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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 27.09.2000
Aktenzeichen: 2 W 148/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 261
ZPO § 281
ZPO § 690
ZPO § 692
ZPO § 696
Eine Änderung der im Mahnbescheid getroffenen Gerichtsstandswahl ist nach Erlaß des Mahnbescheides nur noch auf übereinstimmenden Antrag vor der Abgabe an das Streitgericht möglich. Nur wenn bei Vorliegen einer ausschließlichen Zuständigkeit eines anderen Gerichts kein Wahlrecht besteht, kommt dieser Angabe im Mahnbescheidsantrag keine bindende Wirkung zu.

SchlHOLG, 2. ZS, Beschluss vom 27. September 2000, - 2 W 148/00 -


Beschluß

2 W 148/00 48 C 173/00 AG Cottbus 40 C 69/00 AG Ahrensburg

In dem Rechtsstreit

des Herrn M. Kläger,

- Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt L.

gegen

die W.

Beklagte,

- Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt B.

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die Vorlage des Amtsgerichts Cottbus vom 18./31.8.2000 durch die Richter am 27.9.2000 beschlossen:

Tenor:

Zuständig ist das Amtsgericht Ahrensburg.

Gründe

I.

Der Kläger mit Sitz im Bezirk des Amtsgerichts Cottbus macht gegen die in Ahrensburg wohnenden Beklagten die Vergütung für die Errichtung und zeitweise Überlassung eines Gerüstes an einem Bau der Beklagten im Bezirk des Amtsgerichts Cottbus geltend. Er hatte entsprechend mit Antrag vom 24.2.2000 beim Amtsgericht Cottbus Mahnbescheide vom 1.3.2000 gegen die Beklagten erwirkt, in denen er als Streitgericht das Amtsgericht Ahrensburg angegeben hat. Ein Schriftsatz des Klägers vom 3.3.2000, mit dem er versuchte, diese Angabe zu ändern (Amtsgericht Cottbus als Gerichtsstand des Erfüllungsortes) wurde den Beklagten erst nach Widerspruch, Klagbegründung, Vorschußzahlung und Abgabe an das Amtsgericht Ahrensburg mit einem Anhörschreiben zu diesem Antrag am 20.6.2000 übersandt. Auch ein erneuter Antrag des Klägers vom 31.5.2000 auf Abgabe des Rechtsstreits an das Amtsgericht Cottbus erreichte die Beklagten erst in diesem Zusammenhang. Mit Schriftsatz vom 23.6.2000 erklärten sie ihre Zustimmung zu einer Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Cottbus ohne mündliche Verhandlung.

Darauf erklärte sich das Amtsgericht Ahrensburg mit Beschluß vom 28.6.2000 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit "gemäß § 29 ZPO" an das Amtsgericht Cottbus. Dieses lehnte die Übernahme ab und sandte die Akte mit einem entsprechenden Vermerk zurück. Das Amtsgericht Ahrensburg übersandte die Akte erneut an das Amtsgericht Cottbus, das nunmehr die Sache mit Beschluß vom 18.8.2000 dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vorgelegt hat.

II.

Der Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Ahrensburg vom 28.6.2000 ist ausnahmsweise (§ 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO) nicht bindend, da er objektiv willkürlich ist. Ihm fehlt nach Auffassung des Senats jede rechtliche Grundlage, auch wenn sich die Richterin auf eine Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts (vom 8.2.1993 Rechtspfleger 1993, 411) und auf die zustimmende Kommentierung von Vollkommer (Zöller, 21. Aufl. RNr. 9 a zu § 696 ZPO) berufen hat.

Die Gesetzeslage ist seit der ab 1.1.1992 geltenden Neuregelung der §§ 696, 692, 690 ZPO eindeutig: Eine Änderung der im Mahnbescheid getroffenen Gerichtsstandswahl ist nach Erlaß des Mahnbescheides nur noch auf übereinstimmenden Antrag vor der Abgabe an das Streitgericht möglich (BGH Beschluß vom 19.1.1993 NJW 1993, 1273). Nur wenn bei Vorliegen einer ausschließlichen Zuständigkeit eines anderen Gerichts kein Wahlrecht bestand, kommt dieser Angabe im Mahnbescheidsantrag keine bindende Wirkung zu (BGH Beschluß vom 22.6.1993 NJW 1993, 2810). Die dem entgegenstehende Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts vom 8.2.1993 (aaO.) überzeugt mit ihrem Hinweis auf die mangelnde Bindung der Abgabe nach § 696 Abs. 5 ZPO nicht. Spätestens mit dem Eingang der Akten beim Streitgericht tritt nämlich nach § 696 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 ZPO Rechtshängigkeit der Sache ein und nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO haben Veränderungen der zuständigkeitsbegründenden Umstände - wie z. B. eine Gerichtsstandvereinberung - keinen Einfluß mehr. Nicht von ungefähr setzt die Verweisung nach § 281 ZPO die Feststellung voraus, das verweisende Gericht sei unzuständig (was z. B. nur bei vor Rechtshängigkeit vereinbarter oder anderweit geregelter ausschließlicher Zuständigkeit der Fall ist).

Wegen dieser Abweichung von der genannten Entscheidung des Bayerischen Oberlandesgerichts zur Frage der Willkür schuldet der Senat keine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 36 Abs. 3 ZPO. In seiner späteren Entscheidung vom 9.9.1993 (NJW-RR 1994, 891) hat das Bayerische Oberste Landesgericht nämlich - wenn auch in der abgedruckten Fassung ohne ausdrückliche Auseinandersetzung - von der früheren Entscheidung Abstand genommen und einen (Weiter-)Verweisungsbeschluß trotz übereinstimmender Auffassung der Parteien in einem Fall wie dem vorliegenden als willkürlich bezeichnet. Dabei hat das Bayerische Oberste Landesgericht sich in diesem Beschluß u. a. ausdrücklich auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 19.1. und 22.6.1993 bezogen, ohne allerdings darauf einzugehen, daß in dem Fall des ersten BGH-Beschlusses der Beklagte der Verweisung widersprochen hatte.

Ende der Entscheidung

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