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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 13.09.2002
Aktenzeichen: 2 W 158/02
Rechtsgebiete: PsychKG, FGG


Vorschriften:

PsychKG S.-H. § 7
FGG § 12
Allein aus dem Gebrauch des Wortes "Bedrohung" ohne näheren Bezug kann noch nicht auf das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 7 PsychKG S.-H. geschlossen werden.
2 W 158/02

Beschluß

In der Unterbringungssache (PsychKG)

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 3.09.2002 gegen den Beschluß der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 30.08.2002 durch die Richter am 13.09.2002 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Der Betroffene leidet an einer schizoaffektiven Psychose (bipolaren Störung). Er war deswegen schon wiederholt untergebracht. Am 13.08.2002 hat die Beteiligte zu 1. unter Beifügung eines Gutachtens der Stadtärztin B beantragt, den Betroffenen nach §§ 70 ff. FGG unterzubringen. Nach dessen Anhörung und gutachtlicher Äußerung des behandelnden Stationsarztes Dr. P als Sachverständigen in der Fachklinik Heiligenhafen hat das Amtsgericht die Unterbringung des Betroffenen in einer geeigneten Krankenanstalt bis zum 24.09.2002 angeordnet. Seine hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht Lübeck - Einzelrichterin der 7. Zivilkammer - nach seiner erneuten Anhörung und erneuter gutachtlicher Äußerung des behandelnden Stationsarztes Dr. P als Sachverständigen zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 17 - 19 d.A.), richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen. Die Beteiligte zu 1. hat von einer Stellungnahme hierzu abgesehen.

Die nach §§ 70 m, 22, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist im eingangs genannten Umfang begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG, 546 ZPO).

Das Landgericht hat ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 und 2 PsychKG seien auf Grund der Anhörung des Betroffenen und des Gutachtens des Sachverständigen Dr. P gegeben. Der Betroffene zu 1. leide an einer bekannten bipolaren Störung und befinde sich zur Zeit in einer manischen Phase. Er "bedrohe" massiv seinen Vater und seine Schwester. Diese "Bedrohungen" setzten sich auch telefonisch fort, nachdem er in die Fachklinik Heiligenhafen eingewiesen worden sei. Grund für die Einweisung sei die erhebliche "Bedrohung" des Beteiligten zu 2. und von dessen Büroangestellter gewesen. Der Betroffene sei nicht krankheitseinsichtig.

Diese Ausführungen sind rechtsfehlerhaft, weil im Hinblick auf die in § 7 Abs. 1 und 2 SH PsychKG geforderte Gefährdungslage kein hinreichend konkreter und nachvollziehbarer Sachverhalt festgestellt ist und es an einer Würdigung eines solchen Sachverhalts im Verhältnis zur angeordneten Maßnahme fehlt. Nach § 7 Abs. 1 SH PsychKG können psychisch kranke Menschen gegen oder ohne ihren Willen in einem geeigneten Krankenhaus untergebracht werden, wenn und solange sie infolge ihrer Krankheit ihr Leben, ihre Gesundheit oder Rechtsgüter anderer erheblich gefährden und die Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Nach Abs. 2 der genannten Vorschrift besteht eine Gefahr im Sinne des Absatzes 1 insbesondere dann, wenn sich die Krankheit so auswirkt, daß ein schadenstiftendes Ereignis unmittelbar bevorsteht oder unvorhersehbar ist, jedoch wegen besonderer Umstände jederzeit damit gerechnet werden muß.

Das Landgericht begründet die erhebliche und nicht anders abwendbare Gefährdung der Rechtsgüter anderer allgemein mit "Bedrohungen" verschiedener Personen durch den Betroffenen. Das reicht nicht aus. Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, daß Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (BVerfG NJW 1998, 1774, 1775; BayObLG FamRZ 2002, 909, 910). Handelt es sich um Bedrohungen, aus denen die Gefährdungslage abgeleitet wird, so ist die Grundlage nur dann genügend, wenn sich aus dem festgestellten Sachverhalt erkennen läßt, welcher Art diese Bedrohung war (zum Beipiel wörtlich oder tätlich), welchen Inhalt im einzelnen diese Bedrohung hatte (zum Beipiel näherer Inhalt einer Äußerung oder näherer tatsächlicher Hergang) und mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit - auch im Hinblick auf die Eigenheiten der psychischen Erkrankung - mit einer Verwirklichung der Bedrohung zu rechnen ist. Zum letzten Punkt wird in aller Regel die nachvollziehbare Stellungnahme eines Sachverständigen erforderlich sein. An allen Erfordernissen fehlt es in der angefochtenen Entscheidung. Der Senat sieht sich auch nicht in der Lage, auf Grund des Akteninhalts selbst eine Entscheidung zu treffen, denn auch dieser reicht dafür bisher nicht aus. Das gilt insbesondere für das ärztliche Gutachten vom 12.08.2002 der Stadtärztin B, für die Anhörung des Betroffenen und des Stationsarztes durch den Amtsrichter gemäß Protokoll vom 13.08.2002 und für die Anhörung des Betroffenen und des Stationsarztes durch die Einzelrichterin vom 30.08.2002. Soweit darin etwa zu den "massiven Bedrohungen" die Äußerung des Betroffenen gerechnet wird, er werde "die Beerdigung platzen lassen", läßt sich dies von vornherein nicht unter den gesetzlichen Gefährdungsbegriff bringen. Reicht die tatsächliche Grundlage zur Beurteilung der Gefährdung nicht aus, so ist der Sachverhalt von Amts wegen durch den Richter aufzuklären (§ 12 FGG; BVerfG a.a.O). Hierzu wird - wenn die Anhörung des Betroffenen und die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht ausreichen - insbesondere die Vernehmung von Zeugen (hier der angeblich bedrohten Personen: des Vaters, der Schwester, des Betreuers und dessen Büroangestellter) erforderlich sein. Diese Aufklärung wird das Landgericht nachzuholen haben. Der Senat hat im übrigen bereits in seinem Beschluß vom 2.05.2001 - 2 W 85/01 (3 T 196/01 LG Kiel /2 XIV 24597 L AG Kiel), der auf ein Rechtsmittel des Betroffenen in einem Unterbringungsverfahren erging, wegen sehr knapper Sachverhaltsfeststellung durch die Tatsacheninstanzen ausgeführt, im Falle einer Verlängerung der Maßnahme müßte die Gefährdung an Hand von konkreten Tatsachen - gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Zeugen - näher dargestellt werden.

Ende der Entscheidung

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