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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 10.09.2004
Aktenzeichen: 4 U 31/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 30
BGB § 31
BGB § 89
BGB § 278
BGB § 328
BGB § 823
BGB § 831
BGB § 847
1. Die Klage gegen einen beamteten Chefarzt ist - soweit daneben auch der Anstellungsträger in Anspruch genommen wird- wegen des Haftungsprivilegs aus § 839 Abs. 1 S. 2 BGB unbegründet.

2. Bei der Behandlung von Minderjährigen ist im Zweifel anzunehmen, dass der Vertrag als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) mit den gesetzlichen Vertretern des minderjährigen Patienten zustande kommt.

3. Das Unterlassen eines Tastbefundes zur Bestimmung der Kindslage vor Anlegen des Wehentropfs stellt einen einfachen Behandlungsfehler dar.

4. Sowohl die vorzeitige Sprengung der Fruchtblase bei einer Frühgeburt (29. SSW) nach unklarem Tastbefund als auch die einstündige Nichtreaktion der behandelnden Ärzte auf ein länger andauerndes, über 30 Minuten hochpathologische Muster ausweisendes CTG stellen grobe Behandlungsfehler dar.

5. Auch wenn die schicksalhaft bedingte Frühgeburt als wesentliche Hauptursache des Hirnschadens anzusehen ist, gibt es daneben noch denkbare zusätzliche, prä-, peri- und postnatale Ursachen für den eingetretenen Hirnschaden - wie hier die intrapartale Sauerstoffversorgungsstörung -, ohne deren Vorhandensein die besondere Schwere des Hirnschadens schlicht nicht vorstellbar ist. Wegen der fehlenden Abgrenzbarkeit der verschiedenen Ursachen muss sich der Schädiger -wegen der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern - den Gesamtschaden zurechnen lassen.

6. Eine Lungenentfaltungsstörung wegen Surfactantmangels ist zwar geradezu ein beispielhafter Grund für hypoxische Hirnschäden bei Frühgeborenen, neben der Unreife kann die Lungenentfaltungsstörung aber auch durch eine intrapartal verursachte Hypoxie verursacht oder jedenfalls verstärkt worden sein.

7. Zur Bemessung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 350.000,00 DM (= 178.952,00 €) bei schwersten lebenslangen Behinderungen infolge eines Geburtsschadens ("Shunt-pflichtiger - also ventilversorgter - posthämorrhagischer Hydrocephalus internus" verbunden mit einer "schweren infantilen Cerebralparese - Mischform mit Spannungsathetose -", allgemeine schwere Entwicklungsstörung aller Großhirnfunktionen, d. h. der psychomentalen, der psychosozialen, psychomotorischen und der Sprachentwicklung, schwere, vorwiegend spastische, beinbetonte Tetraparese, die Gehen und Aufrechtsitzen ausschließt, Erforderlichkeit ständiger Hilfe einer Pflegeperson im Rahmen einer Rundumbetreuung Tag und Nacht).


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Teilversäumnis- und Endurteil Im Namen des Volkes

4 U 31/97

verkündet am: 10. September 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 21.07.2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 2. und 3. wird das am 20.01.1997 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 178.952,15 € (= 350.000,00 DM) nebst 4 Zinsen seit dem 06.07.1990 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 2. verpflichtet ist, der Klägerin alle materiellen und weiteren immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der ärztlichen Behandlung während der Geburt am 17.08.1980 in der Klinik des Beklagten zu 2. (Kreiskrankenhaus P. ) im Zusammenhang mit einem posthämorrhagischen Hydrocephalus mit schwerer infantiler Cerebralparese (Mischform mit Spannungsathetose) entstanden sind oder in Zukunft noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht von Gesetzes wegen auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Berufung des Beklagten zu 2. wird zurückgewiesen.

5. Kosten des 1. Rechtszuges: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Klägerin 80 % und der Beklagte zu 2. 20 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1., 3., 4. und 5. trägt jeweils die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. trägt dieser selbst.

Kosten des 2. Rechtszuges: Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Klägerin 54 % und der Beklagte zu 2. 46 %. Die Klägerin trägt außerdem die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1, 3., 4. und 5. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. trägt dieser selbst.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten zu 2. wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, es sei denn, die Klägerin leistet vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe.

7. Die Beschwer beträgt für die Klägerin 230.081,00 € (= 450.000,00 DM) wegen Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 3) und für den Beklagten zu 2. 281.211,00 € (= 550.000,00 DM).

Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (nicht unter 350.000,00 DM) sowie Feststellung der Haftung für alle materiellen und weiteren immateriellen Schäden wegen fehlerhafter medizinischer Behandlung anlässlich ihrer Geburt am 17.08.1980 im Kreiskrankenhaus des Beklagten zu 2. Die Mutter der Klägerin, Frau B. W. , die seit 1994 geschieden ist, erlitt bereits am 15.12.1973 in der 30. Schwangerschaftswoche eine Frühgeburt, das Kind verstarb noch am Nachmittag des gleichen Tages. Frau W. war im Jahre 1980 als Krankenschwester im Kreiskrankenhaus P. tätig. Der Beklagte zu 1. betreute sie während ihrer Schwangerschaft. Der verstorbene Ehemann der Beklagten zu 3. war als beamteter Chefarzt der geburtshilflichen Abteilung ebenfalls im Kreiskrankenhaus P. tätig, die Beklagte zu 4. ist die behandelnde Assistenzärztin (damals im 4. Jahr ihrer Ausbildung zur Fachärztin der Gynäkologie) und die Beklagte zu 5. die bei der Geburt seinerzeit anwesende Hebamme.

Im Jahre 1980 wurde Frau W. zum zweiten Mal (mit der Klägerin) schwanger. Die Schwangerschaftsbetreuung erfolgte durch den Beklagten zu 1., der am 19.05. und 17.07.1980 Ultraschallaufnahmen fertigte. Die von Frau W. erbetene Cerclage lehnte der Beklagte zu 1. ab, weil er meinte, aufgrund gehäufter Vorsorgeuntersuchungen den Schwangerschaftsverlauf unter Kontrolle zu haben. In der Zeit vom 07.08. bis 15.08.1980 war Frau W. krankgeschrieben.

Am Sonnabend, den 16.08.1980 trat Frau W. ihre Arbeit als Krankenschwester im Kreiskrankenhaus P. wieder an. Am Sonntag, dem 17.08.1980 hatte sie Frühdienst zusammen mit einer Schwesternschülerin. Während ihres Dienstes verspürte sie vorzeitige Wehen (rechnerisch war es die 29. Schwangerschaftswoche; errechneter Geburtstermin: 06.11.1980).

Frau W. wurde gegen 08.15 Uhr in die gynäkologische Ambulanz des Kreiskrankenhauses P. aufgenommen. Dort wurde sie von der Beklagten zu 4. abdominal und vaginal untersucht. Diese Untersuchung ergab eine Öffnung des Muttermundes (6 bis 8 cm), die Fruchtblase wölbte sich vor und es gab leichte Blutungen. Laut Gedächtnisprotokoll von Frau W. (Bl. 28 d. A.) wurde bei der Aufnahme auch eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt und dabei eine Schädellage des Kindes festgestellt.

Um 09.25 Uhr wurde Frau W. von dem Ehemann der Beklagten zu 3. untersucht. Die Lage des Kindes wurde im Partogramm nicht dokumentiert. Nach den weiteren Eintragungen im Geburtsprotokoll war zu diesem Zeitpunkt der "Muttermund vollständig" geöffnet. Wegen des nur mäßig raschen Geburtsfortschritts wurde auf Anweisung des Chefarztes ein Wehentropf angelegt (ebenfalls nicht dokumentiert).

Um 10.25 Uhr erfolgte eine weitere vaginale Untersuchung durch die Beklagte zu 4. Nach ihrer eigenen Erinnerung im Termin vom 21.07.2004 war seinerzeit das vorangehende Teil (= VT) nicht zu tasten. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Chefarzt und auf dessen Anweisung sprengte sie die Fruchtblase ohne vorher die genaue Kindslage und den Sitz der Plazenta zu bestimmen. Im Anschluss an die Blasensprengung heißt es in dem Partogramm: "Muttermund schnurrt zusammen auf 3 cm; VT: kleines Teil (Fuß?)". Die Beklagte zu 4. und die Hebamme gingen davon aus, dass sich das Kind nunmehr in einer Beckenendlage (Fußlage) befand.

Wegen starker vaginaler Blutungen fand sich bei einer weiteren vaginalen Untersuchung gegen 11.30 Uhr die Scheide voller Blutkoagel, die zum Teil am Muttermund festsaßen. Aufgrund des Verdachts auf eine tiefsitzende Plazenta stellte der Chefarzt die Indikation zum Kaiserschnitt.

Bei den Krankenunterlagen finden sich zwei CTG-Streifen ohne Angaben von Uhrzeiten.

Die Klägerin wurde um 12.13 Uhr durch Kaiserschnitt geboren. Der Entbindungsstatus lautete: "Blau-asphyktisch unreifes Mädchen aus Beckenendlage bei tiefsitzender Plazenta, Geburtsgewicht 1.140 g, 37 cm lang, APGAR 6". Wegen ungenügender Spontanatmung war eine sofortige Intubation durch das bereits anwesende Kindernotarztteam der Altonaer Kinderklinik notwendig, worauf sich die Klägerin rasch erholte. Sie wurde sofort auf die Intensivstation des Kinderkrankenhauses Altona verlegt. Ihre Ankunft im Inkubator ist gegen 13.10 Uhr dokumentiert. Gegen 13.40 Uhr ergab sich ein Sauerstoffsättigungsgrad von 97 % und ein pH-Wert von 7,445. Am zweiten Lebenstag (18.08.1980) ist im Pflegeprotokoll u. a. Folgendes dokumentiert: "... Ab 18.00 Uhr plötzlich Verschlechterung ... Zyanose, RRabfall, Verdacht auf Sepsis, Hirnblutung, ... Liquor blutig ...". Wegen Sepsisverdachts wurde deshalb sofort eine antibiotische Therapie eingeleitet. Am 7. Behandlungstag traten immer wieder Zyanoseanfälle und Krämpfe auf. Die Lumbalpunktion zeigte eine blutige Rückenmarksflüssigkeit und weitere Zeichen einer Einblutung in die Hirnhohlräume. Die augenärztliche Untersuchung am 09.10.1980 ergab eine aktive retrolentale Fibroplasie Stadium I (Bindegewebsvermehrung im Glaskörper hinter der Linse). Die Klägerin wurde am 25.11.1980 aus der stationären Behandlung des Altonaer Kinderkrankenhauses mit folgender Diagnose entlassen: "Postpartale Asphyxie, bronchopulmonale Dysplasie, Hirnblutung, Neugeborenenkrämpfe, Hydrocephalus internus". Bei einer erneuten stationären Behandlung im Altonaer Kinderkrankenhaus vom 23.09. bis 06.10.1981 wurde unter Vollnarkose eine Ventildrainage (sog. Shunt) mit Ableitung in den Bauchraum angelegt. In den Jahren 1982 bis 1988 erfolgten sieben weitere ambulante Behandlungen im Altonaer Kinderkrankenhaus.

Die Hauptdiagnose lautet "Shunt-pflichtiger (ventilversorgter) posthämorrhagischer Hydrocephalus internus" verbunden mit einer "schweren infantilen Cerebralparese (Mischform mit Spannungsathetose). Nach der letzten Beurteilung durch den Sachverständigen Prof. Dr. Sch. vom 17.09.2002 besteht bei der Klägerin eine allgemeine schwere Entwicklungsstörung aller Großhirnfunktionen, d. h. der psychomentalen, der psychosozialen, psychomotorischen und der Sprachentwicklung. Die Klägerin hat außerdem eine schwere, vorwiegend spastische, beinbetonte Tetraparese. Die Klägerin kann weder gehen noch aufrecht sitzen und bedarf der ständigen Hilfe einer Pflegeperson. Sie ist seit ihrem 12. Lebensjahr in einem Heim für Körperbehinderte, derzeit in Simmerath, untergebracht. Epileptische Anfälle sind - nach Angaben der Mutter - jeweils nur während der stationären Behandlung unmittelbar nach der Geburt und in der Folgezeit zweimal jeweils im Zusammenhang mit Ableitungsproblemen bei der Ventildrainage (Shunt) eingetreten. Die Klägerin ist nicht in der Lage, selbstständig zu essen, sie muss mit feinpürierter Kost gefüttert werden. Ihre Sprache ist nicht entwickelt, sie ist lediglich in der Lage, Laute von sich zu geben. Ein Schmerzempfinden ist jedoch vorhanden. Die Klägerin leidet auch unter einer deutlichen und dauerhaften Sehstörung, nach Aussage ihrer Mutter "gilt sie als blind".

Die Klägerin hat behauptet, bereits die Schwangerschaftsbetreuung durch den Beklagten zu 1. sei nicht lege artis erfolgt. Die Geburtsleitung durch die Beklagten zu 2. bis 5. sei fehlerhaft gewesen. Die Dokumentation sei falsch bzw. lückenhaft. Statt Anlegen eines Wehentropfes habe eine konsequente Tokolyse durchgeführt werden müssen. Eine kontinuierliche CTG-Überwachung sei nicht erfolgt. Die Sprengung der Fruchtblase sei nicht indiziert gewesen. Nach Feststellung der dokumentierten Steißlage und Blasensprengung hätte sofort eine Sectio angeordnet und durchgeführt werden müssen. Durch grundloses Zuwarten sei eine Sauerstoffmangelsituation provoziert worden, die bei fehlerfreier Behandlung hätte vermieden werden können. Schließlich sei postnatal eine Lungenreifebehandlung sowie eine Infektionsbehandlung unterlassen worden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld (mindestens 300.000,00 DM) nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (06.07.1990) zu zahlen und

2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr alle Schäden zu ersetzen, die ihr durch eine den Regeln der ärztlichen Kunst nicht entsprechende Behandlung durch den Beklagten zu 1. sowie in der Klinik der Beklagten zu 2. durch die Beklagten zu 3. bis 5. entstanden sind und künftig entstehen, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1. hat vorgetragen, seine Schwangerschaftsbetreuung sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagten zu 2. bis 5. haben behauptet, geburtshemmende Maßnahmen seien nicht indiziert, vielmehr sei die Geburt nicht mehr aufzuhalten gewesen. Von einer zögerlichen Anordnung und Durchführung der Kaiserschnittentbindung könne keine Rede sein. Die Schäden hätten ihre Ursache in dem noch unreifen Gefäßsystem und seien nicht durch ein Geburtstrauma zustande gekommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von gynäkologischen (Prof. Dr. S. vom 02.12.1993, 16.01.1995, 01.08.1995 und 19.12.1996) und pädiatrischen (Prof. Dr. Sch. vom 09.04.1996 und 30.09.1996) Sachverständigengutachten. Insoweit wird auf die schriftlichen Gutachten beider Sachverständigen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 30.09.1996 (Bl. 490 ff. d. A.) und 19.12.1996 (Bl. 514 ff. d. A.) verwiesen.

Mit Urteil vom 20.01.1997 hat das Landgericht der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagten zu 2. und 3. als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 250.000,00 DM nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit sowie Feststellung einer materiellen und weitergehenden immateriellen Schadensersatzverpflichtung verurteilt. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Haftung der Beklagten zu 1, 4. und 5. nicht nachgewiesen sei. Dem vormaligen Beklagten zu 3. seien als geburtsleitendem Arzt jedoch grobe Behandlungsfehler anzulasten, u. a. hätte er die Sectio spätestens um 10.25 Uhr - nach Sprengung der Fruchtblase - anordnen und durchführen müssen. Dieser Fehler habe eine Sauerstoffmangelsituation unter der Geburt verursacht, die mit großer Wahrscheinlichkeit für den nunmehr eingetretenen Schaden verantwortlich sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil einschließlich der darin enthaltenen Verweisungen Bezug genommen (Bl. 575 bis 587 d. A.).

Dagegen richten sich die frist- und formgerecht eingelegten jeweiligen Berufungen der Klägerin einerseits sowie der Beklagten zu 2. und 3. andererseits.

Die Klägerin ist der Ansicht, das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld sei in Anbetracht der Schwere des Schadens viel zu gering, vielmehr sei ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt mindestens 350.000,00 DM angemessen.

Soweit die Klägerin ursprünglich - teils im Wege einer Teilklage - auch Berufung gegen das landgerichtliche Urteil hinsichtlich einer Verurteilung der Beklagten zu 1., 3., 4. und 5. eingelegt hat, hat sie diese Berufungen vor Antragstellung zurückgenommen (gegen den Beklagten zu 1. bereits mit Schriftsatz vom 05.11.1997, Bl. 672 d. A., und gegen die Beklagten zu 3. bis 5. im Termin vom 21.07.2004).

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu 2. zu verurteilen, an sie ein weiteres - über den ausgeurteilten Betrag hinausgehendes - Schmerzensgeld von mindestens 100.000,00 DM nebst 4 % Jahreszinsen seit dem 06.07.1990 zu zahlen.

Im Übrigen beantragt sie,

die Berufung des Beklagten zu 2. zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Berufung der Beklagten zu 3. hat sie keinen Antrag gestellt.

Die Beklagten zu 2. und 3. beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie - hinsichtlich des Beklagten zu 2.- die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagten zu 2. und 3. bestreiten ihre Einstandspflicht. Die Haftung des verstorbenen Ehemannes der Beklagten zu 3. scheitere bereits daran, dass er als beamteter Chefarzt tätig geworden sei. Solange eine erfolgversprechende anderweitige Ersatzmöglichkeit ernsthaft in Betracht komme, sei die gegen ihn bzw. seine Ehefrau als Erbin gerichtete Amtshaftungsklage unschlüssig. Im Übrigen sind sie der Auffassung, dass ihnen kein Behandlungsfehler zur Last gelegt werden könne. Auch um 10.25 Uhr sei keine absolute Indikation zur Sectio gegeben gewesen. Eine perinatale Asphyxie sei als Ursache für den eingetretenen Hirnschaden nur sehr unwahrscheinlich, wie die von ihnen beantragte MRT-Untersuchung ergeben werde. Vielmehr sei eine anlagebedingte Lungenentfaltungsstörung aufgrund der Frühgeburt als typische Ursache für den Hirnschaden anzusehen. Es lägen auch keine Dokumentationsversäumnisse vor. Außerdem handele es sich auch nicht um einen groben Behandlungsfehler, denn als Beurteilungsmaßstab sei der Standard eines Kreiskrankenhauses aus dem Jahre 1980 zugrunde zu legen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze nebst aller Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 19.07.2002 gemäß § 358 a ZPO Beweis erhoben durch Einholung zweier schriftlicher Sachverständigengutachten. Auf den Inhalt der schriftlichen Gutachten des Gynäkologen Prof. Dr. Sn. vom 20.10.2003 sowie des pädiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Sch. vom 03.02.2003 wird Bezug genommen. Außerdem hat der Senat gemäß § 141 ZPO die Mutter der Klägerin sowie die Beklagten zu 4. und 5. persönlich gehört und in deren Anwesenheit die beiden Sachverständigen nochmals ergänzend befragt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt des gerichtlichen Protokolls vom 21.07.2004 Bezug genommen. Die Originalbehandlungsunterlagen des Kreiskrankenhauses P. einschließlich der beiden Original-CTG-Streifen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin und der Beklagten zu 3. haben Erfolg, die Berufung des Beklagten zu 2. ist hingegen unbegründet.

Soweit das Landgericht die gegen die Beklagten zu 1. sowie 4. und 5. gerichtete Zahlungsklage abgewiesen hat, ist das Urteil rechtskräftig, weil die Klägerin insoweit ihre Berufungen zurückgenommen hat.

I.

Auf die Berufung der Beklagten zu 3. war das landgerichtliche Urteil teilweise zu ändern und die Klage insoweit durch Teilversäumnisurteil (§§ 330, 333 ZPO) abzuweisen. Die Klägerin hat zu dem entsprechenden Antrag der Beklagten zu 3. im Termin vom 21.07.2004 nicht verhandelt. Dem Antrag war deshalb durch Teilversäumnisurteil stattzugeben. Im Übrigen wäre die Klage gegen die Beklagte zu 3. wegen des Haftungsprivilegs aus § 839 Abs. 1 S. 2 BGB auch unbegründet. Die Beklagte zu 3. hat den Rechtsstreit für ihren am 10.03.1996 verstorbenen Ehemann aufgenommen und dessen Ernennungsurkunde vom 28.08.1974 zum beamteten Leitenden Kreismedizinaldirektor (Bl. 800 d. A.) eingereicht. Solange eine erfolgversprechende anderweitige Ersatzmöglichkeit ernsthaft in Betracht kommt, ist die Amtshaftungsklage unschlüssig.

II.

Die Berufung des Beklagten zu 2. hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat den Beklagten zu 2. zutreffend gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1 S. 1, 847 Abs. 1 i. V. mit 30, 31, 89 Abs. 1 BGB zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes verurteilt und die Haftung für gegenwärtige und künftige materielle sowie weitere, heute noch nicht vorhersehbare immaterielle Schäden festgestellt. Hinsichtlich der materiellen Schäden ergibt sich die Haftung zudem aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung des Arztbehandlungsvertrages i. V. mit § 278 BGB. Bei der Behandlung von Minderjährigen ist im Zweifel anzunehmen, dass der Vertrag als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) mit den gesetzlichen Vertretern des minderjährigen Patienten zustande kommt (Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. § 40 Rn. 25 m. w. N). Der Senat schließt sich den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils an, soweit sich aus der nachfolgenden Darstellung keine Abweichungen in der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung des Geschehens während und nach der Geburt der Klägerin am 17.08.1980 ergeben.

Die Parteien streiten im 2. Rechtszug weiterhin sowohl über die Frage, ob ein gynäkologischer Behandlungsfehler im Geburtsmanagement vorlag als auch darüber, ob dieser Behandlungsfehler für den eingetretenen schweren Hirnschaden - aus pädiatrischer Sicht - ursächlich geworden ist. Die Beurteilung dieser Fragen erfolgt auf der Grundlage der vom Landgericht und vom Senat eingeholten gynäkologischen und pädiatrischen Gutachten. Der gynäkologische Sachverständige Prof. Dr. Sn. ist der geschäftsführende Direktor der Frauenklinik der Medizinischen Hochschule H. und verfügt über eine langjährige klinische Erfahrung in der Geburtshilfe. Er hat sein schriftliches Gutachten erst nach sorgfältigem Studium der Akte und aller vorliegenden medizinischen Befunde erstellt. Der pädiatrische Sachverständige Prof. Dr. Sch. hat bereits seit vielen Jahren immer wieder neonatologische Gutachten für den Senat erstellt. Er ist forensisch erfahren und von seiner besonderen Sachkunde sind auch die in diesem Rechtsstreit erstatteten Gutachten geprägt. Beide Sachverständige treffen - wie sich bei ihrer Anhörung im Termin am 21.07.2004 bestätigt hat - ihre Aussagen erst nach sorgfältiger Befunderhebung und nach gewissenhafter Abwägung aller Umstände. Ihre Ausführungen sind deshalb eine nachvollziehbare und zuverlässige Grundlage für die Überzeugungsbildung des Senats (§ 286 ZPO).

1. Behandlungsfehler

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sind dem Beklagten zu 2. über die vorgenannten Zurechnungsnormen mehrere Verstöße gegen die Regeln der ärztlichen Kunst vorzuwerfen:

a) Das Unterlassen eines Tastbefundes zur Bestimmung der Kindslage vor Anlegen des Wehentropfs war behandlungsfehlerhaft. Weder die Tastuntersuchung noch die Anlegung des Wehentropfs sind im Partogramm dokumentiert. Die Beklagte zu 4. (für die der Beklagte zu 2. haftet) konnte sich im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Senatstermin auch nicht mehr daran erinnern, einen entsprechenden Tastbefund erhoben zu haben. Ein solcher Tastbefund wäre aber unerlässlich gewesen, um die Lage des Kindes im Becken zu bestimmen. Es sei - so der Sachverständige Prof. Dr. Sn. - gerade bei Frühgeburten durchaus möglich und nicht auszuschließen, dass sich das Kind bei stehender Fruchtblase auch unter der Geburt noch in Längsrichtung dreht (S. 11 und 12 des schriftlichen Gutachtens). Offensichtlich hat sich hier auch der Fetus zwischen der Eingangsuntersuchung (ausweislich des Gedächtnisprotokolls der Mutter war bei der Aufnahme in der Gynäkologischen Ambulanz eine Schädellage diagnostiziert worden, Bl. 28 d. A.) und Blasensprengung (10.25 Uhr) aus der Schädellage in eine Beckenendlage (Fußlage) gedreht. Eine solche Drehung hielt auch der erstinstanzlich tätig gewordene Sachverständige Prof. Dr. S. (Gutachten vom 01.08.1995, Bl. 403 GA) bei ausreichendem Fruchtwasser für denkbar.

b) Die Sprengung der Fruchtblase nach unklarem Tastbefund und unter Berücksichtigung des besonderen Umstandes einer Frühgeburt (29. SSW) bereits um 10.25 Uhr war ebenfalls behandlungsfehlerhaft. Die Anhörung der Beklagten zu 4. im Termin am 21.07.2004 ergab, dass sie sich zwar noch an die Durchführung einer Tastuntersuchung vor der Blasensprengung erinnern konnte. Die Kindslage im Becken sei jedoch nach dem Ergebnis der Untersuchung nicht klar gewesen. Das vorangehende Teil (VT) sei nicht zu tasten gewesen. Trotzdem habe sie von dem Chefarzt um 10.25 Uhr die Anweisung erhalten, die Fruchtblase zu sprengen. Der Sachverständige Prof. Dr. Sn. hat dazu erklärt, dass die Tastuntersuchung der Beklagten zu 4. vor der Blasensprengung nicht ausreichend war. Die Lage des Kindes im Becken hätte durch eine vaginale und ggf. auch äußere Betastung des Unterbauchs vor der Blasensprengung sicher festgestellt werden müssen. Grundsätzlich soll nämlich - so der Sachverständige - bei einem Frühchen die Fruchtblase so lange wie möglich stehen bleiben, um eine schonende Geburt zu ermöglichen. Es sei aus den Behandlungsunterlagen auch nicht ersichtlich, dass bereits um 10.25 Uhr ein Geburtsstillstand vorgelegen habe. Selbst unter der Voraussetzung, dass der Wehentropf bei vollständig geöffnetem Muttermund bereits um 09.25 Uhr angelegt worden sei, sei für den Geburtsfortschritt neben der Öffnung des Muttermundes insbesondere auch der Höhenstand des Kindes im Becken (d. h. der Bezug des vorangehenden Teils zum Becken) maßgebend. Letzterer Umstand ist in den Behandlungsunterlagen nicht erfasst.

c) Die Nichtreaktion der behandelnden Ärzte auf das hochpathologische CTG stellt einen weiteren Behandlungsfehler dar.

Eine lückenlose CTG-Kontrolle während der Geburt war auch bereits im Jahre 1980 an einem Kreiskrankenhaus Standard (so der Sachverständige Prof. Dr. Sn. auf S. 13 seines schriftlichen Gutachtens).

Insoweit liegen bereits Dokumentationsversäumnisse der Beklagten zu 2. vor. In den Behandlungsunterlagen finden sich nur zwei CTG-Streifen, die mangels Angabe der jeweiligen Einsatzzeitpunkte zeitlich nicht zugeordnet werden können. Der erste Streifen (Nr. 123 - 127) enthält eine Aufzeichnung von ca. 35 Minuten und der zweite Streifen (Nr. 131 - 141) eine Aufzeichnung von ca. 105 Minuten. Die Beklagte zu 5. meinte sich zwar im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Termin vom 21.07.2004 noch daran zu erinnern, bereits unmittelbar nach der Aufnahme von Frau W. im Nebenraum des Kreißsaals das CTG angelegt zu haben, das dann "bis zur Geburt gelaufen sei", diese Aussage stimmt jedoch mit den vorliegenden CTG-Aufzeichnungen nicht überein. Erforderlich - so der Sachverständige Prof. Dr. Sn. - wäre eine Aufzeichnung von 09.00 Uhr bis 12.00 Uhr (d. h. 3 Stunden) gewesen, hier liegt aber nur eine Aufzeichnung von maximal insgesamt 2 Stunden 20 Minuten vor. Wenn die gebotene ärztliche Dokumentation lückenhaft ist und dadurch die Aufklärung des Behandlungsgeschehens für den Patienten unzumutbar erschwert wird, so kommen Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast in Betracht (Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht, 2. Aufl. Rn. 125). Zugunsten der Klägerin ist mithin - mangels anderer Anhaltspunkte - davon auszugehen, dass es sich bei dem zweiten, längeren CTG-Streifen um die Aufzeichnungen handelt, die unmittelbar nach dem Anlegen des CTG's bei Aufnahme in der Gynäkologischen Ambulanz gefertigt worden sind.

Die CTG-Auswertung dieses zweiten Streifens zeigt während einer Phase von ca. 30 Minuten - nach der Beurteilung durch den Sachverständigen Prof. Dr. Sn. - ein hochpathologisches Muster. Der CTG-Streifen wurde im Termin vom 21.07.2004 allseits in Augenschein genommen und der Sachverständige Prof. Dr. Sn. hat nachvollziehbar erklärt, dass während des 105minütigen Verlaufs der CTG-Aufzeichnung eine längere Phase von einer guten halben Stunde vorhanden ist, in der auf jede Wehe das Kind mit einer deutlichen Dezeleration reagiert hat. Diese Phase war - ausweislich der CTG-Aufzeichnung - erst ca. 15 Minuten vor dem Abbruch des CTG-Protokolls beendet.

Eine Bewertung der CTG-Aufzeichnungen unter der Geburt mittels eines Scores ist entgegen dem Standpunkt des Privatgutachters der Beklagtenseite Dr. Weisner nicht aussagekräftig. Es handelt sich hier um die Sondersituation einer Frühgeburt, für die es - so der Sachverständige Prof. Dr. Sn. - keine standardisierten Scores gibt.

Über den Zustand des Kindes nach der hypoxischen Phase (insbesondere die Sauerstoffversorgung) konnte der Sachverständige keine Angaben machen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Sn. ist der Senat jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin aufgrund des hochpathologischen CTG-Musters auf jeden Fall eine hypoxische Phase durchgemacht hat und - dadurch bedingt - das Absinken des pH-Wertes zumindest sehr wahrscheinlich war. Eine Mikroblutuntersuchung ist weder während noch unmittelbar nach der Geburt durchgeführt worden.

Aufgrund der vorgenannten Dokumentationsversäumnisse bei der CTG-Aufzeichnung ist ferner davon auszugehen, dass die ca. 30 Minuten andauernde hypoxische Phase bereits um ca. 10.30 Uhr (d. h. 90 Minuten nach Beginn der CTG-Aufzeichnung, wenn man davon ausgeht, dass diese bereits gegen 09.00 Uhr bei Aufnahme der Klägerin im Kreißsaal begonnen hat) beendet war. Auf dieses hochpathologische CTG hätten die behandelnden Ärzte aber entweder durch eine rasche vaginale Entbindung oder aber eine sofortige Sectio reagieren müssen. Tatsächlich ist der Entschluss zur Sectio jedoch erst - ausweislich des Partogramms wegen Verdachts auf eine tiefsitzende Plazenta - gegen 11.30 Uhr und damit viel zu spät gefasst worden.

d) Weitere Behandlungsfehler sind nicht bewiesen. Allein das Anlegen des Wehentropfs (um 09.25 Uhr) war - so der Sachverständige Prof. Sn. - für sich genommen noch nicht behandlungsfehlerhaft. Auch die dokumentierte sog. EE-Zeit (= Zeit zwischen Entschluss zur Sectio und Entbindung) sei - gemessen an dem Standard aus dem Jahre 1980 - noch nicht als Behandlungsfehler zu werten. Eine pränatale Lungenreifebehandlung (Steroidbehandlung wegen Surfactantmangel) gehörte im Jahre 1980 ebenfalls noch nicht zum ärztlichen Standard, außerdem hätte eine solche Therapie mindestens 8 Stunden vor der Abnabelung durchgeführt werden müssen, um die Effektivität zu gewährleisten.

2. Kausalität

Es liegen grobe Behandlungsfehler vor, sodass hier zugunsten der Klägerin die Umkehr der Beweislast gilt. Die vorgenannten Fehler zu Ziff. 1. b) + c) stellen jeweils und erst recht in der Zusammenschau aller Fehler (Ziff. 1 a - c) grobe Behandlungsfehler dar. Es kann nicht ausgeschlossen werden (bzw. ist es nicht gänzlich unwahrscheinlich), dass der festgestellte schwere Gesundheitsschaden (= ventilversorgter posttraumatischer Hydrocephalus; schwere infantile Cerebralparese; allgemeiner Entwicklungsrückstand mit ausbleibender Sprachentwicklung; schwere Sehbehinderung) zumindest auch dadurch mitverursacht worden ist. Für den Kausalitätsnachweis reicht es aus, dass der grobe Behandlungsfehler generell geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wenn nicht ausnahmsweise jeglicher haftungsbegründender Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist (vgl. BGH Urteil vom 27.04.2004, GesR 2004, 290 - 293).

a) Ein grober Behandlungsfehler stellt auf ein ärztliches Fehlverhalten ab, das aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil ein solcher Fehler dem Arzt aus dieser Sicht schlechterdings nichts passieren darf (Frahm, a. a. O., Rdnr. 113 m. Hinweis auf BGH VersR 1985, 46 ff). Das ärztliche Verhalten verstieß hier eindeutig gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen.

Der Sachverständige Prof. Dr. Sn. hat - auch unter Zugrundelegung des Standards eines Kreiskrankenhauses im Jahre 1980 - im Termin vom 21.07.2004 ausdrücklich erklärt, dass dieser Standard hier "deutlich unterschritten ist". Bereits allein der Umstand der Sprengung der Fruchtblase bei einem Frühchen und unklarem Tastbefund gegen 10.25 Uhr war grob fehlerhaft (s.o. Ziff. 1 b). Da aufgrund der Dokumentationsversäumnisse zugunsten der Klägerin zusätzlich davon auszugehen ist, dass etwa zum gleichen Zeitpunkt (10.30 Uhr) ein hochpathologisches reaktionspflichtiges CTG-Muster vorlag, ist die Entscheidung der behandelnden Ärzte, noch ca. 1 Stunde bis 11.30 Uhr mit dem Entschluss zur Sectio abzuwarten, schlechthin unverständlich. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die behandelnden Ärzte die Entscheidung zur Durchführung einer Sectio noch bis 11.30 Uhr hinausgezögert und damit eine geburtsbedingte Sauerstoffunterversorgung der Frühgeborenen riskiert haben. Der Senat - beraten durch den Senat - schließt sich deshalb der Auffassung des Landgerichts an, dass auch insoweit ein grober Behandlungsfehler vorliegt.

b) Eine länger andauernde Sauerstoffunterversorgung während der Geburt ist generell geeignet, einen Hirnschaden - wie vorliegend - zu verursachen. Neben dem zeitweilig hochpathologischen CTG gibt es genügend weitere Indizien für eine intrapartale Sauerstoffversorgungsstörung unter der Geburt, wie z. B. die insuffiziente Spontanatmung unmittelbar nach der Geburt (Intubation war notwendig), der blau ashyktische Zustand gemäß Geburtsprotokoll, der niedrige APGAR-Wert (1 Minuten APGAR: 6) sowie die beginnende intracerebrale periventrikuläre Blutung am 2. Lebenstag (wie im Pflegeprotokoll des Kinderkrankenhauses Altona am 18.08.1980 dokumentiert). Gerade letzterer Umstand ("periventrikuläre Leukomalazie mit akuter und schwerer Keimlagerblutung) sei sogar "eminent typisch" für eine geburtsassoziierte Sauerstoffversorgungsstörung des unreifen Gehirns (so der Sachverständige Sch. in seinem schriftlichen Gutachten vom 01.06.2004, Bl. 1023).

Die verzögerte Geburtseinleitung und die darauf beruhende zeitweise Sauerstoffunterversorgung ist neben der schicksalshaftbedingten Frühgeburt als mögliche Ursache für den eingetretenen Hirnschaden anzusehen. Die Mitursächlichkeit des Behandlungsfehlers genügt, um dem Schädiger den gesamten Schaden zuzurechnen, wenn nicht feststeht, dass sie nur zu einem abgrenzbaren Teil des Schadens geführt hat (Frahm/Nixdorf, a. a. O., Rdnr. 120). Die mögliche Mitursächlichkeit einer länger andauernden perinatalen Sauerstoffversorgungsstörung für den eingetretenen Hirnschaden wird von keinem der an dem Verfahren beteiligten gerichtlichen Sachverständigen bestritten. Nur der auf Beklagtenseite tätige Privatgutachter Dr. Weisner geht davon aus, dass der bei der Klägerin vorliegende Hirnschaden keine intrapartale Ursache wegen Mängeln im Geburtsmanagement haben kann, weil keine Symptome für eine intrapartal verursachte Asphyxie vorlägen (so der Gutachter PD Dr. Weisner am 19.04.2001, Bl. 776). In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Privatgutachter Dr. Weisner als Gynäkologe - im Gegensatz zu dem pädiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. Sch. - kein Fachmann für die Beurteilung der Kausalitätsfrage ist. Außerdem hat der Sachverständige Prof. Dr. Sch. darauf hingewiesen, dass die Richtlinien des "American College of Obstetricians and Gynecologists von 1992" (ACOG) mit dem entsprechenden Kriterienkatalog für einen geburtsbedingten Gehirnschaden auf Frühgeborene keine direkte Anwendung finden. Die sog. ACOG-Kriterien (APGAR-Wert zwischen 0 und 3; Nabelschnur pH-Wert unter 7,0; pathologisches Geburts-CTG unter der Geburt; Multiorganversagen; innerhalb von 24 Stunden neurologische Krämpfe) beruhen auf Studien an reifen Neugeborenen, so unreife Frühchen wie die Klägerin sind in diesen Studien - so der Sachverständige Prof. Dr. Sch. - nur mit einem sehr kleinen Prozentsatz enthalten. Gerade bei Frühgeborenen sind die kleinen Gefäße der germinalen Matrix sowie die Keimlager besonders leicht vulnerabel, so dass eine nur geringe Durchblutungsstörung (entweder Über- oder Unterversorgung) ausreicht, um hier Schädigungen zu verursachen.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. kann sogar die schicksalshaft bedingte Frühgeburt als wesentliche Hauptursache des Hirnschadens anzusehen sein, daneben gibt es aber auch noch zusätzliche, denkbare prä-, peri- und postnatale Ursachen für den eingetretenen Hirnschaden - wie hier die intrapartale Sauerstoffversorgungsstörung -, ohne deren Vorhandensein die hier vorliegende besondere Schwere des Hirnschadens schlicht nicht vorstellbar sei.

Die verschiedenen Ursachen sind nicht voneinander abgrenzbar. Der Sachverständige Prof. Dr. Sch. hält es sogar für gut möglich, dass auch Frühchen wie die Klägerin im Jahre 1980 bei optimaler Geburtshilfe und Nachbetreuung ohne einen Schaden überlebt hätten, wie er ausdrücklich im Termin vor dem Senat erklärt hat. Die Unreife des Kindes stellt, so der Sachverständige Prof. Sch. , sicher eine wesentliche Ursache für die Hirnschädigung dar, vergleichbar einem breiten Strom, in den zusätzliche Ströme (Mitursachen) wie z.B. der Sauerstoffmangel unter der Geburt einmünden. Die besondere Schwere des Hirnschadens lasse sich ohne die zusätzlichen adversiven Ursachen nicht erklären.

Soweit die Beklagten mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 25.8.2004 unter Berufung auf eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. Stephani (vom 23.8.2004) nunmehr behaupten, mithilfe einer MRT-Untersuchung lasse sich ggf. "ein quantifizierbarer Anteil an der Gesamtschädigung feststellen", gibt es dafür keine Anhaltspunkte. Der Sachverständige Sch. hat unter Berufung auf den Radiologen Dr. Grzyska (Bl.1020 GA) darauf hingewiesen, dass auch mithilfe einer Kernspintomographie die Blutabbauprodukte nach 25 Jahren nicht mehr nachgewiesen werden können. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass mithilfe einer MRT-Untersuchung ein abgrenzbares Schadensbild nicht zu erlangen ist. Dem Beweisantrag der Beklagtenseite auf Einholung eines MRT-Gutachtens war daher unter dem Gesichtspunkt der Abgrenzbarkeit nicht nachzugehen.

c) Bei einem groben Behandlungsfehler ist eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlerseite nur ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist (BGHZ 129, 6, 12; 138, 1, 8; Urteil vom 27.04.2004, VI ZR 34/03, S. 11 m. w. N.). Der Sachverständige Prof. Dr. Sch. hält es nicht für ausgeschlossen und nicht nur für eine bloß entfernte Möglichkeit, dass auch die zeitweilige Sauerstoffversorgungsstörung der Klägerin unter der Geburt mitursächlich für den festgestellten Hirnschaden gewesen ist. Neben der Frühgeburtlichkeit sind zwar andere prä- und postnatale Ursachen denkbar, diese sind aber - zusammen oder für sich allein genommen - nicht geeignet, den schweren Hirnschaden der Klägerin herbeizuführen:

aa) Pränatale Hirnfehlbildungen

Der Privatgutachter Prof. Dr. Stephani hat hinsichtlich der Untersuchungen vom 06.10.1981, 01.02.1984 und 26.03.1996 auf mögliche EEG-Anomalien hingewiesen. Der Sachverständige Prof. Dr. Sch. ist nach Auswertung aller vorhandenen CT-Aufnahmen zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Residualsyndrom, d. h. ein Restschadenssyndrom und keine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung vorliegt (schriftliches Gutachten vom 09.04.1996, Bl. 451). Die vorhandenen CT's ergeben keine Hinweise auf eine pränatale Anlagestörung bzw. Missbildung des Hirns (so auch das neuroradiologische Ergänzungsgutachten Prof. Dr. Zeumer vom 08.06.2004, Bl. 1053 GA).

bb) Angeborene genetische Erkrankungen

Nach entsprechenden Blutuntersuchungen geht der Sachverständige Prof. Dr. Sch. mit einer extrem hohen Wahrscheinlichkeit, vielleicht sogar mit Sicherheit, davon aus, dass bei der Klägerin eine genetisch bedingte, also angeborene Erkrankung i. S. einer Gerinnungsstörung oder eine neurometabolische/neurodegenerative Erkrankung nicht vorliegt. Die Klägerin hatte keine angeborene Gerinnungsstörung. Humorale Gerinnungsstörungen mit niedrigen Quickwerten sind bei so unreifen Frühgeborenen fast regelmäßig anzutreffen (so der Sachverständige Prof. Dr. Sch. in seinem schriftlichen Gutachten vom 01.06.2004, Bl. 1034 GA).

Es gibt auch keine Anhaltspunkte für anderweitige anlagebedingte genetische Erkrankungen wie z. B. das sog. Operculum-Syndrom. Bei der Klägerin gab es in den letzten 23 Jahren - mit zwei Ausnahmen im Zusammenhang mit Fehlfunktionen der Shuntableitung- nach den Angaben der Mutter - keine epileptischen Anfälle, wie sie als charakteristisches Leitsymptom aller cortikaler Dysplasien vorkommen. Der Radiologe Prof. Dr. Zeumer hat zudem bestätigt, dass es - ausweislich der vorliegenden CT-Aufnahmen - keine Hinweise auf speziell cortikale Dysplasien gibt.

Eine theoretisch noch mögliche MRT-Untersuchung ergibt - so der Sachverständige Prof. Dr. Sch. - nach Rücksprache mit dem radiologischen Oberarzt Dr. Grzyska, Facharzt für diagnostische Radiologie am Zentrum Radiologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf - keinen wesentlichen zusätzlichen Informationsvorteil, weil auch mit Hilfe einer MRT-Untersuchung die Blutabbauprodukte nach 25 Jahren nicht mehr nachgewiesen werden können. Es lässt sich zwar grundsätzlich nicht völlig ausschließen, dass neben dem posthämoragischen Hydrocephalus noch irgendwo im Hirn eine anlagebedingte Fehlbildung vorhanden ist, dies ist aber rein spekulativ und ohne konkrete Anknüpfungstatsachen. Selbst wenn eine solche anlagebedingte Fehlbildung festgestellt werden würde, ließe sich - so der Sachverständige Prof. Dr. Sch. - das Krankheitsbild der Klägerin allein dadurch nicht erklären. Eine wenn auch theoretisch noch mögliche MRT-Untersuchung würde mithin einen unzulässigen und überflüssigen Ausforschungsbeweis darstellen. Diesem Beweisantrag der Beklagtenseite hatte der Senat daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht mehr nachzugehen.

cc) Infektionen:

Eine Infektion konnte bei der Klägerin nicht nachgewiesen werden. Der Sachverständige Prof. Dr. Sch. hält eine Infektion als Ursache der periventrikulären Leukomalazie mit Einblutung eher für eine nur entfernte Möglichkeit. Für eine bakterielle Infektion i. S. eines Ammoniuminfektsyndroms fehlt jeder Anhaltspunkt. Alle Kulturen und sogar die Oberflächenabstriche blieben in den ersten Lebenstagen ohne Keimwachstum.

dd) Lungenentfaltungsstörung wegen Surfactantmangel:

Der Sachverständige Prof. Dr. Sch. bezeichnet die Lungenentfaltungsstörung geradezu als beispielhaften Grund für die häufigen hypoxischen Hirnschäden bei Frühgeborenen. Andererseits könne die Lungenentfaltungsstörung aber neben der Unreife auch durch eine intrapartal verursachte Hypoxie verursacht oder jedenfalls verstärkt worden sein. Indizien dafür seien die im Kinderkrankenhaus Altona festgestellte Keimlagerblutung unmittelbar nach der Geburt, die festgestellte Blutanämie am zweiten Lebenstag sowie die Temperaturregulationsstörung vom 19.08.1980. Der Sachverständige Prof. Dr. Sch. hat keine vernünftigen Zweifel daran, dass die Keimlagerblutung in die liquorführenden Hohlräume des Gehirns (sog. Ventrikel) bereits am zweiten Tag nach der Geburt begonnen hat (vgl. schriftliches Gutachten vom 03.02.2003, Bl. 860 GA). Es ist nach alledem auch möglich, dass die Lungenentfaltungsstörung selbst durch die intrapartale Hypoxie mitverursacht oder jedenfalls verstärkt worden ist.

Die Beklagten haben im Ergebnis mithin nicht bewiesen, dass es ausgeschlossen bzw. äußerst unwahrscheinlich ist, dass die behandlungsfehlerhaft bedingte intrapartale Hypoxie aufgrund der verspätet eingeleiteten Sectio den bei der Klägerin vorliegenden schweren Hirnschaden verursacht hat.

III.

Soweit die Parteien die Höhe des vom Landgericht zuerkannten Schmerzensgeldes beanstanden ist nur die Berufung der Klägerin begründet.

Der Senat hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 350.000,00 DM (= 178.952,00 €) für angemessen aber auch ausreichend:

Für die Höhe des Schmerzensgeldes bilden in erster Linie Größe, Heftigkeit und die Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentliche Grundlage bei der Bemessung der billigen Entschädigung (Ausgleichsfunktion). Hierbei sind Dauerschäden, psychische Beeinträchtigungen, soziale Belastungen sowie das Alter des Verletzten zu berücksichtigen. Die Klägerin ist von Geburt an schwerstbehindert und wird das auch ihr Leben lang bleiben. Wegen der Einzelheiten ihrer außergewöhnlich schweren Behinderung, die eine bleibende Unterbringung in einem Heim für körperlich und geistig Behinderte erfordert, wird auf die Ausführungen im Tatbestand verwiesen. Die Klägerin muss gefüttert werden, sie kann nicht verbal kommunizieren und sie ist auf eine Rundumbetreuung Tag und Nacht angewiesen. Sie muss ferner gewickelt werden und ist nicht in der Lage, sich von einer Seite auf die andere zu drehen. Seit dem Alter von einem Jahr muss eine Shuntableitung des Hydrocephalus erfolgen. Trotz des schwersten Hirnschadens ist bei der Klägerin aber kein vollständiger Verlust der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit eingetreten. Die Klägerin ist in der Lage, deutlich Kontakt zur Mutter aufzunehmen, sie reagiert eindeutig auf Ansprache und kann dabei lachen oder auch bitterlich weinen. Die Klägerin ist im Kinderheim - nach Angaben der Mutter gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch. - persönliche Bindungen eingegangen und hat sich im Jahr 2002 sogar in einen Zivildienstleistenden verliebt, indem sie deutlich zu erkennen gab, dass sie seine Beachtung wünscht.

Nach den Angaben der Mutter steht eine Skolioseoperation unmittelbar bevor. Die Klägerin ist seit ihrem 12. Lebensjahr in einem Heim für körperlich und geistig behinderte Menschen untergebracht, sie wird dort in einer Kleingruppe à 8 Bewohner rund um die Uhr betreut.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes kommt neben der vorrangigen Ausgleichsfunktion aber auch dessen Genugtuungsfunktion, die zwar grundsätzlich im Bereich ärztlichen Handelns zurücktritt, hier zum Tragen, weil auch grobe Mängel in der Dokumentation und grobe Behandlungsfehler im Geburtsmanagement die Haftung begründen.

Nach alledem erachtet der Senat in Fortführung seiner Rechtsprechung zu derartigen Geburtsschadensfällen (vgl. VersR 1994, 310; SchlHA 1999, 259 und OLGR 1999, 263) für das Schmerzensgeld unter Berücksichtigung der Gesamtumstände den zuerkannten Kapitalbetrag als gerechtfertigt und angemessen, aber auch als ausreichend.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.

IV.

Hinsichtlich des materiellen und weitergehenden immateriellen Schadens sind für den Feststellungsausspruch die Voraussetzungen gemäß § 256 Abs. 1 ZPO gegeben. Da die gesundheitliche Entwicklung der Klägerin noch nicht absehbar und insbesondere derzeit noch nicht sicher abschätzbar ist, inwieweit insbesondere die Epilepsie zu einer erheblichen zusätzlichen Minderung der Lebensqualität führen wird, ist der Feststellungsanspruch sowohl hinsichtlich entstandener und künftig entstehender materieller als auch weiterer immaterieller Schäden begründet.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 06.08.2004 und der Beklagten vom 25.8.2004 geben dem Senat keine Veranlassung, die Wiedereröffnung der Verhandlung gem. § 156 ZPO anzuordnen.

Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 100 ZPO. Die Kostenentscheidung für die zweite Instanz folgt aus §§ 92, 97 Abs. 1, 100 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 2 (hinsichtlich des Teilversäumnisurteils) und §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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