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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 26.07.2001
Aktenzeichen: 5 U 80/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a
Der § 19 a ZPO betrifft bezieht sich ausschließlich auf Passivprozesse des Insolvenzverwalters.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

5 U 80/00

Verkündet am: 26. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoepner, den Richter am Oberlandesgericht Fechner und den Richter am Amtsgericht Schleuß für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Lübeck vom 20. April 2000 - 8 O 40/00 - wird aufgehoben.

Auf Antrag des Klägers wird das Landgericht Lübeck für unzuständig erklärt und der Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Hamburg verwiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer beträgt 200.000,00 DM.

Tatbestand:

Der Kläger mit Sitz in Lübeck ist in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma M GmbH mit Sitz in A vom zuständigen Amtsgericht Eutin zum Insolvenzverwalter bestellt worden. In dieser Eigenschaft nimmt er den Beklagten, alleiniger Gesellschafter der Gemeinschuldnerin, auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch, nachdem er unter dem 12. November 1999 einen in Hamburg geschlossenen Verzichtsvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten angefochten hat. Die Parteien streiten zunächst ausschließlich um die örtliche Zuständigkeit gemäß § 19 a ZPO. Der Kläger, der in größerem Umfange als Insolvenzverwalter tätig ist, möchte über dieses Verfahren eine grundsätzliche Klärung der Zuständigkeit bewirken.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 200.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17. Dezember 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Hinweis auf seinen allgemeinen Gerichtsstand in Hamburg hat der Beklagte die Zuständigkeit des Landgerichts Lübeck gerügt.

Das Landgericht Lübeck ist diesem Einwand gefolgt und hat auf die Rüge die Klage durch Prozeßurteil abgewiesen. Das Landgericht sei örtlich nicht zuständig. Ein besonderer Gerichtsstand werde auch nicht gemäß § 19 a ZPO begründet. Denn dieser Gerichtsstand gelte nur für Passivprozesse gegen den Insolvenzverwalter.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger rechtzeitig Berufung eingelegt und nachfolgend form- und fristgerecht begründet.

Der Kläger hält an seiner in der ersten Instanz vertretenen Auffassung fest. Unter ergänzender Bezugnahme auf seine Ausführungen in DZWIR 2000, 195, vertritt der Kläger weiterhin die Auffassung, daß sich die Zuständigkeit des Landgerichts aus § 19 a ZPO ergebe.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 200.000,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17. Dezember 1999 zu zahlen,

hilfsweise

den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht Hamburg zu verweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den darin enthaltenen Bezugnahmen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Auf den Hilfsantrag des Klägers war der Rechtsstreit nach § 281 Abs. 1 ZPO an das zuständige Landgericht Hamburg (§§ 12, 13 ZPO) zu verweisen.

Ein Verweisungsantrag nach § 281 ZPO kann auch in der Berufungsinstanz gestellt werden (vgl. BGHZ 10, 155, 163; BGH NJW-RR 1988, 1405). Die an sich durch Beschluß zulässige Verweisung erfolgt in diesem Fall durch Urteil unter gleichzeitiger Aufhebung des Urteils der Vorinstanz (vgl. BGH NJW-RR 1988, 1405).

Die Voraussetzungen einer Verweisung nach § 281 ZPO liegen vor.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht Lübeck die Klage abgewiesen. Das Landgericht Lübeck ist örtlich unzuständig. Die örtliche Zuständigkeit könnte sich hier nur aus § 19 a ZPO ergeben. Entgegen der Auffassung des Klägers erfaßt § 19 a ZPO aber nur Klagen, die sich gegen die Insolvenzmasse richten.

Soweit ersichtlich, gibt es über die angefochtene Entscheidung hinaus keine Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit des § 19 a ZPO auch auf Aktivprozesse des Insolvenzverwalters. In der Kommentarliteratur wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, daß § 19 a ZPO nur den Gerichtsstand für massebezogene Passivprozesse regele (Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 19 a Rz. 1; Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., § 19 a Rz. 2; Musielak, ZPO, 2. Aufl., § 19 a Rz. 4). Die Gegenauffassung (Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 19 a, Rz. 3) bejaht die Anwendbarkeit des § 19 a ZPO auch auf Klagen des Insolvenzverwalters. Der Wortlaut sei weit gefaßt ("bezieht sich"). Der Kläger hat in seinem o. g. Aufsatz zudem darauf hingewiesen, daß die ursprünglich eingeschränkte Anwendung des § 31 a des Regierungsentwurfs zur Änderung der ZPO ("für Klagen gegen den Insolvenzverwalter") letztendlich zugunsten der Formulierung "sich auf die Insolvenzmasse beziehen" fallengelassen worden sei.

Der Senat folgt der erstgenannten Auffassung. Der Wortlaut des § 19 a ZPO ist zwar nicht eindeutig, spricht aber eher für eine nur Passivprozesse des Insolvenzverwalters betreffende Regelung. Unter dem "Allgemeinen Gerichtsstand" einer Person wird derjenige verstanden, der für alle Klagen gegen diese Person gilt (vgl. Thomas/Putzo a. a. O., Vorbem. § 12 Rz. 2; Zöller-Vollkommer a. a. O., § 12 Rz. 6 ). Auch § 19 a ZPO regelt den "Allgemeinen Gerichtsstand" eines Insolvenzverwalters.

Auch die systematische Einbindung des § 19a in die Regelungen der §§ 12 bis 21 ZPO spricht für die Anwendbarkeit nur auf Passivprozesse. § 12 ZPO enthält die eigentliche Zuständigkeitsregelung. Danach ist das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, für alle gegen ihn zu erhebenden Klagen zuständig. Die nachfolgenden §§ 13 bis 19 a - sie alle sind mit "Allgemeiner Gerichtsstand" überschrieben - enthalten jeweils Regelungen zu der Frage, wo die jeweiligen Personen ihren Allgemeinen Gerichtsstand haben. Daß § 19 a ZPO nur für Passivprozesse von Bedeutung ist, folgt damit aus dem systematisch vorangestellten § 12 ZPO, den § 19 a ZPO gerade nicht abändert.

Letzte Zweifel nimmt die Auslegung unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte der Norm:

Im Regierungsentwurf wurde als § 31 a ZPO folgende Regelung vorgeschlagen:

"Für Klagen gegen den Insolvenzverwalter, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Insolvenzgericht seinen Sitz hat."

In der Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 12/3803, S. 67) heißt es, durch die Einfügung des § 31 a in die Zivilprozeßordnung werde die nach geltendem Recht strittige Frage geklärt, ob Passivprozesse gegen die Insolvenzmasse am (Wohn-) Sitz des Schuldners oder des Verwalters oder aber am Ort der Insolvenzverwaltung zu führen sind. In der weiteren Begründung wird ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 1983 (BGHZ 88, 331) hingewiesen, wonach bei Klagen, die materiell gegen die Konkursmasse gerichtet sind, sich der Gerichtsstand nach dem Wohnsitz des Konkursverwalters bestimme. In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es weiter, diese Entscheidung habe Kritik deswegen erfahren, weil sie dazu führe, daß bei Passivprozessen gegen die sog. hauptberuflichen Insolvenzverwalter, die häufig über die Landesgrenzen hinaus tätig sind, Gerichte befaßt werden, die weit ab vom eigentlichen Ort des Geschehens sind. Wegen des engen Sachzusammenhanges empfehle es sich aber, das Prozeßgericht als örtlich zuständig zu bestimmen, in dessen Bezirk das Insolvenzgericht gelegen ist (vgl. Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, Drucksache 12/3803, S. 67).

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme (BT-Drucksache 12/3808, S. 121) vorgeschlagen, den § 31 a (Entwurf) um den Satz "§ 13 findet keine Anwendung" zu ergänzen (§ 13 ZPO: Der allgemeine Gerichtstand einer Person wird durch den Wohnsitz bestimmt.). Der Bundesrat nimmt in der Begründung Bezug auf das Ziel des Regierungsentwurfes, nur durch eine solche Ergänzung könne ausgeschlossen werden, daß über § 13 ZPO auch weiterhin gegen die Insolvenzmasse gerichtete Prozesse am Wohnsitz des Insolvenzverwalters geführt werden.

In der Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drucksache 12/3808, S. 132 ff.) heißt es hierzu, die Bundesregierung halte das vom Bundesrat verfolgte Anliegen, den allgemeinen Gerichtsstand am Wohnsitz des Insolvenzverwalters für Klagen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, auszuschließen, im Kern für berechtigt. Die Zivilprozeßordnung kenne allerdings keinen besonderen Gerichtsstand, der - anders als die ausschließlichen - andere besondere Gerichtsstände zur Wahl bestehen läßt und nur den allgemeinen Gerichtsstand ausschließt. Weiter heißt es in der Gegenäußerung:

"Soll für Klagen, die sich formell gegen den Insolvenzverwalter richten, materiell aber auf die Insolvenzmasse beziehen, ein Gerichtsstand begründet werden, der den Allgemeinen Gerichtsstand des Insolvenzverwalters ausschließt, die besonderen Gerichtsstände aber bestehen läßt, so ist dieser - neue - Gerichtsstand als allgemeiner Gerichtsstand zu fassen. Entsprechend ist auch der Standort der neuen Regelung zu ändern.

Die Bundesregierung schlägt vor, dem Anliegen des Bundesrates durch folgende Neufassung von Art. 18 Nr. 1 des Entwurfs Rechnung zu tragen:

"Nach § 19 wird folgender § 19 a eingefügt:

§ 19 a

Der allgemeine Gerichtsstand eines Insolvenzverwalters für Klagen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, wird durch den Sitz des Insolvenzgerichts bestimmt."

Der Rechtsausschuß (vgl. BT-Drucksache 12/7303, S. 4 ff.) hat eine entsprechende Fassung des § 19 a vorgeschlagen und damit ausdrücklich den Vorschlag aus der Gegenäußerung der Bundesregierung aufgegriffen. Dieser Vorschlag - so heißt es weiter - trage dem Anliegen des Bundesrats Rechnung, den allgemeinen Gerichtsstand am Wohnsitz des Insolvenzverwalters für Klagen auszuschließen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen.

Dementsprechend ist § 19 a ZPO gefaßt worden.

Die Entstehungsgeschichte des § 19 a ZPO zeigt damit eindeutig, daß es bei den Formulierungsänderungen zu keinem Zeitpunkt darum ging, anders als von vornherein vorgesehen auch eine Regelung für Aktivprozesse des Insolvenzverwalters zu treffen. Der bloße Hinweis des Klägers darauf, daß die ursprünglich vorgesehene Formulierung "für Klagen gegen den Insolvenzverwalter" letztendlich fallengelassen worden sei, würdigt die Entstehungsgeschichte der Norm daher nur unzureichend.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 2, 281 Abs. 3 ZPO (vgl. dazu Zöller-Greger, a.a.O., § 281, Rdz. 9). Ohne den hilfsweise gestellten Verweisungsantrag wäre die Berufung zurückzuweisen gewesen.

Ende der Entscheidung

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