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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 23.03.2007
Aktenzeichen: 2 W 61/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 2
Eine Unterbringungsgenehmigung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt voraus, dass konkrete Tatsachen festgestellt werden, aus denen sich - unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit - die Erforderlichkeit der Heilbehandlung ergibt. Ferner bedarf es grundsätzlich der Darlegung eines konkreten Behandlungskonzeptes.
2 W 61/07

Beschluss

In der Unterbringungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 13. März 2007 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 8. März 2007 am 23. März 2007 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 23.07.2003 bestellte das Amtsgericht dem Betroffenen erstmals für einen Zeitraum von 6 Monaten einen (vorläufigen) Betreuer mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung.

Nachdem der Sachverständige M. mit Gutachten vom 14.10.2003 das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung mit beginnender schizoaffektiver Psychose festgestellt hatte, erweiterte das Amtsgericht die bestehende Betreuung um die Aufgabenkreise Vertretung gegenüber Behörden, Heimen, Sozialleistungsträgern und Versicherungen sowie Regelung des Post- und Fernmeldeverkehrs, soweit dies zur Regelung der Betreueraufgaben erforderlich ist, und bestellte . H. unter Anordnung eines Überprüfungszeitraumes bis zum 13.10.2004 zum endgültigen Betreuer. Mit Beschluss vom 30.11.2004 verlängerte das Amtsgericht die Betreuung bis zum 08.10.2006, beschränkte die Aufgabenkreise jedoch wieder auf die der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung.

Am 14.11.2005 erstellte der Sachverständige M. erneut ein Gutachten, in welchem er zu dem Schluss kam, der Betroffene leide am Rezidiv einer schizoaffektiven Psychose bei vorbestehender Persönlichkeitsstörung, wobei Drogenkonsum nicht sicher auszuschließen sei; zudem bestehe der hochgradige Verdacht auf einen beginnenden psychotischen Schub. Daraufhin beantragte die mit Beschluss des Amtsgerichts vom 24.11.2005 zur neuen Betreuerin bestellte Frau H.die geschlossene Unterbringung des Betroffenen. Nachdem der Betroffene am 06.02.2006 die Tür eines an einer Ampel wartenden Pkw eingedrückt und die Fahrerin beschimpft hatte, äußerte der zur Frage der Notwendigkeit einer geschlossenen Unterbringung erneut hinzugezogene Gutachter M. am 08.02.2006 den Verdacht auf eine beginnenden Psychose, im Rahmen derer der Betroffene zu unkontrollierten Impulsausbrüchen neige, bei denen er mehrfach andere Menschen mit einem Messer oder anderen scharfen/spitzen Gegenständen verletzt habe. Bei weiterer Therapieverweigerung bestehe die Gefahr einer Chronifizierung der Psychose. Daraufhin genehmigte das Amtsgericht mit Beschluss vom 08.02.2006 die geschlossene Unterbringung zunächst für 4 Wochen, mithin bis zum 08.03.2006. Nachdem der Sachverständige M. am 17.02.2006 telefonisch erklärt hatte, dass nach Rücksprache mit dem behandelnden Arzt doch keine Psychose vorliege und der Vorfall von 06.02.2006 drogeninduziert sein dürfte, hob das Amtsgericht den Unterbringungsbeschluss auf.

Mit Schreiben vom 30.03.2006 beantragte die Betreuerin die Aufhebung der Betreuung für den Betroffenen. Der daraufhin vom Amtsgericht eingeschaltete Sachverständige B. stellte mit Gutachten vom 19.04.2006 fest, dass der Betroffene an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit schizoiden und dissozialen Anteilen (ICD 10 F61), V.a. Cannabis- und Amphetaminmissbrauch leide; die Diagnosen einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis müssten revidiert werden. Der Betroffene sei zur Zeit nicht derart beeinträchtigt, dass eine gesetzliche Betreuung erforderlich sei. Sofern sich die Ausführungen von Straftaten wiederholen würden, seien nicht die psychiatrische Behandlung des Betroffenen, sondern strafrechtliche Maßnahmen erforderlich. Daraufhin hob das Amtsgericht die Betreuung mit Beschluss vom 21.06.2006 auf.

Am 21.07.2006 stellte der Landrat des Kreises Pinneberg einen Antrag auf Unterbringung des Betroffenen nach PsychKG, weil dieser am 17.07.2006 in einem Supermarkt einen Kunden mit einem Messer bedroht und gesagt haben soll: "Ich stech? dich ab". Mit Beschluss vom 21.07.2006 ordnete das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen und Hinzuziehung des Amtsarztes im Wege einstweiliger Anordnung gemäß §§ 7 und 9 PsychKG die Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines Krankenhauses für 4 Wochen an. Der wiederum einschaltete Sachverständige M. attestierte mit Gutachten vom 21.07.2006 das Vorliegen einer vermutlich drogeninduzierten Psychose, chronischen Alkoholkonsum sowie eine Persönlichkeitsstörung mit dissozialen Merkmalen. Es bestehe erhebliche Fremdgefährdung sowie auch eine Eigengefährdung, da der Betroffene in psychotischen Episoden nicht in der Lage sei, sich verkehrsgerecht zu verhalten; er sei in der Vergangenheit bereits vor fahrende Pkw gelaufen. Im Hinblick auf die fehlende Krankheitseinsicht, die bestehende Therapieverweigerung und zur Vermeidung einer Chronifizierung empfahl der Sachverständige die Unterbringung für mindestens 6 Monate.

Am 01.08.2006 beantragte der zwischenzeitlich zum vorläufigen Betreuer mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung einschließlich Entscheidung über die geschlossene Unterbringung, Vertretung gegenüber Behörden, Sozialleistungsträgern und Versicherungen und Regelung des Postverkehrs bestellte Beteiligte die Unterbringung des Betroffenen nach §1906 BGB zum Zwecke der Heilbehandlung. Mit Beschluss vom 08.08.2006 genehmigte das Amtsgericht die Unterbringung bis zum 08.02.2007. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Betroffenen wies das Landgericht mit Beschluss vom 20.09.2006 zurück.

Nachdem der Beteiligte am 09.12.2006 die Verlängerung der Unterbringung beantragt hatte, schaltete das Amtsgericht den Sachverständigen Dr. K. ein. Dieser stellte mit Gutachten vom 12.01.2007 fest, dass mit großer Wahrscheinlichkeit eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis vorliege, die bei Absetzen der Medikation wieder fremdaggressive Handlungen sowie eine Eigengefahr befürchten lasse. Mit Beschluss vom 07.02.2007 hat das Amtsgericht die Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines Krankenhauses bis zum 01.02.2008 genehmigt. Das Landgericht hat die dagegen eingelegte Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 08.03.2007 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 13.03.2007.

II.

Die gemäß §§ 70 m Abs. 1, 70 g Abs. 3, 27, 29, 20 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des rechts, §§ 29 FGG, 546 ZPO.

Das Landgericht hat ausgeführt: Die Unterbringung des Betroffenen zum Zwecke der Heilbehandlung sei zulässig, da dieser neben einer Persönlichkeitsstörung an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leide. Der Betroffene verfüge über keinerlei Krankheitseinsicht und werde bei Absetzen der Medikation mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder in Ausnahmezustände geraten, in denen er in der Vergangenheit nicht nur fremdaggressive Handlungen vollzogen, sondern auch sich selbst durch gefährliches Verhalten im Straßenverkehr gefährdet habe. Im Rahmen der nur in geschlossener Unterbringung möglichen Heilbehandlung solle neben der regelmäßigen Einnahme der Medikation versucht werden, eine Krankheitseinsicht zu erreichen, die dem Betroffenen ermögliche, auch außerhalb des geschlossenen Wohnheimes mit ambulanter Behandlung und Betreuung zu leben. Hierfür sei unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. ein längerer Zeitraum erforderlich.

Diese Ausführungen sind rechtsfehlerhaft.

Die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Betroffenen gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen nicht vor. Hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer ernstlichen Selbstgefährdung des Betroffenen bestehen nicht. Allein die Bezugnahme darauf, dass er sich bereits einmal durch gefährliches Verhalten im Straßenverkehr selbst gefährdet haben soll, reicht hierfür nicht aus, da weder feststeht, was konkret vorgefallen noch wann dies geschehen sein soll. Auch zur Möglichkeit der Chronifizierung der bestehenden Psychose, die der Sachverständige M. wiederholt erwähnt hat und die die Annahme einer Eigengefährdung ebenfalls rechtfertigen kann, hat das Landgericht nicht Stellung genommen. Die Gefahr fremdaggressiver Handlungen vermag eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht zu rechtfertigen.

Das Landgericht hat auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht mit der erforderlichen Konkretisierung dargetan. Nach dieser Vorschrift setzt die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung voraus, dass diese zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, welche ohne die Unterbringung nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.

Zwar hat das Landgericht unter Zugrundelegung des Gutachtens des Sachverständigen K. rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Betroffene neben einer Persönlichkeitsstörung an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet. Das Landgericht hat jedoch keine konkreten Tatsachen benannt, aus denen sich - unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit - die Erforderlichkeit der Heilbehandlung ergibt. Es fehlen Feststellungen zu der Frage, ob und welche Gesundheitsschäden konkret zu erwarten sind, wenn der Betroffene die Medikamente absetzt. Angesichts der bereits eingetretenen Verfestigung des psychischen Zustandes des Betroffenen und der bisher ohnehin geringen Wirkungen der Medikamentengabe sind genauere Ausführungen zu der Frage, welche Folgen deren Absetzen haben würde, erforderlich.

Darüber hinaus fehlt es an der Darlegung eines konkreten Behandlungskonzepts. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist bei Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die von dem Betreuten zu duldende Behandlung so präzise wie möglich anzugeben, weil sich nur aus diesen Angaben der Unterbringungszweck sowie Inhalt, Gegenstand und Ausmaß der von dem Betreuten zu duldenden Behandlung hinreichend konkret und bestimmbar ergeben (NJW 2006, 1281). Danach ist zumindest die Darlegung eines Behandlungsvorschlages, der Angaben darüber enthält, was erfolgversprechend für eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Betroffenen getan werden soll, erforderlich. Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen in dem landgerichtlichen Beschluss nicht. Allein der Hinweis darauf, dass durch die regelmäßige Einnahme des Medikaments Risperdal eine geringfügige Besserung der psychischen Verfassung des Betroffenen erreicht werden konnte, reicht nicht aus. Vielmehr muss - gerade angesichts des langen Unterbringungszeitraumes - zumindest eine grobe Skizzierung der weiteren im Rahmen der Unterbringung geplanten Behandlungsmaßnahmen sowie deren Erfolgsaussichten erfolgen. Dies gilt erst recht, da es sich vorliegend nicht um das Frühstadium der Unterbringung handelt, in welchem ggfs. noch Unklarheiten in Bezug auf Dosierung, Wirkungen oder Verträglichkeit der Medikation vorliegen können. Da der Betroffene schon seit mehr als einem halben Jahr geschlossen untergebracht ist, sind genauere Angaben in Bezug auf das Behandlungskonzept möglich und erforderlich.

Nach alledem bedarf die Sache weiterer Aufklärung, die nicht dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht obliegt. Das Landgericht wird - durch ergänzende Befragung des Sachverständigen K. - weiter aufzuklären haben, wie sich ein Absetzen der Medikation beim Betroffenen derzeit konkret auswirken würde und von welchen konkreten Behandlungsmaßnahmen welche Erfolge erwartet werden können.

Ende der Entscheidung

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