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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: 2 W 168/02
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1904
FGG § 28 II
Die Einwilligung eines Betreuers in den Abbruch der Ernährung eines Betreuten über eine PEG-Sonde ist vormundschaftsgerichtlich nicht überprüfbar (also auch nicht genehmigungsfähig).
Tatbestand:

Der Betroffene erlitt einen hypoxischen Hirnschaden im Sinne eines apallischen Syndroms. Eine Kontaktaufnahme mit ihm ist nicht möglich und wird er über eine PEG-Sonde ernährt. Durch Beschluß vom 18.01.2001 bestellte das Amtsgericht den Beteiligten - Sohn des Betroffenen - zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis: Sorge für die für die Gesundheit, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und Einrichtungen (z.B. Heimen) sowie Postangelegenheiten. Es hat die Betreuung am 18.12.2001 verlängert.

Mit Schreiben vom 8.04.2002 hat der Beteiligte beim Amtsgericht beantragt, "die Ernährung über die PEG-Sonde einzustellen", da eine Besserung des Zustandes des Betroffenen nicht zu erwarten sei. Die Ehefrau des Betroffenen und seine Tochter haben dem Antrag zugestimmt. Der Beteiligte hat auf die vom Betroffenen 1998 unterzeichnete Verfügung des Betroffenen hingewiesen, in der dieser u. a. für den Fallirreversibler Bewusstlosigkeit lebensverlängernde Maßnahmen ablehne.

Das Amtsgericht hat den Antrag mangels einer Rechtsgrundlage abgelehnt. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betreuers zurückgewiesen. Das OLG hat die weitere Beschwerde dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe:

Der Senat hält die nach §§ 27, 29, 20 FGG zulässige weitere Beschwerde für unbegründet. Er sieht sich an der Zurückweisung des Rechtsmittels jedoch durch das Urteil des BGH vom 13.09.1994 - 1 StR 357/94 - (NJW 1995, 204) sowie durch die auf weitere Beschwerde ergangenen Beschlüsse des OLG Frankfurt vom 20.11.2001 - 20 W 419/01 (FamRZ 2002, 575; vgl. bereits Beschluß vom 15.07.1998 - 20 W 224/98 NJW 1998, 2747) und des OLG Karlsruhe vom 29.10.2001 - 19 Wx 21/01 (FamRZ 2002, 488) gehindert. Die Sache ist demnach dem Bundesgerichtshof nach § 28 Abs. 2 FGG vorzulegen.

Allerdings ist der Senat mit den Oberlandesgerichten Frankfurt und Karlsruhe der Auffassung, daß für den Behandlungsabbruch bei nicht einwilligungsfähigen Betroffenen die Bestellung eines Betreuers und dessen Einwilligung erforderlich sind (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB; vgl auch Gründel NJW 1999, 3391; a.A. Bienwald FamRZ 2002, 577, 578). Bei der Einwilligung in den Behandlungsabbruch handelt es sich um eine Angelegenheit des Betroffenen im Sinne des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB, die dieser nicht selbst besorgen kann. Diese Angelegenheit ist nicht höchstpersönlich (LG Duisburg NJW 1999, 2744; Fröschle JZ 2000, 72, 74; Gründel NJW 1999, 3391; Otto Jura 1999, 434, 439; Saliger JuS 1999, 16, 18; a.A. LG München NJW 1999, 1788, 1789; LG Augsburg FamRZ 2000, 320; Deichmann MDR 1995, 983, 985). Denn ohne Betreuer ließe sich das dem nicht einwilligungsfähigen Betroffenen zustehende Selbstbestimmungsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG in Bezug auf die aktuelle Beendigung der Behandlung rechtlich nicht verwirklichen. Die Einwilligung unterfällt auch dem Aufgabenkreis der "Gesundheitsfürsorge" (OLG Frankfurt FamRZ 2002, 575, 576; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 488, 489, LG Duisburg NJW 1999, 2744; Dodegge NJW 2000, 2704, 2707; Gründel NJW 1999, 3392; a.A. LG München NJW 1999, 1789, 1789; LG Augsburg FamRZ 2000, 320, 321; Bienwald FamRZ 2002, 577; Seitz ZRP 1998, 417, 420). Dieser Aufgabenkreis umfaßt alle im Bereich der medizinischen Behandlung anstehenden Entscheidungen, auch wenn eine Wiederherstellung der Gesundheit nicht mehr zu erreichen ist. Das gilt etwa auch für die Versagung der Einwilligung in eine Operation, durch die der sicher in Kürze bevorstehende Tod für den Betroffenen nur unwesentlich hinausgeschoben würde.

Eine rechtliche Grundlage für eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung einer solchen Einwilligung des Betreuers ist entgegen insbesondere der Auffassung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte Frankfurt und Karlsruhe - jeweils a.a.O. - nicht gegeben (vgl. zum Streitstand in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage im einzelnen OLG Frankfurt FamRZ 2002, 575 und Eberbach MedR 2000, 267, 268 ff). Das Gesetz sieht diese Genehmigung nicht vor. Für die Ausfüllung einer Gesetzeslücke im Wege der Analogie einschließlich des argumentum a majore ad minus (erst-recht-Argumentation) oder der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung ist kein Raum.

Gemessen am Standpunkt des Gesetzes selbst, der ihm zu Grunde liegenden Regelungsabsicht und der mit ihr verfolgten Zwecke im Wege der historischen und teleologischen Auslegung (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 373) fehlt es bereits an einer "planwidrigen Unvollständigkeit" des Gesetzes (LG Augsburg FamRZ 2000, 320, 321; LG München NJW 1999, 1788, 1789; Alberts NJW 1999, 835; Bernsmann ZRP 1996, 87, 91; Deichmann MDR 1995, 983, 984; Dodegge NJW 2000, 2704, 2710; Eberbach MedR 2000, 267, 269; Jürgens BtPrax 1998, 159, 160; Karliczek FamRZ 2002, 578; Laufs NJW 1998, 3399, 3400; Scheffen ZRP 2000, 313, 314; Stalinski BtPrax 1999, 86, 87; Steffen NJW 1996, 1581). Es ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber das gesamte Betreuungsrecht im Betreuungsgesetz vom 12.09.1990 abschließend hat regeln wollen und auch geregelt hat. Dabei hat er den Fall eines zum Tode führenden Abbruchs einer lebenserhaltenden Maßnahme bei einem einwilligungsunfähigen Betreuten bedacht. Dieses folgt aus den Gesetzesmaterialien. So heißt es in der BT-Drucksache 11/4528 S. 142 zu § 1904 E BGB:

Der Betreuer hat auch hier Wünschen des Betreuten, nur auf eine bestimmte Art behandelt oder überhaupt nicht behandelt zu werden, zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist (§ 1901 Abs. 2 Satz 1). Der grundsätzliche Willensvorrang des Betreuten auch im Bereich der Heilbehandlung und der genannten Maßnahmen hat z.B. zur Folge, daß der Betreuer den Wunsch eines nicht einwilligungsfähigen Betreuten auch dann zu beachten hat, wenn dieser darauf gerichtet ist, in der letzten Lebensphase nicht sämtliche denkbaren lebens-, aber auch schmerzververlängernden medizinischen Möglichkeiten einzusetzen.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die künstliche Ernährung mit einer PEG-Sonde zu den erwähnten "medizinischen Möglichkeiten" rechnet und sich der Gesetzgeber der mit einem zum Tode führenden Behandlungsabbruch zusammenhängenden rechtlichen Problematik bewußt war. Gleichwohl hat er diesen Fall nicht in den "Kanon" der ausnahmsweise einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedürftigen Maßnahmen der §§ 1904 bis 1907 BGB - vgl. im übrigen auch die aus Gründen der Rechtssicherheit abschließenden Regelungen genehmigungsbedürftiger Geschäfte u.a. gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1821 ff. BGB - aufgenommen (vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 62. Aufl., Einf 10 vor § 1896; 1821 Rn. 6; Stalinski BtPrax 1999, 86, 87; Steffen NJW 1996, 1581). Das ist auch nicht im Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25.06.1998 erfolgt, obgleich die wissenschaftliche Diskussion über das Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung anläßlich des genannten BGH-Urteils vom 13.09.1994 bereits bestand, und das Änderungsgesetz nicht nur kosteneinsparende Regelungen zum Gegenstand hatte, sondern zum Beispiel den § 1904 BGB um den Abs. 2 ergänzte. In den Bundestagsanhörungen von 1995 zur Bioethikkonvention des Europarates und zum Transplationsgesetz/Hirntodproblem waren sich die Sprecher aller Parteien und sämtliche Sachverständige darin einig, daß der Lebensschutz und die Menschenwürde der Apalliker garantiert sei und es nicht den geringsten Entscheidungsbedarf gebe (vgl. Dörner ZRP 1996, 93, 95). Die Konferenz der Landesjustizminister/innen vom Juni 1999 in Baden-Baden hat in einem Beschlußvorschlag die damalige Bundesjustizministerin gebeten, durch eine Änderung des Wortlauts des § 1904 BGB klarzustellen, daß diese Vorschrift auf Fälle der "passiven Sterbehilfe" (vorliegend im weiteren Sinn) nicht analog anwendbar sei (vgl. Scheffen ZRP 2000, 313, 314). Das alles rechtfertigt den Schluß, daß der Gesetzgeber eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung bis auf weiteres weder beabsichtigte noch deren Prüfung ihres Erfordernisses einer vermeintlichen Lückenausfüllung durch die Rechtsprechung überlassen wollte. Insoweit kann das Urteil des BGH vom 13.09.1994 nicht - auch nicht aus der Sicht des Gesetzgebers - als gesetzesersetzende Regelung gewertet werden, die einer Tätigkeit des Gesetzgebers entgegensteht. Das Erfordernis der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung wurde dort im Zusammenhang mit Rechtfertigungsgründen aus strafrechtlicher Sicht - wenn auch nicht als obiter dictum, weil das Urteil darauf beruhte (anders Lipp DRiZ 2000, 231) - so doch mit kurzer Begründung und ohne die für das Betreuungsrecht notwendige Vertiefung abgehandelt. Diese Entscheidung wird ferner allgemein zutreffend so verstanden, daß - abgesehen von einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung - bereits die mutmaßliche Einwilligung des Betreuten in den Behandlungsabbruch Rechtfertigungsgrund ist (Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395, 396; Verrel JR 1999, 5, Coeppicus NJW 1998, 3381, 3382). Die von der Gegenmeinung (OLG Frankfurt FamRZ 2002, 575, 576; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 488, 491) zur Erkundung der Auffassung des Gesetzgebers erwähnte Anwort der damaligen Bundesregierung auf die Anfrage des Abgeordneten Hubert Hüppe, ob ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf hinsichtlich § 1904 BGB erkennbar geworden sei:

"Die Entscheidung des OLG Frankfurt wirft danach nicht nur tiefgreifende juristisch-ethische Fragen, sondern auch vielfältige forensisch-praktische Probleme auf, die einer gründlichen Aufarbeitung bedürfen, bevor die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme durch die Bundesregierung beantwortet werden kann" (vgl. Eberbach MedR 2000, 267), beantwortet die Anfrage nicht und ist in Bezug auf eine "planwidrige Gesetzeslücke" unergiebig. Im Ergebnis sieht der Senat ein "beredtes Schweigen" des Gesetzgebers im Sinne einer Ablehnung eines Genehmigungserfordernisses.

Jedenfalls ist § 1904 Abs. 1 BGB nicht geeignet, eine Gesetzeslücke zu begründen oder zu schließen. Die eigentliche Rechtfertigung eines Analogieschlusses oder des argumentum a majore ad minus liegt in dem Gebot der Gerechtigkeit, wertungsmäßig gleichliegende Tatbestände gleich zu behandeln, sofern nicht ihre ungleiche Behandlung aus guten Gründen vom Gesetz angeordnet oder aus besonderen Gründen gerechtfertigt ist (Larenz a.a.O. S. 390). Entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt und des OLG Karlsruhe sind die in § 1904 Abs. 1 BGB geregelten Tatbestände wertungsmäßig dem hier behandelten Fall des Behandlungsabbruchs in entscheidenden Beziehungen nicht gleich.

Zunächst geht es in § 1904 Abs. 1 BGB um die Genehmigung einer Einwilligung des Betreuers in ärztliche Maßnahmen, die unter Abwägung der Risiken darauf gerichtet sind, die Gesundheit des Betreuten wiederherzustellen, ihn also am Leben zu erhalten, während die Genehmigung der Einwilligung in einen Behandlungsabbruch auf die Lebensbeendigung des Betreuten abzielt. Diese Ziele stehen nicht in einem Verhältnis von "weniger" und "mehr" (Quantität), vielmehr hat die absichtliche Lebensbeendigung eine andere Qualität (aliud), die wegen ihrer herausragenden Bedeutung auch einer besonderen rechtlichen Würdigung und Behandlung bedarf (LG München NJW 1999, 1788, 1789; LG Augsburg FamRZ 2000, 320, 321; AG Hanau BtPrax 1997, 82,.83; Alberts NJW 1999, 835; Deichmann MDR 1995, 983, 984; Jürgens BtPrax 1998, 159; Laufs NJW 1998, 3399, 3400; Seitz ZRP 1998, 417, 419, 420). So gibt es deswegen gute Gründe, vom Erfordernis einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abzusehen und die Ermittlung und den Vollzug des Willens des Betreuten - und nur darum geht es unter der Prämisse seiner Selbstbestimmung - dem Betreuer in Verbindung mit den Familienangehörigen und den behandelnden Ärzten zu überlassen (LG München NJW 1999, 1788, 1789; Alberts NJW 1999, 835, 836; Deichmann MDR 1995, 983, 985; Eberbach MedR 2000, 267, 269; Laufs NJW 1998, 3399, 3400; May/Brink/Baumann BtPrax 1998, 213; Scheffen ZRP 2000, 313, 314; Seitz ZRP 1998, 417, 420; Stalinski BtPrax 1999, 86, 88; Wagenitz FamRZ 1998, 1256, 1257). Ein schwerfälliges und zeitraubendes gerichtliches Verfahren, das über die Bestellung eines Betreuers hinaus in die private Sphäre der Familie eingreift, müßte sich ohnehin auf die Auskünfte der Genannten stützen, die den Betreuten kennen und bei denen grundsätzlich davon auszugehen ist, daß sie verantwortlich und zuverlässig handeln. Der mit einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (auch) verfolgte Schutz Dritter vor einer Strafverfolgung (vgl. Palandt-Diederichsen § 1904 Rn. 6) wird durch den Rechtfertigungsgrund der (mutmaßlichen) Einwilligung gewährleistet, der in der höchstricherlichen Rechtsprechung abgesichert ist (s.o.) und dessen Voraussetzungen sich in seltenen zweifelhaften Einzelfällen auch nachträglich ermitteln lassen (a.A. LG Duisburg NJW 1999, 2744; Bernsmann ZRP 1996, 87, 92; Saliger JuS 1999, 16, 18).

Weiter fehlt es an der wertungsgemäßen Gleichheit der zu vergleichenden Tatbestände, weil die in § 1904 Abs. 1 BGB geregelte Genehmigung eine Einwilligung zum Gegenstand hat, die ein ärztliches Tun betrifft, während hier die "Einwilligung" in ein ärztliches Unterlassen gefordert ist, denn bei der gebotenen wertenden Betrachtung steht das Unterlassen weiterer Nahrungszufuhr im Vordergrund (BGH a.a.O., S. 206). Genaugenommen handelt es sich auch nicht um eine Einwilligung des Betreuers, sondern - bei erteilter Einwilligung in das Legen einer PEG - um deren Widerruf oder sonst um die Verweigerung der Einwilligung in die Weiterbehandlung. § 1904 Abs. 1 BGB hat weder ein Unterlassen des Arztes, noch den Widerruf oder die Verweigerung einer Einwilligung des Betreuers zum Gegenstand, diese Tatbestände sind vielmehr nach dieser Vorschrift genehmigungsfrei (Alberts NJW 1999, 835; Bernsmann ZRP 1996, 87, 90; May/Brink/Baumann BtPrax 1998, 213; Stalinski BtPrax 1999, 86 , 87, 88; Steffen NJW 1996, 1581; Vogel MDR 1995, 337, 338; Wagenitz FamRZ 1998, 1256, 1257).

Diesen Ausführungen zur fehlenden Gleichwertigkeit kann nicht entgegengesetzt werden, beiden Tatbeständen sei jedenfalls "die Schwere des Eingriffs" gemeinsam (OLG Frankfurt NJW 1998, 2747, 2748; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 488, 491; Lipp DRiZ 2000, 231, 237). Zwar mag dies zutreffen, indessen ist dies der "kleinste gemeinsame Nenner", dem der Mangel anhaftet, daß er die entscheidenden Unterschiede - wie ausgeführt - und auch den grundsätzlich abschließenden "Kanon" der gesetzlich vorgesehenen vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungen und ihre jeweils individuellen Regelungen außer Acht läßt. Eine solche Argumentation könnte zur beliebigen Vermehrung der Genehmigungstatbestände führen.

Selbst, wenn eine Gesetzeslücke anzunehmen wäre, so wäre die Ergänzung durch Gerichte vorliegend ausgeschlossen, weil auch nach Auffassung des Senats die staatliche Mitwirkung bei einem auf die Lebensbeendigung eines Menschen (Art. 2 Abs. 2, 19 Abs. 1 GG) gerichteten Verhalten so wesentlich ist, daß sie der Regelung durch den Gesetzgeber bedürfte (Alberts NJW 1999, 835, 836; Jürgens BtPrax 1998, 159, 160; Hufen NJW 2001, 849, 856, 857; Stellungnahme des Vormundschaftsgerichtstags e.V. BtPrax 1998, 161, 162). Hinzu kommt, daß die verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Voraussetzungen einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung angesichts der schwerwiegenden Folgen genauer und einheitlicher Regelung bedürfen, die nur gesetzlich möglich und durch gerichtliche Lückenfüllung nicht gewährleistet ist. Der Auffassung der Gegenmeinung, die sachlichrechtlichen Kriterien einer Genehmigung seien gesichert und diese sei nunmehr auf ein verläßliches justizförmiges Verfahren gestellt (OLG Frankfurt NJW 1998, 2747, 2749; OLG Frankfurt FamRZ 2002, 575, 577; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 488, 491, 492; LG Duisburg NJW 1999, 2744, 2745; Coeppicus NJW 1998, 3381, 3383; Knieper NJW 1998, 2270; Otto Jura 1999, 434, 440; Saliger JuS 1999, 16, 18, 19; Schöch NStZ 1995, 155, 156; Verrel JR 1999, 5, 8), vermag der Senat nicht zu folgen. Schon unter den Vertretern dieser Auffassung besteht im einzelnen Streit. Das gilt insbesondere für die Frage, ob ein Sachverständigengutachten einzuholen ist (vgl. Alberts NJW 1999, 835, 836; Eberbach MedR 2000, 267, 269), und ob dann, wenn sich bei der Prüfung Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Betreuten nicht finden lassen, "auf Kriterien zurückgegriffen werden muß, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen" (so BGH a.a.O. S. 205; Kritik bei OLG Frankfurt FamRZ 2002, 575, 577; ferner Jürgens BtPrax 1998, 159, 160; May/Brink/Baumann BtPrax 1998, 213; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395; Seitz ZRP 1998, 417, 421; Stalinski BtPrax 1999, 86, 89; Vogel MDR 1995, 337, 338; Verrel JR 1999, 5, 8). Solche "Kriterien" dürften geeignet sein, die Meinung zu fördern, im Vormundschaftsrichter "den Richter über Leben und Tod" zu sehen (LG Augsburg FamRZ 2000, 320, 321; AG Hanau BtPrax 1997, 82, 83; Alberts NJW 1999, 835, 836; Deichmann MDR 1995, 983, 984; Stalinski BtPrax 1999, 86, 89), oder "den Schritt in die andere Republik" befürchten zu lassen (Dörner ZRP 1996, 93, 95, 96). Ferner machte ein insoweit möglicherweise religiös oder sonst ethisch beeinflußtes "Kriterium" die Entscheidung des gesetzlichen - und damit unentrinnbaren - Richters unberechenbar.

Letztlich wäre die Ausfüllung einer gesetzlichen Lücke nicht dringlich, sondern ein Warten auf eine gesetzliche Regelung zumutbar und geboten, weil - wie dargelegt - das Problem außergerichtlich zufriedenstellend behandelt werden kann.

Der Senat würde aus den vorerwähnten Gründen die weitere Beschwerde zurückweisen. Die Abweichung von der Auffassung der eingangs genannten Gerichte zur Frage, ob § 1904 Abs. 1 BGB auf die Beendigung einer lebenserhaltenden Maßnahme bei einem nicht einwilligungsfähigen Betreuten entsprechend anwendbar ist, ist erheblich. Würde er dieser Auffassung folgen, so müßte er dem Antrag des Beteiligten unter Änderung der angefochtenen Entscheidung folgen oder zumindest die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache zur weiteren Aufklärung - Ermittlung der Einwilligung des Betroffenen - zurückverweisen.

Ende der Entscheidung

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