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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 14.12.2000
Aktenzeichen: 13 UF 64/00
Rechtsgebiete: EGBG


Vorschriften:

EGBG Art. 14 I Nr. 1
EGBG Art. 17 I S. 1
Zur Frage, ob ein Scheidungsantrag nach Artikel 1146 des iranischen Zivilgesetzbuches ("Chol") begründet ist.

SchlHOLG, 4. FamS, Urteil vom 14. Dezember 2000, - 13 UF 64/00 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

13 UF 64/00 53 F 102/98 AG Kiel

Verkündet am: 14. Dezember 2000

Justizsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache (Ehescheidung)

Antragsgegner und Berufungskläger,

- Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. von Borzeszkowski in Schleswig -

gegen

Antragstellerin und Berufungsbeklagte,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke in Schleswig -

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 07. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Friedrichsen, den Richter am Oberlandesgericht Hansen und die Richterin am Oberlandesgericht Jantzen für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 08.03.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Kiel - Familiengericht - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin begehrt Scheidung ihrer Ehe.

Die Parteien sind iranische Staatsangehörige. Sie haben am 1994 vor dem Standesamt in S im Iran die Ehe geschlossen. Mitte März 1997 zog die Antragstellerin aus der ehelichen Wohnung der Parteien in Kiel zu ihrem Bruder nach Paderborn.

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht Kiel - Familiengericht - die Ehe trotz Widerspruchs des Antragsgegners geschieden. Das Familiengericht hat den Scheidungsausspruch unter Anwendung iranischen Eherechts damit begründet, der Antragsgegner habe der Antragstellerin den Lebensunterhalt für die Dauer von mehr als 6 Monaten verweigert.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit der Berufung. Zunächst stellte der Antragsgegner den Antrag,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Scheidungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hörte die Parteien persönlich an. Die Antragstellerin und ihr Prozessbevollmächtigter erklärten dabei, dass die Antragstellerin auf die Morgengabe verzichte. In dem Heiratsvertrag vom 1994 hat sich der Antragsgegner u. a. verpflichtet, der Antragstellerin als Brautgabe jederzeit und auf Verlangen 140 Millionen Rials zur Verfügung zu stellen. Nach Angaben der Parteien entspricht dieser Währungsbetrag einem Wert von mindestens 30.000,- DM, vielleicht auch 50.000,- DM.

Der Antragsgegner und sein Prozessbevollmächtigter haben erklärt, dass der Antragsgegner den Verzicht auf die Morgengabe annehme und der Scheidung zustimme.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Antragsgegners hat keinen Erfolg. Sie führt nicht zu einer Änderung des vom Amtsgericht erkannten Scheidungsausspruchs. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist auf jeden Fall begründet, nach dem der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.

Die Scheidung der Ehe der Parteien unterliegt gemäß Artikel 17 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB dem iranischen Recht. Nach den genannten Vorschriften unterliegt die Scheidung nämlich dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist. Bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages unterlagen die allgemeinen Wirkungen der Ehe der Parteien dem iranischen Recht. Der Scheidungsantrag der Antragsstellerin wurde spätestens mit der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Kiel - Familiengericht - am 02.02.2000 rechtshängig. Zu diesem Zeitpunkt waren beide Parteien iranische Staatsangehörige. Nach Artikel 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB unterliegen die allgemeinen Wirkungen der Ehe dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören.

Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist nach Artikel 1146 des iranischen Zivilgesetzbuchs (iZGB) begründet. Die nach dieser Vorschrift vorgesehene Art der Scheidung heißt Chol (wörtlich Aufhebung) und ist die Art, in der die Ehefrau sich wegen ihrer Abneigung gegen ihren Mann gegen eine Entschädigung scheiden lässt. Die Entschädigung kann in der Morgengabe selbst oder ihrem Gegenwert bestehen oder kann mehr oder weniger als die Morgengabe sein.

Die Voraussetzungen dieser Scheidungsart sind vorliegend erfüllt; denn die Antragstellerin hat durch ihre im Beisein ihres Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Senat abgegebene Erklärung rechtswirksam gegenüber ihrem Ehemann auf die Auszahlung der Brautgabe (Morgengabe) verzichtet. Dieser Verzicht auf die Auszahlung der Brautgabe stellt die von der Antragstellerin dem Antragsgegner angebotene Entschädigung dar. Der Antragsgegner hat zusammen mit seinem Prozessbevollmächtigten diesen Verzicht rechtswirksam angenommen und sodann dem Scheidungsverlangen der Antragstellerin zugestimmt. Somit konnte der Senat die vom Familiengericht Kiel in erster Instanz ausgesprochene Ehescheidung durch die Zurückweisung der Berufung des Antragsgegners bestätigen. Die Frage, ob die Antragstellerin auch Scheidung der Ehe verlangen konnte, weil ihr der Antragsgegner über 6 Monate hinaus keinen Unterhalt mehr zahlte, konnte demnach dahingestellt bleiben.

Für den Fall, dass nach iranischem Recht die Ehescheidung erst dann von dem Gericht ausgesprochen werden kann, wenn ein vorangegangener Versöhnungsversuch gescheitert ist, wird bestätigt, dass der Senat im Rahmen der persönlichen Anhörung der Parteien festgestellt hat, dass es beiden Parteien auch unter Hilfe ihrer Prozessbevollmächtigten nicht gelang, eine Versöhnung herbeizuführen.

Die Kosten der im Ergebnis erfolglosen Berufung sind gemäß § 97 Abs. 1 ZPO dem Antragsgegner aufzuerlegen.

Ende der Entscheidung

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