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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 25.01.2002
Aktenzeichen: 15 UF 99/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1585 b III
ZPO § 270 III
Die nach der PKH-Entscheidung unverzüglich erfolgte Zustellung der Klage gilt noch als "demnächst" i.S.d. § 270 Abs. 3 ZPO.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

15 UF 99/01

In der Familiensache

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2002 durch die Richter am Oberlandesgericht und für Recht erkannt:

Tenor:

Auf den Einspruch der Klägerin wird das Versäumnisurteil des Senats vom 26. November 2001 überwiegend aufgehoben und auf die Berufung der Klägerin - unter Zurückweisung der Berufung aufgrund des Versäumnisurteils im übrigen - das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Neumünster vom 23. März 2001 abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 915,99 € nebst 4 % Zinsen seit dem 13. Dezember 2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug und in der Berufungsinstanz trägt die Klägerin 3 % und der Beklagte 97 %.

Die durch ihre Säumnis verursachten Kosten hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

I.

Die Parteien sind seit dem 15. Januar 1998 rechtskräftig geschieden. Mit der Klage verfolgt die Klägerin nachehelichen Unterhalt für die Zeit von Januar bis einschließlich Mai 1999.

Mit Schriftsatz vom 18. Mai 1999, der am 19. Mai 1999 beim Amtsgericht eingegangen ist, ist Prozesskostenhilfe für die Klägerin für den auch jetzt geltend gemachten Unterhaltsrückstand und für weiteren Unterhalt ab Juni 1999 beantragt worden. Ein Termin zur Anhörung im Prozesskostenhilfeverfahren fand am 10. September 1999 statt. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat einen zurückweisenden PKH-Beschluss am 24. September 1999 erlassen. Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde am 09. November 1999 eingelegt. Die Verfahrensakten gingen dann zum Senat zur Entscheidung über die Beschwerde. Mit Beschluss vom 24. November 1999 wurde die Sache unter Aufhebung der Vorlageverfügung zur Abhilfeprüfung an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückgegeben. Mit Beschluss vom 26. April 2000 ist der Beschwerde teilweise abgeholfen worden. Im übrigen ist das Verfahren wieder dem Senat zur Entscheidung über die weitergehende Beschwerde vorgelegt worden. Mit dem Beschluss vom 06. Juli 2000 ist der Klägerin für den Unterhaltsrückstand Januar bis Mai 1999 mit insgesamt 1.831,77 DM nebst Rechtshängigkeitszinsen Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Die Verfahrensakten sind beim Amtsgericht am 20. Juli 2000 eingegangen. Mit Schreiben vom 04. September 2000 ist auf Anforderung des Amtsgerichts seitens der Klägerin der Klageantrag nochmals formuliert worden. Es ist dann die beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes vom 18. Mai 1999 und des Schreibens vom 04. September 2000 dem Beklagten am 13. Dezember 2000 zugestellt worden (Bl. 61 d.A.).

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Amtsgericht - Familiengericht - die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Frist des § 1585 b Abs. 3 BGB sei nicht gewahrt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Sie trägt vor, es reiche zwar ein PKH-Gesuch nicht aus, um die Jahresfrist gemäß § 1585 b Abs. 3 BGB zu wahren. Nach § 270 Abs. 3 ZPO sei aber der geltend gemachte Unterhaltsrückstand noch einzufordern. Die durch das PKH-Verfahren bewirkte Verzögerung der Klagezustellung gehe nicht zu Lasten der unvermögenden Partei. Es könne der Ausgang der Beschwerdeentscheidung abgewartet werden. In der Sache würde sich unter Zugrundelegung der Differenzmethode ein noch höherer Unterhaltsrückstand ergeben als gefordert.

Die Klägerin hat in der Verhandlung vor dem Senat am 26. November 2001 keinen Antrag gestellt. Auf Antrag des Beklagten ist daraufhin ein Versäumnisurteil ergangen, mit dem die Berufung der Klägerin zurückgewiesen worden ist. Das Versäumnisurteil ist der Klägerin am 04. Dezember 2001 zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 - am selben Tag bei Gericht eingegangen - hat die Klägerin gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Senats, das angefochtene Urteil des Amtsgerichts zu ändern und den Beklagten zur Zahlung von 1.831,77 DM Ehegattenunterhalt nebst 4 % Zinsen seit dem 08. September 1999 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Er trägt vor, nach dem klaren Gesetzeswortlaut reiche die Zustellung eines PKH-Gesuches nicht aus. Der Schriftsatz vom 04. September 2000 erfülle nicht die Anforderungen an eine Klageschrift nach § 253 ZPO. Die Klagezustellung am 13. Dezember 2000 sei nicht demnächst i.S.v. § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt. Die Klägerin habe nach der Arbeitsaufnahme ab Oktober 1999 vollschichtig bei der Stadt Neumünster gearbeitet. Sie sei damit in der Lage gewesen, den Kostenvorschuss für das Klageverfahren zu entrichten. Insofern habe sie nicht auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens im Prozesskostenhilfeverfahren warten dürfen.

Zudem sei nicht für den eingeforterten Unterhaltsrückstand Verzug insgesamt gegeben.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil des Senats ist zulässig, insbesondere fristgemäß. Er führt zur überwiegenden Aufhebung des Versäumnisurteils und Verurteilung des Beklagten zum Unterhalt in Höhe von 915,99 € (1.791,53 DM), weil die Klägerin in der Höhe gemäß § 1585 b Abs. 2 BGB einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten hat. Im übrigen ist die Klage unbegründet.

Die Parteien streiten nicht darüber, dass die Klägerin ab Januar grundsätzlich einen um 156,-- DM erhöhten monatlichen Unterhalt gegenüber der bis einschließlich Februar 1999 gezahlten monatlichen 350,59 DM hat. Die Leistungsfähigkeit des Beklagten ist gegeben.

Mit dem Beklagten ist festzustellen, dass die Einhaltung der Zeitschranke des § 1585 b Abs. 3 BGB durch die Eingabe eines Prozesskostenhilfegesuchs nicht gewahrt wird. Nach dem Gesetz ist die Klageerhebung erforderlich. Eine Gleichstellung einer unbemittelten Partei mit der einer bemittelten wird durch die Vorschrift des § 270 Abs. 3 ZPO erreicht. Dem Bedürftigen, der für die Durchführung des Unterhaltsrechtsstreits auf Gewährung von Prozesskostenhilfe angewiesen ist, steht die Möglichkeit offen, eine Klage, verbunden mit einem PKH-Gesuch, einzureichen und die Zustellung der Klage nach Entscheidung über den PKH-Antrag zu veranlassen. Die nach der PKH-Entscheidung unverzüglich erfolgte Zustellung der Klage gilt noch als "demnächst" i.S.d. § 270 Abs. 3 ZPO. Damit wird die Jahresfrist des § 1585 b Abs. 3 BGB bereits von der Einreichung der Klage an und nicht erst ab deren Zustellung bestimmt. Eine bedürftige Partei erleidet damit keinen Rechtsverlust.

Die Klägerin hat nach der Beschwerdeentscheidung des Senats im Juli 2000 unmittelbar auf die Anforderung eines erneuten Klageantrags reagiert. Sie konnte grundsätzlich davon ausgehen, dass die beglaubigten Abschriften des Schriftsatzes vom 18. Mai 1999 ohne weiteres im Umfange der bewilligten Prozesskostenhilfe dem Beklagten zugestellt würde. Die weitere Verzögerung, dass tatsächlich die Zustellung erst am 13. Dezember 2000 bewirkt worden ist, kann der Klägerin nicht angelastet werden, weil diese Verzögerung im Bereich des Amtsgerichts eintrat. Mithin erfolgte die Zustellung in einer den Umständen nach angemessenen Frist ohne weitere Verzögerung durch die Klägerin, die die Frist nach § 1585 b Abs. 3 BGB zu wahren hatte.

Der Senat geht nunmehr davon aus, dass der Klägerin aufgrund der im Oktober 1999 eingetretenen Erwerbstätigkeit nicht abverlangt werden konnte, einen Gerichtsgebührenvorschuss zur Wahrung der Jahresfrist neben dem noch laufenden Prozesskostenhilfeverfahren einzuzahlen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin hätten dazu geführt, dass ihr unter Ratenzahlung Prozesskostenhilfe gewährt worden wäre. Die Beschwerdeentscheidung des Senats im Beschluss vom 06. Juli 2000 erging nur deswegen ratenfrei, weil die Veränderungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mitgeteilt worden waren. Die Klägerin muss sich danach ein Verschulden an der verzögerten Zustellung erst nach Beendigung des Prozesskostenhilfeverfahrens nicht anrechnen lassen. Die wirtschaftliche Beweglichkeit durch die Gehaltszahlungen war nicht so groß, dass sie ohne weitere Disposition den Gebührenvorschuss hätte einzahlen können. Es kann nicht als eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt angesehen werden, wenn eine Partei mit einem geringfügigen Einkommen, das zu einer Ratenzahlungsanordnung im PKH-Verfahren führen würde, von einer unbedingten Einzahlung eines Gerichtskostenvorschusses bis zum Ausgang des Prozesskostenhilfeverfahrens absieht (vgl. insgesamt OLG Schleswig, FamRZ 1988, 961 ff. - mit dem anders gelagerten Fall, dass dort die PKH beantragende Partei vor Ende des PKH-Verfahrens eine Erbschaft in der Größenordnung von über 60.000,-- DM machte). Die Klägerin kann demzufolge den vollständigen nachehelichen Unterhalt geltend machen.

Mit vorgerichtlichem Schreiben vom 07. Dezember 1998 (Bl. 10 d.A.) war seitens der Klägerin vom Beklagten Auskunft über dessen Nebenerwerb begehrt worden. Mit weiterem Schreiben vom 06. Januar 1999 (Bl. 9 d.A.) ist diese Auskunftsanforderung wiederholt worden mit dem Zusatz, ab Januar 1999 erhöhten nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Hierin liegt eine Stufenmahnung, zunächst Auskunft zu erteilen, um anschließend einen sich daraus ergebenden Unterhaltsanspruch zu leisten. Die gesetzliche Regelung in § 1585 b Abs. 2 BGB ergibt keine Verweisung auf § 1613 BGB. Rückständiger Unterhalt für die Vergangenheit kann mithin ab Verzugseintritt geltend gemacht werden. Als mahnungsgleich ist eine Stufenmahnung zu werten. Eine solche macht eine Ausnahme von dem Erfordernis, dass der begehrte Unterhaltsbetrag aus der Mahnung ersichtlich sein muss, weil der Unterhaltspflichtige nach Treu und Glauben keinen Vorteil daraus ziehen darf, dass der Bedürftige seinen Anspruch nicht beziffern kann. In Anlehnung an die Grundsätze der Stufenklage tritt Verzug auch hinsichtlich des noch unbezifferten Unterhaltsbetrages ein, wenn außer einem Auskunftsersuchen deutlich wird, dass der Bedürftige den sich aus der begehrten Auskunft ergebenden Unterhaltsbetrag fordern und ggf. gerichtlich geltend machen wird (BGH FamRZ 1990, 283 ff.). Da der Unterhaltsberechtigte mit der Stufenmahnung die Bezifferung des begehrten Unterhaltsbetrages von der Auskunftserteilung abhängig macht, ist für eine Inverzugsetzung durch sie allerdings Voraussetzung, dass ein Anspruch auf Auskunft besteht. Ein solcher Auskunftsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 1580 BGB. Es ist nicht ersichtlich, dass ein solcher Auskunftsanspruch der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt nicht gegeben war.

Demgemäß geriet der Beklagte mit Zugang des Schreibens vom 06. Januar 1999 in Verzug. Der Senat geht davon aus, dass bei üblicher Postlaufzeit das Schreiben beim Beklagtenvertreter am Freitag, den 08. Januar 1999, zugegangen ist. Mithin kann die Klägerin ab dem 09. Januar 1999 die erhöhte Unterhaltsleistung geltend machen.

Zur Höhe des Unterhaltsanspruchs ergibt sich für Januar 1999 eine Mehrforderung von 156,-- DM. Der Sockelbetrag von 350,59 DM ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Mahnungsbegrenzung ab 09. Januar 1999 betrifft demnach nur die Mehrforderung. Anteilig auf den 01. bis 08. Januar 1999 ergeben sich 40,24 DM, die die Klägerin nicht verlangen kann, weil insofern nicht gemäß § 1613 Abs. 1 S. 2 BGB eine Rückwirkung der Geltendmachung auf den Monatsanfang erfolgt. Eine entsprechende Verweisung auf diese Vorschrift enthält § 1585 b Abs. 2 BGB nicht. Es ergibt sich dann eine Reduzierung der Klageforderung um 40,24 DM auf 1.791,53 DM, mithin 915,99 €.

Die begründete Klageforderung ist gemäß §§ 286, 288, 291 BGB mit jedenfalls 4 % seit Rechtshängigkeit, also seit dem 13. Dezember 2000, zu verzinsen.

Gemäß § 92 Abs. 1 ZPO trägt die Klägerin von den Kosten des Rechtsstreits 3 %, der Beklagte 97 %. Die unbegründete Mehrforderung der Klägerin ist zwar geringfügig i.S.v. § 92 Abs. 2 ZPO, doch ergibt sich bei einer Streitwertgrenze von 1.800,-- DM ein Gebührensprung.

Die Kosten der Säumnis hat die Klägerin gemäß § 344 ZPO zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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