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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 02.11.2001
Aktenzeichen: 14 U 35/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 460 S. 1
BGB § 476
BGB § 477
1. Enthält der Kaufvertrag nur eine unzulängliche Teilinformation über einen Unfallschaden, so muß der Verkäufer beweisen, dass er den Käufer umfassend unterrichtet hat.

2. Der bloße Hinweis "Heckschaden (Heckklappe, Stoßstange) und Lackierung" gibt den Umfang des Schadens nicht richtig wieder, wenn der Sachverständige zu einer Wertminderung von DM 1.800 kommt.


Tatbestand:

Der Kläger beansprucht von der Beklagten, einer VW/Audi Vertragswerkstatt, die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Mit schriftlichem Vertrag vom 22. Dezember 1994 erwarb der Kläger von der Beklagten einen Pkw Audi 80 TDI, Erstzulassung 5/94, Kilometerleistung 6.000 zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von 41.000,00 DM. Unter der Rubrik "Dem Käufer sind auf andere Weise Unfallschäden bekannt" heißt es im Kaufvertrag:

"Heckschaden ! (Heckklappe, Stoßstange) u. lackiert"

Mit Vertrag vom 07. März 2000 verkaufte der Kläger den Audi im Zuge der Inzahlunggabe gegen den Erwerb eines neuen Fahrzeugs weiter an ein anderes VW/Audi Autohaus (im folgenden Autohaus genannt). Die Käuferin stellte fest, dass der Unfallschaden an dem Audi einen größeren Umfang hatte, als von dem Kläger bei Abschluß des Kaufvertrages angegeben war. Neben dem Heckschaden wies das Fahrzeug auch einen Rahmenverzug und Spachtelungen an den Blechteilen auf. Das Autohaus wandelte den Kaufvertrag und verlangte von dem Kläger u.a. die Bezahlung des für das Altfahrzeug angerechneten Kaufpreises in Höhe von 24.239,00 DM.

Es stellte sich heraus, dass das Fahrzeug anläßlich eines Unfalls im Jahr 1994 in Estland, den der Erstbesitzer erlitten hatte, beschädigt worden war. Der Schaden war in einem Sachverständigengutachten vom 13.07.1994 wie folgt beschrieben:

"Das Fahrzeug hat an einen kräftigen linksseitigen Heckschaden mit leichtem Hinterwagenverzug erlitten, wobei folgende Teile zerstört bzw. verformt wurden und erneuert werden müssen"...(wird weiter ausgeführt). Der Sachverständige bezifferte die Reparaturkosten auf insgesamt brutto 9.545,10 DM und die voraussichtliche Reparaturdauer auf 9 Werktage. Außerdem hielt er auch nach handwerklich einwandfreier Reparaturdurchführung eine Wertminderung in Höhe von 1.800,00 DM für angemessen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18. Mai 2000 war die Beklagte zur Rücknahme des Fahrzeugs gegen Zahlung eines Gesamtbetrages in Höhe von 25.609,72 DM (24.239,00 DM + 1.370,72 DM) aufgefordert worden.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe bei Abschluss des Kaufvertrages den Umfang des Unfallschadens bagatellisiert. Der Schaden sei qualitativ vollkommen anders, als von der Beklagten seinerzeit angegeben.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.239,00 DM Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw der Marke Audi 80 Avant TDI (Fahrgestell-Nr.: WAUZZZ8CZRA144002) zu zahlen sowie

2. festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, ihr damaliger Verkäufer, der Zeuge Schwarz, habe den Kläger voll umfänglich über den entstandenen Unfallschaden aufgeklärt und ihm die Fahrzeugdaten aus der Reparaturabteilung mitgeteilt. Die Angaben im Vertragsformular seien nur eine verkürzte Zusammenfassung gewesen. Der Zahlungsanspruch sei überzogen, denn das Fahrzeug habe nur einen Händlereinkaufswert in Höhe von 19.100,00 DM gehabt. Im Übrigen habe das Fahrzeug durch einen Schaden an der hinteren linken Tür einen Minderwert erlitten, den sich der Kläger ebenfalls anrechnen lassen müsse. Der Anspruch sei verjährt.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Schwarz. Mit Urteil vom 26. Januar 2000 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass dem Kläger gemäß § 463 Satz 2 BGB ein Wandlungsanspruch zustehe. Die Beklagte habe den Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages am 22. Dezember 1994 getäuscht, weil sie die Beschädigung des Rahmens inkl. der Wertminderung nicht mitgeteilt habe. Dieser Schaden sei wesentlich gewesen. Die Vertragsurkunde habe die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit für sich. Der entsprechende Gegenbeweis sei der Beklagten nicht gelungen. Der geltend gemachte Schadensanspruch sei auch der Höhe nach gerechtfertigt. Demnach sei der Kaufpreis zurückzuzahlen unter Anrechnung der Gebrauchsvorteile, die hier einen Betrag in Höhe von rund 12.727,00 DM ausmachen würden. Tatsächlich verlange der Kläger weniger, als ihm nach Ausübung der Wandlung zustehen würde. Auch der Feststellungsantrag sei gerechtfertigt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die zur Begründung folgendes ausführt:

Die Wandlung sei ausgeschlossen, da der Käufer gemäß § 460 BGB Kenntnis von dem Heckschaden gehabt habe. Es sei Sache des Klägers gewesen, sich nach den Einzelheiten des Heckschadens zu erkundigen. Das Wandlungsbegehren sei nach § 477 BGB verjährt. Die Beweislast für die vollständige Aufklärung läge nicht bei der Beklagten sondern beim Kläger. Die Vertragsurkunde gebe nur zusammengefasst und gekürzt wieder, was seinerzeit besprochen worden sei. Der Heckschaden habe sich technisch unmöglich nicht nur auf Stoßstange und Heckklappe erstreckt Der geltend gemachte Zahlungsanspruch sei der Höhe nach nicht gerechtfertigt. Der Kläger habe selbst einen weiteren Schaden an der hinteren rechten Tür verursacht. Der tatsächliche Wert des Fahrzeugs betrage nur noch 19.100,00 DM. Der zwischen dem Kläger und dem Autohaus vereinbarte Kaufpreis biete keinen hinreichenden Anhaltspunkt für den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs, weil die Klägerin diesen nur wegen der Anschaffung eines anderen Pkws erzielt habe.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil mit folgender Begründung:

Die Bekundungen des Zeugen Schwarz seien unergiebig. Die Vertragsurkunde sei vollständig und würde auch nicht nur verkürzt den Inhalt der Aufklärung anlässlich des Vertragsschlusses wiedergeben. Der Umfang des Schadens sei der Beklagten bekannt gewesen, wie sich aus dem eingereichten Reparaturbeleg ergebe. Die Beklagte habe den Umfang des Schadens bereits in der Vertragsurkunde bagatellisiert. Die Beweislast für die Erfüllung der umfassenden Aufklärungspflicht läge beim Verkäufer. Der Inhalt der Urkunde spreche gegen die Beklagte. Die Beklagte habe nicht dargelegt, wann und was über den Inhalt der Urkunde hinaus zur Aufklärung des Schadensumfangs seinerzeit gesagt worden sei. Der Zeuge Schwarz habe bestätigt, dass eine Aufklärung über den Inhalt der Urkunde hinaus seinerzeit nicht stattgefunden hätte. Die Aufklärung sei nicht weitergegangen, als aus der Urkunde ersichtlich. Die Weiterveräußerung sei gescheitert, weil das Autohaus , bei dem er den Audi in Zahlung gegeben habe, den größeren Unfallschaden bemerkt habe. Der Kläger habe das Fahrzeug zurücknehmen müssen, es stehe zur Zeit auf dem Hof. Den Restkaufpreis über 24.239,00 DM habe er zusätzlich an das Autohaus zahlen müssen.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg

Gründe:

Dem Kläger steht der geltend gemachte Wandlungsanspruch gemäß §§ 459, 462, 467, 346 ff. BGB zu. Ein Fehler der Kaufsache liegt dann vor, wenn der tatsächliche Zustand der Kaufsache von dem Zustand abweicht, den die Vertragspartner bei Abschluss des Kaufvertrages gemeinsam vorausgesetzt haben und diese Abweichung den Wert der Kaufsache herabsetzt oder beseitigt (Palandt/Putzo, BGB, 60. Aufl., § 459 Rnr. 8). Das mit Kaufvertrag vom 22. Dezember 1994 verkaufte streitgegenständliche Fahrzeug wies bei Übergabe an den Kläger einen Fehler, nämlich einen "kräftigen linksseitigen Heckschaden mit leichtem Hinterwagenverzug" auf.

Auf den vertraglichen Gewährleistungsausschluss i.S.v. § 476 BGB, auf die Verjährung nach § 477 BGB und auf einen Haftungsausschluss nach § 460 S. 1 BGB kann sich die Beklagte nicht berufen, weil sie einen entscheidenden Teil des Fehlers, nämlich den Verzug des Hinterwagens, bei Abschluß des Kaufvertrages arglistig verschwiegen hat.

Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 123 Rnr. 5). Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Verkäufer eines gebrauchten Kraftfahrzeuges dem Käufer einen ihm bekannten Unfallschaden auch ungefragt mitzuteilen hat, wenn er sich nicht dem Vorwurf arglistigen Verschweigens aussetzen will (BGH NJW 1982, 1386; NJW-RR 1987, 436, 437). Das gilt hier erst recht mit Blick darauf, dass es sich bei der Beklagten um eine gewerbliche VW/Audi-Fachwerkstatt handelt, der unstreitig der Umfang des Unfallschadens aufgrund des Sachverständigengutachtens vom 13. Juli 1994 bekannt war und die den Unfallschaden auch selbst repariert hat.

Die Beklagte behauptet, sie habe den tatsächlichen Umfang des Schadens dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages mitgeteilt und nicht verschwiegen. Wenn der Verkäufer - wie hier - nur schriftliche (Teil-) Informationen zu Unfallschäden gegenüber dem Käufer abgegeben hat, so trifft ihn die Beweislast dafür, dass er den Käufer vollständig und richtig aufgeklärt hat (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 7. Aufl., Rnr. 1885 m.H. auf OLG Bamberg NJW-RR 1994, 1333 und OLG Hamm vom 06.05.1996, 32 U 143/95 nicht veröffentlicht). Dieser Nachweis ist der Beklagten nicht gelungen.

Der Zeuge Schwarz, der als ehemaliger Angestellter der Beklagten seinerzeit den Kaufvertrag vermittelt hat, konnte sich an die Einzelheiten und den Wortlaut des Verkaufsgesprächs nicht mehr erinnern. Nach seinen Bekundungen sei primär das besprochen worden, was auch in der Vertragsurkunde dokumentiert sei. Andererseits konnte der Zeuge Schwarz auch nicht die Behauptung des Klägers bestätigen, dass von dem Zeugen bei Vertragsschluss gesagt worden sei, der Unfallschaden sei durch das rückwärts Einfahren eines Rentners in seine Garage entstanden und dabei seien nur geschraubte Teile beschädigt worden. Im Ergebnis ist die Aussage des Zeugen Schwarz damit unergiebig.

Der Nachweis einer vollständigen und umfassenden Aufklärung über den Unfallschaden ergibt sich auch nicht aus der Vertragsurkunde. Der schriftliche Kaufvertrag hat als Privaturkunde i.S.d. § 416 ZPO die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. In der Vertragsurkunde ist der Unfallschaden wie folgt bezeichnet: "Heckschaden ! (Heckklappe, Stoßstange) und lackiert". Diese Bezeichnung gibt den entscheidenden Umfang des Schadensbildes nicht wieder. Zwar schließt der Begriff "Heckschaden" nach gewöhnlichem Sprachgebrauch auch die Möglichkeit schwerster Schäden ein, durch den Klammerzusatz "(Heckklappe, Stoßstange)" und den Hinweis auf die Neulackierung wird dem Käufer jedoch suggeriert, dass anläßlich des Schadensereignisses nur unwesentliche Anbauteile wie Heckklappe und Stoßstange beschädigt, erneuert und lackiert werden mussten. Die Formulierung ist damit irreführend, denn sie bagatellisiert den Schadensumfang. Aufgrund dieser Formulierung konnte der Käufer darauf vertrauen, dass das Fahrzeug keine verbleibenden, irreparablen Restschäden aufweise. Genau das Gegenteil war hier aber der Fall. Neben dem Heckschaden wies das Fahrzeug unstreitig noch einen "leichten Hinterwagenverzug"auf. Nach dem Gutachten des Sachverständigen war es deshalb erforderlich, die Heckpartie des Fahrzeugs vor Instandsetzung zurückzuverformen sowie die C-Säule und das Eckteil der D-Säule zu richten und die Dachsäule hinten links auszubeulen. Dieser Umstand dürfte entscheidend dafür gewesen sein, dass der Sachverständige auch nach handwerklich einwandfreier Reparaturdurchführung noch eine Wertminderung in Höhe von 1.800,-- DM für gerechtfertigt hielt. Die Beklagte hätte den Kläger deshalb auch auf die Verformungsschäden an der Karosserie und die damit verbundene Notwendigkeit der durchgeführten Richtbankarbeiten und die in jedem Fall verbleibende Wertminderung hinweisen müssen. Eine entsprechend umfangreiche Aufklärung hat die Beklagte jedoch nicht bewiesen. Es mag alles so gewesen sein, wie der Geschäftsführer der Beklagten im Termin vor dem Senat behauptet hat. Eine gewisse Plausibilität könnte dafür sprechen. Das aber reicht zu der erforderlichen Überzeugungsbildung für den Senat nicht aus, denn entscheidend ist nun einmal nur, was der Verkäufer, der Zeuge Schwarz, über den Vertragstext hinaus dem Kläger mitgeteilt hat. Das aber kann die Beklagte selbst nur vermuten, nicht jedoch mit Sicherheit wissen. Dies geht zu ihren Lasten, so dass der Arglisteinwand des Klägers gerechtfertigt ist.

Gemäß §§ 346, 348 BGB sind die Parteien verpflichtet, einander die empfangenen Leistungen Zug um Zug zurückzugewähren. Dem Kläger steht deshalb grundsätzlich ein Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten Kaufpreises zu. Ausweislich der Kaufvertragsurkunde vom 22. Dezember 1994 haben die Parteien einen Kaufpreis von 41.000,-- DM vereinbart.

Gemäß §§ 347, 812 ff. bzw. 987 BGB muss sich der Kläger den gezogenen Nutzungsvorteil (= gefahrene Kilometer) anspruchsmindernd anrechnen lassen. Unstreitig hat der Kläger mit dem Fahrzeug eine Kilometerleistung von 46.564 km zurückgelegt. Der insoweit zu beziffernde und anzurechnende Nutzungsvorteil beträgt max. ca. 13.000,-- DM, und zwar unabhängig davon, welches Berechnungsschema zugrunde gelegt wird (z.B. abgedruckt bei Reinking/Eggert, a.a.O., Rnr. 815 und 816 und 2013 ff.).

Ein weiterer Abzug wegen der behaupteten Beschädigung der Tür hinten rechts kommt schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht. Die strenge Haftung des Wandlungsberechtigten nach §§ 347 S. 1, 989 BGB tritt erst mit Kenntnis von den Rücktritts-/Wandlungsvoraussetzungen ein (Palandt - Heinrichs a.a.O., § 347 Rn.8). Der Kläger hat eine entsprechende Kenntnis jedoch erst nach dem Weiterverkauf des Fahrzeugs an das Autohaus vom 07. März 2000 erlangt.

Die Behauptung der Beklagten, der Händlereinkaufswert für das Fahrzeug betrage derzeit nur 19.100,-- DM ist unerheblich. Maßgeblich für den Rückzahlungsanspruch ist nicht der tatsächliche Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Wandlung sondern der gezahlte Kaufpreis unter Anrechnung einer entsprechenden Vorteilsausgleichung.

Der von dem Kläger begehrte Zahlungsbetrag ist nach alledem - auch ohne Durchführung bzw. Wiederholung einer Beweisaufnahme - gerechtfertigt.

Der geltend gemachte Feststellungsantrag ist gemäß §§ 293, 295 BGB, 256, 756 ZPO zulässig und begründet. Die Beklagte hat mit anwaltlichem Schreiben vom 06. Juni 2000 die Rücknahme des Fahrzeugs abgelehnt. Das Feststellungsinteresse ergibt sich aus §§ 756 ZPO, 320, 274 Abs. 2 BGB, wonach eine Zwangsvollstreckung bei einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung grundsätzlich die Darlegung des Annahmeverzugs durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden erfordert.

Ende der Entscheidung

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