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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: 2 W 32/06
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 14 Nr. 4 Halbsatz 2
BGB § 906 Abs. 2 Satz 2
1. Ein Wohnungseigentümer kann aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung entsprechend § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG Schadensersatz - auch in der Form einer ordnungsgemäßen Wiederherstellung - von der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen, wenn ihm durch Baumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum, die ordnungsgemäßer Verwaltung ensprechen und er deshalb hinnehmen muss, an seinem Sondereigentum ein Schaden entsteht.

2. Dieser Grundsatz gilt entsprechend, wenn der Schaden am Gemeinschaftseigentum entsteht, für das dem Wohnungseigentümer in der Teilungserklärung dessen Instandhaltung und Instandsetzung auferlegt worden ist.

3. Ein Aufopferungsanspruch kann ausgeschlossen sein, wenn es dem Wohnungseigentümer zumutbar war, den Schaden durch geeignete Maßnahmen abzuwenden.


2 W 32/06

Beschluss

In der Wohnungseigentumssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3. vom 17.02.2006 gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 8.02.2006 durch die Richter .................... am 13.07.2006 beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Entscheidung wird geändert.

Der Antrag des Beteiligten zu 1. vom 2.04.2002 wird abgewiesen.

Der Beteiligte zu 1. hat die gerichtlichen Kosten der zweiten und dritten Instanz zu tragen.

Außergerichtliche Kosten in der zweiten und dritten Instanz sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde beträgt 1.644,23 Euro.

Gründe:

Der Beteiligte zu 1. ist in Erbengemeinschaft mit seiner Tochter zur Hälfte Eigentümer einer Wohnung der eingangs genannten Anlage. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1b) der Teilungserklärung vom 11.07.1962 ist den Wohnungseigentümern die Verpflichtung auferlegt, die Fenster mit Fensterrahmen auf ihre Kosten instandzuhalten und instandzusetzen. Am 2.06.1999 fasste die Wohnungseigentümergemeinschaft den unangefochten gebliebenen Beschluss, eine Wärmedämmfassade zu erstellen und die Balkone - insbesondere deren Fußböden - zu sanieren. Der von den Wohnungseigentümern mit der Ausarbeitung des Modernisierungs- und Sanierungskonzeptes beauftragte Architekt empfahl in seinen Schreiben vom 21.02.2000 und 27.04.2000, die alten Holzfenster vor Beginn der Fassadenarbeiten gegen neue Kunststofffenster auszutauschen. Der Unterhaltungs- und Wartungszustand der alten Fenster erscheine einwandfrei, jedoch entspreche ihre Fugendichtigkeit, Wärme- und Schalldämmung nicht mehr dem derzeitigen Stand der Technik. Ferner forderten die DIN-Normen zwischen der Balkontürschwelle und dem Fliesenbelag einen Höhenunterschied von 15 cm. Der Beteiligte zu 1. nahm einen Austausch des alten Balkontür-Fensterelements nicht vor. Infolge der Sanierung wurde der Wärmedämmputz auf dem Sturz über seiner Balkontür soweit heruntergezogen, dass sich diese gerade noch öffnen, aber nicht mehr zu Wartungs- und Reparaturzwecken aus den Angeln heben ließ. Ferner wurde bei der Aufbringung des neuen Fußbodenbelags ein circa 6 cm großer Spalt vor seiner Balkontür gelassen, weil sich diese wegen des Gefälles beim Heranlegen der Fliesen nicht mehr hätte öffnen lassen. Aus diesem Grunde wurden auch die Fliesensockel rechts und links neben der Balkontür nicht bis zur Tür herangeführt. Bei der Einsetzung eines neuen Tür-Fensterelements hätten diese Unzuträglichkeiten vermieden werden können.

Der Beteiligte zu 1. forderte von der Beteiligten zu 3. (Verwalterin) auf der Grundlage des von ihm eingeholten Gutachtens des Sachverständigen R. vom 30.05.2001 die Beseitigung der "Mängel". Diese erklärte sich bereit, mit dem Verwaltungsbeirat eine einvernehmliche gütliche Regelung der Angelegenheit ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht auf dem Wege der Kulanz herbeizuführen. Dies lehnte der Beteiligte zu 1. ab. Er hat am 2.04.2002 beantragt,

die Beteiligten zu 2. (übrige Wohnungseigentümer) und 3. als Gesamtschuldner zu "verurteilen",

1. an seinem Wohnungseigentum binnen einer Frist von einem Monat, gerechnet ab Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung, folgende Maßnahmen durchführen zu lassen:

a) über dem Anschlag der Balkontür einen 5 cm breiten Putzstreifen unterseitig am Sturz so einzukerben, dass die Balkontür zu Reparatur- und Wartungszwecken aus den Angeln gehoben werden kann,

b) den Fliesensockel auf dem Boden des Balkons unmittelbar vor der Balkontür oberflächenbündig bis zur Schwelle der Balkontür zu verlängern,

c) die Balkontür nach den Regeln der Baukunst, insbesondere nach den Flachdachrichtlinien des Deutschen Dachdeckerhandwerks, unter Berücksichtigung einer sinnvollen Dichtungskonstruktion zu kürzen und eine ordnungsgemäß Abdichtung gegen Wind und Wetter herzustellen,

d) nach Ablauf der o.g. Frist ihn zur Ersatzvornahme der unter Nr. 1 a) bis c) genannten Arbeiten zu ermächtigen.

2. Die Kosten für das von ihm in Auftrag gegebene Privatgutachten in Höhe von 644,23 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Deuschen Bundesbank p.a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beteiligten zu 2. und 3. sind dem Antrag entgegengetreten. Das Amtsgericht hat ihn abgelehnt. Auf die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. hat das Landgericht dem Antrag soweit er sich gegen die Wohnungseigentümer richtet - stattgegeben. Gegen den Beschluss des Landgerichts, auf den zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bl. 222 bis 281 d.A.), richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. und 3.

Die nach §§ 45 Abs. 1 WEG; 27, 29, 20, 22 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG; 546 ZPO).

Das Landgericht hat ausgeführt: Dem Beteiligten zu 1. stehe ein Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag zur Seite, weil er nicht verpflichtet gewesen sei, sich auf eine Kulanzlösung ohne rechtliche Verbindlichkeit einzulassen. Er habe gegen die Wohnungseigentümer einen Anspruch auf die begehrte Nachbesserung der Sanierungsarbeiten aus § 21 Abs. 4, 5 Nr. 2 WEG. Diese Vorschriften umfassten auch die Sicherstellung einer fachgerechten Ausführung von Instandhaltungsarbeiten und die Vermeidung von Schäden am Sondereigentum einzelner Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümer hafteten nach § 278 BGB für das Verschulden des von ihnen beauftragten Unternehmers. Nach diesen Grundsätzen könne der Beteiligte zu 1. verlangen, dass die Sanierungsarbeiten so ausgeführt würden, dass die Nutzung und Funktion der Balkontür nicht beeinträchtigt würde und von der geschaffenen Situation keine Gefahren ausgingen. Die Beteiligten zu 2. müssten demnach hier dafür einstehen, dass die Balkontür sich zum Zwecke von Reparaturarbeiten nicht mehr aus den Angeln heben lasse, dass der circa 6 cm breite Spalt vor der Tür eine Stolper- und Sturzgefahr sowie Verschmutzungsquelle berge und dass die Fliesensockel nicht bis zur Tür herangeführt seien. Diese Mängel seien situationsbedingt bestmöglich vermeidbar gewesen und nun entsprechend dem Antrag des Beteiligten zu 1. von den Beteiligten zu 2. zu beheben. Der Anspruch sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beteiligte zu 1. die Tür vor der Sanierung hätte austauschen müssen. Dazu sei er nicht verpflichtet gewesen, weil die Fensterelemente sich in einem einwandfreien Unterhaltungs- und Wartungszustand befunden hätten. Der beauftragte Architekt habe auch nicht darauf hingewiesen, dass die Sanierung ohne Austausch des Türelements nicht ordnungsgemäß durchführbar wäre. Allerdings hätten für die Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes nur die Beteiligten zu 2., nicht hingegen die Beteiligte zu 3. als Verwalterin einzustehen. Der Anspruch auf Erstattung der für die Einholung des Gutachtens verauslagten Kosten folge aus § 683 Satz 2 BGB. Hierauf müsse sich der Beteiligte zu 1. allerdings den eigenen Miteigentumsanteil anrechnen lassen. Die Beteiligten zu 2. hafteten nicht als Gesamtschuldner, sondern entsprechend ihrer Anteile.

Diese Ausführungen halten der Rechtsprüfung nicht Stand. Das Landgericht stützt den Schadensersatzanspruch offensichtlich auf eine Verschuldenshaftung. Eine schuldhafte Pflichtverletzung der Wohnungseigentümer und des ausführenden Unternehmers bei der Fassaden- und Balkonsanierung liegt jedoch nicht vor. Der Wohnungseigentümerbeschluss vom 2.06.1999, der den Sanierungsarbeiten zu Grunde lag, entsprach ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, weil die Fassade und die Balkonfußböden schadhaft waren und nicht mehr den Regeln der Technik entsprachen. Der Unternehmer hat die Sanierungsmaßnahmen in jeder Hinsicht mängelfrei ausgeführt. Auch der vom Beteiligten zu 1. beauftragte Sachverständige R. hat in seinem Gutachten vom 30.05.2001 eingeräumt, dass der neue Balkonaufbau den anerkannten Regeln der Technik entspreche und eine Reduzierung der Aufbaustärken (welche für die vom Beteiligten zu 1. gerügten Unzuträglichkeiten verantwortlich sind) eine nicht fachgerechte Ausführung dargestellt und Anlass zu fachlichen Beanstandungen gegeben hätte. Entsprechendes gelte für die Aufbringung der Wärmedämmverbundfassade, insbesondere im Bereich der Stürze und Laibungen in einer Stärke von 2,5 cm, wodurch (noch) der Mindestwärmeschutz nach DIN 4108 Teil 2 Tabelle 1 eingehalten werde (die also nicht geringer hätte ausfallen dürfen). Zur Ausführung der vom Beteiligten zu 1. verlangten Maßnahmen war der Unternehmer nicht verpflichtet. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich - auch nach dem vorerwähnten Gutachten - um Notbehelfe, die zwar nicht den Regeln der Technik entsprechen, aber wegen ihrer zu vernachlässigenden nachteiligen Auswirkungen noch hingenommen werden können.

Allerdings ist ein Schadensersatz des geltend gemachten Inhalts aus dem Gesichtspunkt der Aufopferung entsprechend § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG (vgl. auch § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) denkbar. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Wohnungseigentümer, dem durch Baumaßnahmen am Gemeinschaftseigentum, die ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen und er hinnehmen muss, an seinem Sondereigentum ein Nachteil entsteht, Schadensersatz - auch in der Form einer ordnungsgemäßen Wiederherstellung - von der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen kann (OLG Köln WE 1997, 199; KG WE 1994, 51; BayObLG ZMR 1987, 227; Weitnauer/Lüke, WEG, 9. Aufl., § 13 Rn. 6; § 14 Rn. 8; § 21 Rn. 48 jew. m.w.Nw.). Die Schadensersatzleistung gehört nach § 16 Abs. 4 WEG zu den Kosten der Verwaltung im Sinne des § 16 Abs. 2 WEG, so dass auch der betroffene Wohnungseigentümer seinen Anteil an dem Schaden tragen muss. Zwar gilt dieser Rechtsgrundsatz unmittelbar nur für nachteilige Einwirkungen auf das Sondereigentum, während vorliegend ausschließlich gemeinschaftliches Eigentum betroffen ist. Es bestehen jedoch keine Bedenken, den Grundsatz hier entsprechend anzuwenden, weil § 6 Abs. 1 Nr. 1b) der Teilungserklärung dem Sondereigentümer die Instandhaltung und Instandsetzung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Fenster überbürdet hat und dieses Eigentum insoweit dem Sondereigentum gleichgestellt ist.

Einem solchen Schadensersatzanspruch steht vorliegend jedoch entgegen, dass sich der Beteiligte zu 1. geweigert hat, sein Türelement vor Ausführung der Arbeiten durch ein neues Element zu ersetzen, was die "Nachbesserungsarbeiten" entbehrlich gemacht hätte. Zwar war ihm die Entscheidung über die Instandsetzung und Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums insoweit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Teilungserklärung eigenverantwortlich übertragen und kann es ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, Fenster- Türelemente in einwandfreiem Erhaltungszustand nicht im Wege modernisierender Instandhaltung auszutauschen. Hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass die ca. 40 Jahre alten Elemente hinsichtlich der Fugendichtigkeit sowie der Schall- und Wärmedämmung nicht mehr dem Stand der Technik entsprachen. Ihre Beibehaltung lief insbesondere dem von den Wohnungseigentümern verfolgten und gerechtfertigten Ziel der Verbesserung der Wärmedämmung der Anlage zuwider und belastet sie durch die Verteilung der Heizkosten. Auch unter Berücksichtigung der Höhe der Kosten der nach allem sinnvollen Erneuerung - zumal in Abwägung zur Höhe der Kosten der vom Betroffenen verlangten wenig sinnvollen Maßnahmen und des Sachverständigengutachtens - war es ihm (und ist es noch) in der Abwägung der Interessen wirtschaftlich zuzumuten (vgl. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB), sein Element zu erneuern. Auch für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Sachverständigen fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Insbesondere scheidet § 683 Satz 1 BGB aus, weil die Einholung nicht dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der Wohnungseigentümer entsprach.

Es entspricht billigem Ermessen, dem Beteiligten zu 1. die gerichtlichen Kosten der zweiten und dritten Instanz aufzuerlegen, weil er darin unterlegen ist (§ 47 Satz 1 WEG). Hingegen bestand schon angesichts der gegensätzlichen Entscheidungen von Amts- und Landgericht kein Anlass, vom Grundsatz abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen hat (§ 47 Satz 2 WEG).

Ende der Entscheidung

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