Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 10.11.2000
Aktenzeichen: 4 U 193/99
Rechtsgebiete: VOB/B


Vorschriften:

VOB/B § 17 Nr. 3
Zahlt der Auftraggeber einen Sicherheitseinbehalt vertragswidrig nicht bar aus, obwohl er nach § 17 VOB/B eine Bürgschaft als Austaussicherheit erhielt, so besteht seine Zahlungsverpflichtung fort.

SchlHOLG, 4. ZS, Urteil vom 10. November 2000, - 4 U 193/99 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 U 193/99 4 O 94/99 LG Kiel

Verkündet am: 10. November 2000

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

des Herrn

Beklagten und Berufungsklägers,

-Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Tischler, Dr. Carstensen, Dr. Schulz und Dr. Punke in Schleswig-

gegen

Herrn

Kläger und Berufungsbeklagten,

-Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen in Schleswig-

hat der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 25. November 1999 verkündete Teil-Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zahlung von 18.050,96 DM nebst 4 % Jahreszinsen seit dem 26. August 1999 zu erfolgen hat auf das in den Bürgschaftsurkunden vom 19. Februar 1999 erwähnte Konto Nr. bei der K (BLZ ), lautend auf die Firma , Heikendorf.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 22.000,00 DM abzuwenden, es sei denn, der Kläger leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

Der Wert der Beschwer des Beklagten beträgt 18.050,96 DM.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, Inhaber eines Fachbetriebes für Dachdeckerei, Bauklempnerei und Fassadenbau, macht aus sechs Schlussrechnungen Zahlungsansprüche aus Werkverträgen geltend. Ferner begehrt er Auszahlung eines vom Beklagten vorgenommenen Gewährleistungseinbehalts von insgesamt 18.050,96 DM. Dieser Anspruch ist Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens gegen das Teil-Urteil des Landgerichts vom 25. November 1999.

Nach Ziffer 3 Abs. 2 der zwischen den Parteien geschlossenen Verträge kann "nach mängelfreier Abnahme bzw. nach Beseitigung der Mängel die Gewährleistungssumme durch eine unbefristete Bankbürgschaft abgelöst werden." In den Verträgen ist die Geltung der VOB vereinbart worden. - Am 13. August 1999 ließ der Kläger dem Beklagten zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten über sämtliche Gewährleistungseinbehalte Bürgschaftsurkunden aushändigen unter Fristsetzung zur Auszahlung der einbehaltenen Beträge bis zum 25. August 1999. Mit Schreiben vom 27. September 1999 lehnte der Beklagte die Auszahlung ab.

Der Kläger hat behauptet, seine Arbeiten "mängelfrei" erbracht zu haben.

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 90.619,90 DM nebst 4 % Zinsen auf 72.640,94 DM seit dem 23. Januar 1999 und auf weitere 18.050,96 DM seit dem 26. August 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat hinsichtlich einzelner Bauvorhaben eine Auftragserteilung bestritten und im übrigen geltend gemacht, die Arbeiten des Klägers seien mängelbehaftet. Wegen dieser Mängel, deren Beseitigung mindestens 25.000,00 DM kosten werde, mache er ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Er sei lediglich zur Rückgabe der Bürgschaften, nicht aber zur Auszahlung der Gewährleistungseinbehalte bereit.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Teil-Urteils einschließlich der darin enthaltenen Verweisungen Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Teil-Urteil den Beklagten zur Auszahlung der einbehaltenen Gewährleistungsbeträge verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch ergebe sich aus § 631 Abs. 1 BGB und aus Ziffer 3 Abs. 2 der zwischen den Parteien schriftlich getroffenen Vereinbarungen, und zwar hinsichtlich des ersten und dritten Bauabschnitts des Bauvorhabens Rendsburger Landstraße unmittelbar, da der Beklagte selbst diese Verträge unterzeichnet habe, hinsichtlich der Arbeiten an dem Bauvorhaben A i.V. mit § 164 BGB, da die unterzeichnenden Architekten ausdrücklich zum Vertragsabschluss bevollmächtigt gewesen seien und eventuell entgegenstehende Weisungen des Beklagten lediglich dessen Innenverhältnis zu den Architekten beträfen. Die Forderungen des Klägers aus seinen Schlussrechnungen vom 09. November 1998 seien auch sämtlich fällig, denn entgegen der Ansicht des Beklagten seien die Leistungen für beide Bauvorhaben abgenommen worden. Die Voraussetzungen für den Austausch der Gewährleistungssumme gegen Bankbürgschaften gemäß Ziff. 3 Abs. 2 der abgeschlossenen Verträge lägen demnach vor. Der Auftraggeber sei "nach mängelfreier Abnahme bzw. nach Beseitigung der Mängel" zur Ablösung des Gewährleistungsbetrages berechtigt, wobei "Beseitigung der Mängel" nur die Behebung der bei Abnahme festgestellten Mängel bedeuten könne, da ein Auftreten von Mängel "nach mängelfreier Abnahme" die Austauschmöglichkeit nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht hindere. Vorliegend stehe zudem nur ein Zurückbehaltungsrecht des Beklagten wegen von ihm selbst geschätzter Mängelbeseitigungskosten von ca. 25.000,00 DM im Raume, während die zurückgehaltenen Beträge auch ohne die Gewährleistungssummen bereits das Dreifache dieser voraussichtlichen Kosten betrügen, so dass ein schützenswertes Interesse des Beklagten an der Verweigerung des Austausches gegen Bürgschaften nicht ersichtlich sei. Sein Verhalten, die Urkunden zunächst entgegenzunehmen, die gesetzliche Auszahlungsfrist zu ignorieren und schließlich sechs Wochen nach Erhalt der Bürgschaften die Auszahlung zu verweigern, stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar, zumal die Bürgschaften bis zum heutigen Tage nicht zurückgegeben worden seien.

Wegen der weiteren Begründung des Landgerichts wird auf den Inhalt des angefochtenen Teil-Urteils Bezug genommen.

Der Beklagte greift diese Entscheidung mit der Berufung an. Er macht geltend, das Teil-Urteil sei unzulässig, weil kein der Teilentscheidung zugänglicher Sachverhalt vorliege. Ob die vom Beklagten zurückgehaltenen Beträge auch ohne die Gewährleistungssummen das Dreifache der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten erreichten, habe zwingend aufgeklärt werden müssen. Die Frage des Gesamtumfangs der an den Kläger erteilten Aufträge, die streitig sei, lasse sich nicht von der Frage nach der Berechtigung eines Verlangens nach Auszahlung der Sicherheitseinbehalte trennen.

Ferner macht die Berufung geltend, dass das Landgericht die neuere BGH-Rechtsprechung nicht berücksichtigt habe. Der Beklagte beruft sich insoweit auf das Urteil des BGH vom 03. Juli 1997 (BGHZ 136, 195, 197 = MDR 1997, 1022) und ein weiteres Urteil vom 19. Februar 1998 (NJW 1988, 2057 = MDR 1998, 770). Danach könne der Auftragnehmer, der eine Bürgschaft im Austausch eines Bareinbehaltes gestellt habe, im Falle der Weigerung des Auftraggebers, den Bareinbehalt auszuzahlen, lediglich die Bürgschaft zurückfordern.

Im übrigen liege eine Doppelsicherung nicht vor, weil die Bürgschaften erst wirksam würden, wenn der Sicherungseinbehalt auf dem Konto des Klägers einginge. Auch biete er, der Beklagte, die Herausgabe der Bürgschaftsurkunden an.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit über sie durch das angefochtene Urteil entschieden worden ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Zahlung von 18.050,96 DM nebst 4 % Jahreszinsen seit dem 26. August 1999 zu erfolgen habe auf das in den Bürgschaftsurkunden vom 19. Februar 1999 erwähnte Konto Nr. , BLZ , lautend auf die Firma , Heikendorf.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung und der Berufungserwiderung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Der Beklagte ist gemäß § 631 Abs. 1 BGB zur Zahlung des von ihm in Höhe von jeweils 5 % der Bruttorechnungssummen einbehaltenen Werklohns verpflichtet. Ein Zurückbehaltungsrecht steht ihm insoweit nicht zu, nachdem der Kläger ihm in Wahrnehmung seiner Rechte aus Ziff. 3 Abs. 2 der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen Bürgschaftsurkunden übergeben hat. Danach war der Kläger zum Austausch der Sicherheiten befugt. Aus der Natur der Austauschklausel folgt, dass ein Zurückbehaltungsrecht nach Übergabe der Bürgschaftsurkunden nicht geltend gemacht werden kann. Es kann dahinstehen, ob der Beklagte den Anspruch auf Sicherheitsleistung sogar insgesamt verloren hat, weil er trotz Setzung angemessener Nachfrist ohne rechtfertigenden Grund den vom Auftragnehmer verlangten Austausch und die Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes gegen ordnungsgemäße Bankbürgschaft abgelehnt hat, § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl. § 17 VOB/B Rn. 26 m.w.N.). Jedenfalls ist es dem Beklagten versagt, durch Zahlungsverweigerung das vertragliche Austauschrecht des Klägers zu vereiteln.

Dass die Voraussetzungen für den Austausch der Gewährleistungssummen gegen Bankbürgschaften nach der genannten Vertragsklausel grundsätzlich vorliegen, ist vom Landgericht auf S. 6 des angefochtenen Urteils bejaht worden, auf das insoweit Bezug genommen wird. Dies ist nicht von der Berufung angegriffen worden. Danach bestanden hinsichtlich aller Bauvorhaben Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien; eine Abnahme ist erfolgt, die im Abnahmeprotokoll festgehaltenen Mängel sind unstreitig behoben worden. Unerheblich ist die vom Beklagten bestrittene Höhe des Auftragsvolumens und das Bestehen etwaiger Gewährleistungsansprüche. Denn Bareinbehalt und Bürgschaftssummen sind in der Höhe unstreitig und der Beklagte ist durch die Bürgschaften und die übrigen von ihm einbehaltenen Rechnungsbeträge ausreichend gesichert, wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat. Unerheblich ist auch, ob die vom Beklagten zurückbehaltenen Beträge auch ohne die Gewährleistungssummen das Dreifache der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten erreichen. Für die Gewährleistungssummen erhält der Beklagte entsprechend der vertraglichen Regelung Sicherheit in gleicher Höhe durch Bürgschaften. Deswegen ist es dem Landgericht auch nicht verwehrt gewesen, ein Teil-Urteil zu erlassen. Es liegt kein der Teilentscheidung nicht zugänglicher Sachverhalt vor. Sollten Bürgschaftssummen und der restliche streitige Betrag von 72.640,94 DM zusammen nicht das Dreifache der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten erreichen, ist dies darauf zurückzuführen, dass der Beklagte keinen größeren Einbehalt vorgenommen hat. Ein daraus resultierendes etwaiges Risiko hat der Beklagte zu tragen. Würde man gegenüber Ansprüchen aus einer Sicherheits-Austauschklausel die Aufrechnung oder ein Zurückbehaltungsrecht zulassen, würde dies die Klausel gegenstandslos machen, was dem hypothetischen Willen der Parteien nicht entspräche, weil sie die Klausel bei Vertragsschluss gewollt haben.

Der Kläger hat im eigenen Liquiditätsinteresse von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht mit der Folge, dass der Beklagte verpflichtet gewesen ist, den Sicherheitseinbehalt alsbald auszuzahlen (BGH Urteil vom 19.02.1998, Az.: VII ZR 105/97, MDR 1998, 770 = NJW 1998, 2057). Dass der Beklagte gleichwohl ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Kosten der Beseitigung bestrittener Mängel geltend macht, stellt eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar (BGH aaO m.w.N.).

Entgegen der Ansicht des Beklagten hat diese Vertragsverletzung nicht zur Folge, dass er nunmehr nur zur Herausgabe der Bürgschaften verpflichtet wäre. Zwar kommt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998 zu dem Ergebnis, dass der Auftraggeber, der seine Pflichten in dieser Form verletzt hat, nicht zur Auszahlung des Bareinbehaltes verpflichtet ist. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kann der Auftragnehmer lediglich die Bürgschaft zurückfordern. Er begründet dies damit, dass die ernstliche und vertragswidrige Verweigerung der Barauszahlung dazu führe, dass die auflösende Bedingung für die Bürgschaftsstellung eintrete. Die Gestellung einer Bürgschaft als Austauschsicherheit durch den Auftragnehmer sei dahin auszulegen, dass sie unter der auflösenden Bedingung stehe, der Auftraggeber werde seiner Verpflichtung zur effektiven Auszahlung nachkommen (BGH Urteil vom 03.07.1997, Az.: VII ZR 115/95, MDR 1997, 1022 = BGHZ 136, 195, 197 = NJW 1997, 2958). Dieser Rechtsprechung wird im Ergebnis zuzustimmen sein, sofern der Auftragnehmer sich dafür entscheidet, die Bürgschaftsurkunde zurückzuverlangen und der Auftraggeber sich weigert, sie herauszugeben. Dieser Sachverhalt lag der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 03.07.1997 zugrunde. Dem Auftragnehmer dürfte, unabhängig von der Konstruktion einer Bedingung, jedenfalls ein erneutes Austauschrecht zustehen.

Jedoch kann der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Annahme einer allein vom Willen des Auftraggebers abhängenden auflösenden Bedingung nicht gefolgt werden, sofern der Auftragnehmer weiter die Auszahlung des Einbehaltes begehrt (so aber BGH Urteil vom 19.02.1998, Az.: VII ZR 105/97, MDR 1998, 770 = NJW 1998, 2057). Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs würde dazu führen, dass vertragliche Austauschklauseln und das korrespondierende Wahl- und Austauschrecht des Auftragnehmers aus § 17 Nr. 3 VOB/B gegenstandslos würden, obwohl ein Liquiditätsinteresse des Werkunternehmers grundsätzlich außer Frage steht und ein Abbedingen des § 17 VOB/B vom BGH in anderem Zusammenhang als unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers angesehen worden ist (BGH Urteil vom 05.06.1997, Az.: VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27 = NJW 1997, 2598 = MDR 1997, 929 = BauR 1997, 829 = ZfBR 1997, 292).

Kritische Stimmen in der Literatur haben sich gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erhoben. So hat Rechtsanwalt Dr. in Baurecht 1999, 322, 324 ausgeführt:

"Der Bundesgerichtshof verkennt, dass das Austauschrecht Ausfluss des ebenfalls in § 17 Nr. 3 VOB/B geregelten Wahlrechts ist. Wahlrecht des Auftragnehmers heißt jedoch, dass er - soweit er Sicherheit leisten muss - unter den in § 17 Nr. 2 VOB/B genannten verschiedenen Sicherheiten wählen kann. § 17 Nr. 3, 2. Alt. VOB/B ist die konsequente Fortsetzung dieses Wahlrechts, die dem Auftragnehmer auch bei einmal getroffener Wahl das Recht einräumt, sich nachträglich noch für eine andere Art der Sicherheitsleistung zu entscheiden. Das Wahlrecht ist damit ein vertragliches Gestaltungsrecht des Auftragnehmers, mit dem er die Art der Sicherheitsgewährung in dem vorgegebenen Rahmen einseitig zu bestimmen und zu verändern berechtigt ist. Das Austauschrecht als nachträgliches Wahlrecht macht damit jede Entscheidung des Auftragnehmers für eine Art der Sicherheitsleistung nach seinem Belieben reversibel.

Im Hinblick auf das so gestaltete Austauschrecht ist der Auftraggeber jedoch nicht nur - wie vom Bundesgerichtshof angenommen - an der kumulativen Inanspruchnahme beider Sicherheiten, nämlich der auszutauschenden und der zum Austausch angebotenen, gehindert, sondern darüber hinaus gezwungen, die Wahl einer bestimmten Sicherheit durch den Auftragnehmer zu akzeptieren. Bei Ablösung einer Sicherheit durch eine andere muss der Auftraggeber mithin nicht lediglich irgendeine der beiden sich nunmehr in seinen Händen befindenden Sicherheiten, sondern gerade die nach Wahl des Auftragnehmers abgelöste Sicherheit herausgeben ...

Belässt es der Auftragnehmer ... bei seinem Verlangen nach Auszahlung des Sicherheitseinbehalts, muss der Auftraggeber weder die Bürgschaft noch irgendeine der beiden Sicherheiten, sondern - wie vom Auftragnehmer im Rahmen seines Austauschrechts verlangt - den Bareinbehalt herausgeben. Könnte hier der Auftraggeber wählen - und darauf läuft das Urteil des Bundesgerichtshofs hinaus -, wäre das Austauschrecht des Auftragnehmers gemäß § 17 Nr. 3, 2. Alt. VOB/B weitgehend ad absurdum geführt, da es allein von der Willkür des Auftraggebers abhinge, ob die Sicherheiten tatsächlich ausgetauscht werden oder der Auftragnehmer lediglich das Recht hat, die Wiederherstellung des status quo ante zu verlangen."

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dr. wendet in EWiR 1998, 669, 670 ein:

" Es ist bedauerlich, dass der Bundesgerichtshof nicht den Mut aufgebracht hat, der vom Berufungsgericht vertretenen praxisnahen Lösung den Vorzug einzuräumen, wonach die nachträglich, das heißt nach Annahme der Bankbürgschaft als Austauschsicherheit erstmals erklärte Aufrechnung mit umstrittenen Gewährleistungsansprüchen ausgeschlossen ist, vielmehr dem Auftraggeber insoweit lediglich die selbständige Einklagung der geltend gemachten Gegenansprüche bliebe. Angesichts der Fälligkeitsregel der § 641 Abs. 1 BGB, § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B hätte ein solches Ergebnis gut begründet werden können, zumal der BGH im Urteil vom 03.07.1997 wörtlich ausgeführt hat, es sei "nicht Sinn des Austauschrechtes, den Auftragnehmer auf einen Rechtsstreit über die Pflicht zur Barauszahlung oder die Berechtigung der Aufrechnung zu verweisen." ...

Rechtsanwalt Dr. führt in NJW 1999, 262 an:

"Bemerkenswert ist insbesondere, dass das Gericht sich mit dem Austauschrecht des Auftragnehmers nach § 17 Nr. 3 VOB/B nicht eingehend befasst, obgleich diese Regelung einen wichtigen Eckpunkt eines jeden Bauvertrags darstellt. Die Position in der baurechtlichen Fachliteratur hierzu war bislang relativ eindeutig. Der Auftragnehmer sollte nach § 17 Nr. 3 VOB/B das jederzeitige Recht haben, die einmal gestellte Sicherheit gegen eine andere - auch nachträglich - auszuwechseln. Darüber hinaus sollte nach überwiegender Auffassung der Auftraggeber seines Anspruchs auf Sicherheitsleistung verlustig gehen, wenn er unberechtigt den vom Unternehmer verlangten Austausch trotz Nachfristsetzung ablehnt. Selbst hinsichtlich der vom Bundesgerichtshof konkret entschiedenen Fallgestaltung waren bislang ausdrücklich gegenteilige Ansichten vertreten worden, wonach bei Übersendung einer Bürgschaft durch den Auftragnehmer in Ausübung seines Austauschrechts der Auftraggeber zur Auszahlung des Sicherheitsbetrags verpflichtet sein sollte.

Diese Ansichten spielen in den Urteilsgründen des Bundesgerichtshofs keine Rolle. Möglicherweise hat man den Stellenwert des § 17 Nr. 3 VOB/B in Zusammenhang mit der getroffenen Entscheidung untergewichtet. Denkbar erscheint aber auch, dass in den für die Entscheidung maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen § 17 VOB/B nicht oder nur in modifizierter Form Geltung beanspruchte. Grundlage der vom Bundesgerichtshof angestellten Erwägungen ist indessen nicht eine Bewertung des § 17 VOB/B, sondern die Auslegung des Vorgangs der Ablösung der Barsicherheit durch die Konstruktion einer auflösenden Bedingung für die Bürgschaftshingabe.

In der praktischen Handhabung dürfte Übereinstimmung in der Einschätzung bestehen, dass die vom Bundesgerichtshof unterstellte auflösende Bedingung so gut wie nie ausdrücklich vereinbart werden dürfte. Es kann allenfalls eine stillschweigende Bedingung in Betracht kommen, die im Wege der Auslegung zu ermitteln wäre. Dem Auftragnehmer, der eine Bürgschaft zur Ablösung des Sicherheitseinbehalts übersendet, geht es jedoch darum, den Einbehalt ausgezahlt zu bekommen, um seine Liquidität zu erhöhen. Die Bürgschaft wird also in dem stillschweigenden Verständnis übersandt, dass der Auftraggeber in Gemäßheit zu § 17 Nr. 3 VOB/B dem Wunsch des Auftragnehmers nach Austausch der Sicherheit nachkommen muss. Ob in diesem Licht tatsächlich eine auflösende Bedingung einer Bürgschaftsgestellung angenommen werden kann, begegnet daher im Ergebnis gewissen Zweifeln. Ebenso gut könnte der Auftragnehmer einem Einbehalt der Sicherheit von Abschlagszahlungen unter der auflösenden Bedingung zustimmen, dass dieser Einbehalt nach Wahl des Auftragnehmers im Wege des Austauschs durch eine Bürgschaft nach § 17 Nr. 3 VOB/B freigegeben wird. Würde der Auftraggeber bei dieser Auslegung die Auszahlung des Sicherheitseinbehalts gegen Bürgschaft unberechtigt verweigern, wäre die auflösende Bedingung eingetreten und der Einbehalt ohne weiteres freizugeben. Für diese Auslegung spräche zudem, dass sie hinsichtlich der Rechtsfolgen eine Parallele zu der nicht fristgerechten Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto gem. § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B darstellt und somit eine höhere Systemkonformität zu den Regularien der VOB/B - und wahrscheinlich auch zum Parteiwillen - aufweist."

Der Senat schließt sich diesen kritischen Stimmen an. Eine ergänzende Vertragsauslegung dahin, dass die Gestellung der Bürgschaften unter der auflösenden Bedingung stehen soll, der Auftraggeber werde den Bareinbehalt nicht auszahlen, die vom Bundesgerichtshof angenommen, aber nicht begründet worden ist, verkennt die Interessenlage des Auftragnehmers. Vertragliche Regelungen sind jedoch - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen einer ergänzenden Auslegung (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 157 Rn. 2 f) - entsprechend dem hypothetischen Parteiwillen auszulegen. Ein Interesse des Auftragnehmers, sich vom Willen des Auftraggebers abhängig zu machen und sich des Gestaltungsrechtes aus § 17 Nr. 3 VOB/B oder des hier entsprechend vertraglich vereinbarten Austauschrechtes zu begeben, ist nicht erkennbar. Das Recht zum Austausch würde ad absurdum geführt, da es allein von der Willkür des Auftraggebers abhinge, ob die Sicherheiten tatsächlich ausgetauscht werden und ob der Auftragnehmer lediglich das Recht hat, die Wiederherstellung des status quo ante zu verlangen (Otto, aaO, S. 324 rechte Spalte). Ein auch vom Bundesgerichtshof als vertragswidrig angesehenes Verhalten des Auftraggebers, nämlich die Nichterfüllung der Verpflichtung zur Auszahlung der Barsicherheit, würde unter Außerachtlassung der Interessen des Auftragnehmers sanktioniert.

Der Kläger hat bei seinem Berufungsantrag dem Umstand Rechnung getragen, dass die Bürgschaften nach dem Inhalt der vorliegenden Urkunden erst wirksam werden, wenn die zur Sicherheit vom Auftraggeber einbehaltenen Geldbeträge auf dem Konto des Klägers bei der K eingehen. Entsprechend ist der Tenor des angefochtenen Teil-Urteils zu ändern gewesen, ohne dass darin ein kostenrelevantes Teilunterliegen des Klägers zu sehen wäre.

Die Revision wird gemäß § 546 Abs. 1 S. 2, 2. Fallvariante ZPO zugelassen, weil der Senat von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 19.02.1998, Az.: VII ZR 105/97 abweicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Ziff. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück