Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 09.06.2008
Aktenzeichen: 15 W 2/08
Rechtsgebiete: RVG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 11
ZPO § 114
1. Für ein Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG kann - anders als für ein Prozesskostenhilfeverfahren - Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

2. Bringt ein Mandant vor, der Rechtsanwalt habe ihn über die Möglichkeit des Entstehens von Rechtsanwaltskosten im PKH-Verfahren und für die Mediation nicht aufgeklärt, stehen diese nicht offensichtlich aus der Luft gegriffenen Einwendungen nicht gebührenrechtlicher Art der vereinfachten Festsetzung entgegen.


15 W 2/08

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 15. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 9. Juni 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2008 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts Kiel vom 16. April 2008, durch den der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe als unzulässig zurückgewiesen worden ist, aufgehoben.

Das ihm zugrunde liegende Verfahren wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Landgericht Kiel zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die früheren Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin hatten diese in einem Prozesskostenhilfeverfahren vertreten. Sie hatten für den Fall, dass dem damaligen Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt werden sollte, den Antrag auf Abweisung der Klage angekündigt und dafür Prozesskostenhilfe beantragt, ferner Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Widerklage.

Nachdem die zuständige Einzelrichterin vermerkt hatte, ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts könne über das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers nicht positiv entschieden werden, und die Sache der Mediationsabteilung des Landgerichts vorgelegt hatte, hatten die Parteien des Ausgangsverfahrens ihre Zustimmung zur Mediation erteilt; für die Dauer des Mediationsverfahrens wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Mediation scheiterte.

Der Antragsteller beantragte sodann Fortsetzung des Verfahrens und trat im Prozesskostenhilfeverfahren mit geänderten Anträgen hervor.

Durch Beschluss vom 4. September 2007 wurde der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Die früheren Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin haben die Festsetzung einer Vergütung gegen diese gemäß § 11 RVG in Höhe von zuletzt 4.036,87 € beantragt (Verfahrensgebühr unter Anrechnung der Geschäftsgebühr sowie eine Terminsgebühr nach dem vom Landgericht festgesetzten Gegenstandswert von 289.508,74 €).

Die Antragsgegnerin hat eingewandt, sie halte die Rechnung für das Ausfüllen und Einreichen des Prozesskostenhilfeformulars für falsch. Ihre Prozessbevollmächtigten seien darüber hinaus zu nichts weiter beauftragt worden. Die Mediation habe kostenlos sein sollen. Im Übrigen habe sich der Antragsteller des Hauptverfahrens bereit erklärt, die Gebühren zu zahlen; sie habe insoweit Ansprüche gegen ihn an ihre früheren Verfahrensbevollmächtigten abgetreten.

Die früheren Verfahrensbevollmächtigten sind dem entgegengetreten. Sie seien beauftragt und bevollmächtigt gewesen, den gegnerischen Prozesskostenhilfeantrag abzuwehren. Auf die auch für die Mediation anfallenden Gebühren sei die Antragsgegnerin ebenso hingewiesen worden wie auf diejenigen, die anfallen würden, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe nicht vorliegen würden. Eine Abtretung, die ohnehin nicht erfüllungshalber erfolgen könne, hätten sie nicht angenommen.

Durch Beschluss vom 18. März 2008 hat das Landgericht die Vergütung antragsgemäß festgesetzt und ausgeführt, Einwendungen außerhalb des Gebührenrechts seien nicht erhoben worden.

Gegen den ihr am 1. April 2008 zugestellten Festsetzungsbeschluss hat die Antragsgegnerin am 4. April 2008 Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, den Antrag auf Vergütungsfestsetzung zurückzuweisen. Zugleich hat sie Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen den Vergütungsfestsetzungsantrag beantragt.

Die Antragsgegnerin behauptet, sie sei nicht darauf hingewiesen worden, dass Anwaltskosten zu ihren Lasten anfallen würden. Sie habe ihre Verfahrensbevollmächtigten auf der Basis beauftragt, dass jene ihre Gebühren im Wege der Prozesskostenhilfe erhalten würden. Es sei bekannt gewesen, dass sie über kein pfändbares Einkommen verfügt habe und nicht zahlungsfähig gewesen sei. Eine Rechnung habe sie auch bis heute nicht erhalten, es fehle deshalb an der Fälligkeit (§ 10 RVG).

Die früheren Verfahrensbevollmächtigten haben die Zurückweisung der Beschwerde beantragt und vorgetragen, darauf hingewiesen zu haben, dass für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden und dass die Bewilligung auch an den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragsgegnerin scheitern könne. Die Antragsgegnerin habe wiederholt telefonisch und schriftlich darum gebeten, ihr gegenüber die Gebühren festsetzen zu lassen, da erst unter dieser Voraussetzung der Antragsteller des Hauptverfahrens die Gebühr erstatten werde. Das gesamte Vorbringen diene nur der Verzögerung, sei falsch und unbeachtlich.

Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag als unzulässig mit der Begründung zurückgewiesen, die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe in der ZPO seien im Vergütungsfestsetzungsverfahren des RVG nicht für entsprechend anwendbar erklärt worden.

Gegen den ihr am 21. April 2008 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 25. April Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die Festsetzung sei Ausfluss eines in der ZPO geregelten Verfahrens. Sie werde nur auf Grund ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage rechtlos gestellt.

Für das Beschwerdeverfahren beantragt die Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe.

Die früheren Verfahrensbevollmächtigten beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist zurückzuweisen.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist eine sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz ZPO. Für das Prozesskostenhilfeverfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Beschluss vom 16. August 2005 - 15 WF 206/05), die der überwiegend vertretenen Auffassung entspricht (vgl. statt vieler Zöller-Philippi, 26. Aufl., Rn. 3 zu § 114 ZPO), keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

2. Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe für das Vergütungsfestsetzungsverfahren ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens.

a) Der vom Landgericht vertretenen Auffassung, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe komme mangels Vorschriften zur entsprechenden Anwendung der §§ 114 ff. ZPO für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG nicht in Betracht, ist unzutreffend.

Die Rechte und Pflichten eines Rechtsanwalts ergeben sich grundsätzlich nicht aus dem RVG, sondern aus den privatrechtlichen Vorschriften über den Dienstvertrag bzw. den Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 611 ff., 675 Abs. 1, 662 ff. BGB). Das RVG tritt nur hinsichtlich Grund und Höhe einer Vergütung ergänzend zu jenen sachlich-rechtlichen Vorschriften hinzu (vgl. statt vieler Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., Rn. 12 ff., 20 Grdz. RVG m.w.N.). U.a. ermöglicht es in seinem § 11 dem Rechtsanwalt, über seine Gebühren gegen die Partei in einem vereinfachten Verfahren einen Titel zu erlangen. Das berührt die Einordnung des Verfahrens als zivilrechtlichen Streit um die Vergütung aus dem anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag nicht. Einer Vorschrift, die die Anwendung der §§ 114 ff. ZPO auf das Vergütungsfestsetzungsverfahren ausdrücklich regelt, bedarf es danach nicht.

b) Die Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG hat hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO. Die Antragsgegnerin erhebt Einwendungen, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben mit der Folge, dass die Festsetzung abzulehnen ist (§ 11 Abs. 5 Satz 1 RVG).

Zwar lässt eine offensichtlich aus der Luft gegriffene Einwendung nicht gebührenrechtlicher Art das Recht und die Pflicht zur Festsetzung im Verfahren nach § 11 RVG ausnahmsweise bestehen. Ein solcher Fall liegt aber nur dann vor, wenn die Einwendung unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt Bestand haben kann (vgl. Hartmann, a.a.O., Rn. 56 ff. zu § 11 RVG m.w.N.). Der Vortrag des Mandanten, der Rechtsanwalt habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass in einem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren Rechtsanwaltskosten entstehen können, ist ein solcher, der die vereinfachte Festsetzung grundsätzlich hindert (OLG Koblenz, JurBüro 2006, 199). Die Antragsgegnerin bringt im Kern wiederholt diesen sowie den Vorwurf vor, eine Vergütung für die Mediation habe nicht im Raum gestanden. Den Sachverhalt dahingehend aufzuklären, was konkret über den Umfang der Vergütung mit der Antragsgegnerin besprochen wurde darf ebenso wenig Gegenstand des Festsetzungsverfahrens wie die Klärung der Frage sein, ob die Einwände schon wegen widersprüchlichen Vorbringens oder Verhaltens der Antragsgegnerin zu dem Vergütungsverlangen ihrer früheren Verfahrensbevollmächtigten nicht substantiiert sind.

c) Da das Landgericht aus seiner Sicht folgerichtig die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht geprüft hat, wird das Verfahren zur erneuten Prüfung und Entscheidung gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück