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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 16.11.2000
Aktenzeichen: 5 U 36/98
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 68
ZPO § 74 I
BGB § 164
Wurde die Klage der Hauptpartei abgewiesen, weil sie eine behauptete Tatsache nicht beweisen konnte ("non liquet"), dann muß sie sich im späteren Prozeß gegen die Streitverkündete die Unbeweisbarkeit der Tatsache entgegenhalten lassen, wenn insoweit die Streitverkündete den Beweis zu führen hat.

SchlHOLG, 5. ZS, Urteil vom 16. November 2000, - 5 U 36/98 -


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 36/98 15 O 90/97 LG Kiel

Verkündet am: 16. November 2000

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

der L

Beklagte und Berufungsklägerin,

- Prozeßbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen in Schleswig -

gegen

den P

Klägers und Berufungsbeklagten,

- Prozeßbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke in Schleswig -

hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. Januar 1998 verkündete Teilurteil und das am 25. Februar 1998 verkündete Schlußurteil der Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Kiel wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte die ausgeurteilten Beträge an die R zu zahlen hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 26.193,00 DM.

Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Die Berufung ist zulässig aber nicht begründet.

Soweit die Beklagte eingewandt hat, das Landgericht habe in unzulässiger Weise durch Teil- und Schlußurteil entschieden, führt dies nicht zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und Zurückverweisung. Es kann offenbleiben, ob nach der Prozeßlage bei Erlaß des Teilurteils die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bestanden hat. Die Beklagte hat sowohl gegen das Teil- als auch gegen das Schlußurteil Berufung eingelegt und beide Urteile sind nach förmlicher Verbindung der Verfahren nunmehr einheitlich vom Senat zu überprüfen, so daß sich die ehemals bestandene Gefahr widersprüchlicher Teilentscheidungen nicht mehr verwirklichen kann. Bei einer solchen Entwicklung der Prozeßlage muß das Teilurteil nicht wegen Verstoßes gegen § 301 ZPO aufgehoben werden. Wenn ein Teilurteil wegen der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen unzulässig ist, hat das dagegen angerufene Rechtsmittelgericht lediglich dafür zu sorgen, daß es zu einer einheitlichen Entscheidung kommt (BGH WM 1991, 1887 ff.). Diese ist hier durch die Verbindung der Berufungsverfahren gewährleistet.

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte für verpflichtet gehalten, an die Gemeinschuldnerin einen Betrag von 26.193,00 DM zu zahlen. Ein solcher Anspruch folgt aus §§ 631, 632 BGB.

Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Werkvertrag zustande gekommen, aufgrund dessen die Beklagte der Gemeinschuldnerin zur Zahlung des üblichen Werklohns verpflichtet ist. Die Gemeinschuldnerin ist durch den damaligen Mitarbeiter K der Beklagten beauftragt worden, in dem von der Beklagten als Generalunternehmerin betriebenen Bauvorhaben in Hamburg der Bauherrin M Putzarbeiten an den Trennwänden im Dachgeschoß auszuführen. Die Erklärungen ihres Mitarbeiters K muß sich die Beklagte über die §§ 164 ff. BGB als eigene zurechnen lassen.

Soweit die Beklagte bestreitet, daß der Mitarbeiter K bei Auftragserteilung an die Gemeinschuldnerin in ihrem - der Beklagten - Namen gehandelt hat, steht dem bereits die Interventionswirkung des rechtskräftigen Urteils des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 14. Januar 1997 im Rechtsstreit der Gemeinschuldnerin gegen Frau M (-8 U 85/96-) entgegen. Die in diesem Verfahren von der Gemeinschuldnerin an die Beklagte ausgebrachte Streitverkündung war gemäß § 72 ZPO zulässig, da die Gemeinschuldnerin für den Fall des ungünstigen Prozeßausgangs gegen die Bauherrin M einen Anspruch auf Schadloshaltung gegen die jetzige Beklagte erheben konnte. Zu den Ansprüchen auf Schadloshaltung gehören nicht nur Rückgriffsansprüche, sondern auch Ansprüche gegen Dritte, die anstelle des Beklagten im Vorprozeß alternativ als Schuldner in Betracht kommen (BGH NJW 1982, 281, 282 m.w.N.).

Infolge der Interventionswirkung der §§ 68, 74 Abs. 1 ZPO kann die Beklagte mit ihrer Behauptung nicht durchdringen, der Auftrag sei durch den Zeugen K nicht in ihrem, sondern vielmehr im Namen der Bauherrin M an die Gemeinschuldnerin erteilt worden.

Die Interventionswirkung besteht darin, daß der Streitverkündete im Prozeß gegen ihn nicht mit der Behauptung gehört werden kann, der Vorprozeß sei unrichtig entschieden worden. Die Interventionswirkung bezieht sich dabei nicht nur auf den Inhalt der Entscheidung, also das festgestellte Rechtsverhältnis oder die ausgesprochene Rechtsfolge, sondern zusätzlich auf alle tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Entscheidung im ersten Prozeß (BGH NJW 1955,625; BHG NJW 1983, 820, 821).

Soweit der Kläger meint, im Vorprozeß sei festgestellt worden, die Bauherrin M sei nicht Auftraggeberin der Gemeinschuldnerin gewesen und hieraus folge zugleich, daß Auftraggeberin der Klägerin die Beklagte gewesen sein müsse, ist dem zwar nicht zu folgen. In Interventionswirkung erwachsen lediglich alle die Entscheidung tragenden Feststellungen, die das erste Gericht tatsächlich getroffen hat. Zu der Frage, ob die Beklagte der Gemeinschuldnerin den Putzauftrag erteilt hat, hat das Hanseatische Oberlandesgericht ausweislich seiner Entscheidungsgründe keinerlei Feststellungen getroffen. Es hat lediglich ausgeführt, daß nach der Beweisaufnahme nicht bewiesen sei, daß durch das Handeln des Zeugen K Vertragsbeziehungen zwischen der Gemeinschuldnerin und der Bauherrin M begründet worden seien. Eine positive Aussage über Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits hat das Hanseatische Oberlandesgericht jedoch nicht getroffen und es entspricht einhelliger Auffassung (vgl. nur BGH NJW 1983, 820, 821 m. w. N.), daß in Interventionswirkungen nur wirkliche Feststellungen erwachsen können. Der von dem Kläger gezogene logische Umkehrschluß ist danach nicht möglich.

Stehen danach Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien aufgrund der Interventionswirkung nicht fest, so ist doch zumindest das Handeln des Zeugen K im Namen der Beklagten und somit ein Teilbereich des § 164 BGB im Vorprozeß bindend festgestellt worden.

Das Hanseatische Oberlandesgericht hat auch insoweit keine positiven Feststellungen getroffen. Es hat jedoch in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß eine Auftragserteilung durch den Zeugen K im Namen der Bauherrin M nicht bewiesen sei. Diese Nichtbeweisbarkeit ist zum Nachteil der Beklagten in Bindungswirkung erwachsen, da es im vorliegenden Prozeß nicht Sache der Klägerin ist, ein Handeln des Zeugen K im Namen der Beklagten zu beweisen, sondern vielmehr die Beklagte ein Handeln von K im Namen der Bauherrin zu beweisen hat.

Zwar ist nicht zu verkennen, daß grundsätzlich derjenige alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 164 BGB dartun und beweisen muß, der sich auf eine wirksame Stellvertretung beruft (vgl. nur Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Auflage, § 164 Rn. 18 mw.N. ). Dies folgt für das vorauszusetzende Handeln im fremden Namen bereits aus § 164 Abs.2 BGB. Der Kläger hätte danach grundsätzlich zu beweisen, daß der Zeuge K für die Beklagte den Putzauftrag erteilt hat. Zwischen den Parteien ist aber gar nicht im Streit, daß der Zeuge K bei Auftragserteilung im fremden Namen gehandelt hat. Ein Vertretergeschäft durch den Zeugen K ist unstreitig, die Parteien streiten allein darüber, ob er im Namen der Beklagten oder im Namen der Bauherrin M aufgetreten ist. Letzteres hat nach Auffassung des Senats die Beklagte zu beweisen. Bei ihr war der Zeuge K im Zeitpunkt der Auftragserteilung beschäftigt und durch sie war er als Polier mit bauleitenden Aufgaben an einem Bauvorhaben eingesetzt, deren Generalunternehmerin die Beklagte war. Wenn der Zeuge K in dieser Eigenschaft Aufträge am Bauvorhaben an Subunternehmer erteilt, spricht - entsprechend der Rechtsprechung zu unternehmensbezogenen Geschäften - zunächst eine tatsächliche Vermutung dafür, daß er diesen Auftrag auch für sein Unternehmen, die Beklagte, vergibt. Nur wenn er nach außen deutlich gemacht hätte, nicht für die Beklagte, sondern einen Dritten handeln zu wollen, wären seine Erklärungen ihr nicht über die Regeln der Stellvertretung zuzurechnen. Diese Ausnahme zu beweisen ist Sache der Beklagten und nicht Sache des Klägers.

Danach steht das Handeln des Zeugen K im Namen der Beklagten bereits aufgrund der Interventionswirkung des Vorprozesses fest. Es entspricht nämlich einhelliger Auffassung, daß ein "non liquet" im Ausgangsprozeß den Streitverkündeten im Folgeprozeß dann belastet, wenn er in diesem insoweit beweispflichtig ist (BGH NJW 1983, 821, 822 m.w.N.). Das verbindliche Entscheidungselement ist die Nichtbeweisbarkeit der entsprechenden Tatsache. Die Beklagte kann daher mit ihrer Behauptung nicht mehr gehört werden, der Auftrag durch den Zeugen K sei tatsächlich im Namen der Bauherrin an die Gemeinschuldnerin erteilt worden. Die Nichtbeweisbarkeit dieser Tatsache steht aufgrund des Vorprozesses fest. Auszugehen ist danach von einem Handeln des Zeugen K im Namen der Beklagten. Einer Auseinandersetzung mit den von der Beklagten aufgezeigten, nach ihrer Auffassung gegen ein Handeln des Zeugen K in ihrem Namen sprechenden Umstände bedurfte es danach nicht.

Die volle Darlegungs- und Beweislast trifft den Kläger dagegen für eine Bevollmächtigung des Zeugen K durch die Beklagte. Bindende Feststellungen sind insoweit im Vorprozeß nicht getroffen worden. Eine solche Bevollmächtigung ergibt sich jedoch - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - zumindest aus den Grundsätzen der Duldungsvollmacht. Danach ist eine Vollmacht gegeben, wenn es der Vertretene wissentlich geschehen läßt, daß ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt und der Geschäftsgegner dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, daß der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 173 Rn. 11 m.w.N.). Der Zeuge K war der Vertreter der Beklagten vor Ort. Er war der Ansprechpartner für die am Bauvorhaben arbeitenden Subunternehmer und die Beklagte hat auf Seite 5 ihres Schriftsatzes vom 05. Mai 1997 auch eingeräumt - alles andere wäre auch lebensfremd - daß der Zeuge K in ihrem Namen auch gelegentlich Aufträge an andere Unternehmer erteilt hat. Die Gemeinschuldnerin durfte danach zu Recht darauf vertrauen, der Zeuge K sei durch die Beklagte zur Erteilung des in Rede stehenden Putzauftrages bevollmächtigt.

Da zwischen den Vertragsparteien eine Vergütungsabrede für die Putzarbeiten nicht getroffen worden ist, schuldet die Beklagte die übliche Vergütung, § 632 Abs. 2 BGB. Die vom Landgericht hierzu getroffenen Feststellungen hat die Beklagte mit der Berufung nicht angegriffen.

Der Werklohnanspruch ist auch fällig. Es kann offen bleiben, ob die Werkleistung bereits von der Beklagten abgenommen ist oder zumindest die Voraussetzungen einer schlüssigen Abnahme vorliegen. Auch bei fehlender Abnahme kann der Werkunternehmer unmittelbar auf Zahlung des Werklohnes klagen, hat lediglich darzutun und ggf. zu bewiesen, daß der Werkbesteller nach § 640 Abs. 1 BGB zur Abnahme verpflichtet wäre. Das ist hier der Fall. Der Kläger hat ausgeführt, die Putzarbeiten seien durch die Gemeinschuldnerin mangelfrei gefertigt worden. Es wäre danach Sache der Beklagten gewesen, dieses substantiiert zu bestreiten und Mängel vorzutragen, die auch heute noch einer Abnahme der Werkleistung und somit einer Fälligkeit der Vergütung nach § 641 Abs. 1 BGB entgegenstehen. Dies hat die Beklagte nicht getan und dies gereicht ihr, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, zum Nachteil.

Die Nebenforderung ist aus §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB begründet. Die Beklagte befand sich seit dem 27. Januar 1994 im Verzug, da sie zu diesem Zeitpunkt die Zahlung ernsthaft und endgültig verweigert hat. Sie hat der Gemeinschuldnerin den Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist, daß sie wegen der ausbleibenden Zahlung den Saldo des von ihr bei der in Jevenstedt unterhaltenen Kontokorrentkredits nicht zurückführen konnte. Die Höhe des ihr entstandenen Zinsschadens hat die Gemeinschuldnerin durch die Vorlage von Zinsbescheinigungen der kreditgebenden Bank hinreichend belegt. Soweit die Beklagte rügt, diese seien unplausibel und widersprüchlich, da in ihr unterschiedliche Zinssätze für identische Zeiträume und unterschiedliche Summen ausgewiesen seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dieser Umstand ist ohne weiteres dadurch zu erklären und dies hat der Zeuge H in seiner erstinstanzlichen Vernehmung letztlich auch bestätigt, daß die Gemeinschuldnerin in Höhe der aus der Bescheinigung hervorgehenden Beträge in den genannten Zeiträumen die im Kontokorrentkreditvertrag vereinbarte Kredithöhe überschritten und für diese geduldete Überziehung ein höheres Überziehungsentgelt an ihre Hausbank zu entrichten hatte.

Die Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708 Nr. 11, 713, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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