungsbegründung weist der Klägervertreter zutreffend darauf hin, dass das Klageziel der Beklagten, in R. angeschlossen zu werden, aus ihrem Prozessvortrag durchaus hervorging. Auch der Kläger selbst hatte durchaus Recht, wenn er im Empfehlungsschreiben darauf abstellte, dass schon erstinstanzlich Streit über den Einspeisepunkt bestand.

Dieser Streit fand aber keine Entsprechung im Antragsprogramm der Beklagten und ein Gericht kann nur über die Anträge und nicht über sonstige Punkte entscheiden, über die die Parteien in ihrem Vortrag uneins sind.

Im Antragsprogramm hatte der erstinstanzliche Anwalt der Beklagten ausdrücklich davon abgesehen, einen bestimmten Einspeisepunkt zu benennen und auch nicht verlangt, dass Auskunft über Netzdaten zu erteilen sei, aus denen sich der technisch und wirtschaftlich günstigste Punkt erschließen ließ.

In der Erwiderung auf den Vortrag der S.-ag, dass es der E. Windkraft gar nicht um die generelle Anschließungsmöglichkeit gehe, sondern allein um den Anschluss in R., hatte der Anwalt der Beklagten vielmehr sogar ausdrücklich ausgeführt, dass zur Klarstellung angemerkt werden solle, dass die Beklagte nicht beantragt habe, in R. angeschlossen zu werden, sondern dem Gesetz entsprechend "an das Versorgungsnetz" der S.-ag im Bereich der geplanten WEA.

Diesem Vorsatz folgt dann allerdings eine lange Ausführung, warum davon ausgegangen werden müsse, dass in R. doch Kapazitäten zur Verfügung stünden und der Anschluss dort erfolgen müsse.

Mit einem Klageantrag, der die S.-ag lediglich zum Anschluss verpflichtete, konnte dieses Anliegen aber nicht erreicht werden.

Ein Urteil oder auch ein formelles Anerkenntnis des Gegners, das in vollem Umfang den gestellten Anträgen entsprochen hätte, hätte der Beklagten zu einem Anschluss in R. oder zu Netzdatenauskünften nicht verhelfen können. Sie hätte sich dann später mit der S.-ag erneut darüber streiten müssen, ob der zur Verfügung gestellte Anschluss dem EEG entsprechend der technisch und wirtschaftlich günstigste gewesen wäre, denn an diesen anzuschließen ist der Energieabnehmer verpflichtet.

Einen Anschluss in R. hätte man mit einem Urteil, in dem der Einspeisepunkt nicht genannt war, nicht durchsetzen können.

Mit einer Wiederholung der erstinstanzlichen Anträge in der Berufung konnte das Prozessziel der Beklagten daher nicht erreicht werden.

Eine Änderung der Anträge dahingehend, dass der Anschluss in R. verlangt werde oder aber die Herausgabe von Netzunterlagen, wäre eine Klageänderung bzw. Erweiterung in zweiter Instanz gewesen, der die Gegenseite mutmaßlich nicht zugestimmt hätte und die auch nicht als sachdienlich zuzulassen gewesen wäre, weil es hier um die Aufklärung schwieriger technischer Fragen zu Kapazitäten und Anschlussmöglichkeiten des Einspeisepunkts R. gegangen wäre. Selbst die Frage, welche Netzdaten offengelegt werden müssen, ist schwierig und - laut Kommentarliteratur - von Gerichten kaum sachgerecht zu entscheiden (sh. Salje, § 3 Rdn. 72). Ein beratender Anwalt durfte deshalb nicht davon ausgehen, dass ein Gericht in II. Instanz die Klärung solcher Fragen ermöglicht hätte.

Das angestrebte Prozessziel war also mit einer Berufung nicht zu erreichen.

Soweit die Berufung weitere Argumente aufführt, die in der Berufung des Vorprozesses hätten geltend gemacht werden können, hätten diese Gesichtspunkte nur dem Zweck dienen können, dem Antragsprogramm I. Instanz noch zur Durchsetzung zu verhelfen und damit eine der Beklagten günstigere Kostenentscheidung zu erreichen.

Diese Argumente sind aber keine solchen, die den Kläger zur Empfehlung der Berufung veranlasst haben, man findet sie weder in seinem Empfehlungsschreiben noch in seiner erstinstanzlichen Argumentation. Es sind vor allem auch nicht die Gründe, die die Beklagte zur Einlegung der Berufung veranlasst haben.

Die Berufung stellt hier deshalb auf einen anderen Kausalverlauf ab, nämlich auf einen (unterstellten) Entschluss der Mandantin, die Berufung auch aus Gründen, die ihr gegenüber tatsächlich gar nicht zur Sprache gekommen waren, durchzuführen.

Um die Ziele, die man mit den Angriffen, die die Berufungsbegründung nennt, möglicherweise erreichen konnte, zu erreichen, hätte die Mandantin ein erhebliches Kostenrisiko eingehen müssen, ohne dass ein dieses Risiko rechtfertigender Erfolg in Aussicht stand.

Es lässt sich nicht feststellen, dass die Beklagte die Berufung mit diesen Zielen eingelegt und weiterverfolgt hätte.

Die Berufungsbegründung meint, man hätte die Auffassung des Landgerichts, es fehle am Rechtsschutzbedürfnis, weil die S.-ag den Anschluss nicht generell verweigert habe, sondern nur den Anschluss in R., mit dem Hinweis auf ein übergangenes Beweisangebot zur Verweigerungshaltung mit Erfolg angreifen können.

Schon dieser Angriff, der erfolgreich hätte sein müssen, um überhaupt die Klage als zulässig erscheinen zu lassen, war aber von zweifelhafter Erfolgsaussicht und es war erkennbar, dass keinesfalls sicher war, dass sich das Berufungsgericht der Auffassung anschließen würde, es sei ein Beweisangebot übergangen worden.

Die Anwälte der Beklagten hatten im Vorprozess nicht behauptet, dass die Mandantin auf ihre etwa 2 1/2 Monate vor Klageerhebung gestellten Anträge eine definitive Absage der S.-ag erhalten habe. Eine schriftliche Absage hatte sie nicht bekommen, Fristen für eine Bescheidung liefen weder nach dem Gesetz, noch hatte die Beklagte der S.-ag Fristen gesetzt. Die Beklagte hatte auf einen Antrag hin von der S.-ag sogar ein Schreiben erhalten, aus dem hervorging, dass die S.-ag mit dem Netzbetreiber E. über die Anschließung verhandelte, die Sache also bearbeitete.

Nach der Antragstellung hatte die Beklagte nur Gesprächskontakte zu Vertretern der S.-ag. Dass in diesen Gesprächen definitiv und hinsichtlich aller in Frage kommender Anschlusspunkte eine Verweigerung erklärt worden war, hatte die Beklagte erstinstanzlich selbst nicht vorgetragen und auch - nach dem Verständnis des Senats - keineswegs unter Beweis gestellt.

Die Beklagte hatte im Vorprozess nur vorgetragen, sie habe nach Antragstellung mit der S.-ag eine Reihe von Telefonaten geführt, um die Anschlusszusage zu bekommen, die S.-ag habe sich dahingehend geäußert, dass ein Anschluss in R. wegen fehlender Einspeisekapazitäten nicht in Betracht komme. Nach einem Gespräch, in dem sie auf die Angabe der technischen Daten gedrängt habe, um die Angaben zu R. zu überprüfen, habe die S.-ag die Offenlegung dieser Daten verweigert und sich nach wie vor auf den Standpunkt gestellt, dass sie technisch keine Möglichkeit habe, die Anlagen an ihr Versorgungsnetz anzuschließen (Beweis Zeuge We.).

Die Berufungsbegründung meint nun, das Beweisangebot We. sei übergangen worden, weil sich aus ihm ergebe, dass der Anschluss verweigert worden sei. Das trifft aber nicht zu.

Das Beweisangebot bezog sich darauf, dass die S.-ag sich "nach wie vor" auf einen früher geäußerten Standpunkt gestellt habe. Der zuvor eingenommene Standpunkt, den die Beklagte geschildert hatte, war aber nur "kein Anschluss in R. möglich".

Das Landgericht hat sogar - vermutlich weil es für nicht eindeutig hielt, ob das Beweisangebot "Zeuge We." sich nur auf den ersten Vortrag "kein Anschluss in R. möglich" bezog, oder beinhalten sollte, dass in jenem Gespräch allgemeiner gesagt worden sein solle, dass "kein Anschluss möglich" sei - nach der mündlichen Verhandlung den Parteien eine Frist gesetzt, innerhalb derer sie noch Erklärungen dazu abgeben konnten, ob der Anschluss vorprozessual verweigert worden sei. Es hat damit auch deutlich gemacht, dass es dies dem Vortrag der Beklagten bisher nicht entnehmen könne.

Von Seiten der Beklagten wurden daraufhin keine neuen Tatsachen vorgetragen und das Zeugenangebot We. auch nicht konkretisiert.

In dieser prozessualen Lage hätte auch der diesen Rechtsstreit entscheidende Senat angenommen, dass das Beweisangebot "Zeuge We." sich allein auf die erste Darstellung, dass nämlich ein Anschluss in R. abgelehnt wurde und die Herausgabe der Unterlagen zur Überprüfung dieser Darstellung verweigert worden sei, bezog.

Neuer Vortrag zur vorprozessualen Verweigerungshaltung der S.-ag konnte in zweiter Instanz nicht mehr angebracht werden, weil das Landgericht insoweit eine Ausschlussfrist gesetzt hatte.

Der Angriff "übergangenes Beweismittel" bot also höchstens zweifelhafte Erfolgsaussichten, die auch zunächst nur die Zulässigkeit der Klage betraf.

Selbst wenn die Klage aber zulässig gewesen wäre, ergaben die gegensätzlichen Beweisantritte jedoch das weitere Risiko, die Verweigerungshaltung in einer Beweisaufnahme nicht belegen zu können. Die S.-ag hatte erklärt, ihr Mitarbeiter, der Zeuge H., habe dem Geschäftsführer der Klägerin mitgeteilt, dass ein Anschluss in W.. in Betracht komme (Beweis Zeuge H.).

Wenn der Beklagten auch diese Beweisführung gelungen wäre, hätte sie - wie die Berufungsbegründung darstellt

- nun darauf abstellen können, dass die lediglich im Prozess erklärte Anschlusszusage kein formelles Anerkenntnis sei und die Beklagte Anspruch auf einen Titel habe.

- Sie hätte dabei auch die beiden weiteren Punkte der Klage weiterverfolgen können, mit denen neben dem Anschlussbegehren geltend gemacht worden war, dass der erzeugte Strom abzunehmen und zu bezahlen sei.

- Sie hätte überdies geltend machen können, das die S.-ag fehlerhaft auf dem Standpunkt stehe, dass ein Anschlussvertrag abgeschlossen werden müsse, während nach der zutreffenden Rechtsauffassung das Gesetz selbst einen direkten Anspruch auf Anschluss eröffne.

Mit all diesen Argumenten hätte man - wenn man mit ihnen durchgedrungen wäre - aber allenfalls erreichen können, dass im Berufungsrechtszug ein Urteil entsprechend den Klageanträgen I. Instanz erlassen und eine günstigere Kostenentscheidung getroffen worden wäre.

Dieses Ziel zu erreichen war aber nicht der Zweck der Berufung, denn mit einem solchen Titel hätte die Beklagte nur wenig anfangen und vor allem ihr Ziel "Anschluss in R." nicht erreichen können.

Ernsthafte Zweifel daran, dass die S.-ag bei Anschluss der WEA deren Strom auch abnehmen und bezahlen würde, dürften nicht bestanden haben und dies hätte sich ggf. auch ohne die kostenintensive Rechtsmitteleinlegung außergerichtlich klären lassen.

Ob ein Vertrag abgeschlossen werden musste oder die Anschlusspflicht sich aus dem Gesetz herleiten ließ, war allenfalls von akademischem Interesse.

Dass die Berufung hätte durchgeführt werden sollen mit dem alleinigen Zweck, einen weitgehend wertlosen Titel mit dem Inhalt der erstinstanzlichen Anträge und eine günstigere Kostenentscheidung zu erzielen, ist nicht anzunehmen. Um einer Kostenentscheidung willen einen noch einmal so teuren Prozess zu führen, kann allenfalls gerechtfertigt erscheinen, wenn keinerlei Risiko, nun auch in dieser Instanz zu unterliegen, besteht.

Hier war es aber schon kaum anzunehmen, dass man nur den ersten Problempunkt "Zulässigkeit" zu überwinden in der Lage sein würde.

Das anempfohlene Rechtsmittel bot daher auch mit dem Prozessziel, einen Titel über die erstinstanzlichen Anträge und eine bessere Kostenentscheidung zu erlangen, weitaus mehr Risiken - vor allem im Hinblick auf die Kosten - als Nutzen.

Allein mit diesem Ziel hätte eine wirtschaftlich denkende Partei eine Berufung nicht eingelegt.

Die Berufung war daher weder aus den vom Kläger empfohlenen Gründen ratsam, noch ist erkennbar, dass die Beklagte sie mit einem anderen Ziel überhaupt eingelegt hätte oder dies sinnvoll gewesen wäre.

Der Kläger hat der Beklagten die Kosten zu ersetzen, die ihr entstanden sind, weil sie seiner fehlerhaften Beratung gefolgt ist. Diese Kosten sind in der Höhe unstreitig. Nach Verrechnung eines Teils des Schadensersatzanspruchs mit der Klageforderung rechtfertigen die weiteren Kosten die Widerklageforderung. Die Berufung des Klägers bleibt deshalb ohne Erfolg.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO, 25 Abs. 2 GKG.

Anlass zur Zulassung der Revision sieht der Senat nicht.

Ende der Entscheidung

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