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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 30.09.2004
Aktenzeichen: 16 W 86/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 888
Ein Antrag nach § 888 ZPO zur Erzwingung einer unvertretbaren Handlung, die nur einer von mehreren Gesamtschuldnern vornehmen kann, ist gegen die anderen mithaften Gesamtschuldner unbegründet, wenn sie rechtlich und tatsächlich keine Einwirkungsmöglichkeiten mehr gegen den Primärschuldner haben (hier: nach Insolvenz des Primärschuldners und Weigerung des Insolvenzverwalters, den Anspruch zu erfüllen.
Beschluss

16 W 86/04

In der Zwangsvollstreckungssache

hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Schuldner zu 2. - 4. gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 7. April 2004 am 30. September 2004 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Der Antrag des Gläubigers gemäß § 888 ZPO wird zurückgewiesen.

Der Gläubiger trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 2.500,-- €.

Gründe:

I.

Der Gläubiger hat mit Antrag vom 12. Dezember 2003 die Festsetzung von Zwangsmitteln gemäß § 888 ZPO gegen die Schuldner zu 2. - 4. beantragt, weil sie trotz eines am 2. September 2002 ergangenen ersten Zwangsgeldbeschlusses ihre gesamtschuldnerische Verpflichtung aus dem Teilanerkenntnis- und Schlussurteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 25. April 2002,

der im Grundbuch von Ellerbek Bl. 1689 in Abt. II, lfd. Nr. 2, zugunsten des Klägers eingetragenen Reallast den Rang nach Vorlasten in Abt. III von 850.000 DM (= 434.598,10 €) sowie nach dem zugunsten des Klägers eingetragenen Wohnrecht zu verschaffen,

nicht nachgekommen seien.

Zwar sei das am 2. September 2002 festgesetzte Zwangsgeld gezahlt, die Erfüllung des Urteils jedoch nicht bewirkt worden.

Der erste Zwangsgeldbeschluss ist noch gegen alle vier Schuldner aus dem genannten Titel ergangen. Über das Vermögen des Schuldners zu 1. ist am 9. April 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Dem genannten Titel liegt eine Verpflichtung des Schuldners zu 1. und seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau P. aus einer notariellen Vereinbarung vom 20. Juli 1994 zugrunde. Beide Eheleute verpflichteten sich in diesem Vertrag im Zusammenhang mit dem Kauf des im Titel genannten Grundstücks von dem Gläubiger, an diesen eine auf 20 Jahre befristete Leibrente von monatlich 1.000 DM zu zahlen. Auf Verlangen des Gläubigers waren sie verpflichtet, eine Besicherung der Leibrentenzahlungspflicht durch Eintragung einer befristeten Reallast im Grundbuch des Kaufgegenstandes im Range nach 850.000 DM in Abt. III sowie nach dem zugunsten des Verkäufers einzutragenden Wohnrecht vorzunehmen.

Der Schuldner zu 1. und seine zwischenzeitlich verstorbene Ehefrau P. erwarben am 17. Juli 1999 das genannte Grundstück als Miteigentümer je zur Hälfte. Die verstorbene Ehefrau wurde von den Schuldnern zu 1. - 4. beerbt. Die Schuldner zu 2. - 4. sind die Stiefkinder des Schuldners zu 1. Die Erbengemeinschaft wurde am 17. Januar 2002 als Miteigentümerin zu 1/2 anstelle der verstorbenen Ehefrau ins Grundbuch eingetragen.

Der Gläubiger machte mit Klage vom 15. März 2001 neben Ansprüchen aus dem Leibrentenzahlungsanspruch seinen Anspruch auf ranggerechte Eintragung der Reallast geltend.

Es kam während des Prozesses zur Bewilligung der Reallast, die am 18. Januar 2002 unter Nr. 2 in Abt. II des genannten Grundbuchs eingetragen wurde. Das Vorrangverlangen des Gläubigers wegen einer am 19. Juli 1995 zugunsten der Dresdner Bank in Abt. III Nr. 3 eingetragenen Grundschuld in Höhe von 50.000 DM erledigte sich vor Verkündung des hier maßgeblichen Urteils, weil am 21. März 2002 aufgrund einer entsprechenden Bewilligung der Bank der Vorrang der Reallast aus Abt. II Nr. 2 vor deren Grundschuld ins Grundbuch eingetragen wurde.

Aufgrund einer Grundbucheinsicht vom 1. Februar 2002 teilte der Gläubiger und damalige Kläger dem Landgericht im Erkenntnisverfahren unter Beifügung eines Grundbuchauszuges mit, am 17. Januar 2002 und damit mit Vorrang vor der Reallast sei eine Eigentümerbriefgrundschuld über 51.130 € auf dem alleinigen Miteigentumsanteil des Schuldners zu 1. ins Grundbuch eingetragen worden.

Das Landgericht wies den Schuldner zu 1. und damaligen Beklagten zu 1. mit Erörterungsbeschluss vom 21. Februar 2002 darauf hin, er werde zur Erfüllung des Anspruchs des Klägers dafür Sorge zu tragen haben, dass auch insoweit der Vorrang zugunsten der Reallast eingeräumt werde.

Mit Schriftsatz vom 26. März 2002 teilten die damaligen Beklagten die inzwischen eingetragene Vorrangeinräumung zulasten der Grundschuld der Dresdner Bank mit und erklärten, der Beklagte zu 1. habe hinsichtlich der Vorrangeinräumung zulasten der von ihm verursachten Belastung in Abt. III Nr. 4 Erledigung angekündigt.

In der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2002 erkannte der Anwalt der Beklagten für alle seine Mandanten den weitergestellten Antrag auf Vorrangverschaffung für die Reallast an. Es erging daraufhin das Teilanerkenntnis- und Schlussurteil, aus dem der Gläubiger nunmehr die Zwangsvollstreckung betreibt.

Der Schuldner zu 1., über dessen Vermögen mittlerweile das Insolvenzverfahren eröffnet ist, erklärte nämlich entgegen seiner Ankündigung nicht den Rangrücktritt hinsichtlich der zulasten seiner alleinigen Miteigentumshälfte bestellten Eigentümergrundschuld. Er trat sie vielmehr als Sicherheit für Forderungen an seine Gläubigerin, die Baustofflieferantin H. GmbH in R. ab. Diese weigert sich, den von den Schuldnern zu 2. - 4. verlangten Rangrücktritt zugunsten der Reallast zu erklären und bietet lediglich die Löschung der Grundschuld gegen Zahlung der im Insolvenzverfahren des Schuldners zu 1. angemeldeten Forderungen in Höhe von 33.561,22 € an. Der Insolvenzverwalter weigert sich, aus der Insolvenzmasse des Schuldners zu 1. die Forderung der H. GmbH zu begleichen.

Schon in ihrer sofortigen Beschwerde gegen den ersten Zwangsgeldbeschluss vom 2. September 2002 haben die Schuldner zu 2. - 4. geltend gemacht, es gebe für sie keine Möglichkeit, den Schuldner zu 1. zum Rangrücktritt zu bewegen. Nur er könne die entsprechende Erklärung abgeben. Deshalb sei es unzulässig, gegen sie ein Zwangsgeld durchzusetzen, da sie nichts verweigerten.

Dagegen hat der Schuldner zu 1. in jenem Verfahren die Ansicht vertreten, ein Rangrücktritt sei mit seiner Zustimmung möglich, wenn die H. GmbH befriedigt werde. Daran könnten die Miterben, also die Schuldner zu 2. - 4., sehr wohl mitwirken.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde gegen den ersten Zwangsgeldbeschluss abgeholfen und die Zwangsgeldfestsetzung gegen die Schuldner zu 2. - 4. entfallen lassen.

In dem Abhilfebeschluss vom 25. Februar 2003 ist ausgeführt, die Erfüllung der Verpflichtung aus dem Titel vom 25. April 2002 hänge ausschließlich vom Willen des Schuldners zu 1. ab, so dass eine Zwangsgeldfestsetzung gegen die Schuldner zu 2. und 4. dem Beugezweck des § 888 ZPO widerspreche.

Der Senat hat durch Einzelrichterbeschluss vom 30. April 2003 auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers den Abhilfebeschluss aufgehoben und die sofortige Beschwerde der Schuldner zu 2. - 4. gegen den ersten Zwangsgeldbeschluss vom 2. September 2002 zurückgewiesen.

In den Gründen des Einzelrichterbeschlusses des Senats ist ausgeführt:

Zwar sei in erster Linie ein Tätigwerden des Schuldners zu 1. erforderlich. Den Schuldnern zu 2. - 4. sei die Vornahme der geschuldeten Handlung weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich. Vielmehr müssten die gesamtschuldnerisch mithaftenden Schuldner zu 2. - 4. alles zur Vornahme der Handlung Zumutbare unternehmen. Aus dem Gesamtschuldverhältnis dürfte sich ohne weiteres im Innenverhältnis ein Anspruch auf Mitwirkung ergeben, der notfalls durch Klage geltend gemacht werden könnte. Was die Schuldner zu 2. - 4. veranlasst hätten, um den Schuldner zu 1. zum Rangrücktritt zu veranlassen, hätten die Schuldner nicht dargelegt. Auf ein Verschulden komme es im Rahmen des § 888 ZPO nicht an.

Dieser Rechtsauffassung folgend hat das Landgericht den nunmehr streitgegenständlichen zweiten Zwangsgeldbeschluss vom 7. April 2004 erlassen und der erneuten sofortigen Beschwerde der Schuldner zu 2. - 4. nicht abgeholfen.

Der zuständige Einzelrichter des Senats hat das Verfahren wegen Schwierigkeiten rechtlicher Art gemäß § 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Schuldner zu 2. - 4. ist begründet. Der Antrag des Gläubigers auf Festsetzung von Zwangsmitteln gegen die Schuldner zu 2. - 4. gemäß § 888 ZPO ist unbegründet, weil die Handlungen, die zur Erfüllung der Verpflichtung aus dem Titel vom 25. April 2002 erforderlich sind, nicht mehr ausschließlich von ihrem Willen abhängen, sie vielmehr nur Handlungen vornehmen können, die auch der Gläubiger selbst oder jeder Dritte vornehmen kann, während die entscheidenden Erklärungen nur vom Schuldner zu 1., nunmehr also vom Insolvenzverwalter abgegeben werden können. Der Insolvenzverwalter kann von den Schuldnern zu 2. - 4. zur Abgabe dieser Erklärungen nicht gezwungen werden.

Sowohl die Rangänderung zugunsten der Reallast des Gläubigers als auch eine Löschung der Grundschuld in Abt. III Nr. 4 des betroffenen Grundbuchs ist - selbst nach Befriedigung der Gläubigerin dieser Grundschuld, der H. GmbH - nur mit Zustimmung des für den Schuldner zu 1. verfügungsbefugten Insolvenzverwalters möglich, §§ 1114, 880 Abs. 2 Satz 2 BGB, 19 GBO sowie §§ 1183 BGB, 27 GBO. Die Zustimmung des Insolvenzverwalters können die Schuldner zu 2. - 4. indes nicht erzwingen. Es steht in der freien, pflichtgemäßen Entschließung des Insolvenzverwalters, ob er eine solche Zustimmung als vorteilhaft für die Masse erteilt oder nicht.

Die Schuldner zu 2. - 4. haben keine Einwirkungsmöglichkeiten auf den Insolvenzverwalter, die dem Gläubiger wie jedem Dritten nicht zustünden.

Das gilt zunächst für die vom Schuldner zu 1. aufgezeigte Möglichkeit, die H. GmbH zu befriedigen und deren Löschungsbewilligung herbeizuführen. Das könnte auch der Gläubiger selbst und jeder Dritte bewirken. Ginge es nur darum, wäre der Gläubiger auf das Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO verwiesen. Eine Handlung, die nur vom Willen der Schuldner zu 2. - 4. abhinge, läge insoweit nicht vor.

Allerdings wäre zu einer Löschung der Grundschuld in jedem Falle die Zustimmung des Insolvenzverwalters als für den Schuldner zu 1. Verfügungsbefugten erforderlich, §§ 1183 BGB, 27 GBO. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Schuldner zu 2. - 4. Möglichkeiten hätten, auf den Insolvenzverwalter einzuwirken, die nur ihnen, nicht aber dem Gläubiger offen stünden.

Zwar weist der Gläubiger in seiner Beschwerdeerwiderung zu Recht darauf hin, die Schuldner zu 2. - 4. seien aufgrund ihrer Verurteilung als Gesamtschuldner verpflichtet, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um die Vorrangeinräumung herbeizuführen. Das ändert indes nichts an dem auch dem Gläubiger bekannten Umstand, dass die Schuldner zu 2. - 4. zur Vorrangeinräumung von vornherein nicht durch eigene, nur ihnen mögliche, also unvertretbare Handlungen in der Lage gewesen sind. Die notwendigen Erklärungen konnte nur der Schuldner zu 1. abgeben. Den Schuldnern zu 2. - 4. standen von vornherein nur mittelbare Einwirkungsmöglichkeiten, insofern allenfalls aufgrund eines näheren Verhältnisses zum Schuldner zu 1. wirksamer Art zur Verfügung.

Das schloss weder eine gesamtschuldnerische Verpflichtung noch eine Verurteilung der Schuldner zu 2. - 4. als Gesamtschuldner aus. Ein Schuldner kann sich auch als Gesamtschuldner zu einer Leistung verpflichten, die für ihn persönlich auf eine subjektiv unmögliche Leistungshandlung gerichtet ist. Er übernimmt dann die Verpflichtung, für das Verhalten desjenigen, der die Leistungshandlung erbringen kann und soll, mit einzustehen (Palandt/Heinrich, BGB, 63. Aufl., Überblick vor § 420 Rn. 9).

Das ändert indes nichts daran, dass den Schuldnern zu 2. - 4. die unmittelbare Erbringung des geschuldeten Titelerfolges subjektiv unmöglich war und ist, es folglich insoweit auch keine nur ihnen mögliche Handlung im Sinne von § 888 ZPO gibt, die geeignet wäre, dem Gläubiger den Titel mäßigen Rang zu verschaffen.

Die gesamtschuldnerische Verurteilung der Schuldner zu 2. - 4. zur Vorrangverschaffung für die Reallast geht deshalb von vornherein nur dahin, auf den Schuldner zu 1. im Rahmen ihrer tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten einzuwirken, damit er das Erforderliche veranlasste, und bei einem Fehlschlagen solcher Bemühungen dem Gläubiger gegenüber zu haften.

Dazu mag bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch die Verpflichtung gehört haben, einen eigenen schuldrechtlichen Anspruch aus § 426 BGB auf Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs gegen den Schuldner zu 1. einzuklagen.

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zu 1. gibt es eine solche Klagemöglichkeit für die Schuldner zu 2. - 4. jedoch nicht mehr. Sie könnten ihren Anspruch aus § 426 BGB nur zur Tabelle anmelden, was dem Gläubiger ersichtlich nichts nützt.

Da die Schuldner zu 2. - 4. im Übrigen, wie aus der Akte ersichtlich ist, alles in ihrer Rechtsmacht Stehende getan haben, um den Schuldner zu 1. zur Vornahme der primär von ihm geschuldeten Rangverschaffung zu veranlassen, bleiben keine Handlungen, die ausschließlich von ihrem Willen abhängen, um den geschuldeten Leistungserfolg herbeizuführen.

Der Zwangsmittelantrag des Gläubigers aus § 888 ZPO ist deshalb jedenfalls unter den jetzt gegebenen Umständen unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 891 Satz 3, 91 ZPO. Der Beschwerdewert ergibt sich aus dem Interesse der Schuldner zu 2. - 4., Prozessgesetzzwangsgeld von 2.500 € nicht zahlen zu müssen.



Ende der Entscheidung

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