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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 12.04.2001
Aktenzeichen: 16 W 35/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 494 a
Eine Teilkostenentscheidung ist nicht vorgesehen, wenn nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahren nur eingeschränkt geklagt wird.

SchlHOLG, 16. ZS, Beschluss vom 12. April 2001, - 16 W 35/01 -,


Beschluß

16 W 35/01 2 OH 9/99 LG

In dem selbständigen Beweisverfahren

wegen Teilkostenentscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO

hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 14. Februar 2001 gegen den Beschluß der 2. des Landgerichts vom 24. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 12. April 2001 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Der Antrag der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2000 auf Erlaß einer Teilkostenentscheidung wird als unzulässig zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 1.110 DM.

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist gemäß § 494 a Abs. 2 Satz 3 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 569 Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO.

Das Rechtsmittel hat Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung ohne Rechtsgrundlage ergangen ist, nachdem die Antragsteller innerhalb der ihnen durch Beschluß vom 24. Juli 2000 gesetzten Frist Klage in der Hauptsache erhoben haben. Darauf, daß die Klage nur im Umfang von 2.000 DM erhoben worden ist, also deutlich hinter der Größenordnung zurückbleibt, in der sich die Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 29. Juli 1999 eigener Nachbesserungsansprüche berühmt haben, kommt es nicht an. Zur Erfüllung der Fristsetzung nach § 494 a Abs. 1 ZPO reicht Klageerhebung in jeder Höhe aus, solange kein Fall vor rechtsmißbräuchlicher Fristumgehung vorliegt.

1. Allerdings kann sich das Landgericht für seine abweichende Entscheidung, bei Erhebung einer Klage, die hinter den im selbständigen Beweisverfahren zunächst genannten Werten zurückbleibt, eine Teilkostenentscheidung wegen der nicht weiter verfolgten Ansprüche zu treffen, auf beachtliche Stimmen in Literatur und Rechtsprechung stützten.

Es wird nämlich verbreitet die Ansicht vertreten, durch die Schaffung des § 494 Abs. 2 ZPO habe der Gesetzgeber die Rechtslage des Antragsgegners eines selbständigen Beweisverfahrens im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage beim Beweissicherungsverfahren in umfassender Weise verbessern wollen. Zwar seien die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens nach wie vor Kosten des Rechtsstreits in der Hauptsache, soweit Identität der Streitgegenstände vorliege. Aber soweit das nicht der Fall sei, bestünden gegen eine Quotelung der Beweisverfahrenskosten zu Lasten des Antragstellers keine Bedenken (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 58. Aufl., § 497 a Rn. 11; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 494 a Rn. 4 a; Ende, MDR, 1997, 123 ff; Wirges, JurBüro 1997, 565, 568; Hansens, RPfleger 1997, 363, 366 und 368; Bischof, JurBüro 1992, 779, 782; OLG München, 19. ZS, OLGR 1992, 94; OLG Koblenz NJW RR 1998, 68, 69; OLG Düsseldorf, 7. ZS, NJW-RR 1998, 210, 211).

2. Die Gegenansicht verneint die Möglichkeit einer Teilkostenentscheidung nach § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO, wenn fristgemäß Klage zur Hauptsache erhoben worden ist, sei es auch nur in einem gegenüber den ursprünglich Beweisverfahren erhobenen Berühmungen eingeschränkten Umfang.

a) Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO. Danach knüpfe das Gesetz seine Rechtsfolgen ausschließlich an die Tatsache einer Klageerhebung als solcher an. Werde die Klage auch nur wegen eines Teils des Streitgegenstands erhoben, den die Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren getroffen habe, so seien dessen Kosten Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens, über die in diesem nach den allgemeinen Regeln zu entscheiden sei. Für eine den Regeln des § 92 ZPO folgende Entscheidung über die Kosten des Beweisverfahrens sei im Rahmen des Verfahrens nach § 494 a ZPO kein Raum (Notthoff, JurBüro 1996, 5, 6; im Ergebnis ebenso Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., § 494 a RdNr. 5 und 8).

Desweiteren wird die Ansicht vertreten:

Über die anteiligen Kosten, die auf einen überschießenden Teil des Streitgegenstandes des Beweisverfahrens entfielen, sei in entsprechender Anwendung des § 96 ZPO von dem Gericht der Hauptsache mitzuentscheiden. Dafür sprächen Gründe der Praktibilität. Eine Aufteilung der Kostenentscheidung auf mehrere Verfahren berge die Gefahr einer Gebührenmehrbelastung der Parteien, weil die bei höheren Gegenstandswerten eintretende Gebührendegression nicht eintrete. Es bestehe zudem die Gefahr widersprüchlicher Kostenentscheidungen, weil die Klage je nach der Bewertung des Ergebnisses des selbständigen Beweisverfahrens im Hauptsacheverfahren noch erweitert werden könnte (OLG Düsseldorf, 22. ZS, BauR 1993, 370, 371; NJW-RR 1998, 358, 359; OLG München, 15. ZS, OLGR 1994, 212, 213; im Ergebnis ebenso Cuypers, NJW 1994, 1985, 1990, auch LG Potsdam BauR 1998, 883, 884; für den Fall, daß der Gegenstand des Beweisverfahrens dem Grunde nach, wenn auch in eingeschränktem Umfange, insgesamt im Klageverfahren anhängig gemacht wird, auch Herget, MDR 1991, 314).

b) Dasselbe Ergebnis zur Frage der Unzulässigkeit einer Teilkostenentscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO folgt aus der unverändert aufrechterhaltenen Auffassung des Bundesgerichtshofes, daß auch nach der Neuregelung des selbständigen Beweisverfahrens sogar im Hauptsacheverfahren eine Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Beweisverfahrens nicht veranlaßt sein, weil es sich ohne weiteres um Kosten des Rechtssteits handele, über die im Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheiden sei.

Der Bundesgerichtshof meint:

Ob die im Beweisverfahren entstandenen Kosten notwendig gewesen seien, ob die Parteien des Beweisverfahrens und des Hauptsacheprozesses identisch seien und sich im Beweisverfahren gegenüber gestanden hätten und ob der Streitgegenstand der Verfahren identisch gewesen sei, sei nicht Bestandteil der der Kostengrundentscheidung zugrundeliegenden Prüfung im Erkenntnisverfahren, sondern der Prüfung der Erstattungsfähigkeit der Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO. Dort sei auch zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kosten dann nicht erstattungsfähig seien, wenn das Ergebnis der Beweiserhebung für die Entscheidung in der Hauptsache ganz oder teilweise nicht verwertet worden sei (BGH NJW 1996, 1749, 1751 = BGHZ 132, 96, 104) unter Verweisung auf BGHZ 20, 4, 15).

Gehören danach die Fragen der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens in das Kostenfestsetzungsverfahren des Hauptsacheprozesses, nicht aber in dessen Kostengrundentscheidung, folgt bei Zugrundelegung der Auffassung des Bundesgerichtshof daraus zwingend, daß § 494 a Abs. 2 ZPO ganz eng auf den Fall einer vollständig unterlassenen Klageerhebung zu begrenzen ist (so als Konsequenz der BGH- Rechtsprechung Werner/Pastor, der Bauprozeß, 9. Auflage, Rn. 123, 125 und 133).

3. Der Senat folgt der unter 2. dargestellten Gegenansicht, ohne daß hier entschieden zu werden braucht, ob im Hauptsacheprozeß in der Kostengrundentscheidung § 96 analog angewendet werden darf oder nicht.

§ 494 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist jedenfalls auf die Fälle zu beschränken, in denen der Antragsteller entgegen der Fristsetzung überhaupt keine oder eine rechtsmißbräuchlich geringfügige Klage erhoben hat. Nur dann soll dem Antragsgegner in einem einfachen Verfahren ein Titel verschafft werden, der ihm die Erstattung seiner Kosten ermöglicht. Nur das ist auch der Sinn und Zweck des erst in einem späten Beratungsabschnitt in das Gesetzgebungsverfahren eingefügten und dann im Rahmen des neuen selbständigen Beweisverfahrens beschlossenen § 494 a ZPO. Dieses Ergebnis folgt, worauf zu Recht hingewiesen wird, schon aus dem Wortlaut des § 494 a Abs. 2 ZPO. Auch bei der bekannten Nachlässigkeit des modernen Gesetzgebers kann unterstellt werden, daß ihm der Unterschied zwischen einem "kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach" und einem "soweit der Antragsteller dieser Anordnung nicht nachkommt" noch geläufig ist. Alle Gesetzesauslegungsbemühungen finden nach wie vor ihre Grenze an dem klaren Wortlaut einer gesetzlichen Vorschrift, es sei denn zwingende Gründe der Gerechtigkeit oder Redaktionsfehler geböten seine Überschreitung. Beides ist hier ersichtlich nicht gegeben.

Folglich kann dem Gesetz auch nicht eine vollständige Umkehrung aller zuvor geltenden Regeln über die Erstattung von Kosten eines Beweissicherungsverfahrens entnommen werden (Notthoff, JurBüro 1998, 61). Der Bundesgerichtshof sieht das offensichtlich ebenso (BGH aaO.).

Die vom Landgericht vertretene Ansicht bricht mit dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung und führt zu einer Komplizierung von Kostenrecht, statt es zu vereinfachen.

So weist Bischof (JurBüro 1992, 779, 782) zu Recht darauf hin, daß bei der Ankerkennung von Teilkostenentscheidungen nach § 494 a ZPO die erkennenden Gerichte gehalten wären, sich mit der Abgrenzungsjudikatur der Kostensenate der Oberlandesgerichte zu der Frage zu befassen, was im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden kann und was nicht. Es liegt auf der Hand, daß eine unerschöpfliche Fehlerquelle eröffnet würde, fände die vom Landgericht vertretene Ansicht Anerkennung.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt auch keineswegs immer Nichtidentität der Streitgegenstände von Hautsache und Beweisverfahren vor, wenn im Hauptprozeß ein geringerer Kostenvorschuß verlangt wird, als er im selbständigen Beweisverfahren vom Antragsteller veranschlagt und als Wert des Gegenstandes dort festgesetzt worden ist (Werner/Pastor, aaO., Rn. 124; Herget, MDR 1991, 314).

Umgekehrt schließt eine Kageerhebung mit einem bestimmten Antrag nicht aus, daß im Laufe des Prozesses die Klage im Rahmen desselben Streitgegenstandes erweitert wird und der Kläger damit voll obsiegt. Eine nach § 494 a Abs. 2 ergangene rechtskräftige Teilkostenentscheidung wäre dann falsch und nicht mehr zu ändern. Das eröffnete also eine unnötige Fehlerquelle und ist schon deshalb abzulehnen. Hingegen hat eine Kostenentscheidung nach § 494 a Abs. 2 ZPO bei überhaupt unterlassener Klageerhebung in dem Falle, daß der Kläger später doch noch Klage erhebt und obsiegt, eindeutigen Sanktionscharakter und kann deshalb mit der Problematik der Teilkostenentscheidung nicht verglichen werden.

Schließlich spricht gegen die Zulassung von Teilkostenentscheidungen nach § 494 a Abs. 2 ZPO auch ein rechtspolitischer Gesichtspunkt. Das selbständige Beweisverfahren soll im Interesse der Entlastung der Gerichte von vermeidbaren Prozessen den Parteien einen einfachen und kostengünstigen Weg eröffnen, tatsächliche Fragen klären zu lassen, von denen ihre vermeintlichen Ansprüche abhängen. Damit unvereinbar ist alles, was dieses Verfahren unnötig verteuert oder verkompliziert. Auf die vom Senat nicht geteilte Ansicht des Landgerichts trifft beides zu. Demgegenüber hält der Senat es geradezu für gesetzeszweckwidrig, den Antragsteller in einem selbständigen Beweisverfahren einerseits durch überhöhte Streitwertbemessung (dazu die ständige Rechtsprechung des Senats zur Streitwertbemessung im selbständigen Beweisverfahren, grundlegend in dem Beschluß vom 20.1.1994, SchlHAnz 1994, 184; zuletzt SchlHAnz 2000, 118), andererseits durch Entscheidungen der hier vorliegenden Art eher davon abzuhalten, die tatsächlichen Grundlagen für seine meist zuerst ganz vorläufig einzuschätzenden Ansprüchen in dem eigens dafür geschaffenen Verfahren abklären zu lassen. Warum ein Großteil der Gerichte mit großem Scharfsinn bemüht ist, in diesem Verfahren ständig die Kostenschraube zu Lasten der Antragsteller anzuziehen, ist dem Senat unverständlich.

4. Die Entscheidung des Senats über die Kosten der Beschwerde scheidet nach dem Grundsatz, daß im selbständigen Beweisverfahren Kostenentscheidungen nicht ergehen, aus. Eine Ausnahme für das Beschwerdeverfahren gilt nur in den Fällen des § 97 Abs. 1 ZPO (Zöller/Herget, aaO., § 490 Rn. 5). Wird der Beschwerde hingegen stattgegeben, sind auch die Beschwerdekosten Teil der Kosten der Hauptsache und im dortigen Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen (OLG Schleswig, 9. ZS, SchlHAnz 1995, 302).

Der Beschwerdewert ergibt sich aus dem von den Antragsgegnern verfolgen und von den Antragstellern bekämpften Interesse an der Teilkostenentscheidung. Insoweit ist der inzwischen ergangene Kostenfestsetzungsbeschluß vom 29. Januar d. J. in Höhe von 1.109,70 DM maßgebend.

Ende der Entscheidung

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