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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 07.11.2007
Aktenzeichen: 2 W 196/07
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 1896
GG Art. 13
§ 1896 BGB gibt grundsätzlich keine gesetzliche Grundlage dafür, den Betreuer zu ermächtigen, das Wohnhaus des Betreuten gegen dessen Willen zwangsweise öffnen zu lassen, um es - etwa zu Verkaufszwecken - zu betreten.
2 W 196/07

Beschluss

In der Betreuungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 3.09.2007 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 23.07.2007 am 7.11.2007 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Am 13.1.2006 hat das Amtsgericht die Beteiligte zur Betreuerin der an Demenz leidenden Betroffenen bestellt mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen, Wohnungsangelegenheiten sowie Entgegennahme und Öffnen der Post. Die im Heim lebende und nur dort lebensfähige Betroffene ist Eigentümerin eines 1950 gebauten und von ihr früher bewohnten Hauses, das noch möbliert ist und - da in der Nähe des Heims gelegen - von ihr des öfteren aufgesucht wird. Die Beteiligte hält den Verkauf des Hausgrundstücks für erforderlich, weil Ersparnisse und Einkünfte der Betroffenen demnächst nicht mehr ausreichen werden, um die Heimkosten zu bestreiten. Ferner befürchtet sie, dass von dem Haus Gefahren ausgehen können. Die Betroffene weigert sich, der Beteiligten die Schlüssel auszuhändigen oder mit ihr das Haus zu besichtigen. Die Beteiligte hat am 11.01.2007 beim Amtsgericht die Genehmigung beantragt, das Wohnhaus sowie alle darin befindlichen Räume mit einem Schlüsseldienst öffnen zu lassen, um es besichtigen und gegebenenfalls sichernde Maßnahmen vornehmen zu können. Das Amtsgericht hat dem unter Auflagen stattgegeben. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen, die es auch als gegen die Betreuerbestellung gerichtet angesehen hat, insoweit zurückgewiesen und den Beschluss des Amtgerichts im Übrigen - hinsichtlich der Ermächtigung der Beteiligten, das Haus öffnen zu lassen - "aufgehoben". Gegen diesen Beschluss, auf den zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bl. 92 bis 97 d. A.), richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

Die nach §§ 27, 29, 20, 21 FGG zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung, deren Ausspruch dahin auszulegen ist, dass der angefochtene Beschluss geändert und der Antrag vom 11.01.2007 abgelehnt wird, beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG; 546 ZPO).

Das Landgericht hat ausgeführt: Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.10.2000 - XII ZB 69/00 - (BGHZ 145, 297) fehle es an einer Rechtsgrundlage für eine vormundschaftsgerichtliche Ermächtigung der Betreuerin, das zwangsweise Öffnen und Betreten der Wohnung herbeizuführen. In dieser Entscheidung habe der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass für eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung, einen Betroffenen zwangsweise der Verabreichung einer Dauermedikation zuzuführen, die erforderliche gesetzliche Ermächtigung nicht gegeben sei. Eine ambulante Zwangsbehandlung stelle einen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Freiheit einer Person dar, die nur auf Grund eines Gesetzes erfolgen dürfe. Ein solches Gesetz sei nicht gegeben. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB scheide als Ermächtigungsgrundlage aus, weil es sich nicht um eine Unterbringungsmaßnahme handele. Die mit der Betreuerbestellung dem Betreuer verliehene Rechtsmacht sei nicht ohne weiteres mit der Macht, die getroffene Entscheidung unter Eingriff in geschützte Grundrechte des Betroffenen zwangsweise durchzusetzen, verbunden. Zwar bezögen sich die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in erster Linie auf einen Eingriff in die Freiheit einer Person. Hinsichtlich eines Eingriffs in das grundgesetzlich geschützte Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) könne indessen nichts anderes gelten. Das ergebe sich auch aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs unmittelbar. So heiße es darin, das Betreuungsrecht verzichte - wie auch im grundrechtsrelevanten Bereich des Betretens der Wohnung - auf Regelungen. Ferner habe der Bundesgerichtshof die Auffassung des Landgerichts Berlin NJWE-FER 1997, 55 (vgl. auch LG Freiburg NJW-RR 2001, 146), das die Möglichkeit einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zum zwangsweisen Betreten der Wohnung bejaht habe, ausdrücklich abgelehnt.

Der Senat hält diese Auffassung übereinstimmend mit der wohl überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung und Literatur (vgl. OLG Frankfurt BtPrax 1996, 71; BayObLG BtPrax 2001, 251; LG Görlitz NJWE-FER 1998, 153; LG Offenburg NJWE-FER 1997, 275; Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Betreuungsrecht, 4. Aufl., § 1896 Stichwort "Wohnung; Reinigung pp." mit Angaben zum Streitstand) für zutreffend. Die gesetzliche Grundlage, nach § 1896 BGB einen Betreuer zu bestellen, ist zu allgemein, um den Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der Bestimmtheit, an ein Gesetz, das Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Rechte gestattet (vgl. etwa §§ 1904, 1905, 1906, 1907 BGB), zu genügen. Art. 13 GG ist hier anwendbar, weil das Haus der Betroffenen noch nicht geräumt ist. Es ist einzuräumen, dass in Folge dieser Auffassung die Tätigkeit eines Betreuers erschwert wird und Maßnahmen, die an sich zum Wohl des Betroffenen geboten erscheinen, unterbleiben müssen. Dies ist jedoch im Interesse des vorrangigen Grundrechtsschutzes hinzunehmen. Vorliegend kann Gefahren, die vom Haus ausgehen sollten, auf Grund des Art. 13 Abs. 7 GG begegnet werden. Möglicherweise bietet sich eine Unterkunft und Pflege der Betroffenen an, die mit ihren laufenden Mitteln bestritten werden können. Zu erwägen ist auf Grund der gegebenen Rechtslage auch, dass der Staat zunächst in Vorlage tritt und sodann seine Forderung gegen die Betroffene im Wege der Zwangsvollstreckung in das Grundstück durchsetzt (§§ 89, 92 ff. BSHG).

Ende der Entscheidung

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