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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 16.04.2003
Aktenzeichen: 12 UF 65/99
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, SchlHAGBGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 137
BGB § 1376 IV
BGB § 2949 II
SchlHAGBGB § 23
Die Minderung des Ertragswertes eines landwirtschaftlichen Betriebs im Laufe der Ehezeit ist von dem außerhalb des Hofes ermittelten Zugewinn jedenfalls dann abzuziehen, wenn gegenüber dem Anfangsvermögen zugleich auch der Verkehrswert des Betriebs gemindert ist.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Schluss-Urteil

12 UF 65/99

Verkündet am: 16. April 2003

In der Familiensache

hat der 3. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Ortmann und die Richter am Oberlandesgericht Zieper und Schiemann für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Auf die Berufung des Antragstellers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Antragsgegnerin das am 05. März 1999 verkündete Schluss-Urteil des Amtsgerichts Husum (Az. 22 F 120/96) hinsichtlich des Ausspruchs zum Zugewinnausgleich (III des Urteilstenors) dahingehend geändert, dass die Klage abgewiesen wird.

II.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Die Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Antragsgegnerin verlangt von dem Antragsteller Zugewinnausgleich. Der am 20.10.1943 geborene Antragsteller und die am 14.04.1951 geborene Antragsgegnerin hatten am 30.10.1970 miteinander die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind die inzwischen volljährigen Söhne Th., geb. am 01.04.1972, V., geb. am 22.04.1975 und K., geb. am 12.10.1976, hervorgegangen. Nachdem die Parteien sich am 08.06.1995 getrennt hatten und der Scheidungsantrag des Antragstellers der Antragsgegnerin am 06.05.1996 zugestellt worden war, ist ihre Ehe durch das nur hinsichtlich des Zugewinns angefochtene Urteil vom 05.03.1999 geschieden worden. Die Rechtskraft des Urteils hinsichtlich des Scheidungsausspruchs und des Versorgungsausgleichs trat am 09.11.1999 ein.

Zu Beginn der Ehe hatte der Antragsteller zunächst als Milchtankwagenfahrer gearbeitet und kurz darauf den elterlichen Hof von seiner verwitweten Mutter gepachtet. Zur Pacht gehörte die landwirtschaftliche Nutzfläche sowie das leere Hofgebäude. Es waren weder Tiere noch Geräte oder sonstige Betriebsmittel vorhanden. Im Laufe der Zeit wurde der Viehbestand angeschafft und vergrößert. Zunächst wurde der Hof als Nebenerwerbsbetrieb geführt, bis der Antragsteller ab dem 01.10.1975 den Hof als Vollerwerbsbetrieb führte. Von Anfang an hat die Antragsgegnerin auf dem Hof voll mitgearbeitet. Durch notariellen Vertrag vom 26.01.1980 wurde der Hof mit Wirkung vom 01.01.1980 von der Mutter des Antragstellers auf diesen übertragen. Der Antragsteller übernahm die zu diesem Zeitpunkt noch mit etwa 7.000,00 DM valutierenden Grundpfandrechte und verpflichtete sich zur Zahlung einer jährlichen Rente an seine Mutter in Höhe von 4.466,00 DM.

Bei Beendigung des Güterstandes handelte es sich bei dem Bauernhof um einen schuldenfreien Vollerwerbsbetrieb, dessen wesentliche Einnahmequelle die Milcherzeugung war. Darüber hinaus hatte der Antragsteller ein nicht unerhebliches Vermögen in Form von Bankguthaben, Wertpapieren, Bausparverträgen und einer Lebensversicherung.

Die Parteien streiten im Wesentlichen darum, ob und ggf. wie die Übertragung von Bausparverträgen und einer Lebensversicherung durch den Antragsteller an seine Söhne vor Beendigung des Güterstandes im Endvermögen des Antragstellers zu berücksichtigen ist, ob ein Geldbetrag von insgesamt 92.564,51 DM, der von dem Konto des Antragstellers vor Beendigung des Güterstandes an seine drei Söhne zu gleichen Teilen ausgezahlt wurde, in seinem Endvermögen zu berücksichtigen ist und insbesondere darüber, ob und ggf. wie der von den Parteien während der Ehezeit bewirtschaftete "S.-hof" im Anfangs- und im Endvermögen des Antragstellers zu bewerten ist.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antragsteller zu verurteilen, an sie zum Ausgleich des in der Ehe erzielten Zugewinns den Betrag von 200.000,00 DM zu zahlen nebst 4 % Zinsen ab Rechtskraft der Ehescheidung.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Zahlungsklage abzuweisen.

Das Amtsgericht hat den Antragsteller antragsgemäß verurteilt. Dabei hat es den "S.-hof" weder im End- noch im Anfangsvermögen berücksichtigt und stattdessen im Endvermögen des Antragstellers den Wert der Milchquote sowie des während der Ehezeit angeschafften Inventars berücksichtigt. Ferner hat das Amtsgericht die von dem Antragsteller auf die Söhne übertragenen Vermögenswerte seinem Endvermögen hinzugerechnet.

Auf das angefochtene Urteil nebst aller darin enthaltenen Verweisungen wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wenden sich der Antragsteller mit seiner Berufung und die Antragsgegnerin mit ihrer Anschlussberufung. Der Antragsteller behauptet, bei der Übertragung des Gesamtbetrages von 92.564,13 DM habe es sich um Geld gehandelt, welches nicht ihm gehört habe, sondern seinen Söhnen. Dieses Geld hät-ten sie sich im Laufe der Jahre durch Mitarbeit auf dem Hof verdient und angespart. Bei der Übertragung von Bausparverträgen und einer Lebensversicherung auf seine Söhne V. und K. habe es sich um die Erfüllung einer sittlichen Pflicht gehandelt, weil diese einen Ausgleich erhalten sollten dafür, dass der Sohn Th. den Hof übernehmen sollte. Der Antragsteller ist der Ansicht, der S.-hof habe sowohl im Anfangs- als auch im Endvermögen berücksichtigt werden müssen. Durch den Verfall der Bodenpreise sei der Ertragswert des Schwarzhofes während der Ehezeit nicht gestiegen, sondern gesunken. Der Wert des Inventars könne nicht gesondert berücksichtigt werden, sondern sei in dem Ertragswert des S.-hofes enthalten. Insgesamt habe er keinen Zugewinn erzielt.

Demgegenüber verteidigt die Antragsgegnerin das Urteil, soweit es die Bewertung der Übertragung von Vermögenswerten auf die Söhne betrifft und ist der Ansicht, dass nur der bloße Hof im Anfangs- und im Endvermögen mit dem Ertragswert zu bewerten sei und im Übrigen das Inventar des Hofes und die Milchquote eigenständige Vermögenspositionen darstellten, die gesondert bewertet werden müssten.

Der Antragsteller beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage zum Zugewinnausgleich in vollem Umfang abzuweisen

sowie

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das angefochtene Urteil hinsichtlich des Ausspruchs zum Zugewinnausgleich zu ändern und den Antragsteller zu verurteilen, an die Antragsgegnerin weitere 10.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 09.11.1999 zu zahlen

sowie

die Berufung des Antragstellers zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen, die Gutachten der Sachverständigen B. und Sch. und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung zweier Sachverständigengutachten zur Frage der Bewertung des Schwarzhofes sowie durch Vernehmung der Zeugen V. H., K. H. und Th. H. sowie des Zeugen W.S.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das schriftliche Parteigutachten des Diplom-Ingenieurs Sch. (Bl. 259 - 283) und die schriftlichen Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen B. vom 01.08.2001 und 27.10.2002 (in hinterer Hülle von Band II der Akten) sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 20.12.2000 (Bl. 284 - 292), 27.02.2002 (Bl. 319 - 327) und vom 29.01.2003 (Bl. 498 - 505 d. A.).

II.

Die zulässige Berufung des Antragstellers hat Erfolg, während der Anschlussberufung der Antragsgegnerin der Erfolg versagt bleibt.

Die Klage auf Zugewinnausgleich der Antragsgegnerin ist unbegründet, weil der Antragsteller während der Ehe keinen Zugewinn erzielt hat. Denn der Wert des S.-hofes ist während der Ehezeit in einem solchen Maße gesunken, dass dieser Wertverlust den Wert der übrigen während der Ehezeit erworbenen Vermögensgegenstände übersteigt. Dabei folgt der Senat den überzeugenden Gutachten des Sachverständigen B.. Der Sachverständige hat die von ihm zugrunde gelegten Zahlen und die Berechnungsmethode dem Senat ausführlich erläutert. Diese Darlegungen sind nachvollziehbar, und die daraus gezogenen Schlüsse und Bewertungen sind überzeugend und plausibel.

Der S.-hof ist gemäß § 1376 Abs. 4 BGB mit dem Ertragswert zu bewerten, denn der Hof wurde zunächst von dem Antragsteller und jetzt von dem Sohn Thore weitergeführt. Zwar bemisst sich nach Art. 137 EGBGB und § 23 SchlhAGBGB der Ertragswert mit 150 % des steuerlichen Einheitswertes. Der steuerliche Einheitswert beträgt 42.000,00 DM, sodass nach dieser Vorschrift der Ertragswert 63.000,00 DM betrüge. Diese Regelung hat aber das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 16.10.1984 (NJW 1985, 1329) als verfassungswidrig angesehen, sodass der Ertragswert hier nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln war. Gem. § 2049 Abs. 2 BGB bestimmt sich der Ertragswert nach dem Reinertrag, den das Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig gewähren kann.

Der Sachverständige B. hat den Ertragswert des S.-hofes zum 01.01.1980 mit 436.000,00 DM bewertet, das sind unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes 665.163,00 DM.

Den Ertragswert zum Endstichtag 06.05.1996 hat der Sachverständige B. bewertet mit 357.000,00 DM.

Danach hat der S. während der Ehe einen Wertverlust erlitten von 308.163,00 DM

Selbst dann, wenn man den Ertragswert zum 01.01.1980 ohne das Inventar bewertete, weil dieses von den Parteien während der Ehe, aber vor Hofübergang angeschafft worden war, betrüge der Wertverlust 250.190,00 DM,

denn der Ertragswert ohne Inventar zum 01.01.1980 ist vom Sachverständigen mit 398.000 DM festgestellt worden, indexiert 607.190,00 DM.

Die sich nach den Ermittlungen des Sachverständigen B. ergebende Minderung des Ertragswertes des S.-hofes ist von dem außerhalb des Hofes ermittelten Zugewinn abzuziehen. Auch wenn Sinn des Privilegs des § 1376 Abs. 4 BGB es nicht ist, dem begünstigten Ehegatten nun auch noch beim persönlichen Gut Vorteile zu verschaffen (Münchener Kommentar/Koch, 4. Aufl., § 1376 Rn. 39; Amtsgericht Gütersloh, Agrarrecht 1990, 211 mit Anm. Wolter), so ist aber jedenfalls eine Verrechnung auf das persönliche Gut dann möglich, wenn nicht nur der Ertragswert, sondern - wie hier - auch der Verkehrswert des Hofes gegenüber dem Anfangsvermögen gemindert ist. In diesem Fall beruht nämlich der Negativsaldo nicht (nur) auf der Privilegierung des § 1376 Abs. 4 BGB (so Münchener Kommentar/Koch, a.a.O.; ähnlich auch Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl., § 1376 Rn. 17 unter Hinweis auf Haegele, BWNotZ 1973, 49, 50).

Der Sachverständige B. hat den Verkehrswert (ohne Inventar) des Schwarzhofes zum 01.01.1980 mit 750.000,00 DM bewertet, das sind unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes 1.144.202,00 DM.

Den Verkehrswert zum Endstichtag 06.05.1996 hat der Sachverständige B. bewertet mit 540.000,00 DM.

Danach beträgt der Wertverlust bei Berücksichtigung der Verkehrswerte sogar 604.202,00 DM.

Eine Verrechnung des Wertverlustes mit dem hoffreien Vermögen ist nur scheinbar unbillig. Auch wenn eine Minderung des Ertrags- bzw. Verkehrswertes vorläge, die nicht durch die Bewirtschaftung der Parteien, sondern ausschließlich durch Marktumstände verursacht worden ist, kann ein solcher Verlust nicht unberücksichtigt bleiben. Ebenso wie bei allen anderen Vermögenswerten auch, wie nicht privilegierten Immobilien, Wertpapieren, Unternehmen, muss auch bei landwirtschaftlichen Betrieben die tatsächliche Wertentwicklung berücksichtigt werden. Denn die Regelung des § 1376 Abs. 4 BGB soll lediglich im Interesse des Fortbestehens des lebensfähigen ungeteilten Landgutes den Inhaber des Betriebes besserstellen, indem auf die regelmäßig niedrigeren Wertzuwächse bei Zugrundelegung des Ertragswertverfahrens abgestellt wird. Sinn dieser Vorschrift ist es dagegen nicht, tatsächliche Wertverluste unberücksichtigt zu lassen und dadurch dem Inhaber des Betriebes einen künstlich erhöhten Zugewinn zuzurechnen.

Die während der Ehezeit hinzugekommene Milchquote ist nicht als gesonderte Vermögensposition zu berücksichtigen. Denn die Milchquote ist bereits bei der Ermittlung des Ertragswertes berücksichtigt. Hauptertrag des Hofes ist die Milcherzeugung. Ohne die Milchquote ist eine Milcherzeugung nicht möglich, sodass ohne diese der Hof auf seine wesentliche Ertragsquelle, die Milcherzeugung, verzichten müsste. Die Milchquote ist daher mittelbar über den Ertrag aus der Milcherzeugung in die Berechnung des Reinertrages eingeflossen.

Selbst wenn man die übrigen Vermögenspositionen zugunsten der Antragsgegnerin mit den von ihr angenommenen Werten (Pkw Ford 17 M) und auch die auf die Söhne übertragenen Bauspar- und Lebensversicherungsbeträge sowie den an die Söhne ausgezahlten Geldbetrag von 92.564,51 DM im Endvermögen des Antragstellers berücksichtigte und das fragliche Darlehen über 10.000 DM von Thore Hinrichs an den Antragsteller unberücksichtigt ließe, hätte der Antragsteller keinen Zugewinn erzielt, wie die folgende Aufstellung zeigt:

Anfangsvermögen des Antragstellers: Pkw Ford 17 M 1.000,00 DM, indexiert 2.501,00 DM Schwarzhof - ohne Inventar - 607.190,00 DM insgesamt 609.691,00 DM

Endvermögen des Antragstellers: Schwarzhof (mit Inventar) 357.000,00 DM Guthaben Konto Nr. 42927 7.962,15 DM Lebensversicherung Provinzial 49.400,00 DM Wertpapierkauf für Söhne (3 x 30.854,17 DM) 92.564,51 DM Wertpapierkauf für Kai (50.000 DM - 37.956,22 DM) 12.043,78 DM Bausparguthaben Vertrag Nr. 10609019 C 01 12.955,57 DM Bausparguthaben Vertrag Nr. 03565867 F 04 14.115,08 DM Darlehen Nr. 400042927 - 28.769,17 DM Bauspardarlehen Nr. 03565867 F 02 - 7.164,64 DM insgesamt 510.107,28 DM.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 93 a, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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