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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 19.03.2007
Aktenzeichen: 13 UF 157/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 1607 Abs. 3
BGB § 1613 Abs. 3
Zu den Voraussetzungen der teilweisen Herabsetzung und Stundung des Unterhaltserstattungsanspruchs des Scheinvaters gegen den leiblichen Vater.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 UF 157/05

verkündet am: 19. März 2007

In der Familiensache (Kindesunterhalt)

wegen Scheinvaterregresses

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 10. August 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Itzehoe - Familiengericht - teilweise geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.000,- € zu zahlen.

Dem Beklagten wird nachgelassen, den Betrag in monatlichen Raten von 100,- € beginnend mit dem 1. April 2007 abzutragen.

Kommt der Beklagte mit der Zahlung von mehr als zwei Monatsraten in Rückstand, so wird der gesamte dann bestehende Restbetrag zur sofortigen Zahlung fällig.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Erstattung geleisteten Kindesunterhalts sowie die Erstattung der Kosten für ein Abstammungsgutachten.

Er war mit Frau P. W. verheiratet. Sie gebar am 4. November 1993 das Kind D..

Zu der Zeit lebte die Familie von dem Einkommen, das allein der Kläger durch seine Erwerbstätigkeit erzielte. In der Zeit von Januar 1996 bis einschließlich Januar 2002 erzielte auch die Kindesmutter und Ehefrau des Klägers durch Erwerbstätigkeit Einkommen für die Familie. Im Januar 2002 trennten sich die Eheleute. Von Februar bis Oktober 2002 zahlte der Kläger an seine getrennt lebende Ehefrau für D. Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 231,- €.

Auf die im Oktober 2002 eingereichte Anfechtungsklage des Klägers wurde durch Statusurteil des Amtsgerichts Itzehoe vom 11. September 2003 festgestellt, dass D. P. nicht das Kind des Klägers ist (75 F 908/02 AG Itzehoe).

Nach Erlass dieses Feststellungsurteils hat der Beklagte formwirksam anerkannt, Vater von D. zu sein.

Der Kläger verlangt die Erstattung einer Summe von 11.361,76 € nebst Zinsen.

Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe seine Ansprüche nach Treu und Glauben verwirkt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger bei der Geburt des Kindes bereits gewusst habe, dass auch der Beklagte als Vater des Kindes in Betracht komme.

Wegen der in erster Instanz getroffenen Feststellungen und der Begründung der Entscheidung wird auf das Urteil vom 8. Oktober 2005 verwiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er macht geltend:

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hänge sein Ersatzanspruch als Scheinvater aus § 1607 Abs. 3 BGB nicht davon ab, dass er seinerzeit angenommen habe, selbst der Vater des Kindes zu sein.

Zudem habe er von der sexuellen Beziehung der Kindesmutter zu dem Beklagten erstmalig nach seiner Trennung von ihr im Januar 2002 Kenntnis erlangt. Es gebe auch keine Umstände, deretwegen der Beklagte darauf habe vertrauen dürfen, er, der Kläger, werde an seiner, des Beklagten, Stelle die Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind D. übernehmen.

Schließlich sei das Amtsgericht durch das rechtskräftige Statusurteil gehindert gewesen, die Einhaltung der Frist zur Anfechtung der Ehelichkeit einer anderen Beurteilung zu unterziehen und damit zu einer für ihn, den Kläger, nachteiligen Rechtsfolge zu kommen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 11.361,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2003 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

ihm die Unterhaltsrückstände gemäß § 1613 Abs. 3 BGB ganz oder teilweise zu erlassen,

weiter hilfsweise,

auszusprechen, dass er die Unterhaltsrückstände in monatlichen Raten von 50 € zahlen könne.

Er tritt dem Berufungsvorbringen entgegen und führt aus:

Der Kläger habe über 8 Jahre verstreichen lassen, bevor er die Vaterschaft angefochten habe. Bereits vor der Geburt des Kindes habe der Kläger von der Kindesmutter erfahren, dass nicht er, sondern der Beklagte Vater des Kindes sei. Der Kläger habe sich das Anfechtungsurteil durch falsche Angaben über den Zeitpunkt der Kenntnis der Nichtvaterschaft erschlichen. Deshalb habe er, der Beklagte, Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Itzehoe erstattet.

Zudem sei er auch nicht leistungsfähig. Er sei gelernter Schlosser und seit 1990 als Maschinist bei einer Firma tätig, die im Kraftwerk in G. arbeite. Von seinem Wohnort fahre er nach G. 20 km.

Er müsse an seine geschiedene Ehefrau nachehelichen Unterhalt zahlen, und zwar seit Januar 2004 in Höhe von monatlich 100,- €.

Erst im September 2003 habe er erfahren, dass er Vater des Kindes D. sei. Zu der Zeit habe er gerade mit seiner neuen Partnerin eine Doppelhaushälfte erworben gehabt. Den Erwerb hätten sie mit aufgenommenen Darlehen finanziert. Auf die Darlehen müssten sie monatliche Raten in erheblicher Höhe leisten, zudem auch Beiträge in eine Lebensversicherung zahlen, die der Abdeckung des Darlehens diene. Hinzukomme der Beitrag für eine weitere Risikolebensversicherung, die ebenfalls der Darlehensabsicherung diene.

Für D. müsse er den laufenden Unterhalt mit annehmbar monatlich 247,- € zahlen.

Schließlich erhebt er gegenüber den Klagansprüchen die Einrede der Verjährung.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen und Einzelnen wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und die Gerichtsprotokolle verwiesen.

Der Senat hat den Beklagten persönlich angehört.

Die Berufung hat überwiegend Erfolg. Die Klage ist in dem zuerkannten Umfang begründet.

Der Kläger kann vom Beklagten gemäß § 1607 Abs. 3 Satz 1 oder Satz 2 BGB Erstattung des von ihm für D. aufgewendeten Unterhalts verlangen. Nach dieser Vorschrift geht der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen einen Elternteil auf einen Dritten über, wenn dieser dem Kind als Ehegatte des anderen Elternteils Unterhalt leistet (Palandt-Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1607 Rn. 16 m. w. N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Der Kläger leistete dem Kind D. von dessen Geburt am 4. November 1993 bis zum Oktober 2002 als Ehemann der Kindesmutter P. W. Unterhalt.

Der Kläger war indessen nicht Vater des Kindes D.. Das steht durch rechtskräftiges Statusurteil des Amtsgerichts Itzehoe vom 11. September 2003 (75 F 908/02) fest. Vater ist vielmehr der Beklagte. Er haftet auf Zahlung des Unterhalts, wenn gemäß § 1600d Abs. 4 BGB seine Vaterschaft feststeht (OLG Hamm in OLG-Report 2004, 382; OLG Celle in OLG-Report 2007, 138). Das ist der amm Fall. Der Beklagte hat unstreitig die Vaterschaft nach Erlass des genannten Statusurteils formwirksam anerkannt.

Er war D. gemäß §§ 1601, 1602, 1603 und 1610 BGB zum Unterhalt verpflichtet. D. als minderjähriges Kind war unterhaltsbedürftig. Der Beklagte war als Maschinist im Kraftwerk in G. vollschichtig erwerbstätig und finanziell imstande, Barunterhalt zu leisten.

Der Höhe nach hatte das Kind D. zumindest den Anspruch auf Zahlung des Regelunterhalts mit folgenden Beträgen:

Vom 4. bis 30. November 1993

 in Höhe des Regelbedarfs von 291,- DM abzüglich hälftigen Kindergeldes von 35,- DM = 256,- DM, für 27 von 30 Tagen also in Höhe von 230,40 DM,
von Dezember 1993 bis Dezember 1995 in Höhe von 256,- DM für 25 Monate = 6.400,00 DM,
für 1996 (erhöhter Regelbedarf und erhöhtes Kindergeld): 349,- DM - 100,- DM = 249,- DM, für 12 Monate also 2.988,00 DM.

Der Umstand, dass die Ehefrau des Klägers seit Januar 1996 durch eigene Erwerbstätigkeit mitverdiente, hat keinen Einfluss auf die Höhe des Anspruchs des Kindes D. auf Barunterhalt gegen seinen Vater, den Beklagten.

Für 1997 und 1998

 349,- DM - 110,- DM = 239,- DM, für 24 Monate also 5.736,00 DM,
von Januar bis Juni 1999 (erhöhtes Kindergeld): 349,- DM - 125,- DM = 224,- DM, für 6 Monate also 1.344,00 DM,
für Juli bis Oktober 1999 (Erhöhung der Regelbedarfsbeträge durch die neue Tabelle zum Kindesunterhalt): 355,- DM - 125,- DM = 230,- DM, für 4 Monate also 920,00 DM,
für November und Dezember 1999 (D. nunmehr 6 Jahre alt mit dem Anspruch auf den Regelbedarf nach der Altersstufe II): 431,- DM - 125,- DM = 306,- DM, für 2 Monate also 612,00 DM,
für 2000 (erhöhtes Kindesgeld): 431,- DM - 135,- DM = 296,- DM, für 12 Monate also 3.552,00 DM,
von Januar bis Juni 2001 (keine Anrechnung des Kindergeldes mehr auf den Regelbedarf gem. § 1612b Abs. 4 BGB): 431,- DM für 6 Monate = 2.586,00 DM,
von Juli bis Dezember 2001 (erhöhter Regelbedarf): 444,- DM für 6 Monate = 2.664,00 DM
Zwischensumme: 27.032,40 DM.
Das entspricht 13.821,45 €.

Von Januar bis Oktober 2002:

 228,- € für 10 Monate = 2.280,00 €
Summe des Anspruchs auf Kindesunterhalt vom 4. November 1993 bis 31. Oktober 2002: 16.101,45 €.

Dieser Anspruch auf Kindesunterhalt für D. ist gemäß § 1607 Abs. 3 BGB auf den Kläger übergegangen, soweit er für D. Unterhalt aufgewendet hat. Er hat in der Zeit vom 4. November 1993 bis 31. Januar 2002 seine Leistung für das Kind D. in Form des Familienunterhalts erbracht, indem D.' Lebensbedarf insbesondere aus dem vom Beklagten erzielten Erwerbseinkommen gedeckt wurde.

Von Februar bis Oktober 2002 leiste der Kläger nach seiner Trennung von der Kindesmutter Barunterhalt, indem er monatlich sogar 231,- € zu Händen der Kindesmutter zahlte.

Der vom Kläger im Zeitraum vom 4. November 1993 bis 31. Dezember 1995 geleistete Familienunterhalt entspricht wertmäßig zumindest dem Anspruch des Kindes auf Zahlung des Regelbedarfs, wie er vorstehend wiedergegeben worden ist.

Für den Zeitraum von 1996 bis einschließlich Januar 2002, in welchem die Ehefrau P. W. zum Familienunterhalt durch eigenen Verdienst beigetragen hat, leistete der Kläger Familienunterhalt wertmäßig jedenfalls in Höhe der Hälfte der Beträge, auf die D. Anspruch auf Zahlung von Barunterhalt hatte. Höhere Beträge verlangt der Kläger nicht erstattet.

Die vom Kläger insoweit verlangten Beträge summieren sich für die Zeit vom 4. November 1993 bis Dezember 2001 auf 16.831,40 DM.

Das entspricht 8.605,76 €.

Hinzukommen für Januar 2002 noch 228,- € : 2 = 114,00 €.

Für Februar bis Oktober 2002 leistete der Kläger Barunterhalt in Höhe von monatlich zumindest 228,- €.

Das sind für 9 Monate 2.052,00 €.

Damit leistete der Kläger wertmäßig Kindesunterhalt jedenfalls in der Summe 10.771,76 €.

Die Geltendmachung dieses Anspruchs ist dem Kläger nicht nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB versagt. Der Meinung des Amtsgerichts ist insoweit nicht zu folgen. Für den Regressanspruch des Scheinvaters spielt es nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB keine Rolle, ob der Ehemann der Mutter sich fälschlich für den Vater hielt oder ob er die Umstände kannte, die für die Vaterschaft eines anderen Mannes sprachen (Palandt-Diederichsen a. a. O.; Staudinger-Engler, BGB, 2000, § 1607 Rn. 44). § 1607 Abs. 3 BGB soll nämlich nach seinem Sinn und Zweck für die dort genannten Fälle die Bereitschaft Dritter fördern, statt des eigentlich Verpflichteten vorläufig den Unterhalt sicherzustellen (BT-Drucksache 13/7338, Seite 21; Wendl-Staudigl-Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 6. Aufl., 2004, § 2 Rn. 558). Diesem Zweck liefe es zuwider, wäre der Ersatzanspruch des "wissenden" Scheinvaters gegen den biologischen Vater ausgeschlossen. Dann würde die Bereitschaft des Scheinvaters, für den Unterhalt des Kindes zu sorgen, sicher nicht gefördert werden (Henrich, in Anm. zu AG Wipperfürth in FamRZ 2001, 783, 785).

Der Rückgriffsanspruch des Klägers ist auch nicht verjährt. Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede ist nicht begründet. Zwar gilt gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 i. V. m. § 195 BGB anstelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren. Doch ist nach § 207 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB die Verjährung von Ansprüchen zwischen Eltern und Kindern während der Minderjährigkeit der Kinder gehemmt. Die Hemmung endet erst mit Auflösung der Ehe, die das Stiefkindverhältnis begründet (Palandt-Heinrichs a. a. O., § 207 Rn. 4). So liegt es hier. Erst durch die Scheidung der Ehe des Klägers von der Mutter von D. begann der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist. Die Klage wurde vorliegend am 9. September 2004 erhoben (Bl. 65, 66 d. A.). Zu diesem Zeitpunkt war die Frist von drei Jahren ab Scheidung der Ehe noch nicht verstrichen. Die Ehe des Klägers von der Mutter von D. wurde im Jahre 2003 geschieden.

Der Kläger ist des weiteren gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a) BGB nicht gehindert, den Anspruch auf Unterhalt für die Vergangenheit geltend zu machen. Nach der genannten Vorschrift kann der Berechtigte für die Vergangenheit auch ohne Verzug, Rechtshängigkeit oder Auskunftsverlangen für den Zeitraum Erfüllung verlangen, in dem er aus rechtlichen Gründen an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war. Das betrifft vorliegend den gesamten Zeitraum, bevor der Beklagte die Vaterschaft anerkannte, denn erst mit der Anerkennung stand die Vaterschaft des Beklagten fest, § 1600d Abs. 4 BGB.

Soweit § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a) BGB erst durch Artikel 1 Nr. 12 Kindesunterhaltsgesetz (KindUhG) vom 6. April 1998 (BGB l. I 666) seit seinem In-Kraft-Treten am 1. Juli 1998 gilt, ist es an die Stelle des bis dahin geltenden § 1615d BGB getreten. Bereits diese Vorschrift eröffnete es dem Kind, Unterhaltsbeträge, die fällig geworden sind, bevor die Vaterschaft anerkannt oder rechtskräftig festgestellt war, auch für die Vergangenheit zu verlangen.

Der Kläger kann nicht nur Erstattung des von ihm geleisteten Kindesunterhalts, sondern auch Ersatz der Kosten des Vaterschaftsanfechtungsverfahrens verlangen. Dieser Anspruch ist ein im Wege der Rechtsfortbildung entwickelter familienrechtlicher Ausgleichsanspruch. Er entspricht mittlerweile ständiger Rechtsprechung (BGH FamRZ 1988, 387 ff.; OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 1032; KG FamRZ 2000, 441; OLG München FamRZ 1997, 1286).

Die Kosten des vom Institut für Molekulargenetik und Vaterschaftsdiagnostik, Dr. rer. nat. Dr. med. H., erstellten DNA-Gutachtens Vater-Kind belaufen sich auf 590,00 €.

Zusammen mit dem vom Kläger geleisteten Kindesunterhalt von 10.771,76 € ergibt sich die Klagsumme von 11.361,76 €.

Der Beklagte kann sich wegen der Erfüllung seiner Verpflichtung, dem Kläger den Kindesunterhalt für die Vergangenheit zu erstatten, nicht auf § 1607 Abs. 4 BGB berufen. Nach dieser Vorschrift geht die Erfüllung des laufenden Unterhalts der Erstattung der Regressforderung für Ansprüche aus der Vergangenheit vor. Wie die nachfolgenden Feststellungen und Erwägungen zeigen, ist der Beklagte imstande, neben der Erfüllung des laufenden Unterhalts für seinen Sohn D. auch Leistungen im zuerkannten Umfang für den Kläger zu erfüllen.

Zugunsten des Beklagten greift jedoch die Vorschrift des § 1613 Abs. 3 BGB ein. Danach kommen Stundung, Bewilligung von Ratenzahlungen und teilweiser oder vollständiger Erlass der Forderung in Betracht, wenn die Erfüllung für den Unterhaltsverpflichteten eine unbillige Härte bedeuten würde. Für die Bejahung einer Härte ist dabei wesentlich, von wann an der Unterhaltsschuldner mit seiner Inanspruchnahme rechnen musste (Palandt-Diederichsen a. a. O., § 1613 Rn. 25). Zudem sind die wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse des biologischen Vaters wie auch des Dritten, der anstelle des Vaters Unterhalt geleistet hat, zu berücksichtigen (Palandt a. a. O., Rn. 26). Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 1613 Abs. 3 BGB trägt dabei der Unterhaltspflichtige (Wendl-Staudigl-Gerhardt a. a. O. § 6 Rn. 105 a).

Der Beklagte verweist allerdings im Ergebnis ohne Erfolg darauf, dass seine Inanspruchnahme bereits deshalb unbillig sei, weil der Kläger schon vor Geburt des Kindes gewusst habe, dass nicht er, sondern der Beklagte der Vater sei. Eine von vornherein gegebene Kenntnis des Klägers von seiner Nichtvaterschaft oder auch nur begründete Zweifel des Klägers an seiner Vaterschaft in der Zeit vor dem Jahre 2002 stehen nicht fest. Vielmehr ist durch das rechtskräftige Statusurteil vom 11. September 2003 nach Beweisaufnahme festgestellt worden, dass der Kläger die Anfechtungsklage fristgerecht erhob, also nicht in zurückliegender Zeit von Umständen wusste, die gegen seine Vaterschaft sprechen.

Etwas anderes hat sich auch nicht durch die vom Beklagten bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Itzehoe erstattete Strafanzeige ergeben. Das von der Staatsanwaltschaft daraufhin gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren ist gemäß § 170 Abs. 2 StPO, also mangels hinreichenden Tatverdachts, eingestellt worden ... Der vom Beklagten gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf, den Vaterschaftsanfechtungsprozess durch unrichtige Angaben über den Zeitpunkt seiner Kenntnis von Umständen, die gegen seine Vaterschaft sprachen, gewonnen zu haben, ist danach unbegründet.

Entsprechendes gilt für den vom Beklagten geltend gemachten Umstand, dass der Kläger über 8 Jahre verstreichen ließ, bis er die Vaterschaft anfocht.

Die nach der vorgenannten Vorschrift des § 1613 Abs. 3 BGB vorzunehmende Billigkeitsabwägung führt jedoch dazu, dass dem Beklagten ein erheblicher Teil seiner Rückzahlungsverpflichtung zu erlassen ist und die Zahlungsverpflichtung auf insgesamt 8.000,- € beschränkt wird. Zugleich wird die Zahlung des an sich begründeten Zinsanspruchs des Klägers nach den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB für die Zeit ab 1. Dezember 2003 erlassen.

Der Beklagte wurde mit dem Umstand, dass er auf Kindesunterhalt auch für zurückliegende Zeiträume in Anspruch genommen werden kann, erst konfrontiert, als er nach seiner gescheiterten Ehe einen persönlichen Neuanfang versuchte und zusammen mit seiner neuen Lebenspartnerin ein Eigenheim mit erheblicher monatlicher Belastung erworben hatte.

Er ist dennoch imstande, den verbleibenden Zahlbetrag von 8.000,- € aufzubringen, indem er ihn mit monatlichen Beträgen von 100,- € abträgt. Das ergeben nachfolgende Feststellungen und Berechnungen.

Der im Jahre 1968 geborene Beklagte ist gelernter Schlosser und arbeitet als Maschinist bei der Firma S. ... im Kraftwerk.

Ausgehend von dem "Gesamtbrutto"-Gehalt, das der Beklagte im Jahre 2006 erzielte, verdiente er netto monatlich abzüglich der vermögenswirksamen Leistung des Arbeitgebers monatlich 2.221,74 €.

Das ist das Einkommen, das dem Beklagten im Jahre 2006 monatlich zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs und zur Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen zur Verfügung stand.

Berücksichtigt man, dass in dem genannten Einkommen erhebliche Anteile steuerfreien Verdienstes aufgrund von Feiertags-, Sonntags-, Spät- und Nachtarbeit und Zulagen enthalten sind und geht man lediglich von seinem Einkommen aus, wie es das "Steuer-Brutto" oder "Sozialversicherungs-Brutto" ausweist, so ergibt sich ein Durchschnitts-Einkommen von netto 1.884,48 €, abzüglich der vermögenswirksamen Leistung des Arbeitgebers von 39,88 € mithin 1.844,60 €.

Das zeigt, dass er Beklagte zusätzlich steuerfrei weitere 377,14 € monatlich erzielt hat.

Dieses Einkommen ist unterhaltsrechtlich zu bereinigen um die Fahrtkosten vom Wohnort K. bis zur Arbeitsstelle in G. bei 20 km einfacher Fahrt, mithin 20 km x 2 x 0,30 € x 220 Tage : 12 = 220,00 €.

Neben der Berücksichtigung dieser Fahrtkosten kommt die Berücksichtigung von Zins und Tilgung des Kredits für die Anschaffung des Pkw nicht in Betracht.

Danach verbleiben, ausgehend von dem geringeren Steuer-Brutto, monatlich netto noch 1.624,00 €.

Anrechenbares Einkommen mindestens in dieser Höhe erzielt der Beklagte auch derzeit im Jahre 2007.

An seine geschiedene Ehefrau zahlt der Beklagte aufgrund eines Vergleichs Unterhalt in Höhe von monatlich 100,00 €.

Als laufende Unterhaltsverpflichtung für den jetzt 13jährigen D. gibt er lediglich 247,- € an. Zugunsten des Beklagten berücksichtigt der Senat eine mögliche Unterhaltsverpflichtung nach der Einkommensgruppe 3 der Tabelle zum Kindesunterhalt (1.500,- € bis 1.700,- €) in Höhe von monatlich (332 € - 16 € =) 316,00 €.

Auch bei dieser Rechnung zugunsten des Beklagten verbleiben ihm zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs, zur Zahlung der Klagforderung und anderer nachrangiger Verbindlichkeiten noch 1.208,00 €.

Eine übermäßige Belastung des Beklagten durch Wohnkosten lässt sich auch unter Berücksichtigung seines eigenen Vorbringens nicht feststellen. Er teilt sich die laufenden Lasten und Kosten für das von ihm zusammen mit seiner Lebensgefährtin erworbene Eigenheim mit ihr. Die von ihm geltend gemachten monatlichen Belastungen summieren sich auf Beträge, die der Beklagte auch aufwenden müsste, wenn er ein Hausgrundstück von gleichem Standard und gleicher Qualität angemietet hätte. Der Beklagte trägt nach seinen Angaben anteilig auf ihn entfallende Finanzierungskosten und verbrauchsunabhängige Lasten von monatlich (374,39 € + 21,42 € + 18,02 € +20,38 € =) 434,21 €.

Hinzukommen die Heizkosten von ca. 160 €, die er sich wiederum mit der Lebensgefährtin zu teilen hat.

Mit der nachgelassenen Monatsrate von 100 € ist den jetzigen wirtschaftlichen und persönlichen Belangen des Beklagten ausreichend Rechnung getragen.

Auf der anderen Seite bleiben die Belange des Klägers auf Erstattung des von ihm seinerzeit verauslagten Unterhalts gewahrt. Dazu dient auch die Verfallklausel, die zugunsten des Klägers eingreift, wenn der Beklagte der monatlichen Tilgung seiner Schuld nicht nachkommt. Dem Kläger ist nicht zuzumuten, von der Geltendmachung und Durchsetzung seiner Ansprüche abzusehen. Er verdient als Transportarbeiter erheblich weniger als der Beklagte.

Die Kosten des gesamten Rechtsstreits werden dem Beklagten gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auferlegt, weil die teilweise Abweisung der Klage auf Billigkeitserwägungen beruht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Entgegen der Anregung des Beklagten war die Revision nicht zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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