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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 02.02.2009
Aktenzeichen: 14 W 6/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 6
I. Der Streitwert von Klagen, die auf die Wegnahme von Messeinrichtungen zur Unterbrechung der Energieversorgung durch Versorgungsbetriebe gerichtet sind, ist nicht nach dem Wert dieser Einrichtungen, sondern nach dem Interesse des Versorgungsunternehmens zu bemessen, im Falle der Nichtzahlung der Energiekosten nicht weiterhin durch Lieferung von Energie in Vorleistung gehen zu müssen.

II. Für die Bewertung ist neben dem durchschnittlichen Verbrauch, der in den festgesetzten Abschlagszahlungen zum Ausdruck kommt, der Zeitraum bis zum Vorliegen einer erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung, der mit 6 Monaten zu bemessen ist, zugrunde zu legen.


14 W 6/09

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 14. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch (...) am 2. Februar 2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 2. Dezember 2008 wird der angefochtene Beschluss unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde geändert.

Der Streitwert wird auf 10.411,10 € festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 1.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin beliefert die Beklagte fortlaufend mit Strom und Gas. Sie hat von der Beklagten die Zahlung offener 4.891,10 € nebst Zinsen und Mahnkosten verlangt. Die Klägerin hat zudem die Duldung der Unterbrechung der Strom- und Gasversorgung verlangt, nachdem die Beklagte ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt und dem Außendienstmitarbeiter des Netzbetreibers den Zutritt verweigert hatte, als dieser nach entsprechender Androhung und Ankündigung die Strom- und Gasversorgung unterbrechen wollte. Mit der Klage hat die Klägerin sowohl ihren Zahlungsanspruch als auch den Anspruch auf Gewährung des Zutritts in der Verbrauchsstelle der Beklagten und Duldung der Unterbrechung der Strom- und Gasversorgung geltend gemacht. In der Klageschrift war eine Streitwertberechnung enthalten, in welcher letzterer Antrag mit "Duldung der Wegnahme des Strom- und Gaszählers" bezeichnet und mit 150,00 € beziffert war. Das angerufene Amtsgericht Elmshorn hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sich der Streitwert für diesen Antrag nicht nach dem Verkehrswert der Zähler bemesse, sondern nach dem Interesse der Klägerin, eine weitere Stromabnahme zu verhindern, so dass die voraussichtliche Dauer des Verfahrens von 9 Monaten und die monatlichen Vorauszahlungsbeträge von 920,00 € maßgeblich seien und der Streitwert des Antrags demnach 8.280,00 € betrage. Auf Antrag der Klägerin ist der Rechtsstreit sodann an das Landgericht Itzehoe verwiesen worden. Am 24. November 2008 hat der Einzelrichter der 10. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe ein Anerkenntnisurteil zu Gunsten der Klägerin erlassen. Durch Beschluss vom 2. Dezember 2008 ist der Streitwert auf insgesamt 13.171,10 € festgesetzt worden, wobei 8.280,00 € auf den Antrag zu 2. betreffend die Zutrittsgewährung und Duldung der Versorgungsunterbrechung entfallen. Mit ihrer Beschwerde begehrt die Beklagte hinsichtlich des Antrags zu 2. eine Streitwertfestsetzung auf 500,00 - 1.000,00 €.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 68 GKG zulässig. In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Der Streitwert für den Klagantrag zu 2. ist angemessen mit 5.520,00 €, d.h. dem 6-fachen Betrag der monatlichen Vorauszahlungen von 920,00 € zu bewerten.

Hinsichtlich der Bemessung von Streitwerten für Klagen, die auf die Wegnahme von Messeinrichtungen zur Unterbrechung der Energieversorgung durch Versorgungsbetriebe gerichtet sind, bestehen in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen. Unterstellt man, dass es den Energieversorgern um den Besitz der Messgeräte gehe und deshalb § 6 ZPO für den Streitwert bestimmend sei (so z.B. LG Chemnitz RuS 2008, 23; AG Königstein NJW-RR 2003, 949), wäre der Wert dieser Messeinrichtungen zugrunde zu legen. In diesem Fall wäre der von der Beklagten vorgeschlagene Wert angemessen. Dabei würde aber außer Acht gelassen, dass es den Versorgungsunternehmen nicht um die Herausgabe der Zähler und den Besitz daran geht, sondern um die Durchsetzung ihres Zurückbehaltungsrechts durch Unterbrechung der Strom- und Gasversorgung. Interesse der Versorgungsunternehmen ist es, im Falle der Nichtzahlung der Energiekosten nicht weiterhin durch Lieferung von Energie in Vorleistung gehen zu müssen. Durch Unterbrechung der Versorgung soll weiterer Schaden abgewendet werden, was teilweise nur durch den Ausbau der Zähler möglich ist, der damit nur das Mittel zur Erfüllung des Interesses ist. Damit kommt es aber gerade nicht auf den Besitz der Zähler an, wie es § 6 ZPO voraussetzen würde.

Der Streitwert ist vielmehr gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen unter Berücksichtigung des Interesses der Klägerin festzusetzen. Bei der Bewertung des Interesses ist zum einen auf den Zeitraum abzustellen, der üblicherweise zwischen der Entstehung des Duldungsanspruchs und dem Vorliegen einer entsprechenden vollstreckbaren Entscheidung liegt und zum anderen auf den in dieser Zeit voraussichtlich anfallenden Verbrauch, der in den festgesetzten Monatsabschlägen zum Ausdruck kommt (so im Grundsatz LG Itzehoe, ZMR 2008, 799; OLG Braunschweig NJW-RR 2006, 1584; OLG Köln, ZMR 2006, 208; LG Bremen, Beschluss vom 05.06.2004 zum Az. 1 T 237/04, zitiert nach juris). Denn das Interesse an der Durchsetzung der Leistungsunterbrechung orientiert sich an dem Schaden, den die Klägerin bei Fortsetzung der Lieferung befürchten müsste.

Welcher Zeitraum zwischen der Entstehung des Anspruchs und der Erlangung einer vollstreckbaren Entscheidung bei der Bemessung zugrunde zu legen ist, wird unterschiedlich beurteilt: Während teilweise davon ausgegangen wird, dass ein Jahresbetrag der Vorauszahlungen angemessen sei (so LG Itzehoe, ZMR 2008, 799; OLG Köln, ZMR 2006, 208, AG Neuruppin WuM 2005, 596; LG Hamburg ZMR 2004, 586), gehen andere Gerichte davon aus, dass binnen 6 Monaten mit einem erstinstanzlichen Urteil gerechnet werden kann (so OLG Braunschweig, NJW-RR 2006, 1584; AG Oldenburg/Holstein, Urteil vom 22.04.2008, Az. 22 C 930/07, zitiert nach juris; AG Hamburg, Beschluss vom 19.04.2007, Az. 518 C 451/06, zitiert nach juris; LG Bremen, Beschluss vom 05.06.2004 zum Az. 1 T 237/04, zitiert nach juris). Letzterer Auffassung ist beizupflichten. Eine Verfahrensdauer von durchschnittlich 6 Monaten für Zivilverfahren mit dem Ziel der Untersagung einer weiteren Stromentnahme erscheint angemessen. Zwar hat das Landgericht Itzehoe mit dem zunächst angerufenen Amtsgericht Elmshorn eine Verfahrensdauer von 9 Monaten bis zum Abschluss des erstinstanzlichen zivilgerichtlichen Verfahrens in vergleichbaren Fällen geschätzt. Der eigenen Einschätzung der mit entsprechenden Verfahren befassten Gerichte kommt eine besondere Bedeutung zu, da das zuständige Gericht grundsätzlich am besten beurteilen kann, innerhalb welcher Zeitspanne mit einer vollstreckbaren Entscheidung zu rechnen ist. Die dort angenommene durchschnittliche Zeitspanne von 9 Monaten erscheint jedoch als zu lang vor dem Hintergrund, dass Rechtsstreitigkeiten wie der vorliegende teilweise sehr zügig etwa im Versäumnisverfahren oder durch Vergleich beendet werden können.

Für den Antrag zu 2. ist nach alledem der Wert von 5.520,00 € (6 x 920,00 €) anzusetzen, so dass der Streitwert insgesamt 10.411,10 € beträgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen den Gerichts- und Anwaltskosten, die die Beschwerdeführerin nach dem festgesetzten Streitwert - hier 13.171,10 € - und dem angestrebten Streitwert - hier bis zu 5.891,10 € - treffen. Der Differenzbetrag beträgt bis zu 1.500,00 €.

Ende der Entscheidung

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