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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 16.05.2001
Aktenzeichen: 2 W 96/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1846
BGB § 1908 i
Eine Person darf nur solange vorläufig nach § 1846 BGB untergebracht werden, wie der gleichzeitig bestellte vorläufige Betreuer selbst keine Entscheidung über die Unterbringung treffen kann.

SchlHOLG, 2. ZS, Beschluss vom 16. Mai 2001, - 2 W 96/01 -


Beschluß

2 W 96/01 3 T 214/01 Landgericht Kiel 3 XVII 2587 Amtsgericht Bad Segeberg

In der Betreuungssache (Unterbringung)

hat der 2. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen vom 9. Mai 2001 gegen den Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichtes Kiel vom 4. Mai 2001 durch die Richter, und am 16. Mai 2001 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Der Beschluss des Amtsgerichtes Bad Segeberg vom 14. April 2001 wird aufgehoben, soweit die Unterbringung des Betroffenen über den 8. Mai 2001 hinaus angeordnet worden ist.

Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 14. April 2001 gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1846 BGB angeordnet, daß der Betroffene längstens bis zum 25. Mai 2001 unterzubringen ist. Außerdem hat das Amtsgericht den Beteiligten mit Beschluss vom 14. April 2001 im Wege der einstweiligen Anordnung zum vorläufigen Betreuer des Betroffenen bestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse des Amtsgerichtes vom 14. April 2001 (Bl. 14 f d.A.) Bezug genommen. Die gegen die Anordnung der Unterbringung gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen und seine gegen die vorläufige Betreuerbestellung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 4. Mai 2001 zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 4. Mai 2001 (Bl. 35-41 d.A.) Bezug genommen. Gegen die landgerichtliche Entscheidung über die Unterbringung wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde.

II.

Die nach den §§ 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO).

Amts- und Landgericht haben zwar zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Betroffenen am 14. April 2001 gegeben waren.

Die Voraussetzungen für eine vormundschaftsgerichtliche Anordnung der Unterbringung nach § 1846 BGB liegen aber spätestens seit dem 9. Mai 2001 nicht mehr vor.

Nach § 1846 BGB kommt eine gerichtliche Anordnung der Unterbringung nur so lange in Betracht, wie ein bestellter Betreuer an der Entscheidung über die Unterbringung gehindert ist (BayObLGZ 1987, 7, 9). Im vorliegenden Fall war der zum vorläufigen Betreuer bestellte Beteiligte zwar zunächst gehindert, eine Entscheidung über die Unterbringung des Betroffenen zu treffen, weil seine Bestellung erst am 14. April 2001 erfolgt ist und er sich zunächst einmal mit der Sachlage vertraut machen musste. Die Verhinderung des Beteiligten ist aber spätestens am 9. Mai 2001 entfallen. Nach dem Vermerk des Amtsgerichtes vom 9. Mai 2001 (Bl. 42 R.d.A.) und dem Schreiben des Beteiligten vom 9. Mai 2001 (Bl. 49 f d.A.) hatte der Beteiligte seine Prüfung spätestens am 9. Mai 2001 mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass er keinen Anlass für eine Unterbringung des Betroffenen sieht. Deshalb ist die Anordnung der Unterbringung nach § 1846 BGB spätestens seit dem 9. Mai 2001 nicht mehr zulässig.

Dabei ist unerheblich, ob die Entscheidung des Beteiligten vertretbar ist oder ob er die Unterbringung des Betroffenen pflichtwidrig verweigert. Denn die Voraussetzungen des § 1846 BGB liegen nur dann vor, wenn der bestellte Betreuer an einer Entscheidung gehindert ist, nicht aber auch dann, wenn er pflichtwidrig eine dem Wohl des Betroffenen widersprechende Entscheidung über die Unterbringung trifft. Die Vorschrift des § 1846 BGB hat Ausnahmecharakter; sie ist daher restriktiv zu handhaben; eine entsprechende Anwendung in Fällen pflichtwidriger Entscheidungen des Betreuers über die Unterbringung kommt nicht in Betracht (vgl. dazu grundsätzlich BayObLGZ 1987, 7, 8 f; Jürgens/Kröger/Marschner/Winterstein, Das neue Betreuungsrecht, 4. Auflage, Rn. 564; Holzhauer/Reinicke, Betreuungsrecht, § 70 h FGG, Rn. 3; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 70 h, Rn. 18; Palandt/Diederichsen, 60. Auflage, § 1846, Rn. 2; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 637). In solchen Fällen hat das Vormundschaftsgericht vielmehr nur die Möglichkeit, den Betreuer gemäß §§ 1908 i Abs. 1, 1837 BGB zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten oder ihn gegebenenfalls nach § 1908 b Abs. 1 BGB zu entlassen, einen anderen Betreuer zu bestellen und für die Zeit bis zur möglichen Entscheidung des neuen Betreuers über die Unterbringung gegebenenfalls erneut nach § 1846 BGB zu verfahren. Bei akuter Gefährdung des Betroffenen oder Dritter kommt darüber hinaus eine Unterbringung nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften in Betracht. In weniger akuten Fällen muss es dagegen bei der gesetzlichen Grundentscheidung verbleiben, dass es in erster Linie Aufgabe des Betreuers ist, über die Unterbringung des Betroffenen zu entscheiden.

Für die Zeit vor dem 8. Mai 2001 bedarf es noch einer weiteren Aufklärung, bis zu welchem Zeitpunkt die Anordnung der Unterbringung rechtmäßig war. Dem bisherigen Akteninhalt lässt sich nicht hinreichend entnehmen, seit wann der Beteiligte nicht mehr gehindert war, über die Unterbringung des Betroffenen zu entscheiden. Das Landgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Es hat insbesondere versäumt, den Beteiligten zu dieser Frage zu hören. Die insoweit noch erforderlichen Ermittlungen kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht selbst vornehmen. Deshalb war die Sache insoweit zur weiteren Sachaufklärung an das Landgericht zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

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