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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 16.07.1999
Aktenzeichen: 6 U 28/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 97
ZPO § 108 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 28/99 14 O 133/98 LG Kiel

Verkündet am 16 Juli 1999

G, Justizangestellte Justizsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juli 1999 durch sowie die Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30. Dezember 1998 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel (14 O 133/98) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Klägerin wird auf 50.000,-- DM festgesetzt.

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

I. Der Beklagte betrieb als selbständiger Handelsvertreter eine Hauptvertretung der Klägerin. Das Vertragsverhältnis wurde durch Aufhebungsvereinbarung im gegenseitigen Einvernehmen mit Wirkung zum 31. Dezember 1996 aufgehoben. Seither ist der Beklagte als Versicherungsmakler tätig. In dieser Eigenschaft hat er sich (auch) an Versicherungsnehmer der Klägerin gewandt und mit diesen den bestehenden Versicherungsschutz erörtert. Bei entsprechendem Interesse der Versicherungsnehmer ließ der Beklagte sich sodann Vollmachtsurkunden unterzeichnen, die ihn - nach jeweiliger Weisung der Auftraggeber - zur Kündigung bestehender sowie zum Abschluß neuer Versicherungsverträge ermächtigten. Er informierte die von ihm beratenen Kunden über bestehende Kündigungsmöglichkeiten und ließ sich von ihnen formularmäßig vorbereitete Kündigungserklärungen unterschreiben.

Die Klägerin hält diese Kündigungshilfe für wettbewerbswidrig. Sie verlangt deshalb Unterlassung und - im Wege der Stufenklage - zur Vorbereitung einer Schadensersatzklage Auskunft über den Umfang des Verstoßes gegen das begehrte Unterlassungsgebot.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe nebst aller darin enthaltenen Verweisungen Bezug genommen wird, die Klage insgesamt auch hinsichtlich der angekündigten weiteren Antrag der Stufenklage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Antragsprogramm weiterverfolgt. Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die in dieser Instanz gewechselte Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Im übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht darauf abgestellt, daß wegen der besonderen Stellung des Versicherungsmaklers in Bezug auf seine Kunden hier die Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft über die unzulässige Kündigungshilfe (Ziff. 56 a - abgedruckt in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 20. Aufl., Anh. XII zu § 3 UWG -) weder direkt noch entsprechend Anwendung finden können.

Versicherungsvermittler sind diejenigen, die kraft rechtsgeschäftlicher Geschäftsbesorgungsmacht für einen anderen Versicherungsschutz ganz oder teilweise beschaffen, ausgestalten und abwickeln, ohne selbst Versicherungsnehmer oder Glied eines Versicherers zu sein.

Der BGH hat die Pflichten des Versicherungsmaklers wie folgt beschrieben:

"Er wird regelmäßig vorn Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlußvertreter angesehen. Er hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz auch kurzfristig zu besorgen. Deshalb ist er anders als sonst der Handels- oder Zivilmakler dem ihm durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbundenen Versicherungsnehmer gegenüber üblicherweise sogar zur Tätigkeit, meist zum Abschluß des gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet. Dem entspricht, daß der Versicherungsmakler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den Versicherungsnehmer als seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen, das aufgegebene Risiko zu plazieren, unterrichten muß. Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden. Das gilt trotz der in vielen Ländern gleichförmig bestehenden Übung des Versicherungsvertragsrechts, wonach die Provision der Versicherungsmakler vom Versicherer getragen wird....." (BGHZ 94, 356, 359 m. w. N.; Zopfs, VersR 1986, 747; Benkel/Reusch VersR, 1992, 302, 1304).

Diesem vom BGH entwickelten Rechts- und Pflichtenkreis des selbständigen Versicherungsmaklers entspricht der Maklervertrag, den der Beklagte mit seinen Kunden zu schließen pflegt (vgl. Bl. 30).

Anders als der an eine oder mehrere Versicherungen gebundene Versicherungsvertreter ist der Versicherungsmakler mithin Sachwalter allein der Interessen seines Auftraggebers. Er ist dessen individueller Berater. Der Versicherungsmakler ist in seiner Verantwortlichkeit und Haftung dem Auftraggeber gegenüber in einer ähnlichen Stellung zu sehen wie der Steuerberater oder der besondere Vermögensberater gegenüber seinen Mandanten (vgl. Zopff, a. a. O.). Wenn man Stellung und Funktion des Versicherungsmaklers aber so sieht - und sehen muß -, darf er auch in weitgehendem Umfang seinen Mandanten Kündigungshilfe leisten. Er ist eben nur seinem Auftraggeber zu Diensten, nicht aber Angestellter oder Vertreter einer der auf dem Markt konkurrierenden Versicherungen. Wenn er seinem Auftraggeber eine günstigere - als die bestehende - Versicherung vermitteln kann, so ist er nach dem abgeschlossenen Maklervertrag nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, seinem Auftraggeber den Weg zu der günstigen Versicherung zu ebnen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb sich der Versicherungsmakler nicht insoweit auch eines Formulars bedienen darf, das er sich vom Auftraggeber unterzeichnen läßt. Der Versicherungsmakler könnte ja auch selbst ein Formular nehmen und namens des Auftraggebers - wenn eine entsprechende Weisung vorliegt - den Versicherungsvertrag kündigen. Wenn er Sachwalter seines Auftraggebers ist, darf er diesem auch die "lästige" Aufgabe abnehmen, Kündigungen eines Versicherungsverhältnisses selbst zu entwerfen und abzusenden. Insoweit ist die Situation eines Versicherungsvertreters, der im Lager einer der auf dem Markt konkurrierenden Versicherungen steht, gänzlich anders zu beurteilen.

Die Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft, die in Ziffer 56 a die Verwendung von vorgedruckten Kündigungserklärungen verbieten (vgl. Baumbach/Hefermehl, a. a. O.) gelten ausdrücklich nicht für Versicherungsmakler. Die geschilderte besondere Rechtsstellung des Versicherungsmaklers (zu seinem Auftraggeber) rechtfertigt für den vorliegenden Fall auch eine analoge Anwendung nicht. Soweit Baumbach/Hefermehl (a. a. O. § 1 UWG Rnr. 603) ohne nähere Begründung und Eingrenzung auf bestimmte Fallkonstellationen davon ausgehen, daß das in den Wettbewerbsrichtlinien der Versicherungswirtschaft geregelte Verbandsrecht auch auf Makler anzuwenden sei, kann dies mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht gelten. Das für ihre Auffassung herangezogene Zitat (Handbuch des Wettbewerbsrechts/Jacobs, § 47 Rnr. 12) gibt für die konkreten Verhältnisse der Versicherungswirtschaft nichts her. Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte München (WRP 1994, 54 ff.) und Nürnberg (NJW-RR 1991, 233 f.) beschäftigen sich zwar mit der Versicherungswirtschaft, nicht aber mit den oben aufgezeigten Besonderheiten gerade der Versicherungsmakler.

Nach alledem ist es dem Beklagten als Versicherungsmakler nicht verwehrt, seinen Auftraggebern - seien sie nun Kunden der Klägerin oder nicht - im Rahmen des mit ihnen geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages auch Kündigungshilfe mittels vorgefertigter Formulare zu leisten.

Wenn der Beklagte - wie mit Schriftsatz der Klägerin vom 2. Juli 1999 (Bl. 117) erstmals vorgetragen - bei ehemaligen Kunden der Klägerin unangemeldet erschienen wäre und sich als "Ihr Betreuer" vorgestellt hätte, könnte dies wettbewerbswidrig sein. Indes ist dies nicht Streitgegenstand des Prozesses. Streitgegenstand ist allein, daß dem Beklagten verboten werden soll, sich an Kunden der Klägerin mit einem vorgefertigten Kündigungsformular zu wenden. Auch für die mit dem genannten Schriftsatz erwähnte angebliche andere "Masche" des Beklagten, nämlich den von ihm angesprochenen Kunden deren komplette Originalunterlagen der vorzulegen, gilt, daß dies nicht vom vorliegend geltend gemachten Antrag umfaßt ist.

Die Berufung war deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 108 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Beschwerfestsetzung ergibt sich aus § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Der Anregung der Klägerin auf Zulassung der Revision ist der Senat nicht gefolgt. Der Bundesgerichtshof hat den Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers schon im einzelnen beschrieben (BGHZ 94, 356, 359). Diese Rechtsprechung hat der Senat lediglich auf den vorliegenden Einzelfall übertragen.

Ende der Entscheidung

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