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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 21.09.2000
Aktenzeichen: 11 W 36/94
Rechtsgebiete: GG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 17
ZPO § 42 Abs. 1
Wird im Prozeßkostenhilfeverfahren eine Gegenvorstellung abgelehnt, ist ein Antrag, die daran beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, nicht statthaft.

SchlHOLG, 11. ZS, Beschluß vom 18. August 2000, - 11 W 36/94 -,


Beschluss

11 W 36/94 12 O 300/94 - LG Kiel

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

...

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch ... und den Richter am Oberverwaltungsgericht

am 18.08.2000 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag vom 16. Mai 2000 auf Anlehnung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht und der Richter am Oberlandesgericht und wegen Besorgnis der Befangenheit wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (ASt.) berühmt sich eines Anspruchs gegen die Antragsgegnerin (Agg.) auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung, weil sie sich in Täuschungsabsicht und vorsätzlich satzungswidrig aus der Mitgliedschaft bei der Agg. herausgedrängt sieht. Ihr Prozesskostenhilfeantrag wurde vom Landgericht durch Beschluss vom 13.10.1994 (Bl. 126 d. A.) als unzulässig zurückgewiesen; die dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Beschluss des Senats vom 11.07.1995 (Bl. 167 d. A.) mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Prozesskostenhilfenantrag unbegründet ist.

Durch Beschlüsse vom 26.02.1996 (Bl. 362 d. A.), 04.06.1996 (Bl. 408 d. A.), 22.03.1999 (Bl. 487 d. A.), 07.06.1999 (Bl. 503 d. A.) und vom 22.03.2000 (Bl. 525 d. A.) hat der Senat Gegenvorstellungen der ASt. gegen den Beschluss vom 11.07.1995 zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 11.04.2000 (Bl. 533 d. A.) - ergänzend begründet am 16.05.2000 (Bl. 544 d. A.) und am 14.06.2000 (Bl. ..... d. A.) - erhebt die Ast. weitere Gegenvorstellung und lehnt die am Beschluss vom 22.03.2000 beteiligten Richter - den Vorsitzenden Richter am OLG und die Richter am OLG und - wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die betroffenen Richter haben dienstliche Äußerungen dazu abgegeben.

II.

Das Ablehnungsgesuch bleibt gemäß §§ 42, 44, 45, 46 ZPO ohne Erfolg.

Bereits seine Zulässigkeit ist durchgreifenden Einwänden ausgesetzt, denn im Verfahren über eine Gegenvorstellung - wie vorliegend - ist eine Richterablehnung nicht statthaft (dazu unten 1). Die ASt. bezieht in das Ablehnungsgesuch alle Mitglieder des Senats ein, die an dem Beschluss vom 27.03.2000 mitgewirkt haben; dies ist (ebenfalls) unzulässig (unten 2). Schließlich dient das Verfahren allein der Sicherung der Unparteilichkeit, nicht aber dazu, angebliche (tatsächliche oder rechtliche) Fehler der Entscheidung, an der die abgelehnten Richter mitgewirkt haben, zu überprüfen, oder einen Verfahrensbeteiligten vor einer ihm möglicherweise ungünstigen Rechtsauffassung eines Richters zu schützen (unten 3).

1) Das - mit einer erneuten Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 22.03.2000 verbundene - Ablehnungsgesuch ist in der hier gegebenen Verfahrenssituation nicht statthaft. Die ASt. bezieht sich auf einen Beschluss über die Ablehnung einer Gegenvorstellung, die den unanfechtbaren (vgl. § 568 Abs. 2 ZPO) Beschluss des Senats vom 11.07.1995 betrifft. Ihre Gegenvorstellung ist kein Rechtsmittel, sondern lediglich eine Anregung an das Gericht, eine einmal getroffene Entscheidung nochmals zu überprüfen und ggf. zu ändern. Die Gegenvorstellung ist insofern eine Petition, die an sich keine weitere förmliche Entscheidung erfordert. Eine Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist im Verfahren über eine solche Gegenvorstellung nicht statthaft (vgl. BFH, Beschl. v. 09.05.1996, IX S 16-23/96, BFH/NV 1996, 774 ff. [Juris]; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.09.1988, 1 Ws 861-862/88, NStZ 1989, 86; OLG Hamm, Beschl. v. 29.04.1993, 3 Ws 123/93, MDR 1993, 789).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass (auch) bei einer Petition der Anspruch auf rechtliches Gehör zu beachten ist und der Petent einen Anspruch auf Kenntnisnahme, sachliche Prüfung und Bescheidung seiner Eingabe hat (vgl. BVerfGE 2, 225 ff./230; Dagtoglou, in: Bonner Komm. zum GG, Art. 17 Rn. 89, 95). Läge eine Gehörsverletzung - wie die ASt. meint - vor, ergäbe sich daraus allenfalls ein Anspruch auf eine erneute Bescheidung der Petition (Gegenvorstellung), nicht aber ein Recht zur Ablehnung der mit der "Beantwortung" der Eingabe befassten Personen. Ein möglicherweise noch bestehender (weiterer) Bescheidungsanspruch der ASt. kann im Zusammenhang mit der Behandlung der weiteren Gegenvorstellung berücksichtigt werden. Dabei ist allerdings insoweit keine erneute sachliche Bescheidung geboten, als das Anliegen der ASt. bereits durch die bisherigen, auf ihre Gegenvorstellungen ergangenen Beschlüsse sachlich erledigt worden ist (BVerfG, a.a.O., 231 f.).

2) Ein Ablehnungsgesuch muss sich auf die Person eines bestimmten an der Entscheidung beteiligten Richters beziehen. In Bezug auf diesen müssen nachvollziehbare Gründe vorgetragen werden, die - individuell - auf eine unsachliche oder willkürliche Einstellung hindeuten können. Eine Ablehnung des gesamten Spruchkörpers ist in aller Regel auch dann unzulässig, wenn sämtliche Richter einzeln benannt sind (BGH JZ 1974, 65/66).

Konkrete Gründe, aus denen sich die Besorgnis der Befangenheit bezüglich der am Beschluss vom 27.03.2000 beteiligten Richter ableiten ließe, sind aus dem Vorbringen der ASt. nicht zu entnehmen. Sie meint zwar, ihr Sachvortrag sei "offenkundig" missdeutet worden, was darauf beruhe, dass keine Bereitschaft zur unvoreingenommenen Überprüfung der "Entscheidungsgrundlage des Beschlusses vom 07.06.1999 bestehe. Eine Befangenheit der am Beschluss vom 27.03.2000 beteiligten Richter wäre demgegenüber erst in Betracht zu ziehen, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass diese das Antragsvorbringen aus unsachlichen oder einseitigen Gründen nur noch lückenhaft oder sonst fehlerhaft erfasst haben. Derartige Anhaltspunkte werden von der ASt. nicht genannt, sie sind auch nicht ersichtlich. Soweit die ASt. geltend macht, dass Vollstreckungsversuche "keineswegs erfolglos" geblieben wären, und ein Ausschluss gem. § 14 Abs. 7 der Satzung der Agg. durch zuzustellenden Verwaltungsakt habe erfolgen müssen, was hier wegen ihrer "partiellen Geschäftsunfähigkeit" nicht möglich gewesen wäre, greift sie damit den Beschluss vom 27.03.2000 inhaltlich an, ohne dass auch nur ein Ansatzpunkt dafür erkennbar ist, dass und welche Befangenheitsgründe gegen die an diesem Beschluss beteiligten Richter vorliegen sollen.

3) Soweit sich die Ast. - schließlich - auf etwaige (tatsächliche oder rechtliche) Fehler der Entscheidung vom 27.03.2000 bezieht, ergibt sich daraus kein Befangenheitsgrund. Ein Antrag auf Richterablehnung eröffnet keinen Weg zur inhaltlichen Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen. Anderes mag gelten, wenn das Verfahren oder der Inhalt einer Entscheidung unvertretbar sind; dafür fehlen vorliegend jegliche Anhaltspunkte.

Anzumerken bleibt insoweit folgendes:

Die Argumentation der ASt. betrifft den hypothetischen Kausalverlauf bei einer 1974 erfolgten Vollstreckung von Beitragsrückständen. Soweit die ASt. vorträgt, sie hätte szt. Bankkredite in Anspruch nehmen können, ist darauf der Sache nach bereits eingegangen worden (Beschl. v. 22.03.2000, S. 3, 1. Abs. d. Abdr.; Beschl. v. 27.03.2000, S. 2 d. Abdr.), indem von einer Zahlungsunfähigkeit der ASt. ausgegangen wurde. Die ASt. setzt dem lediglich ihre weiter aufrechterhaltene abweichende Ansicht entgegen. Soweit ein Kausalverlauf angenommen werden soll, bei dem im Falle einer Vollstreckung nur die Verwandten der ASt. "eingesprungen" wären und die Forderung der Agg. befriedigt hätten, wäre dies - nach den vorangegangenen Beschlüssen, insbesondere nach dem Beschluss vom 22.03.1999 (S. 3, 2. Abs. d. Abdr.) - ohnehin nicht erheblich. Im Rahmen des Beschlusses vom 27.03.2000 bedurfte die Frage, ob und unter welchen (hypothetischen) Voraussetzungen die Beitragsrückstände der ASt. durch ihre Schwester oder ihre Mutter ausgeglichen worden wären, deshalb keiner weiteren Erörterung mehr.

Abgesehen davon betrifft die Frage des hypothetischen Kausalverlaufs nur einen der - unabhängig voneinander wirkenden - Lösungswege, die im Beschluss vom 11.07.1995 behandelt worden sind und dazu geführt haben, dass die beantragte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten der Klage versagt worden ist. Die Gegenvorstellung der ASt. könnte nur Veranlassung zu einer Änderung des genannten Ablehnungsbeschlusses geben, wenn - unter allen Gesichtspunkten - Gründe für eine hinreichende Erfolgsaussicht bestünden. Betrifft eine Gegenvorstellung - wie hier - nur ein einzelnes "Element" des zur Beurteilung der Erfolgsaussichten erforderlichen Prüfungsprogramms, kann deren Bescheidung entsprechend knapp ausfallen, ohne dass daraus ein Ansatz für eine sachwidrige Behandlung zu gewinnen ist.

Ende der Entscheidung

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