Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 20.12.2001
Aktenzeichen: 5 U 46/01
Rechtsgebiete: MarkenG, BGB


Vorschriften:

MarkenG § 14
MarkenG § 24
BGB § 339
Wird das Muster eines Arzneimittels zu Prüfzwecken an ein Unternehmen versandt, dessen Markenrechte möglicherweise tangiert sein können, so ist der Tatbestand des "Inverkehrbringens" noch nicht erfüllt.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 46/01

Verkündet am: 20. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen II des Landgerichts Kiel vom 1. Februar 2001 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 10.000,01 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine zum A-Konzern gehörende deutsche Tochtergesellschaft, begehrt von der Beklagten, einem mit dem Parallelimport von Arzneimitteln befaßten Unternehmen, Zahlung einer Vertragsstrafe.

Mit Schreiben vom 22. September 1999 übersandte die Beklagte der Klägerin Packungsmuster von "P Dosieraerosol Turbohaler 50 mg und 75 mg" unter der Bitte, diese Muster nach Überprüfung zurückzusenden. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 29. Oktober 1999 beanstandete die Klägerin - die von ihrer Muttergesellschaft im Rahmen der erteilten markenrechtlichen Lizenz berechtigt ist, gegen Markenverletzungen vorzugehen - u. a., daß die bei den Musterpackungen beigelegte Gebrauchsinformation völlig überholt sei und außerdem "das Etikett auf dem Turbohaler ohne jeden erläuternden Zusatz lediglich Namen und Anschrift Ihres Unternehmens" trage, "ohne daß hieraus ersichtlich wird, welche Funktion Ihr Unternehmen beim Parallelvertrieb wahrnimmt. Im gleichen Schreiben wurde daher die Beklagte zur Abgabe einer Verpflichtungserklärung mit folgendem Wortlaut aufgefordert:

"1.

E Arzneimittel GmbH verpflichtet sich hiermit gegenüber A GmbH, es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe von DM 50.000,00 zu unterlassen,

a)

P Turbohaler mit der Gebrauchsinformation "07/99" zu vertreiben

und/oder

b)

P Turbohaler mit einer Gebrauchsinformation zu vertreiben, die keinen Stand der Gebrauchsinformation wiedergibt,

und/oder

c)

P Turbohaler mit einem Etikett auf dem Turbohaler zu vertreiben, das lediglich Namen und Anschrift Ihres Unternehmens wiedergibt. ..."

Mit Schreiben vom 4. November 1999 erklärten die Anwälte der Beklagten,

"Ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage, gleichwohl verbindlich, verpflichten sich unsere Mandantinnen gegenüber der A GmbH, es zu unterlassen, die Ihnen genannten Arzneimittel mit der Ihnen vorliegenden Fassung der Gebrauchsinformation in Verkehr zu bringen und/oder mit Behältnissen in der Gestalt in den Verkehr zu bringen, wie sie Ihnen ebenfalls vorliegen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,01 DM versprochen".

Diese Erklärung nahm die Klägerin durch Anwaltsschriftsatz vom 4. November 1999 an.

Mit Einschreiben vom 4. November 1999 übermittelte die Beklagte überarbeitete Muster des P Turbohaler 50 mg und 75 mg. In dem Schreiben heißt es u.a. "Wir beabsichtigen, das Arzneimittel P Turbohaler feilzuhalten. Ein Muster jeder Packungsgröße fügen wir für Sie bei und bitten darum, dies nach ihrer Überprüfung unaufgefordert zurückzusenden." Die auf den Turbohalern angebrachten Etiketten gaben unverändert den Namen und die Anschrift der Beklagten wieder, ohne besonderen Hinweis darauf, welche Funktion die Beklagte im Parallelimport wahrnimmt und ohne Angabe, daß und von wem die Ware umverpackt wird. Allerdings unterschieden sich die Etiketten von den bisher eingesandten Mustern dadurch, daß nunmehr auch die ursprünglich auf den Etiketten enthaltenen Angaben der Herstellerunternehmen, sämtlich ausländische Tochtergesellschaften des A-Konzerns, überklebt worden waren.

Die Klägerin hat im wesentlichen geltend gemacht, daß bei der Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung maßgeblich die zugrunde liegende Abmahnung zu berücksichtigen gewesen sei und von daher die Beklagte durch die Übersendung von Mustern, auf denen ihre Funktion beim Parallelvertrieb nicht herausgestellt worden sei, gegen den Kern der Unterlassungsverpflichtung verstoßen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.000,01 DM nebst 5 % jährlicher Zinsen hierauf seit dem 6. November 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, daß die Abmahnung der Klägerin nicht hinreichend genau gewesen sei, da die Klägerin nicht in Erörterungen über Inhalt und Verständnis der von ihr ausgebrachten Beanstandungen einzutreten pflege und sie daher auf den Inhalt vorangegangener Auseinandersetzungen habe abstellen müssen, in denen es um die Verschiebung der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeiten gegangen sei. Daher habe sie geglaubt, daß auch bei "P" die Konfektionierung unter diesem Gesichtspunkt beanstandet werde und diese Beanstandung auf die gleiche Art und Weise wie seinerzeit abgestellt werden könne, nämlich durch Überkleben des Hinweises auf den Originalhersteller.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und einen Verstoß der Beklagten gegen die Unterlassungsverpflichtung angenommen. Durch das Überkleben habe die Beklagte ihre Funktion als Parallelimporteur nicht verdeutlicht, sondern sie sogar noch unklarer gemacht. Daß es der Klägerin aber gerade hierauf angekommen sei, habe die Beklagte deren Beanstandungsschreiben vom 29. Oktober 1999 entnehmen müssen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO auf das angefochtene Urteil nebst den darin enthaltenen Bezugnahmen verwiesen.

Gegen dieses ihr am 1. März 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. März 2001 beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht Berufung eingelegt, mit welcher sie im wesentlichen folgendes geltend macht:

Zum Zeitpunkt des von der Klägerin beanstandeten Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung habe der Vertragsstrafenanspruch der Klägerin noch nicht bestanden, da die Klägerin die ihr am 4. November 1999 übermittelte abgeänderte Unterlassungsverpflichtungserklärung ebenfalls erst mit Schreiben vom 4. November 1999, zugegangen am 5. November 1999, angenommen habe. Auch habe deren Inhalt sich allein auf die Aufmachung der Verpackung und Behältnisse bezogen, die seinerzeit der Klägerin vorgelegen hätten. Weiterhin habe sie mit dem Zusenden eines Musters an die Klägerin noch nicht die beanstandeten Packungen in den Verkehr bringen wollen. Jedenfalls aber habe sie vor dem Hintergrund vorangegangener Verfahren ohne Verschulden gehandelt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Bezahlung der vereinbarten Vertragsstrafe nicht verlangen, weil sie diese durch Übermittlung der dem Einschreiben vom 4. November 1999 beigefügten überarbeiteten Muster des P Turbohaler 50 mg und 75 mg noch nicht im Sinne des § 339 BGB verwirkt hat.

Zwar spricht nach Auffassung des Senats viel dafür, daß - wie es auch das Landgericht im Ergebnis angenommen hat - zwischen den Parteien durch Schriftwechsel vom 29. Oktober 1999 und 4. November 1999 eine mit einem Vertragsstrafeversprechen kombinierte vertragliche Unterlassungsverpflichtung zustande gekommen ist und die Verbreitung der mit Einschreiben vom 4. November 1999 übermittelten überarbeiteten Muster ihrer Gestaltung nach grundsätzlich geeignet war, zu dieser Unterlassungsverpflichtung im Widerspruch zu stehen. Selbst wenn nämlich das Schreiben der Beklagten vom 4. November 1999 - welches im Verhältnis zum klägerischen Schreiben vom 29. Oktober 1999 als modifizierte Annahme im Sinne des § 150 Abs. 2 BGB zu verstehen ist - einer erneuten Annahme durch die Klägerin bedurft haben sollte und auf deren Zugang nicht gemäß § 151 BGB verzichtet werden konnte, mußte die Beklagte sich an die von ihr ebenfalls am 4. November 1999 abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung auch bei einer Überschneidung des Annahmeschreibens vom 4. November 1999 mit der Übersendung der Muster am gleichen Tage gebunden fühlen. Denn grundsätzlich dürften den Anbietenden vorwirkende Treuepflichten schon dann treffen, wenn er sich lediglich im Sinne des § 145 BGB an das abgegebene Angebot gebunden hat (vgl. auch Münchener Kommentar -Kramer, 3. Aufl., Rn. 19 zu § 145 BGB). Außerdem dürften die mit Schreiben vom 4. November 1999 nunmehr übersandten Muster nicht der Intention des klägerischen Schreibens vom 29. Oktober 1999 entsprochen haben, auf welches die Unterlassungsverpflichtungserklärung Bezug nahm. Denn ersichtlich ging es der Klägerin gerade auch darum, den Vertrieb von seitens der Beklagten parallelimportierten Arzneimitteln mit einem Etikett zu verhindern, welches "lediglich Namen und Anschrift Ihres Unternehmens wiedergibt, ohne daß hieraus ersichtlich wird, welche Funktion Ihr Unternehmen beim Parallelvertrieb wahrnimmt". Insoweit zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, daß die übersandte Aufmachung des Beklagten nicht nur das klägerische Begehren nach Herausstellung der Rolle des Beklagten beim Parallelimport nicht erfüllte, sondern durch das schlichte Überkleben des ausländischen Herstellers sogar noch zur weiteren Unklarheit beitrug.

Letztlich aber waren die angesprochenen Fragestellungen nicht abschließend zu entscheiden, weil die Übersendung der fraglichen Muster mit Schreiben vom 4. November 1999 an die Klägerin durch die Beklagte bereits noch nicht geeignet war, einen Verstoß gegen die vereinbarte Unterlassungsverpflichtung darzustellen. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vereinbarung und der Interessenlage der Parteien, ohne daß dem markenrechtliche Erwägungen entgegen ständen. Im Übersendungsschreiben vom 5. November 1999 heißt es nämlich: "Wir beabsichtigten, das Arzneimittel P Turbohaler feilzuhalten. Ein Muster jeder Packungsgröße fügen wir für Sie bei und bitten darum, dies nach Ihrer Überprüfung unaufgefordert zurückzusenden." Demgegenüber hatte die Beklagte sich in ihrer Unterlassungsverpflichtungserklärung verpflichtet, "es zu unterlassen, die Ihnen genannten Arzneimittel mit der Ihnen vorliegenden Fassung der Gebrauchsinformation in Verkehr zu bringen und/oder mit Behältnissen in dergestalt in den Verkehr zu bringen, wie sie Ihnen ebenfalls vorliegen". Sowohl dieser Wortlaut als auch die - für die Klägerin erkennbare - Interessenlage der Beklagten lassen die Annahme eines Verstoßes bereits durch eine Übersendung zu bloßen Prüfungszwecken als ausgesprochen fernliegend erscheinen, soll doch diese Überprüfung gerade dazu dienen, aus Sicht des Vertreibers künftige Unannehmlichkeiten zu vermeiden. Dies gilt im zu beurteilenden Sachverhalt im besonderen, weil die Parteien schon mehrfach Diskussionen über die markenrechtlich einwandfreie Gestaltung von Verpackungen, Etiketten und Gebrauchsinformationen geführt hatten und die Linie zwischen zulässigen und unzulässigen Ausgestaltungen nicht immer zweifelsfrei zu ziehen ist. Auch durfte die Klägerin davon ausgehen, durch eine rechtzeitige Beanstandung einen Vertrieb noch verhindern zu können, weil die Beklagte mit dem erwähnten Schreiben nicht einen gleichzeitig schon begonnenen Vertrieb der importierten Arzneimittel mitgeteilt, sondern lediglich die Absicht eines derartigen Vertriebs kundgetan hatte.

Abweichendes folgt auch nicht aus einem spezifischen Bedeutungsgehalt des "Inverkehrbringens" im markenrechtlichen Kontext. Zunächst wird der Begriff des "Inverkehrbringens" auch im Markenrecht je nach Verwendungszusammenhang mit sehr unterschiedlicher Zielrichtung verwendet, so etwa im Sinne einer markenrechtsverletzenden Benutzungshandlung (§ 14 MarkenG) einerseits und im Sinne einer den Markenschutz erschöpfenden Benutzungshandlung des Markeninhabers (§ 24 MarkenG) andererseits (näher Fezer, Markenrecht 2. Aufl., Rn. 7 d zu § 24 MarkenG). Entscheidend ist jedoch, daß das "Inverkehrbringen" in beiden Fällen sowohl ein Hinaustreten der markierten Ware aus dem internen Unternehmensbereich als auch ein Hineintreten in die Möglichkeit des Warenabsatzes, also "auf den Markt", erfordert (vgl. hierzu Fezer a. a. O. sowie Rn. 471 zu § 14 MarkenG). An einer derartigen Geeignetheit und Bestimmung fehlt es jedoch bei der Versendung der fraglichen Muster an die Klägerin allein "zur Überprüfung" ersichtlich.

Konnte bereits aus diesem Grunde das stattgebende landgerichtliche Urteil nicht aufrechterhalten werden, kann auch weiter offenbleiben, inwieweit die Beklagte bei Annahme eines Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung überhaupt im Sinne der §§ 339, 286, 285 BGB schuldhaft gehandelt hätte.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück