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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 18.11.2005
Aktenzeichen: 2 W 185/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1908b Abs. 1 Satz 1
BGB § 1908i Abs. 1 Satz 1
BGB § 1837
BGB § 1840
Ein wichtiger Grund für die Entlassung eines Betreuers kann darin liegen, dass dieser trotz mehrerer Aufforderungen sowie einer Fristsetzung mit Entlassungsandrohung seiner Berichts- und Rechnungslegungspflicht nicht nachgekommen ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Vormundschaftsgericht infolge des Verhaltens des Betreuers seine Aufsichts- und Kontrollfunktion nicht mehr sachgerecht wahrnehmen kann. Auch der Umstand, dass der Betreuer über einen langen Zeitraum jedwede Kooperation mit dem Vormundschaftsgericht verweigert, kann einen wichtigen Grund für die Entlassung abgeben.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss

2 W 185/05

In der Betreuungssache betreffend

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. vom 15.09.2005 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 25.08.2005 am 18.11.2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 2. wendet sich gegen seine Entlassung als Betreuer des Betroffenen sowie gegen die Bestellung des Beteiligten zu 1. zum Betreuer.

Der Betroffene leidet an einem Schädelhirntrauma nach einem Unfall im Jahre 1974 sowie an einer Hirnschädigung nach einem Suizidversuch im Jahre 1980. Der Beteiligte zu 2. ist der Vater des Betroffenen. Er war seit 1981 als Vormund des Betroffenen, später als Betreuer bestellt. Im Rahmen eines von dem Beteiligten zu 2. mit anwaltlicher Hilfe ausgehandelten Vergleichs zahlte die Provinzial-Versicherung einen Betrag in Höhe von 125.000,00 DM zur Abgeltung der Ansprüche des Betroffenen aus dem Unfallereignis. Im Jahre 2000 genehmigte das Vormundschaftsgericht Bad Segeberg durch den zuständigen Rechtspfleger K. die Anlage eines Betrags von 100.000,00 DM als nicht mündelsichere Anlage. Die Anlage eines Betrags von 36.000 DM erfolgte in D.-Strukturfonds. Aus dieser Anlage resultierte ein Verlust in Höhe von ca. 14.000,00 DM. Seither gab es erhebliche Probleme in der Zusammenarbeit des Beteiligten zu 2. als Betreuer des Betroffenen und dem Amtsgericht Bad Segeberg als Vormundschaftsgericht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (S. 1 bis 4) Bezug genommen.

Das Vermögen des Betroffenen belief sich zum 31.12.2004 - nach den Angaben des Beteiligten zu 2. in der Beschwerdeschrift vom 10.03.2005 - noch auf ca. 19.000,00 €.

Das Amtsgericht entließ mit Beschluss vom 23.02.2005 den Beteiligten zu 2. als Betreuer und bestellte den Beteiligten zu 1. zum neuen Betreuer mit den Aufgabenkreisen: Bestimmung des Aufenthalts einschließlich der Unterbringung, Zustimmung zu ärztlichen Behandlungsmaßnahmen, Vermögensangelegenheiten, Wahrnehmung des Schriftverkehrs mit Ämtern und Behörden. Gegen diesen Beschluss legte der Beteiligte zu 2. unter dem 10.03.2005 Beschwerde ein. Das Landgericht wies das als sofortige Beschwerde bewertete Rechtsmittel mit Beschluss vom 23.03.2005 zurück. Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2. mit der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde vom 15.09.2005.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 20, 29 Abs. 2, 69g Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FGG zulässig, aber unbegründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (vgl. §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Als wichtiger Grund für die Entlassung genüge jeder Grund, der den Betreuer nicht mehr als geeignet erscheinen lasse. Die Nichteignung des Beteiligten zu 2. ergebe sich aus mehreren (in dem Beschluss geschilderten) Ereignissen. Insbesondere sei der Beteiligte zu 2. seiner Berichtspflicht nicht nachgekommen. Er habe eine Übersicht über den Bestand des Vermögens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorgelegt. Sofern der Beteiligte zu 2. vortrage, er benötige für die Aufstellung des Vermögensbestands die vom Rechtspfleger chronologisch erstellte Vermögensaufstellung, so zeige dies, dass er das Verfahren und die damit verbundenen Pflichten nicht verstanden habe. Es sei allein seine Aufgabe, die Vermögensaufstellung vorzunehmen. Er sei nicht gewillt, den rechtmäßigen Anforderungen des Gerichts Folge zu leisten, weil er der Auffassung sei, dass die mit dem Verfahren befassten Mitarbeiter der Betreuungsabteilung des Amtsgerichts gesetzwidrig oder gar kriminell handelten. Er sei zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Personal des Amtsgerichts nicht bereit. Zudem habe sich gezeigt, dass er mit Grundfragen des Betreuungsrechts nicht umzugehen wisse. Auch sei er nicht fähig, rechtskräftige Entscheidungen zu akzeptieren. Außerdem sei er nicht in der Lage, die Ablehnung des Schadensersatzanspruchs wegen der vermeintlich fehlerhaften vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung der Anlage von Vermögen des Betroffenen in D.-Fonds hinzunehmen. Er überziehe sämtliche mit dem Verfahren befassten Personen ständig mit unbegründeten Dienstaufsichtsbeschwerden und Eingaben, deren Bearbeitung dazu führe, dass das Betreuungsverfahren nicht sachgerecht praktiziert werden könne. Damit mache er die Kontroll- und Aufsichtsfunktion des Vormundschaftsgerichts unmöglich. Seine Entlassung sei auch verhältnismäßig, zumal minderschwere Maßnahmen - etwa Abmahnungen hinsichtlich der Berichtspflicht - erfolglos gewesen seien.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand; der Senat ist an die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts gebunden. Gemäß § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB hat das Vormundschaftsgericht den Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt. Maßstab für die Entlassungsentscheidung nach dieser Vorschrift ist stets das Wohl des Betreuten (BayObLG BtPrax 2002, 218). Ist dieses aufgrund des Verhaltens des Betreuers gefährdet, so hat das Vormundschaftsgericht seine Entlassung anzuordnen. Das Wohl des Betroffenen ist regelmäßig dann gefährdet, wenn das Vormundschaftsgericht infolge des Verhaltens des Betreuers seine Aufsichts- und Kontrollfunktion (§§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1837 Abs. 2 BGB) nicht mehr sachgerecht wahrnehmen kann. Der Beteiligte zu 2. hat die Erfüllung dieser Aufgaben durch das Vormundschaftsgericht zum einen dadurch beeinträchtigt, dass er seine Berichts- und Rechnungslegungspflicht nachhaltig verletzt hat (1.), zum anderen auch dadurch, dass über einen langen Zeitraum hinweg jede Kooperation mit dem Vormundschaftsgericht verweigert hat (2.).

1. Das Landgericht hat einen wichtigen Grund für die Entlassung des Beteiligten zu 2. rechtsfehlerfrei darin gesehen, dass dieser seiner Berichts- und Rechnungslegungspflicht nicht nachgekommen ist. Gemäß §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1840 BGB hat der Betreuer dem Vormundschaftsgericht über die persönlichen Verhältnisses des Betreuten zu berichten (vgl. § 1840 Abs. 1 BGB) und über seine Vermögensverwaltung Rechnung zu legen (vgl. § 1840 Abs. 2 BGB). Gegen diese Verpflichtungen hat der Beteiligte zu 2. verstoßen. Er hat zu keiner Zeit - jedenfalls nicht bis zu dem für die Tatsachenfeststellung maßgeblichen Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung (vgl. BGHZ 14, 398, 399 = NJW 1954, 1803 f.; Keidel/Kunze/Winkler/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 42) - eine Übersicht über den Bestand des Vermögens des Betroffenen vorgelegt. Unverständlich ist - worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat - die Erklärung des Beteiligten zu 2., er benötige zunächst von dem Rechtspfleger K. dessen chronologische Vermögensaufstellung für die angegebenen Jahre, die er trotz mehrfacher Aufforderung von diesem nicht erhalten habe. Es ist nicht Aufgabe des Rechtspflegers, die Vermögensaufstellung vorzunehmen, sondern allein die Aufgabe des Betreuers.

Der Senat verkennt nicht, dass an die Entlassung eines Betreuers nach § 1908b Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die Berichts- und Rechnungslegungspflicht (§§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1840 BGB) hohe Anforderungen zu stellen sind. Eine Verletzung der Berichtspflicht kann die Entlassung in der Regel erst rechtfertigen, wenn der Betreuer wiederholt und über einen längeren Zeitraum gegen diese Verpflichtung verstößt und dadurch Nachteile für den Betreuten entstehen können (vgl. BayObLG BtPrax 2002, 218; FamRZ 1996, 509). Der Beteiligte zu 2. hat jedoch in schwerwiegender Weise gegen die Pflichten aus §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1840 BGB verstoßen. Er hat auf zahlreiche gerichtliche Aufforderungen nicht reagiert. Auch das Schreibens des Direktors des Amtsgerichts vom 30.11.2004, mit dem dieser die Berichterstattung und den Vermögensnachweis nochmals anmahnte und ihm eine Frist von drei Wochen mit Entlassungsandrohung setzte, hat ihn nicht zur Erfüllung seiner Pflichten bewegen können. Unterbleibt jedoch auf unabsehbare Zeit eine ordnungsgemäße Rechnungslegung, so ist das Vormundschaftsgericht nicht mehr in der Lage, die ihm obliegende Aufsichts- und Kontrollfunktion (§§ 1908i, 1837 Abs. 2 BGB) zu erfüllen. Dann aber ist das Wohl des Betreuten regelmäßig gefährdet.

Wenn der Beteiligte zu 2. im Schriftsatz vom 01.11.2005 (S. 2, sechster Absatz) ausführt, dass er seine Vermögensbetreuung ordnungsgemäß und peinlichst genau durchgeführt habe, was auch in mehreren Ordnern für die Gesamtzeit dokumentiert sei, so vermag dies an dem Verstoß gegen die Berichts- und Rechnungslegungspflicht nichts zu ändern. Diese Pflichten des Betreuers dienen dazu, dem Vormundschaftsgericht seine Kontroll- und Aufsichtstätigkeit zu ermöglichen. Ohne eine ordnungsgemäße Rechnungslegung durch den amtierenden Betreuer kann das Gericht diesen Aufgaben nicht nachkommen. Angesichts der mit einer Betreuung verbundenen erheblichen Eingriffe in die Freiheitsgrundrechte des Betroffenen besteht eine Primärverantwortlichkeit des Vormundschaftsgerichts für den Verfahrensablauf (Probst, Betreuungs- und Unterbringungsverfahren, 2005, Rn. 4). Damit lässt sich eine eigenmächtige Vermögensverwaltung des Betreuers - mag diese auch im Einzelfall ordnungsgemäß sein - nicht vereinbaren.

2. Ein wichtiger Grund für die Entlassung des Beteiligten zu 2. liegt aber auch darin, dass er durch das von ihm über einen langen Zeitraum hinweg praktizierte Verhalten eine sachliche und konstruktive Zusammenarbeit mit dem Vormundschaftsgericht konterkariert hat. So hat das Landgericht festgestellt, dass er sämtliche mit dem Verfahren befassten Personen ständig mit unbegründeten Dienstaufsichtsbeschwerden und Eingaben überzieht, deren Bearbeitung dazu führt, dass das Betreuungsverfahren nicht sachgerecht durchgeführt werden kann. Das Verhalten des Beteiligten zu 2. führt letztlich dazu, dass die mit dem Betreuungsverfahren befassten Personen mehr Zeit in die Beantwortung von unsinnigen Eingaben (so etwa hinsichtlich des Betreuerausweises) und in die Stellungnahmen zu von vornherein aussichtslosen Dienstaufsichtsbeschwerden investieren müssen als in die Bearbeitung des eigentlichen Betreuungsvorgangs. Auch dieser Umstand läuft den Interessen des Betreuten deutlich zuwider.

Nicht für relevant hält der Senat das Vorbringen des Beteiligten zu 2., zu dem Zerwürfnis mit den Mitarbeitern des Amtsgerichts sei es erst gekommen, nachdem er den Verlust durch die vom Rechtspfleger K. genehmigte spekulative Anlage durch Eingaben und Beschwerden offenkundig gemacht habe. Zum einen hat er auf den Anlageverlust in jeder Hinsicht überzogen reagiert. So hat er in keiner Weise dem Umstand Rechnung getragen, dass letztlich er es gewesen ist, der sich für die betreffende Anlageform entschieden hat. Doch selbst wenn man im Hinblick auf §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1807, 1811 BGB eine Fehleinschätzung des Rechtspflegers bezüglich der spekulativen Anlage unterstellen wollte (zur Anlage von Betreuten-Vermögen in Renten- und Aktienfonds vgl. Senatsentscheidung vom 03.11.1999 - 2 W 154/99, Rpfleger 2000, 112 = BtPrax 2000, 87), so ist das in der Folgezeit von dem Beteiligten zu 2. an den Tag gelegte, in den Gründen der landgerichtlichen Entscheidung im Einzelnen aufgeführte Verhalten - namentlich sein Umgang mit den Verfahrensbeteiligten - im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen nicht hinnehmbar.

Der Senat hat dabei auch berücksichtigt, dass gerade bei geistig schwer behinderten Volljährigen ein Betreuer aus dem engeren Familienkreis gegenüber einem Berufsbetreuer grundsätzlich vorzuziehen ist (vgl. auch BayObLG BtPrax 2002, 218). Aber auch Angehörige sind im Falle ihrer Ungeeignetheit als Betreuer gemäß § 1908b Abs. 1 BGB zu entlassen. Eine Entlassung kann unabhängig von den Wünschen des Betroffenen geboten sein. Nach den fehlerfreien Feststellungen des Landgerichts, an die der Senat gebunden ist, hat sich der Betroffene bei seiner Anhörung nicht gegen eine Entlassung des Beteiligten zu 2. ausgesprochen. Das in der weiteren Beschwerde geschilderte Ereignis hat am 02.09.2005 und damit nach Erlass der landgerichtlichen Entscheidung stattgefunden, so dass es nicht mehr zu berücksichtigen ist.

Die Entlassung des Beteiligten zu 2. als Betreuer ist auch verhältnismäßig gewesen. Es kann insoweit zunächst auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Betreuung auch nicht partiell, etwa hinsichtlich der Aufgabenkreise: Aufenthaltsbestimmung und Zustimmung zu ärztlichen Behandlungsmaßnahmen, hat aufrechterhalten werden können. Der Beteiligte zu 2. hat es über einen langen Zeitraum hinweg an jeder Kooperationsbereitschaft mit dem Vormundschaftsgericht fehlen lassen. Aus diesem Grunde hat er sich für das Amt eines Betreuers insgesamt als ungeeignet erwiesen. Dann aber ist seine Entlassung nach § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB zwingend vorgesehen; die Vorschrift eröffnet dem Gericht kein Ermessen (BayObLG BtPrax 2001, 253, 254; Jürgens/Mertens, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1908b Rn. 1).

Nicht erheblich ist das Vorbringen des Beteiligten zu 2. hinsichtlich etwaiger Versäumnisse des jetzigen Betreuers. Zum einen erfolgt dieser Vortrag erstmals in der sofortigen weiteren Beschwerde, so dass er nicht mehr berücksichtigungsfähig ist. Zum anderen führen die behaupteten Versäumnisse des jetzigen Betreuers - selbst wenn man deren Richtigkeit unterstellt - nicht dazu, dass der Beteiligte zu 2. für die Betreuung nunmehr als geeignet erscheinen könnte.



Ende der Entscheidung

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