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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 01.08.2001
Aktenzeichen: 2 W 133/01
Rechtsgebiete: BGB, HGB


Vorschriften:

BGB § 1643
BGB § 1821
HGB § 124 I
HGB § 161 II
Das Vormundschaftsgericht muss die Bestellung einer Grundschuld am Grundstück einer gewerblich tätigen BGB-Gesellschaft durch einen zur Geschäftsführung bestellten Gesellschafter nicht genehmigen, nur weil an der Gesellschaft ein Minderjähriger beteiligt ist.
2 W 133/01

Grundbuch von Flensburg Blatt 217 Amtsgericht Flensburg

Beschluss

In der Grundbuchsache

betreffend das Grundbuch von Flensburg Blatt

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 9. Juli 2001 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg vom 21. Juni 2001 durch die Richter , und am 1. August 2001 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Amtsgericht Flensburg - Grundbuchamt - wird angewiesen, von den mit Zwischenverfügung vom 8. Februar 2001 geäußerten Bedenken gegen die Eintragung einer Grundschuld zu Lasten des im Grundbuch von Flensburg Blatt eingetragenen Grundstücks der Beteiligten insoweit Abstand zu nehmen, als es die Vorlage einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung gefordert und beanstandet hat, in der Grundschuldbestellungsurkunde vom 22. Januar 2001 (Urkundenrolle Nr. S des Notars Sch) fehle der Hinweis auf die Beschränkungen der Vertretungsmacht des Beteiligten zu 1. nach § 4 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages vom 29. Dezember 1995.

Gründe:

I.

Die beteiligte Gesellschaft wurde durch Gesellschaftsvertrag der Beteiligten zu 1. bis 4. vom 29. Dezember 1995 gegründet. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern der Beteiligten zu 3. und 4. Der Beteiligte zu 4. ist minderjährig. Der Beteiligte zu 4. und die am 29. Dezember 1995 ebenfalls noch minderjährige Beteiligte zu 3. wurden bei dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages von Ergänungspflegern vertreten, die das Amtsgericht Flensburg mit entsprechendem Wirkungskreis bestellt hatte. Gemäß § 3 des Gesellschaftsvertrages brachten die Beteiligten zu 1. und 2. das betroffene Grundstück und diverse andere Grundstücke "nach den Bestimmungen des am gleichen Tage geschlossenen notariellen Schenkungsvertrages" in die beteiligte Gesellschaft ein. Gegenstand der Gesellschaft ist gemäß § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages die Verwaltung und Nutzung des eingebrachten Grundbesitzes durch eine marktgerechte Vermietung. Die beteiligte Gesellschaft ist gemäß § 1 Abs. 2 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie kann gemäß § 2 Abs. 2 auch Grundstücke veräußern und hinzuerwerben und gemäß § 2 Abs. 3 Nebengeschäfte betreiben, die einer zweckmäßigen Verwaltung und Nutzung der Grundstücke dienen. Nach § 4 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages wurden die Beteiligten zu 1. und 2. zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern (Verwaltern) der Gesellschaft bestellt; die übrigen Gesellschafter sind von der Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ausgeschlossen. § 4 Abs. 2 und 3 des Gesellschaftsvertrages lauten wie folgt:

"(2) Zur Vertretung gegenüber Dritten wird den Verwaltern durch die Unterzeichnung dieses Vertrages durch alle Gesellschafter, bei minderjährigen Gesellschaftern durch die Pfleger, zugleich eine Vollmacht für alle Geschäfte erteilt.

(3) Die Geschäftsführungs- und -vertretungsbefugnis bezieht sich nur auf das Gesellschaftsvermögen und erstreckt sich auf alle Maßnahmen, die zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks erforderlich sind. Die zur Geschäftsführung und Vertretung berufenen Gesellschafter können für die Gesellschaft Verbindlichkeiten nur als Teilschuldner im Verhältnis des jeweiligen Eigenkapitals begründen. Die Verwalter (...) sind verpflichtet, bei jedem Rechtsgeschäft auf die Beschränkung ihrer Vollmacht hinzuweisen und Rechtsgeschäfte nur unter Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen abzuschließen."

Der Gesellschaftsvertrag wurde vormundschaftsgerichtlich genehmigt.

Am 22. Januar 2001 ließ der Beteiligte zu 1. im Namen der Beteiligten eine Grundschuldbestellung notariell beurkunden (Urkunden-Rolle Nr. S des Notars Sch). Nach dem Inhalt der notariellen Urkunde bestellten die Beteiligten an dem betroffenen Grundstück eine Buchgrundschuld in Höhe von 200.000 DM nebst 15 % Zinsen jährlich zugunsten der Flensburger Sparkasse. Am 5. Februar 2001 hat der beurkundende Notar die Eintragung der Grundschuld beantragt. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat den Beteiligten mit Zwischenverfügung vom 8. Februar 2001 aufgegeben, eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Grundschuldbestellung nach den §§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB und eine sanierungsrechtliche Genehmigung vorzulegen. Außerdem hat das Amtsgericht - Grundbuchamt - beanstandet, dass in der Grundschuldbestellungsurkunde nicht auf die Beschränkung der Vollmacht des Beteiligten zu 1. nach § 4 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages vom 29. Dezember 1995 hingewiesen worden sei. Die Beteiligten haben mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 5. März 2001 erklärt, dass sie die sanierungsrechtliche Genehmigung nachreichen würden. Im übrigen haben sie gegen die Zwischenverfügung vom 8. Februar 2001 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 21. Juni 2001 zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der landgerichtlichen Entscheidung wird auf den Beschluss vom 21. Juni 2001 (Bl. 92 f d. A.) Bezug genommen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

Die gemäß §§ 78, 80 GBO zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten ist begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 78 GBO, 550 ZPO).

Die Bestellung der Grundschuld an dem betroffenen Grundstück bedarf nicht der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach den §§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB. In der Rechtsprechung ist (seit RGZ 54, 278) anerkannt, dass die Verfügung über ein Grundstück (§ 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB), das im Eigentum einer Personenhandelsgesellschaft steht, an der ein Minderjähriger beteiligt ist, keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass zwischen dem Vermögen der Gesellschaft und dem Vermögen der einzelnen Gesellschafter zu trennen ist. Die Verfügung über ein Grundstück, das zum Gesellschaftsvermögen einer Personenhandelsgesellschaft gehört, betrifft nicht ein zum Teil dem Minderjährigen gehörendes Grundstück, sondern ein Grundstück der Gesellschaft, deren Träger die Gesellschafter in ihrer Zusammenfassung (im Gegensatz zu ihnen als einzelnen) sind. Diese Personenzusammenfassung besitzt gemäß §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB Teilrechtsfähigkeit. Die Personenhandelsgesellschaft kann eigene Rechte und Pflichten begründen, die von den Rechten und Pflichten der einzelnen Gesellschafter zu trennen sind. Daher vertritt ein Elternteil, der geschäftsführender Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft ist, den minderjährigen Gesellschafter nicht in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen, sondern in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter der Gesellschaft. Er unterliegt deshalb insoweit auch nicht den Beschränkungen des § 1643 Abs. 1 BGB. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 29. Juni 1970 (NJW 1971, 375, 376) ferner ausgeführt: "Die Beteiligung eines Minderjährigen an einer Personenhandelsgesellschaft bewirkt nicht, dass die Rechtsgeschäfte, zu denen Minderjährige der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürfen, nunmehr auch für die Gesellschaft selbst nicht ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts abgeschlossen werden können. Die vertretungsberechtigten Gesellschafter können solche Geschäfte vielmehr ohne weiteres im Namen der Gesellschaft vornehmen. Jede andere Entscheidung würde die ganze Personenhandelsgesellschaft unter die Kontrolle des Vormundschaftsgerichts stellen. Dies aber wäre praktisch untragbar; denn damit würde dem Vormundschaftsrichter in weitem Umfange die Entscheidung kaufmännischer Zweckmäßigkeitsfragen bei der Führung des Gesellschaftsunternehmens aufgebürdet (...)." All diese Erwägungen gelten für eine GbR zumindest dann entsprechend, wenn sie - wie die beteiligte Gesellschaft - als Erwerbsgesellschaft betrieben wird. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2001 (WuM 2001, 134 ff) besitzt die GbR insbesondere auch Rechtsfähigkeit, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Deshalb besteht grundsätzlich kein Anlass, eine in der Form der GbR betriebene Erwerbsgesellschaft anders zu behandeln als eine Personenhandelsgesellschaft (so auch OLG Hamburg FamRZ 1958, 333, 334; Staudinger/Engler, 13. Aufl., § 1821 Rn. 16; Klüsener RPfleger 1981, 461, 464; MünchKomm/Schwab, 3. Aufl. § 1821 Rn. 9; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht 12. Aufl., Rn. 3684). Die Befugnis der vertretungsberechtigten Gesellschafter einer solchen GbR, die Gesellschaft zu vertreten, wird deshalb auch nicht durch die Beteiligung eines Minderjährigen an der Gesellschaft eingeschränkt. Sie können vielmehr insbesondere auch ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung über die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Grundstücke verfügen.

Da die Grundschuldbestellung im vorliegenden Fall schon aus den vorstehenden Gründen keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, kann offen bleiben, ob die beteiligte Gesellschaft nach der seit dem 1. Juli 1998 geltenden neuen Fassung des § 1 HGB nicht ohnehin als Personenhandelsgesellschaft anzusehen ist.

Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat ferner zu Unrecht beanstandet, dass in der Grundschuldbestellungsurkunde vom 22. Januar 2001 nicht auf die Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Beteiligten zu 1. hingewiesen worden ist. Eines entsprechenden Hinweises bedurfte es aus Rechtsgründen nicht.

Die Beschränkung der Haftung der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen ergibt sich bei einer Grundschuldbestellung schon allein daraus, dass der Inhaber einer Grundschuld nur einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung des verpfändeten Grundstückes gegen den oder die Grundstückseigentümer erlangt (§§ 1192, 1147 BGB). Eine persönliche Haftung des Eigentümers mit seinem sonstigen Vermögen folgt aus der Grundschuld nicht (vgl. Palandt/Bassenge, 60. Aufl., § 1147 Rn. 1). Eine solche Haftung ist im vorliegenden Fall auch nicht zusätzlich schuldrechtlich vereinbart worden.

Es bedurfte auch keines Hinweises, dass die vertretungsberechtigten Gesellschafter "für die Gesellschaft Verbindlichkeiten nur als Teilschuldner im Verhältnis des jeweiligen Eigenkapitals begründen" können. Die entsprechende Regelung in § 4 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages vom 29. Dezember 1995 ist vielmehr dahin auszulegen, dass sie nur für die Begründung teilbarer Schulden gelten soll, weil nur sie als Teilschulden im Sinne des § 420 BGB vereinbart werden können. Daran fehlt es bei der Bestellung einer dinglichen Sicherheit - wie einer Grundschuld - durch eine GbR oder Personenhandelsgesellschaft (vgl. Palandt/Heinrichs aaO., § 266 Rn. 3). Es ist nicht anzunehmen, dass die an dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages Beteiligten gerade die Bestellung dinglicher Sicherheiten durch die Vertreter der Gesellschaft ausschließen wollten - im Gegenteil. Die Art der geplanten Geschäfte der Gesellschaft spricht ausdrücklich dafür, dass die vertretungsberechtigten Gesellschafter zu der im Immobiliengeschäft üblichen Bestellung dinglicher Sicherheiten berechtigt sein sollten und sollen.

Der Senat hatte dagegen nicht zu prüfen, ob die Beteiligten auch die vom Amtsgericht - Grundbuchamt - geforderte sanierungsrechtliche Genehmigung vorzulegen haben. Denn dazu haben sich die Beteiligten ausdrücklich bereit erklärt. Daraus ergibt sich, dass sie die Zwischenverfügung vom 8. Februar 2001 insoweit nicht anfechten wollten.

Ende der Entscheidung

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