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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 03.04.2003
Aktenzeichen: 2 W 215/02
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1 III
BVormVG § 2
1. Gesetze und Verordnungen, die bereits vorhandene Ausbildungsgänge zur Betreuungsqualifikation und darin abgelegte Prüfungen anerkennen, entfalten keine Rückwirkung (zu § 2 BVormVG).

2. Vereinsbetreuer müssen zwei Jahre vor Inkrafttreten des BvormVG für den vergütungsberechtigten Verein tätig gewesen sein, um nach dem BvormVG vergütet zu werden (zu § 1 Abs. 3 BVormVG).


2 W 215/02

Beschluss

In der Betreuungssache

betreffend den am 26. Januar 1962 geborenen Herrn W,

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 4. November 2002 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 18. Oktober 2002 durch die Richter Lindemann, Schupp und Kollorz am 3. April 2003 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit das Landgericht die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 16. Januar 2001 und 3. Juli 2001 geändert hat. Insoweit wird die Sache zur Entscheidung über die als sofortige Erinnerungen zu behandelnden sofortigen Beschwerden des Beteiligten zu 2. an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. nach einem Geschäftswert von 360,10 € (704,30 DM) zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 15. März 1999 bestellte das Amtsgericht den Mitarbeiter des Beteiligten zu 1. B zum Betreuer (Vereinsbetreuer) des mittellosen Betroffenen. Der Vereinsbetreuer D. ist seit dem Jahre 1998 als hauptamtlicher Mitarbeiter bei dem Beteiligten tätig. Er absolvierte zuvor erfolgreich eine Ausbildung zum Verwaltungsangestellten. In der Zeit vom 6. April 2000 bis zum 5. Juli 2001 nahm er an dem Kontaktstudiengang Betreuerqualifikation an der Fachhochschule Hamburg teil, den er mit Erfolg abschloss.

Auf jeweilige Anträge des Beteiligten zu 1. hat das Amtsgericht Vergütungen und Auslagen für die Betreuungstätigkeit des Vereinsbetreuers B

1. für die Zeit vom 22. November 2000 bis zum 8. Januar 2001 mit Beschluss vom 16. Januar 2001 (Bl. 164 d. A.) auf insgesamt 1.177,28 DM,

2. für die Zeit vom 10. Januar 2001 bis zum 21. März 2001 mit Beschluss vom 3. April 2001 (Bl. 175 d. A.) auf insgesamt 1.501,21 DM,

3. für die Zeit vom 28. März 2001 bis zum 27. Juni 2001 mit Beschluss vom 3. Juli 2001 (Bl. 201 d. A.) auf insgesamt 1.055,23 DM und

4. für die Zeit vom 2. Juli 2001 bis zum 18. September 2001 mit Beschluss vom 7. November 2001 (Bl. 218 d. A.) auf insgesamt 1.475,28 DM

festgesetzt.

Bei der Festsetzung der jeweiligen Vergütungen hat das Amtsgericht einen Stundensatz von 60,00 DM zugrunde gelegt. Es hat die sofortige Beschwerde nicht zugelassen. Sämtliche Beschlüsse des Amtsgerichts sind dem Beteiligten zu 2. am 14. November 2001 zugestellt worden. Gegen die Vergütungsfestsetzungen hat der Beteiligte zu 2. am 22. November 2001 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 221 d.A.) - mit dem erklärten Ziel einer Herabsetzung des zuerkannten Stundensatzes von 60,00 DM auf 45,00 DM (Bl. 220 d.A.). Das Landgericht hat die Beschlüsse des Amtsgerichts geändert, weil es ebenfalls nur einen Stundensatz von 45,00 DM für gerechtfertigt gehalten hat. Es hat die festgesetzten Vergütungen deshalb

1. für die Zeit vom 22. November 2000 bis zum 8. Januar 2001 um 265,09 DM, 2. für die Zeit vom 10. Januar 2001 bis zum 21. März 2001 um 353,91 DM, 3. für die Zeit vom 28. März 2001 bis zum 27. Juni 2001 um 256,26 DM und 4. für die Zeit vom 2. Juli 2001 bis zum 18. September 2001 um 350,39 DM

herabgesetzt.

Das Landgericht hat die sofortige weitere Beschwerde zugelassen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung des Landgerichts wird auf den Beschluss vom 18. Oktober 2002 (Bl. 254 - 258 d. A.) Bezug genommen. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat der Beteiligte zu 1. form- und fristgerecht sofortige weitere Beschwerde einlegt.

II.

Die gemäß §§ 56 g Abs. 5 Satz 2, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Be-schwerde hat in der Sache in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO), soweit das Landgericht die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 16. Januar 2001 und 3. Juli 2001 geändert hat.

Die sofortigen Beschwerden des Beteiligten zu 2. gegen diese Beschlüsse waren gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG unzulässig, weil der Beschwerdewert von 150,00 € hier nicht erreicht war und das Amtsgericht die sofortige Beschwerde auch nicht zugelassen hat. Der Beteiligte zu 2. hat seine sofortigen Beschwerden auf die Stundensatzhöhe beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2001 - 2 W 11/01, FamRZ 2002, 1286). Im Hinblick darauf war der Beschwerdewert nach den zutreffenden Berechnungen des Landgerichts für die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgericht vom 16. Januar 2001 mit 265,09 DM (135,54 €) und für die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 3. Juli 2001 mit 256,26 DM (131,02 €) zu bemessen. In beiden Fällen liegt der Beschwerdewert daher unter 150,00 €.

Die Rechtsmittel des Beteiligten zu 2. gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 16. Januar 2001 und 3. Juli 2001 sind deshalb gemäß §§ 56 g Abs. 5 Satz 1 FGG, 11 Abs. 2 RPflG als sofortige Erinnerungen zu behandeln. Darüber hat indessen nicht das Landgericht zu entscheiden, sondern das Amtsgericht. Deshalb war die Sache insoweit zur Entscheidung über die sofortigen Erinnerungen und gegebenenfalls auch die Frage der Zulassung der sofortigen Beschwerde an das Amtsgericht zurückzuverweisen (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 379, Knittel, BtG, § 56 g FGG Rdnr 12).

Im Übrigen hat die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass der Beteiligte zu 1. für die Tätigkeit des Vereinsbetreuers B in der Zeit vom 10. Januar 2001 bis zum 21. März 2001 und in der Zeit vom 2. Juli 2001 bis zum 18. September 2001 lediglich einen Anspruch auf einen Stundensatz in Höhe von 45,00 DM hat (§§ 1908 e, 1836 Abs. 2, 1836 a BGB, 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG). Die abgeschlossene Lehre des Vereinsbetreuers B rechtfertigt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BVormVG nur einen Stundensatz von 45,00 DM. Der von dem Vereinsbetreuer B an der Fachhochschule Hamburg erfolgreich absolvierte Kontaktstudiengang Betreuerqualifikation stellt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung grundsätzlich keine einer Hochschulausbildung vergleichbare Ausbildung im Sinne der § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG dar (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 26. Juni 2002 - 2 W 20/02, OLGR 2002, 234). Eine vergütungssteigernde Wirkung dieser Ausbildung ergibt sich für den hier in Rede stehenden Zeitraum auch nicht aus § 2 Abs. 3 Satz 3 BVormVG in Verbindung mit § 4 AGBtG des Landes Schleswig-Holstein (Gesetz zur Ausführung des Betreuungsgesetzes - GVOBl Schl.-H., S. 96). Nach § 4 AGBtG sind die in einem anderen Bundesland erworbenen Zusatzqualifikationen in Schleswig-Holstein allenfalls dann als vergütungssteigernd zu berücksichtigen, wenn sie durch eine Prüfung nachgewiesen sind, die in einem anderen Bundesland auf der Grundlage einer Ausführungsregelung zum BVormVG abgenommen worden ist. Diese Voraussetzungen erfüllte der von dem Vereinsbetreuer B absolvierte Kontakstudiengang jedenfalls bis zum 18. September 2001 nicht. Im Bundesland Hamburg ist erst am 4. Dezember 2002 das Hamburgische Gesetz zur Ausführung des BVormVG (HmbAGBVormVG) beschlossen worden (HmbGVOBl., S. 301). Erst die aufgrund dieses Gesetzes erlassene "Verordnung zur Umschulung und Fortbildung von Betreuerinnen und Betreuern und zur Anerkennung von Prüfungen aus anderen Ländern" vom 17. Dezember 2002 (HmbGVOBl., S. 325) sieht die Abnahme von vergütungssteigernden Prüfungen vor. Für die Zeit davor können die in Hamburg erworbenen Zusatzqualifikationen daher nicht als auf der Grundlage dieser Ausführungsregelungen abgenommen gelten. Eine Rückwirkung kommt hier nicht in Betracht. Die Vergütungsvorschriften des BVormVG stellen materiell-rechtliche Regelungen dar. Materiell-rechtliche Regelungen finden grundsätzlich nur auf Sachverhalte Anwendung, die nach ihrem Inkrafttreten verwirklicht werden, sofern im Gesetz nichts anderes bestimmt ist. An einer entsprechenden abweichenden Regelung fehlt es hier.

Das Landgericht hat ferner zu Recht angenommen, dass dem Beteiligten zu 1. ein Stundensatz von 60,00 DM auch nicht nach § 1 Abs. 3 BVormVG zusteht. Diese Vorschrift findet im vorliegenden Fall keine Anwendung, weil der Vereinsbetreuer B am 1. Januar 1999 noch keine 2 Jahre für den Beteiligten zu 1. tätig war. § 1 Abs. 3 BVormVG ist auf die von einem Betreuungsverein gemäß § 1908 e BGB zu beanspruchende Vergütung für die Tätigkeit eines Vereinsbetreuers nur dann anwendbar, wenn der Betreuungsverein jedenfalls seit dem 1. Januar 1997 als solcher tätig und wenn der jeweilige Vereinsbetreuer jedenfalls seit diesem Zeitpunkt bei dem Betreuungsverein beschäftigt ist (vgl. OLG Dresden, FamRZ 2000, 552 und FamRZ 2001, 1323; BayObLG FamRZ 2001, 793; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836 a Rn. 65; Knittel, a. a. O., § 1836 a BGB Rn. 7). § 1 Abs. 3 BVormVG gewährt einen Bestandsschutz nur für die diejenigen Einkünfte des Betreuungsvereins, die seit dem Inkrafttreten des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes bereits über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren erzielt wurden. Wenn ein Vereinsbetreuer dem Betreuungsverein erst nach dem 1. Januar 1997 beigetreten ist, sind die durch seine Tätigkeit erzielten bisherigen Einkünfte des Betreuungsvereins grundsätzlich nicht so nachhaltig, dass ein Bestandsschutz zu gewähren ist (vgl. OLG Dresden, FamRZ 2000, 552). Dabei ist unerheblich, ob es für den Beteiligten zu 1. eine Härte darstellt, wenn er für die Betreuungstätigkeit des Vereinsbetreuers B keinen Stundensatz in Höhe von 60,00 DM erhält. Denn eine solche Härte allein vermag die Anwendung des § 1 Abs. 3 BVormVG nicht zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat die Anwendung dieser Bestandsschutzregelung ausdrücklich auf (Vereins-)Betreuer beschränkt, die am 1. Januar 1999 schon mindestens 2 Jahre berufsmäßig Betreuung geführt hatten. Für eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die Vergütung anderer (Vereins-)Betreuer besteht nach dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 BVormVG kein Bedürfnis. Mit der Regelung des § 1 Abs. 3 BVormVG soll vermieden werden, dass Berufsbetreuer und Betreuungsvereine, denen vor der Neuregelung des Vergütungsrechts höhere Stundensätze zugebilligt wurden als ihnen nach dem seit dem 1. Januar 1999 geltenden Recht zustünden, Einkommenseinbußen erleiden, ohne dass sie Gelegenheit hatten, sich der veränderten Vergütungssituation anzupassen, d. h. entweder durch eine Umschulung oder Fortbildung (ihrer Mitarbeiter) eine zu einem höheren Stundensatz führende Qualifikation zu erreichen oder ihre Kosten in einer Weise zu reduzieren, dass ihnen ihre Tätigkeit auch bei einer geringeren Vergütung eine ausreichende Existenzgrundlage verschafft (vgl. BayObLG, BtPrax 2001, 77, 78; OLG Karlsruhe, FGPrax 2001, 117; OLG Braunschweig, BtPrax 2000, 130; OLG Düsseldorf FGPrax 2000, 194; OLG Hamm, FGPrax 1999, 223, 224 und 2000, 20). Danach dient die Regelung in § 1 Abs. 3 BVormVG der Besitzstandswahrung, und sie gewährt einen gewissen Vertrauensschutz im Hinblick darauf, dass die auf den bisherigen Einnahmen beruhenden Einkommenserwartungen in der Regel einen wesentlichen Faktor finanzieller Dispositionen und wirtschaftlicher Kalkulationen darstellen (vgl. BayObLG NJWE-FER 2001, 178, 179; OLG Hamm, FGPrax 2000, 20, 21). Ein Betreuungsverein, der einen hauptamtlichen Mitarbeiter erst im Jahre 1998 eingestellt hat, musste jedoch bereits damit rechnen, dass er für dessen Tätigkeit eine geringere Vergütung erhalten würde als die bis dahin üblichen Stundensätze. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 11. März 1997 (Bundestags-Drucksache 13/7158) zum Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 1998 lag zu Beginn des Jahres 1998 schon vor. Bereits daraus ergaben sich die Grundsätze des neuen Vergütungsrechts und die Größenordnung der neuen Vergütungssätze. Im Jahre 1998 konnte daher jeder Betreuungsverein erkennen, dass bei der Betreuervergütung mit Einschnitten zu rechnen war. Wer zu der Zeit neue Vereinsbetreuer einstellte, nahm daher erkennbar das Risiko in Kauf, für ihre Betreuungstätigkeit eine geringere Vergütung zu erhalten. Etwaige höhere Einkommenserwartungen des Beteiligten zu 1. erweisen sich aus diesem Grunde nicht als schutzwürdig. Im Übrigen ist nach dem Beschluss des BVerfG vom 6. Juni 2000 (BTPrax 2000, 212) ohnehin sehr zweifelhaft, ob den Berufsbetreuern und Betreuungsvereinen überhaupt ein Bestands- und Vertrauensschutz hätte gewährt werden müssen. Auch im Hinblick darauf ist es jedenfalls nicht geboten, den Schutz des § 1 Abs. 3 BVormVG auf Vereinsbetreuer auszudehnen, die am 01. Januar 1999 noch keine 2 Jahre bei einem Betreuungsverein beschäftigt waren.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 31 KostO.

Ende der Entscheidung

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