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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 24.07.2008
Aktenzeichen: 15 WF 172/08
Rechtsgebiete: BGB, FGG, RVG


Vorschriften:

BGB § 1835
FGG § 50
FGG § 67 a
RVG § 1 Abs. 2
Ist eine Rechtsanwältin als Verfahrenspflegerin bestellt worden, darf sie sich auf die bei ihrer Bestellung getroffene Feststellung des Familienrichters verlassen, ihre in Anspruch genommene Tätigkeit sei als anwaltliche Tätigkeit zu werten. Sie kann dann Vergütung nach dem RVG verlangen.
15 WF 172/08

Beschluss

In der Familiensache (Vergütung der Verfahrenspflegerin)

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 24. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin wird der Beschluss vom 12. März 2008, durch den der Vergütungsfestsetzungsantrag vom 18. Februar 2008 zurückgewiesen worden ist, aufgehoben.

Das Verfahren über die Festsetzung wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin ist durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Flensburg vom 30. August 2007 in dem später an das Amtsgericht - Familiengericht - Neumünster abgegebenen Verfahren mit dem damaligen Az. 93 F 253/07 SO EA I zur Verfahrenspflegerin für die Kinder der Parteien bestellt worden, und zwar "mit der Maßgabe, dass ihre Tätigkeit anwaltsspezifisch" sei.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 12. März 2008 ist unter den Az. 48 F 353/06 und 48 F 127/06 der auf eine Vergütung nach dem RVG gerichtete Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. Februar 2008 zurückgewiesen worden. Zur Begründung ist ausgeführt worden, eine Abrechnung nach dem RVG sei als Verfahrenspflegerin nicht möglich. § 50 Abs. 5 FGG verweise auf § 67 a FGG. § 67 a FGG verweise ausdrücklich nur auf § 1835 Abs. 1 und 2 BGB und nicht auf § 1835 Abs. 3 BGB. Es könne nur nach den §§ 1 bis 3 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes abgerechnet werden.

Gegen den ihr am 18. März 2008 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 22. März 2008 Beschwerde eingelegt.

Die Beschwerdeführerin meint, aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könne auch für Verfahrenspfleger eine Vergütung nach anwaltlichem Gebührenrecht in Betracht kommen, was nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hier im Bestellungsbeschluss festgestellt worden sei.

Die Staatskasse hat durch den Bezirksrevisor bei dem Landgericht Kiel Stellung genommen und meint, die pauschale Formulierung in dem Bestellungsbeschluss reiche nicht aus, um die gesamte von der Beschwerdeführerin erbrachte Tätigkeit nach dem RVG abrechnen zu können. Die Beschwerdeführerin müsse die von ihr erbrachte anwaltsspezifische Tätigkeit konkret angeben. Der Inhalt des in dem Sorgerechtsverfahren erstellten Berichts der Beschwerdeführerin zeige jedoch, dass anwaltsspezifische Tätigkeit nicht erbracht worden sei.

II.

Die gemäß §§ 50 Abs. 5, 67 a Abs. 5 S. 2, 56 g Abs. 5, 22 Abs. 1 FGG zulässige (sofortige) Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Antrags der Beschwerdeführerin zur erneuten Entscheidung.

1.

Der Beschwerdeführerin steht aufgrund des Bestellungsbeschlusses vom 30. August 2007 ein Anspruch auf eine Vergütung nach dem RVG zu.

a)

Der Pfleger für das Verfahren in den Fällen des § 50 FGG kann einerseits Ersatz seiner Aufwendungen gemäß §§ 67 a Abs. 1 S. 1 FGG, 1835 Abs. 1 bis 2 BGB erhalten; andererseits erhält er bei berufsmäßiger Führung der Pflegschaft gemäß § 67 a Abs. 2 S. 2 FGG neben den Aufwendungen eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1 bis 3 Abs. 1 und 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG). Beides ist stets aus der Staatskasse zu zahlen (§ 67 a Abs. 5 S. 1 FGG). b)

Auch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die Verfahrenspflegschaften nach § 50 FGG übernommen haben, sind danach grundsätzlich auf eine Vergütung nach jenen Vorschriften zu verweisen, zumal das RVG für eine Tätigkeit als Verfahrenspfleger nicht gilt (§ 1 Abs. 2 S. 1 RVG). Allerdings bleibt nach § 1 Abs. 2 S. 2 RVG § 1835 Abs. 3 BGB unberührt; nach dieser Vorschrift gelten als Aufwendungen des Vormundes oder Gegenvormundes auch solche Dienste, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören.

Zwar betreffen die §§ 1 Abs. 1 S. 2 RVG, 1835 Abs. 3 BGB nur den Vormund, und der für die Entschädigung der Verfahrenspfleger einschlägige § 67 a FGG enthält eine Verweisung auf den Abs. 3 des § 1835 BGB auch nicht. Schon unter der Geltung der BRAGO, die in § 1 Abs. 2 eine mit § 1 Abs. 2 RVG identische Aufzählung enthielt, war aber anerkannt, dass § 1835 BGB auf weitere in § 1 Abs. 2 BRAGO genannte mögliche Einsatzbereiche von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten anzuwenden sei, wie etwa den Insolvenzverwalter, den Nachlassverwalter, den Testamentsvollstrecker oder den Liquidator (vgl. die Hinweise in BVerfG FamRZ 2000, 1280, und FamRZ 2000, 1284, jeweils m. w. N.). Das Bundesverfassungsgericht hat dazu festgestellt, eine verfassungskonforme Auslegung verlange, dass auch Verfahrenspflegern, die Rechtsanwälte sind, nicht jede Liquidation nach der BRAGO unmöglich gemacht werde. Denn ein Verfahrenspfleger könne - wie die übrigen in § 1 Abs. 2 S. 2 BRAGO Genannten - für den Betroffenen Dienste erbringen, für die ein nichtanwaltlicher Verfahrenspfleger seinerseits einen Rechtsanwalt zugezogen hätte. In solchen Fällen müsse der Weg für eine Vergütung nach der BRAGO frei sein (BVerfG, a. a. O.).

c)

Allerdings ergab sich aus § 1 Abs. 2 BRAGO und ergibt sich aus § 1 Abs. 2 RVG, dass die Führung einer Verfahrenspflegschaft als solche eben nicht als anwaltliche Dienstleistung angesehen werden kann. Es ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls, ob aufgrund konkreter Besonderheiten rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten anfallen. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht es im Sinne der Rechtsklarheit als geboten erachtet, bereits bei der Bestellung eines Rechtsanwalts als Verfahrenspfleger einen Hinweis darauf zu geben, ob im konkreten Fall davon auszugehen ist, dass rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten anfallen werden (FamRZ 2000, 1280; vgl. zur gesamten Problematik auch OLG Zweibrücken, FamRZ 2002, 906; BayObLG, FamRZ 2000, 1301; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., Rn. 49 zu § 1 RVG m. w. N., ferner sehr ausführlich m. w. N. auch zu Rechtsmitteln des Rechtsanwalts und der Staatskasse im Zusammenhang schon mit der Bestellung eines Rechtsanwalts zum Verfahrenspfleger Budde in Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Nachtrag zur 15. Aufl., 2005, Rn. 9 bis 12 zu § 67 a FGG).

Insofern diente die Bestellung der Beschwerdeführerin mit der Maßgabe, dass ihre Tätigkeit anwaltsspezifisch sei, offensichtlich der Rechtsklarheit in dem vom Bundesverfassungsgericht angeführten Sinne.

d)

Der Senat ist nach den o. a. Vorgaben allerdings mit der Staatskasse der Auffassung, dass bei "normalen" Verfahrenspflegschaften des § 50 FGG weder aus der Sicht zum Zeitpunkt der Einsetzung der Verfahrenspflegschaft noch aus rückwirkender Betrachtung von anwaltsspezifischer Tätigkeit kaum die Rede sein kann. Eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt darf dann nicht allein deshalb, weil sie oder er Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt ist, zum Verfahrenspfleger mit rechtsanwaltsspezifischer Tätigkeit bestellt werden, und zwar auch dann nicht, wenn er berufsmäßig Verfahrenspflegschaften übernimmt. Derartige Bestellungen sind gesetzwidrig, weil es sich bei beruflicher Ausübung der Verfahrenspflegschaft durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wie bei der Berufsbetreuung um die Übernahme eines Zweitberufs handelt und das Entgelt im Hauptberuf für die Gebühren eines in freier Entschließung übernommenen Zweitberufs keine Rolle spielt (vgl. BVerfG, a. a. O.)

e)

Gleichwohl ist es dem Senat verwehrt, die Frage, ob und inwieweit die Beschwerdeführerin anwaltsspezifisch tätig geworden ist, im Rahmen der beantragten Vergütung abschließend mit dem möglichen Ergebnis zu prüfen, dass keine anwaltsspezifische Tätigkeit erbracht worden ist. Denn die Beschwerdeführerin kann ihre Tätigkeit deshalb nach dem RVG abrechnen, weil sie in begründetem Vertrauen auf die bei ihrer Bestellung getroffene Feststellung des Familienrichters, ihre in Anspruch genommene Tätigkeit sei als anwaltliche Tätigkeit zu werten, ihr Amt übernommen und geführt hat (vgl. zutreffend OLG Stuttgart, NJW-RR 2004, 424).

Ein Anwalt, dem die Führung einer Verfahrenspflegschaft angetragen wird, hat - wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat - ein berechtigtes Interesse daran, vor Entscheidung über die Annahme zu erfahren, zu welchen finanziellen Bedingungen er das Amt übernimmt. Trifft das Gericht, um insoweit klare Verhältnisse zu schaffen, - wie hier - eine entsprechende Feststellung, so ist diese bindend und kann nicht nachträglich rückwirkend beseitigt werden. Dies ist bereits im Betreuungsrecht für die Fälle anerkannt, in denen der Richter nach § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB die Feststellung trifft, dass ein bestellter Betreuer sein Amt als Berufsbetreuer führt mit der Folge, dass seine Tätigkeit nach den Sätzen des § 1 VBVG zu vergüten ist. Für die gleich gelagerte Situation eines bestellten Anwalt-Verfahrenspflegers, dem bei Bestellung die Abrechnung nach BRAGO-Sätzen zugesagt wird, kann nichts anderes gelten. Auch er übernimmt sein Amt im Vertrauen auf die für die Vergütung seiner Tätigkeit maßgebliche richterliche Feststellung (OLG Stuttgart, a. a. O.).

In diesem Zusammenhang ist nach Auffassung des Senats auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin den Nachweis der Tätigkeitsstunden, der für eine Vergütung nach § 1 VBVG erforderlich ist, kaum wird führen können, da sie im Vertrauen auf die anwaltliche Vergütung insoweit mutmaßlich keine Aufzeichnungen gemacht haben wird. Eine Schätzung des Zeitaufwandes würde dem Anspruch auf eine leistungsgerechte Vergütung kaum gerecht werden.

2.

Da dem Akteninhalt nicht entnommen werden kann, ob es gesonderte Vergütungsfestsetzungsansprüche in einer Sache 48 F 127/06 (oder zu 127/08, das ist das Aktenzeichen des Beschlusses vom 17. April 2008 betreffend das Kind T) gibt - der angefochtene Beschluss enthält beide Aktenzeichen - und weil sich das Amtsgericht - Familiengericht - aus seiner Sicht folgerichtig mit den von der Beschwerdeführerin beantragten Gebühren und Auslagen nicht befasst hat, ist eine Zurückverweisung des Verfahrens zur erneuten Entscheidung angebracht (vgl. zur Zurückverweisung allgemein Sternal in Keidel/Kuntze/Winkler, a. a. O., 15. Aufl., Rn. 21 zu § 25 FGG, und ferner den in diesem Verfahren nicht unmittelbar anwendbaren § 572 Abs. 3 ZPO). In diesem Zusammenhang wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 13 a Abs. 1 FGG (vgl. Sternal, a. a. O., Rn. 24). zu entscheiden sein.

Ende der Entscheidung

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