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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 18.03.2004
Aktenzeichen: 13 W 7/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 124 I
Das Verschweigen eines früheren, abschlägig beschiedenen Prozesskostenhilfegesuches und das Verschweigen von dem Antragsteller bekannten rechtlichen Einwendungen der Antragsgegnerin rechtfertigt die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung jedenfalls dann nicht, wenn die Bewilligung ohne Anhörung der Antragsgegnerin erfolgt war.
13 W 7/03

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Einzelrichter am 18. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 27. Juni 2003, mit dem die Prozesskostenhilfebewilligung durch Beschluss vom 24. Januar 2003 aufgehoben worden ist, aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird ferner der teilweise Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 24. Januar 2003 geändert und insgesamt neu gefasst.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für den Antrag bewilligt, die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde Nr. 304 der Urkundenrolle für das Jahr 1998 des Notars Thomas Arndt in Eckernförde in Bezug auf die in § 2 des Überlassungsvertrages vereinbarte Gegenleistung von 40.000,00 DM (= 20.451,68 €) für unzulässig zu erklären.

Dem Antragsteller wird Rechtsanwalt Pohl in Eckernförde beigeordnet.

Eine Ratenzahlungsanordnung ergeht nicht.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen erfolgt nicht.

Gründe:

Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufzuheben, die gesetzlichen Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verkannt.

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat. Der Antragsteller hat das Streitverhältnis der Parteien nicht unrichtig dargestellt.

Der Antragsteller hat § 2 des Ehevertrages der Parteien vom 02. Dezember 1998 (Bl. 22, 23 d. A.), aus dem die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Finanzierungskosten der Eigentumswohnung zu 2 c Gegenrechte herleitet und den die Antragsgegnerin anders als der Antragsteller auslegt, nicht verschwiegen. Das gesamte Vertragswerk ist als Anlage zur Antragschrift vom 13. Dezember 2002 dem Gericht vorgelegt worden. Der Antragsteller war auch nicht verpflichtet, bereits im Prozesskostenhilfegesuch die Einwendungen der Antragsgegnerin zu antizipieren und vorsorglich zur Auslegung des § 2 des Ehevertrages vorzutragen. Die Verpflichtung der Parteien aus § 138 Abs. 1 ZPO, ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben, umfasst nicht die Pflicht, ungünstige rechtliche Argumentationen der Gegenseite vorwegzunehmen, mögen diese auch bereits bekannt sein. Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass ein entsprechender Vortrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers im zu entscheidenden Fall mehr als wünschenswert gewesen wäre, insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Antragsteller bereits durch Beschluss des Einzelrichters der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 20. September 2002 Prozesskostenhilfe versagt worden war. Eine unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses im Sinne des § 124 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO kann allerdings nicht festgestellt werden. Vielmehr konnte der Antragsteller darauf vertrauen, dass das Gericht vor Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach der gesetzlichen Regelung in § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO der Antragsgegnerin Gelegenheit zur Stellungnahme geben würde. Dass dies hier unterblieben ist, widerspricht dem Gesetz und ist für die gerichtliche Praxis absolut untypisch. Es kann dem Antragsteller nicht zum Nachteil gereichen. Vielmehr konnte er davon ausgehen, dass die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme nach § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO auf das vorangegangene Prozesskostenhilfeverfahren und ihre Argumentation zu § 2 des Ehevertrages eingehen würde. Die Folge wäre gewesen, dass die einwendungsbegründenden Umstände von der Antragsgegnerin in das Verfahren eingebracht worden wären und das Gericht eine umfassende Würdigung hätte vornehmen können, bevor es über den Prozesskostenhilfeantrag entschied.

Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen einer Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 ZPO kann dem Antragsteller auch nicht vorgeworfen werden, das vorangegangene, für ihn negativ beschiedene Prozesskostenhilfeverfahren vor dem Einzelrichter der 13. Zivilkammer verschwiegen zu haben. Das Prozesskostenhilfeverfahren betrifft nicht die Darstellung des Streitverhältnisses der Parteien, sondern lediglich die Prozessgeschichte. Dass der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers damit gegen ungeschriebene anwaltliche Regeln verstoßen haben dürfte und Umstände verschwiegen haben dürfte, die das Rechtsschutzbedürfnis für die Wiederholung des abgelehnten Bewilligungsantrages jedenfalls infrage gestellt hätten (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 24. Auflage, § 117 Rn. 6), steht auf einem anderen Blatt. Rechtliche Sanktionen jedoch gegen ein solches Vorgehen gibt § 124 ZPO nicht, wenn Prozesskostenhilfe einmal bewilligt worden ist. Im Übrigen mag fraglich sein, ob das Rechtsschutzbedürfnis für den wiederholten Antrag hätte verneint werden dürfen, weil der Antragsteller im Verfahren vor der 13. Zivilkammer zur Frage der Auslegung des § 2 des Ehevertrages nicht Stellung genommen hat. Auch war er in jenem Verfahren nicht verpflichtet, Beschwerde einzulegen.

Die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung kann auch deswegen keinen Bestand haben, weil bei vollständiger Darstellung des Sach- und Streitverhältnisses durch den Antragsteller die Erfolgsprüfung des Gerichts nicht hätte anders ausfallen dürfen (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Auflage, § 124 Rn. 6). Die Entscheidung des Rechtsstreites dürfte wesentlich davon abhängen, wie § 2 Abs. 2 c des Ehevertrages der Parteien hinsichtlich der "entsprechenden Finanzierungskosten", für die der Antragsteller "aufzukommen" hatte, auszulegen ist. Die Parteien tragen hierzu kontrovers vor. Der Tatsachenvortrag wird gerichtlich aufzuklären sein. Der Antragsteller hat für die Entstehungsgeschichte des Vertrages Beweis angeboten. Diesem Beweisangebot wird nach Anhörung der Parteien voraussichtlich nachzukommen sein. Aus diesem Umstand kann dem Klagbegehren hinreichende Erfolgsaussicht nicht versagt werden, zumal auch nach dem Vortrag der Antragsgegnerin die Finanzierung wohl nicht aus eigenen Mitteln des Antragstellers erfolgen sollte, sondern aus den Kaltmieten, und eine etwaige Unterdeckung von ihr zu tragen war (Schriftsatz vom 28. April 2003, S. 8, Bl. 163 d. A.).

Aufgrund Zeitablaufs ist dem Antragsteller nunmehr Prozesskostenhilfe für den angekündigten Hauptantrag uneingeschränkt zu bewilligen. Nach seinem Vortrag hat er neben den Zahlungen an die Sparkasse in Höhe von 12.597,59 € (S. 7 der Antragschrift, Bl. 7 d. A.) in der Zeit von Oktober 2002 bis zum März 2004 weitere Zahlungen in Höhe von 9.203,22 € erbracht (18 x 511,29 €), so dass die Gesamtforderungen des Antragstellers, mit denen er die Aufrechnung gegen die titulierte Kaufpreisforderung von 20.451,68 € erklären kann, sich auf 21.800,91 € belaufen.

Ende der Entscheidung

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