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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 30.05.2007
Aktenzeichen: 15 UF 102/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 240
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
Wird noch nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen einer am Rechtsstreit beteiligten Partei ein Urteil verkündet, kann das Berufungsgericht dieses in analoger Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufheben und den Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zurückverweisen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

15 UF 102/06

verkündet am: 30. Mai 2007

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen - das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Neumünster vom 31. Mai 2006 und das zugrunde liegende Verfahren für die Zeit ab 18. Mai 2006 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - Neumünster zurückverwiesen, auch zur Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten in dem nur teilweise angefochtenen Urteil (Tenor I. 3. und 4.) auf Zahlung von Trennungsunterhalt für die Zeit ab Januar 2004 in Anspruch.

Der Scheidungsausspruch aus dem Urteil des Amtsgerichts Neumünster vom 31.5.2006 in dem Parallelverfahren 49 F 307/04 ist seit dem 30.09.2006 rechtskräftig.

Am 20.4.2006 hat das Amtsgericht das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und den Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, festgesetzt auf den 19. Mai 2006.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2006 hat das Amtsgericht Itzehoe als Insolvenzgericht in dem Verfahren 29 IK 24/06 W das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet (Bl. 234).

Der Beklagte macht mit der Berufung geltend, durch die Insolvenzeröffnung sei das Verfahren unterbrochen worden und bleibe es hinsichtlich der bis zur Insolvenzeröffnung entstandenen Ansprüche.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass das Verfahren seit dem 18.5.2006 unterbrochen ist

und ferner,

für die Zeit danach den Trennungsunterhaltsanspruch um 50,00 € monatlich abzuweisen.

und hilfsweise,

Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung, soweit es um den Trennungsunterhalt geht.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und schließt sich im Übrigen dem Hilfsantrag an.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und erfordert auf den Hilfsantrag hin die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung, soweit Trennungsunterhaltsansprüche betroffen sind.

Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO liegen vor, denn das Verfahren vor dem Amtsgericht leidet hier wegen der Urteilsverkündung nach der am 18.5.2006 erfolgten Insolvenzeröffnung an einem wesentlichen Mangel, der eine neue Gesamtbetrachtung durch das Amtsgericht gebietet.

1. Das Amtsgericht hätte über die Trennungsunterhaltsansprüche bis einschließlich Mai 2006 - die die Insolvenzmasse betreffen - nicht mehr entscheiden dürfen, denn das Verfahren war durch die Insolvenzeröffnung seit dem 18. Mai 2006 gemäß § 240 ZPO Kraft Gesetzes unterbrochen. Eine Verkündung ist trotz Unterbrechung gemäß § 249 Abs. 3 ZPO zulässig, wenn die Unterbrechung nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eintritt. Diese Voraussetzung war hier nicht gegeben, denn es war vielmehr so, dass die Schriftsatzfrist im Sinne von § 128 Abs. 2 ZPO auf den 19. Mai 2006 bestimmt worden war und damit auf einen Zeitpunkt nach der Insolvenzeröffnung am 18. Mai 2006 fiel.

2. § 538 ZPO n.F. ist hier entsprechend anzuwenden, denn es ist davon auszugehen, dass es sich um eine planwidrige Regelungslücke handelt, da nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber diesen speziellen Fall bewusst nicht geregelt hat (vgl. dazu OLG Oldenburg, OLGR 2005, 289 f.; OLG Hamburg OLGR 2005, 765 f.; Stein/Jonas-Roth, 22. Aufl., 2005, § 249 ZPO Rn. 18). Wie schon in der genannten Entscheidung des OLG Oldenburg geäußert, unterlag es vor der Neufassung des § 538 ZPO keinem Zweifel, dass ein trotz Unterbrechung des Verfahrens erlassenes Urteil aufzuheben und zurückzuverweisen war. Der BGH hat dies in seiner Entscheidung NJW-RR 1990, 342 damit begründet, dass die im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen insgesamt keine tragfähige Grundlage einer revisionsgerichtlichen Überprüfung bildeten. So verhält es sich vergleichbar auch hier. Die Aufhebung und Zurückverweisung hat hier insgesamt, d.h. auch hinsichtlich des Teils der Trennungsunterhaltsansprüche ab Juni 2006 (die von der Unterbrechungswirkung nicht unmittelbar betroffen sind) zu erfolgen, denn mangels Kenntnis des Amtsgerichts vom Insolvenzeröffnungsbeschluss hat es die gebotene Prüfung, wie weiter zu verfahren sei, ob hier z.B. wegen des nicht unterbrochenen Teils eine Abtrennung und ein Teilurteil gemäß § 301 ZPO in Frage kommt, nicht vornehmen können.

3. Die Schriftsätze der Parteien vom 11. und 21. Mai 2007 geben keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Der Sache nach geht es um einen Berichtigungsantrag, der das in der Berufungsinstanz nicht anhängige Verfahren auf Kindesunterhalt betrifft.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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