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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 23.05.2001
Aktenzeichen: 2 W 8/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1901
BGB § 1907
Zur Frage, wann die Wünsche einer Betreuten bei Vermietung ihres Einfamilienhauses vorangehen.

SchlHOLG, 2. ZS, Beschluss vom 23. Mai 2001, - 2 W 8/01 -


Beschluß

2 W 8/2001 4 T 458/00 LG Itzehoe 81 XVII 333/98 AG Itzehoe

In der Betreuungssache

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die weitere Beschwerde der Beteiligten vom 2.01.2001 gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 20.12.2000 durch die Richter, und am 23.5.2001 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die 77-jährige Betroffene leidet an vasculärer Demenz nach cerebralem Insult (Schlaganfall) und ist infolgedessen geschäftsunfähig. Das Amtsgericht hat die Beteiligten - ihre Söhne - durch Beschluß vom 30.09.1998 zu Betreuern bestellt mit dem Wirkungskreis: alle Angelegenheiten einschließlich der Entscheidung über die Entgegennahme und das Öffnen der Post. Die Betroffene ist Eigentümerin eines Einfamilienhauses, dessen Verkehrswert nach einem Gutachten vom 17.05.1994 240.000 DM beträgt. Sie bezieht eine monatliche Rente von ca. 2.200 DM und Leistungen aus der Pflegeversicherung. Sie ist auf die Pflege im Heim angewiesen und kann nicht mehr in ihrem Hause leben. Auf Betreiben der Beteiligten erteilte das Amtsgericht am 9.12.1998 die Genehmigung für die Bestellung einer Grundschuld über 40.000 DM zur Sicherung eines Renovierungsdarlehens. Nach Renovierung des Hauses schloß der Beteiligte zu 2. am 4.09.2000 einen Mietvertrag über das Haus zu einem Bruttomietzins von 1.375 DM im Monat. Das Mietverhältnis endet am 1.10.2003 und verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn eine der Parteien nicht spätestens drei Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widerspricht. Bei ihrer Anhörung durch den Rechtspfleger lehnte die Betroffene die Vermietung ab. Der Mieter zog am 1.10.2000 in das Haus ein.

Durch Beschluß vom 10.11.2000 hat das Amtsgericht den Mietvertrag genehmigt und angeordnet, daß der Beschluß erst zwei Wochen nach Zustellung an die Betroffene wirksam wird, soweit eine Beschwerdeeinlegung nicht erfolgt. Die Verfahrenspflegerin hat hiergegen fristgemäß Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die Betreuer und die Betroffene durch den beauftragten Richter angehört. Die Betroffene ist bei ihrer Ablehnung der Vermietung geblieben, weil sie bald in ihr Haus zurückkehren werde, wo ihr (verstorbener) Ehemann noch wohne. Das Landgericht hat den Beschluß des Amtsgerichts vom 10.11.2000 mit Rücksicht auf den "zweifelsfrei und eindeutig erklärten Willen" der Betroffenen, aufgehoben. Eine wirtschaftliche Notwendigkeit zur Vermietung des Hauses ergebe sich derzeit nicht. Gegen diesen Beschluß, auf den zur Sachdarstellung ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 108 - 110 d. A.), haben die Betreuer weitere Beschwerde eingelegt. Sie machen geltend, für die Bestimmung des Wohls der Betreuten seien in erster Linie objektive Kriterien maßgeblich. Die subjektiven Empfindungen der Betreuten seien nur dann heranzuziehen, wenn sie wirklich ihren Lebenskreis noch weitestgehend berührten. Hier sei jedoch auszuschließen, daß sie jemals in ihr Haus zurückkehre. Sie sei zu einer vernünftigen - die Vermietung bejahenden - Entscheidung, die sie im Falle ihrer Gesundheit getroffen hätte, nicht mehr in der Lage. Außerdem sei der Mietvertrag jederzeit wegen Eigenbedarfs kündbar. Die Verfahrenspflegerin ist dem entgegengetreten.

Die nach §§ 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

Zu einem Mietvertrag, durch den vom Betreuer Wohnraum vermietet werden soll, bedarf dieser der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (§ 1907 Abs. 3 Satz 1 BGB). Maßgebend für die Genehmigung ist gemäß dem auch hier geltenden § 1901 Abs. 2 BGB das Wohl des Betreuten (Bienwald, Betreuungsrecht, 4. Aufl., § 1907 Rn. 36, 22).

Dabei hat der Betreuer den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist (§ 1901 Abs. 3 BGB). Das Vormundschaftsgericht entscheidet über die Genehmigung nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht kann die Entscheidung des Tatrichters nur beschränkt überprüfen. Es kann sie nur dann als rechtsfehlerhaft beanstanden, wenn der Tatrichter sich des ihm zustehenden Ermessens nicht bewußt war, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, der Bewertung relevanter Umstände unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt, von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht oder die Grenzen des Ermessens überschritten hat (BayObLG FamRZ 1998, 455, 456). Nach dieser Maßgabe läßt die angefochtene Entscheidung keinen Rechtsfehler erkennen.

Gemäß dem subjektiv gefärbt gefaßten Begriff des Betreutenwohls ist das Landgericht mit Recht abweichend vom Amtsgericht zunächst von der strikt gehaltenen Anweisung des Gesetzes (Schwab in Münchener-Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 1901 Rn. 6) ausgegangen, den Wünschen des Betreuten grundsätzlich zu entsprechen. Nach den verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich die Betroffene über längere Zeit konstant und gegenüber verschiedenen Personen eindeutig gegen die beabsichtigte Vermietung ausgesprochen und dies auch begründet. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob dieser Wunsch auf rationaler Grundlage zustande gekommen ist und die Betroffene geschäftsfähig ist. Die Vorschrift des § 1901 BGB wird gerade bei Geschäftsunfähigen bedeutsam sein, die sich von irrationalen Erwägungen leiten lassen (Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein, Das neue Betreuungsrecht, 4. Aufl., Rn. 165; Schwab a. a. O.). Allerdings darf der Betreuer solchen Wünschen nicht nachkommen, deren Verwirklichung dem Wohl des Betreuten zuwiderläuft. Dies ist vor allem der Fall, wenn Rechtsgüter des Betreuten gefährdet werden, die im Rang über den vom Wunsch verfolgten Interessen stehen (z.B. Leben, Gesundheit oder sonstige fundamentale Persönlichkeitsrechte) oder wenn die gesamte Lebens- und Versorgungssituation des Betreuten merklich verschlechtert wird, insbesondere daraus die Gefahr erwächst, daß künftig ohne Hilfe Dritter der angemessene Unterhalt nicht mehr bestritten werden kann. Der Betreuer ist nicht berechtigt und verpflichtet, sich an einer Selbstschädigung des Betreuten zu beteiligen (Schwab a. a. O. Rn. 8.; Bienwald a. a. O. Rn. 26 ff., Marschner u. a. a. a. O. Rn. 167). Derartige Tatbestände hat das Landgericht rechtsfehlerfrei verneint. Nach den Berechnungen der Verfahrenspflegerin - unter Zugrundelegung der von den Betreuern genannten Beträge - ist die Betroffene - ohne sich einschränken zu müssen - auch bei einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes in der Lage, die mit einem Leerstand des Hauses verbundenen Kosten von ihren eigenen Einkünften zu decken. Es kommt nicht darauf an, daß aus der Sicht der Betreuer, die "objektiv vernünftiger" Betrachtung entsprechen dürfte, der Betroffenen Miete entgeht. Die Erhaltung und Mehrung des Vermögens ist - insbesondere bei betagten Betreuten - nicht in jedem Falle mit dem Wohl des Betreuten gleichzusetzen. Offenbar kommt hier - was ausreicht - subjektiv der Lebensqualität der Betroffenen zugute, daß gedanklich - wenn auch unrealistisch - das Haus, das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann geschaffen hat, jederzeit für ihre Rückkehr zur Verfügung steht und nicht von unbekannten Dritten bewohnt wird. Dieser Gedanke ist auch nicht neu. Der Beteiligte zu 1. hat bei seiner Anhörung vor dem Landgericht erklärt, als der Vater 1990 gestorben sei, habe man beabsichtigt, die Betroffene auf seinen - des Sohnes - Bauernhof zu nehmen. Sie habe sich hiergegen gesperrt und damals schon gesagt, daß in das Haus keine fremden Leute einziehen sollten. Daraufhin habe man beschlossen, sie im Hause wohnen zu lassen. Insoweit ist vorliegend zweifelhaft, ob die Erwägung, wie die Betroffene wohl selbst entschieden hätte oder entscheiden würde, wenn sie es noch könnte (Bienwald a. a. O. Rn. 22), der Entscheidung des Landgerichts entgegensteht. Abgesehen davon würden solche hypothetischen Erwägungen nicht frei von der Gefahr der Einflußnahme durch Dritte sein.

Umstände, welche die Nichtgenehmigung den Betreuern als unzumutbar erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Der Hinweis auf eine mögliche Kündigung wegen Eigenbedarfs geht schon deshalb fehl, weil es hier nicht darauf ankommt, ob die Betroffene tatsächlich eines Tages in der Lage sein wird, in das Haus zurückzukehren. Mit Recht hat das Landgericht ferner ausgeführt, daß Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zugunsten der Beteiligten nicht eingreifen, weil sie wußten, daß die Vemietung von der (rechtskräftigen) gerichtlichen Genehmigung abhängt und die Betroffene sich bereits vor dem Rechtspfleger dagegen ausgesprochen hatte. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß auch das vertragslose Wohnenlassen, also die schlichte tatsächliche Nutzung des Hauses, als genehmigungspflichtig und das Nichteinholen der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung hierzu als pflichtwidrig anzusehen ist (Bienwald a. a. O. § 1907 , Rn. 33.)



Ende der Entscheidung

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