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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 06.05.2004
Aktenzeichen: 13 UF 15/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1607 II

Entscheidung wurde am 24.11.2004 korrigiert: der 2. Satz des Leitsatzes wurde vervollständigt
Im Rahmen der Ersatzhaftung der Großeltern gegenüber minderjährigen Kindern nach §§ 1607,1601, 1603 Abs. 1 BGB ist eine Erhöhung des Selbstbehalts gerechtfertigt.

Diese kann so bemessen werden, dass der den Eltern gegenüber volljährigen Kindern zustehende große Selbstbehalt um 25% derzeit 920 Euro + 25% = 1150,00 Euro erhöht wird.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 UF 15/04

In der Familiensache (Kindesunterhalt)

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12. Dezember 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Elmshorn - Familiengericht - teilweise geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe: I.

Der Kläger verlangt vom Beklagten, seinem Großvater väterlicherseits, Unterhalt für die Zeit ab Dezember 2002.

Er lebt bei seinen Großeltern mütterlicherseits. Die Großmutter wurde für ihn zum Vormund bestellt, nachdem seiner nicht verheirateten Mutter das Recht der elterlichen Sorge entzogen worden war. Die Großmutter erhält Arbeitslosenhilfe, ihr Ehemann, der Großvater mütterlicherseits, erhält Altersrente in Höhe von monatlich 548,10 €.

Die Mutter des Klägers erhält Leistungen der Sozialhilfe. Sie betreut die am 3. Februar 2002 geborene jüngere Schwester des Klägers, Lara-Daniela.

Der Vater des Klägers, Markus Lukas, ist 32 Jahre alt und ausgebildeter Kfz-Mechaniker. Er bezieht Arbeitslosenhilfe. Die Großmutter des Klägers hat sich als dessen Vormund mit anwaltlicher Hilfe erfolglos bemüht, vom Kindesvater regelmäßige Unterhaltszahlungen zu erlangen. Sie hat den Vater wegen Verletzung der Unterhaltspflicht angezeigt. Dem Beklagten ist es lediglich gelungen, vom Konto seines Sohnes, des Kindesvaters, mit dessen Einwilligung geringe Beträge als Unterhaltsbeitrag zugunsten des Klägers zu überweisen.

Der Beklagte erhält gesetzliche Altersrente sowie Betriebsrente von der VBL. Er war Müllwerker und ist nach einer Bypassoperation schwerbehindert. Der Grad der Behinderung beträgt 60. Der Beklagte zahlt an seine getrennt lebende Ehefrau Brigitte L. Unterhalt in Höhe von monatlich 195,31 €.

Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung der Regelbedarfsbeträge in Anspruch genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage zum Teil entsprochen. Es hat den Beklagten unter Berücksichtigung seiner übrigen Zahlungsverpflichtungen als teilweise finanziell leistungsfähig angesehen und verpflichtet, ab Dezember 2002 monatlich 56,50 € an den Kläger zu zahlen. Wegen der getroffenen Feststellungen und der Begründung der Entscheidung wird auf das Urteil des Amtsgerichts verwiesen.

Gegen dieses wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er macht geltend:

Der Kläger habe weder hinreichend dargelegt noch bewiesen, dass er von seinem Vater Unterhaltszahlungen nicht erhalten könne. Unabhängig davon sei er, der Beklagte, aber auch nicht leistungsfähig.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich der Berufung des Beklagten angeschlossen und Unterhalt für die Zeit ab Dezember 2002 im Umfang des erstinstanzlichen Klagantrags verlangt. Er hat diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht weiter verfolgt, sondern beantragt lediglich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, der Beklagte könne ihm Aufwendungen für die Finanzierung des Kaufs eines Pkw und eines Fernsehers nicht entgegenhalten. Die Raten für die zugunsten des Sohnes Holger L. übernommene Bürgschaft und die Prämien für die Sterbegeldversicherung müsse der Beklagte aus seinem Selbstbehalt bestreiten.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen und Einzelnen wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und die Gerichtsprotokolle verwiesen.

Der Senat hat den Beklagten persönlich angehört.

II.

Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist nicht begründet.

Der Kläger kann Unterhalt nach den hier allein in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 1607 Abs. 2, 1601 BGB nicht verlangen. Nach diesen Gesetzesvorschriften hat dann, wenn u.a. die Rechtsverfolgung von Unterhaltsansprüchen gegen einen Verwandten erheblich erschwert ist, der nach ihm haftende Verwandte den Unterhalt zu gewähren. Das bedeutet, dass insbesondere dann, wenn von einem Vater Unterhaltszahlungen für dessen minderjähriges Kind nicht beigetrieben werden können, ersatzweise der Großvater haften muss, obwohl der Vater bei gehörigen Anstrengungen im Stande wäre, Einkommen in ausreichender Höhe zu verdienen.

Vorliegend braucht allerdings nicht entschieden zu werden, ob vom Vater des Klägers Unterhaltszahlungen beizutreiben sind; denn die Ersatzhaftung des beklagten Großvaters entfällt hier, weil er seinerseits gemäß § 1603 Abs. 1 BGB finanziell nicht leistungsfähig ist. Nach der genannten Vorschrift ist unterhaltspflichtig nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außer Stande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt für das Kind zu gewähren. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, wie sich aus nachfolgenden Erwägungen und Berechnungen ergibt.

In der Zeit von Juli bis Dezember 2003 erhielt der Beklagte

gesetzliche Rente von monatlich 1.173,11 € sowie Betriebsrente von der VBL in Höhe von 328,20 €, zusammen also 1.501,31 €.

Dieses Nettoeinkommen des Beklagten steht jedoch nicht in voller Höhe zur Bestreitung seines eigenen Lebensunterhalts zur Verfügung; denn der Beklagte ist finanzielle Verpflichtungen eingegangen, noch bevor er auf Zahlung von Unterhalt vom Kläger in Anspruch genommen wurde. Um diese regelmäßigen finanziellen Verpflichtungen ist sein Einkommen also zu bereinigen.

Für seinen Sohn Holger L. hat der Beklagte eine Bankbürgschaft übernommen, aus der er für lange Zeit mit monatlichen Raten in Höhe von 50,00 DM in Anspruch genommen wird, so dass in Abzug zu bringen sind monatlich 25,56 €.

Der Beklagte hält einen Pkw, dessen Anschaffung er finanziert hat. Seit langem zahlte er auf den Pkw-Kredit monatliche Raten von 178,00 €. Vor einiger Zeit gab er den Wagen wieder ab und kaufte sich einen kleineren, ein Jahr alten Pkw Renault. Für diesen hat er den Kredit nunmehr mit monatlichen Raten von 174,00 € an die CC-Bank zurückzuzahlen.

Schließlich muss er an seine getrennt lebende Ehefrau Brigitte L. Unterhalt von monatlich 195,31 € zahlen, so dass ihm selbst nur 1.106,44 € verbleiben.

Damit aber ist der angemessene Selbstbehalt des Beklagten zur Deckung seines eigenen Unterhaltsbedarfs nicht mehr gewahrt, sondern bereits erheblich unterschritten. Der Senat hält den Selbstbehalt, auf den sich Großeltern gegenüber ihren Enkeln gemäß § 1603 Abs. 1 BGB berufen können, in Höhe von monatlich 1.150,00 € für angemessen.

Die Großeltern trifft nämlich anders als die Eltern keine gesteigerte Pflicht, für den Unterhalt gegenüber minderjährigen Kindern aufzukommen. Im Gegenteil ist der angemessene Selbstbehalt der Großeltern noch höher als derjenige anzusetzen, der Eltern mit 920,00 € nach Ziffer 21.3 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts gegenüber volljährigen Kindern verbleiben soll. Die Ersatzhaftung der Großeltern rechtfertigt eine Erhöhung des den Eltern zustehenden großen Selbstbehaltes um 25 % (920,00 € + 25 % = 1.150,00 €).

Demnach kann der Kläger Unterhalt von seinem Großvater für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2003 nicht verlangen.

Gleiches gilt für den geltend gemachten Zeitraum von Dezember 2002 bis Juni 2003. In diesem war das Renteneinkommen des Beklagten noch geringer als in der Zeit ab Juli 2003. Es betrug nur 1.485,93 € monatlich. Auch für die Zeit seit Januar 2004 ist der Beklagte leistungsunfähig. Sein Renteneinkommen ist wieder geringer als in dem Zeitraum bis Dezember 2003, nachdem von der Betriebsrente der VBL die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung nicht nur in halber, sondern in voller Höhe abgezogen werden.

Der Kläger muss gemäß § 91 ZPO schließlich auch die Kosten der unbegründeten Klage tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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