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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 17.05.2001
Aktenzeichen: 13 UF 249/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 710 Satz 1
ZPO § 711
ZPO § 718
Im Berufungsverfahren läßt sich im Rahmen des § 718 ZPO ein erstinstanzlich nicht gestellter Antrag zum Ausschluß der Abwendungsbefugnis bzw. der Sicherheitsleistung (§§ 711 Satz 2, 710 ZPO) nachholen.

SchlHOLG, 4. FamS, Teil-Urteil vom 17. Mai 2001, - 13 UF 249/00 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Teil-Urteil Im Namen des Volkes

13 UF 249/00 72 F 64/00 AG Itzehoe

verkündet am: 17. Mai 2001

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf Antrag der Klägerin wird das am 19. Oktober 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Itzehoe im Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit teilweise geändert.

Das Urteil ist für die Zeit vom 23. März bis zum 17. April 2001 in voller Höhe unbedingt vorläufig vollstreckbar.

Für die Zeit ab 18. April 2001 ist das Urteil in Höhe eines Betrages von monatlich 600 DM unbedingt vorläufig vollstreckbar.

In dem genannten Umfang und für die genannten Zeiträume entfällt für den Beklagten die Möglichkeit, die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung abzuwenden. Für die Klägerin entfällt die Verpflichtung, vor der Vollstreckung Sicherheit zu leisten.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten mit wechselseitigen Berufungen um die Berechtigung der von der Klägerin erhobenen Forderung auf Zahlung von Trennungsunterhalt. Im ersten Rechtszug hat die Klägerin vom Beklagten beginnend ab Februar 2000 einen laufenden Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 2.249,62 DM gefordert sowie die Zahlung eines Unterhaltsrückstandes in Höhe von 17.996,96 DM. Der Beklagte hat sich auf Leistungsunfähigkeit berufen. Das Amtsgerichts - Familiengericht - Itzehoe hat durch das am 19. Oktober 2000 verkündete Urteil der Klage teilweise stattgegeben. Es hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 10.520 DM nebst Zinsen zu zahlen sowie ab Februar 2000 einen laufenden Trennungsunterhalt von monatlich 1.315 DM und ab Juni 2000 einen solchen in Höhe von monatlich 1.580 DM. Die weitergehende Klage hat das Amtsgericht unter Kostenaufhebung abgewiesen. Es hat das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und dem Beklagten gestattet, die Vollstreckung wegen des laufenden Unterhalts durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden. Es hat ausgesprochen, dass diese Abwendungsbefugnis entfällt, falls die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Im Berufungsrechtszug geht es der Klägerin zunächst darum, vorab eine Entscheidung über eine Änderung des Ausspruches über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils herbeizuführen. Sie behauptet, sie sei zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage, müsse diese Sicherheit jedoch erbringen, weil der Beklagte zur Abwendung der Vollstreckung die ausgeurteilten Beträge hinterlege. Sie sei auf den ausgeurteilten Trennungsunterhalt zur Sicherung ihres Lebensunterhalts angewiesen.

Die Klägerin beantragt,

das amtsgerichtliche Urteil hinsichtlich des rückständigen und laufenden Unterhalts für uneingeschränkt vorläufig vollstreckbar zu erklären, also die vom Amtsgericht ausgeurteilte Abwendungsbefugnis des Beklagten durch Sicherheitsleistung aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

diesen Antrag zurückzuweisen.

Er meint, das Amtsgericht habe zu Recht die Regelung über die Abwendungsbefugnis in den Tenor der angefochtenen Entscheidung aufgenommen. Im übrigen verweist er darauf, dass - unstreitig - die Klägerin Mitte April 2001 eine Arbeit aufgenommen habe und eigene Einkünfte erziele. Sollte er - der Beklagte - einer Vollstreckung ohne Abwendungsbefugnis ausgesetzt werden, so müsse er befürchten, möglicherweise zu Unrecht beigetriebene Beträge nicht wieder zurückverlangen zu können.

Entscheidungsgründe

Der Antrag, über die vorläufige Vollstreckbarkeit vorab zu entscheiden, ist teilweise begründet. Über ihn ist im Verfahren gemäß § 718 ZPO nach mündlicher Verhandlung durch Teilurteil zu befinden. Ob § 718 ZPO dabei nur der Korrektur einer vorinstanzlich fehlerhaften Entscheidung und der Anpassung an später veränderte Umstände dient (so etwa Zöller-Herget, ZPO, 22. Aufl., Rn. 1 zu § 718) ist dabei umstritten. In der Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Frankfurt FamRZ 1990, 539 f mwN) und Literatur (Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., Rn. 29 zu § 620) wird die Auffassung vertreten, im Rahmen des § 718 ZPO ließe sich ein erstinstanzlich nicht gestellter Antrag zum Ausschluß der Abwendungsbefugnis bzw. der Sicherheitsleistung (§§ 711 Satz 2, 710 ZPO) nachholen. Dieser Auffassung hat sich der Senat bereits in seinem den Parteien bekannten Beschluß über die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Anordnung des Familiengerichts Itzehoe vom 11. Januar 2001 (Beschluß vom 19. März 2001) angeschlossen.

Der zulässige Antrag der Klägerin ist zum Teil begründet. Nach § 710 Satz 1 ZPO ist ein Urteil auf Antrag auch ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wenn der Gläubiger die Sicherheit nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten leisten kann und die Aussetzung der Vollstreckung ihm einen schwer zu ersetzenden oder schwer abzusehenden Nachteil bringen würde oder aus einem sonstigen Grund für ihn unbillig wäre, insbesondere weil er die Leistung für seine Lebenshaltung oder seine Erwerbstätigkeit dringend benötigt. Nach § 711 ZPO gilt in den Fällen der Abwendungsbefugnis des Schuldners § 710 für den Gläubiger entsprechend. Voraussetzung für die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit eines Urteils ohne Sicherheitsleistung sind (objektiv) ein Leistungshindernis und (subjektiv) Unbilligkeit. Das Leistungshindernis liegt vor bei Unvermögen des Gläubigers oder bei Leistungsfähigkeit nur unter erheblichen Schwierigkeiten. Hinzu kommen muß die Unbilligkeit einer Vollstreckungsaussetzung. Dafür kommt in Betracht, dass der Gläubiger die Leistung für seine Lebenshaltung dringend benötigt (OLG Bamberg, FamRZ 940, 184). Bei der Entscheidung über die Abänderung der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist damit eine Gesamtbeurteilung aller Umstände erforderlich.

Aus Rechtsgründen ist der Antrag der Klägerin für die Zeit vor dem 23. März 2001 zurückzuweisen, also soweit es den Unterhaltsrückstand und den bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen laufenden Unterhalt betrifft, denn in Unterhaltsrechtsstreiten kann eine Regelung nach § 710 ZPO erst vom Zeitpunkt der entsprechenden Antragstellung nicht aber rückwirkend ergehen (OLG Frankfurt, FamRZ 1987, 174).

Für die Zeit zwischen der Antragstellung (23. März 2001) und der Arbeitsaufnahme der Klägerin (17. April 2001) erweist sich ihr Antrag als in vollem Umfang begründet. Zu diesem Zeitpunkt verfügte sie noch über kein eigenes Erwerbseinkommen. Der vom Beklagten geschuldete Trennungsunterhalt bildete ihre Lebensgrundlage. Die Klägerin war auf die Zahlung von monatlich 1.580 DM, die das angefochtene Urteil ihr zuspricht, angewiesen. Insbesondere in Anbetracht des kurzen Zeitraums bis zur Arbeitsaufnahme erscheint es daher auch unter Wahrung der Interessen des Beklagten billig, das Urteil für diesen Zeitraum uneingeschränkt für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Anderes gilt für die Zeit ab 18. April 2001. Die Klägerin verfügt nunmehr über eigene Erwerbseinkünfte. Sie hat dem Senat in der mündlichen Verhandlung Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß sie als Angestellte eines Krankenhauses nach dem Bundesangestelltentarif (BAT) in der Gruppe VIII bezahlt wird. Aus den Unterlagen ergibt sich, daß sie ein Grundgehalt, eine allgemeine Stellenzulage und einen Ortszuschlag erhält. Der Senat hat aus diesen Unterlagen ermittelt, daß die Klägerin (sie ist unstreitig halbtags beschäftigt) über monatliche Bruttoeinkünfte von rund 1.850 DM verfügt. Dies wird durch die am 16. Mai 2001 nachgereichte Verdienstbescheinigung der Klägerin bestätigt. In Anbetracht der anzusetzenden Lohnsteuerklasse I und unter Abzug der Sozialversicherungsbeiträge erhält die Klägerin damit monatlich rund 1.420,- DM netto. Mit diesen Einkünften allein kann sie ihren Lebensunterhalt nicht sicherstellen. Allerdings ist es im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht erforderlich, daß sie aus dem angefochtenen Urteil monatlich uneingeschränkt die volle Summe von 1.580 DM vollstrecken kann. Vielmehr erscheint es ausreichend, der Klägerin die Möglichkeit zu geben, monatlich einen Teilbetrag in Höhe von 600 DM uneingeschränkt zu vollstrecken. Der Senat orientiert sich dabei an dem vom Amtsgericht in den angefochtenen Urteil ermittelten ehelichen Lebensbedarf der Klägerin. Dieser betrug knapp 2.300 DM monatlich. Gut 1.400 DM monatlich erzielt die Klägerin zur Zeit durch ihre eigene Erwerbstätigkeit. Zusammen mit weiteren 600 DM verfügt die Klägerin damit über etwa 2.000 bis 2.050 DM monatlich netto. Sie erreicht damit annähernd den vom Amtsgericht ermittelten Bedarf auf Grundlage der ehelichen Lebensverhältnisse. Mit diesen Beträgen ist der Lebensunterhalt der Klägerin daher sicherzustellen. Zugleich wird mit der Entscheidung, nur Teile des angefochtenen Urteils für unbedingt vollstreckbar zu erklären, den Interessen des Beklagten Rechnung zu tragen, der für den Fall einer späteren ihm günstigen Entscheidung der Hauptsache durch den Senat Gefahr läuft, evtl. überzahlte Beträge nicht mit Aussicht auf Erfolg von der Klägerin zurückfordern zu können. Soweit die Klägerin einen über diesen Umfang hinausgehenden Antrag gestellt hat, war dieser daher zurückzuweisen.

Das Urteil ist nach § 718 Abs. 2 ZPO nicht anfechtbar. Es wird also mit Verkündung rechtskräftig und bedarf daher keinen eigenen Vollstreckbarkeitsentscheidung, ebenso wie es als Teilurteil keine Kostenentscheidung zu enthalten hat (MüKo-Krüger, 2. Aufl., Rn. 4 zu § 718 ZPO).



Ende der Entscheidung

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