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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 20.02.2001
Aktenzeichen: 6 U 70/00
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 7 Abs. 1
UWG § 1
Allein der Umstand, daß Waren tageweise zu Sonderpreisen beworben werden, führt nicht ohne weiteres zu einer unerlaubten Sonderveranstaltung oder zu einem unzulässigen Lockvogelangebot.

SchlHOLG, 6. ZS, Urteil vom 20. Februar 2001, - 6 U 70/00 -,


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

6 U 70/00 2 O 141/00 Landgericht Itzehoe

Verkündet am: 20. Februar 2001

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

Kläger und Berufungskläger,,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

Beklagte und Berufungsbeklagte,

- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2001 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts und die Richter am Oberlandesgericht und für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 28. Juli 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe - 2 O 141/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer beträgt 30.315,00 DM.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Aufwendungsersatz in Anspruch.

Die Beklagte, die Verbrauchermärkte betreibt, bewarb mit 12seitigen, farbigen Prospekten für die 41. Kalenderwoche 1999, gültig ab 11.10.1999, zahllose Sonderangebote, insbesondere Lebensmittel. Im Kopf der Titelseite des Prospekts heißt es "Preisbrecher Tag für Tag!", und auf den beiden Mittelseiten im Kopf "unsere Preisbrecher". Auf den Seiten 2 bis 4 und 9 bis 11 werden jeweils am rechten Rand in einer farbigen, die ganze Seite einnehmenden Spalte jeweils einzelne Lebensmittel als "Tagesknüller" beworben, die jeweils nur für einen Tag zu einem Sonderpreis angeboten werden, beginnend mit Montag, dem 11.10.1999, und endend mit Samstag, dem 16.10.1999.

Der Kläger hält die Bewerbung der nur tageweise zum Sonderpreis angeboten jeweiligen Lebensmittel für wettbewerbswidrig, weil die Werbung einerseits gegen § 7 Abs. 1 UWG verstoße (unerlaubte Sonderveranstaltung) und andererseits mit § 1 UWG nicht im Einklang stehe (Lockvogelangebote).

Der Kläger hat von der Beklagten verlangt zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs einzelne Produkte bzw. Waren aus ihrem Sortiment als so genannte "Tagesknüller" bzw. "Preisbrecher Tag für Tag!" zu bewerben und/oder anzubieten, die nur für jeweils einen Tag zu den herabgesetzten Preisen angeboten werden, wie in der der Klageschrift beigefügten Werbung geschehen, und ihm einen Aufwendungsersatz zu zahlen.

Das Landgericht hat dem Begehren der Beklagten auf Abweisung der Klage entsprochen, weil die Werbung nicht wettbewerbswidrig sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger die von ihm geltend gemachten Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Die vom Kläger beanstandete Werbung verstößt weder gegen § 7 Abs. 1 UWG (1.) noch gegen § 1 UWG (2.).

1. Das tageweise Angebot von jeweils bestimmten Lebensmitteln stellt entgegen der Auffassung des Klägers in der konkreten Form keine Sonderveranstaltung gem. § 7 Abs. 1 UWG dar. Sonderveranstaltungen im Sinne dieser Vorschrift sind Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel, die außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfinden, der Beschleunigung des Warenabsatzes dienen und den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervorrufen. Um die Merkmale "Beschleunigung des Warenabsatzes" und "Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile" streiten die Parteien nicht; dass die tageweisen Angebote dem beschleunigten Absatz dienen und den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervorrufen und auch hervorrufen sollen, bedarf auch keiner näheren Erörterung.

Es fehlt jedoch an einer Veranstaltung außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs und damit an dem zumeist entscheidenden Kriterium einer Sonderveranstaltung in Abgrenzung zu bloßen Sonderangeboten.

Für die Frage, ob eine Abweichung vom regelmäßigen Geschäftsverkehr vorliegt, ist die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise maßgebend, die nach dem gesamten Erscheinungsbild der Werbung beurteilt werden muss (Baumbach/Hefermehl, 21. Aufl., Rdziff. 7 zu § 7 UWG). Hierbei kommt es zum einen aus der Sicht des Mitbewerberschutzes auf die Branchenübung an, zum anderen aus der Sicht des Schutzes der Verbraucher vor übermäßig unsachlicher Beeinflussung ihrer wirtschaftlichen Entschließung auf den Eindruck, den die werbemäßige Ankündigung einer Verkaufsveranstaltung auf das Publikum macht (a. a. O.).

a) Dass das tageweise Angebot einzelner Produkte bei Verbraucher und Lebensmittelmärkten verbreitet ist, behauptet die Beklagte selbst nicht. Wenn eine Branchenübung nicht feststellbar ist, ist auf den regelmäßigen Geschäftsbetrieb des Veranstalters abzustellen (Baumbach/Hefermehl, a. a. O., RdZiff. 8). Die Werbung fällt in der konkreten Form nicht aus dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb heraus. Maßgebend ist, dass der Prospekt eine Kombination aus Sonderangeboten, die für die gesamte 41. Kalenderwoche beworben werden, und einzelnen nur tageweise angebotenen Lebensmitteln, die in den Sonderangeboten im Übrigen nicht beworben werden, enthält. Es wird nicht der Eindruck erweckt, das für einen bestimmten Tag beworbene Produkt sei an diesem Tage gegenüber einem ohnehin in der Kalenderwoche schon herabgesetzten Preis nochmals verbilligt, sondern das tageweise beworbene Produkt ist gegenüber dem Normalpreis nur an diesem Tag herabgesetzt. Damit stellt sich das tageweise Angebot nach der Auffassung des Publikums nicht als eine Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsverkehrs dar und macht nicht den Eindruck des Einmaligen und Unwiederholbaren. Vielmehr liegen typische Sonderangebote gemäß § 7 Abs. 2 UWG vor, nämlich Angebote begrenzter Warenmengen, die sich gegenständlich als einzelne Waren vom normalen Sortiment abheben (vgl. OLG Zweibrücken, NJWE-Wettbewerbsrecht 1997, 14, 15). Aus der zeitlichen Begrenzung kann nach dem jetzigen Gesetzeswortlaut des § 7 UWG nicht mehr auf eine Sonderveranstaltung geschlossen werden. Sonderangebote können zeitlich begrenzt oder zeitlich unbegrenzt sein, ohne dass sich an ihrer Einordnung als solcher etwas ändert (Baumbach/Hefermehl, a. a. O., RdZiff. 29).

Die grundsätzlich erlaubte zeitliche Begrenzung von Sonderangeboten wird auch nicht durch die Befristung auf einen Tag zu einer unerlaubten. Zwar endet die erlaubte zeitliche Begrenzung von Sonderangeboten dort, wo als sittenwidrig kurz einzustufende Angebotszeiträume erreicht werden (Senat, NJWE, Wettbewerbsrecht, 1997, 16). Um einen als sittenwidrig kurz einzustufenden Zeitraum handelt es sich aber bei dem konkreten Angebot der Beklagten nicht. Etwas anderes lässt sich nicht aus der soeben zitierten Senatsentscheidung aus dem Jahre 1996 ableiten. Abgesehen davon, dass der Senat sich seinerzeit nicht abschließend dazu geäußert hat, ob die Preiswerbung für nur einen Tag gegen § 7 Abs. 1 UWG verstößt, sondern die Entscheidung auf § 1 UWG gestützt hat, wirbt die Beklagte nicht wie in dem seinerzeit entschiedenen Fall mit Verkaufspreisen, die "nur heute" gelten sollen. Vielmehr stellt die Beklagte in einem für eine gesamte Kalenderwoche gültigen Prospekt jeweils für einzelne Tage besondere Angebote heraus. Darin liegt gerade, wie festgestellt, keine Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsbetriebs.

b) Die Art und Weise der Bewerbung für die tageweisen Angebote erweckt auch im Übrigen beim Verbraucher nicht den Eindruck einer Sonderveranstaltung. Die Bezeichnung als "Preisbrecher Tag für Tag" und als "Preisknüller" hält sich im Rahmen dessen, was bei der Bewerbung von Sonderangeboten üblich ist. Die Werbung für die Tagesangebote fügt sich in den Prospekt ohne weiteres ein. Zwar wird das jeweilige Tagesangebot auf den Innenseiten des Prospekts jeweils am rechten Rand mit einer gegenüber den anderen Sonderangeboten größeren Abbildung und größeren Schrift beworben. Eine übertriebene Bewerbung liegt darin aber noch nicht, zumal auf den Innenseiten auch die für die gesamte Kalenderwoche geltenden Sonderangebote mit der Überschrift "Unsere Preisbrecher" teilweise herausgestellt werden.

c) Selbst wenn man in der Bewerbung der Tagessonderangebote eine Unterbrechung des regelmäßigen Geschäftsbetriebs sehen wollte, wäre diese jedenfalls als angemessene und wirtschaftlich vernünftige Fortentwicklung zulässig und gemäß § 7 Abs. 1 UWG nicht zu beanstanden. Der BGH (GRUR 1975, 491, 492). hat eine angemessene und wirtschaftlich vernünftige Fortentwicklung für auf Dienstage beschränkte Sonderpreise für einzelne Lebensmittel- und Textilprodukte eines Einkaufszentrums nur deshalb abgelehnt, weil die Art und Weise der Werbung für diese Angebote die Gefahr der Irreführung mit sich bringe, indem der Eindruck eines verbreiteten Preisrutsches, einer generellen Preissenkung für ganze Sortimentsteile jeweils am Dienstag erweckt werde. Der BGH hat zu der in jenem Fall in Streit stehenden Werbung ausgeführt, die Hinweise auf den Dienstag stünden im Vordergrund der Werbung, während die einzelnen Angebote zurücktreten würden, und beim Kunden bilde sich wegen der wöchentlichen Wiederholung der Werbung wie selbstverständlich die Vorstellung, er könne selbst dann am Dienstag das Unternehmen zu seinem sicheren Vorteil aufsuchen, wenn er die jeweilige Dienstagsanzeige überhaupt nicht gelesen habe. Diese Wirkung der Werbung erzeuge einen unrichtigen Eindruck über das gesamte Angebot. Die Beklagte biete dienstags lediglich 4 oder 6 Artikel verbilligt an, obwohl derartige Unternehmen regelmäßig hunderte oder tausende von Artikeln in ihrem Sortiment führten. Wenn die Aufmachung so wirke, dass die Vorstellung erweckt werde, das ganze Sortiment sei dienstags so kalkuliert, dass man zu seinem sicheren Vorteil gelange, und wenn dazu noch herausgestellt werde "Mengenabgabe vorbehalten, nur solange der Vorrat reicht", werde damit sowohl ein Lockvogeleffekt erzielt als auch jener übermäßige Druck erzeugt, dem die Anordnung über Sonderveranstaltungen entgegenwirken wolle.

Von einer derartigen Irreführung kann bei der Werbung der Beklagten nicht gesprochen werden.

2. Die beanstandete Werbung mit tageweisen Sonderangeboten in der konkreten Form verstößt auch nicht gegen § 1 UWG, denn es handelt sich dabei nicht um sogenannte Lockvogelangebote.

Die Beklagte bewirbt tageweise Lebensmittel, die man nicht in größeren Mengen auf Vorrat zu kaufen pflegt und allein deretwegen man sich nicht wegen des Preises in einen Markt der Beklagten begibt (Würstchen, Äpfel, Weichkäse, Schweinenacken, Toastbrot, Frischmilch).

Darüber hinaus ist es dem Verbraucher möglich, Preisvergleiche mit den Angeboten von Mitbewerbern der Beklagten anzustellen, da die tageweisen Angebote nicht erst an dem betreffenden Tag, sondern in dem für die gesamte Kalenderwoche geltenden Prospekt bereits Tage bzw. sogar eine Woche vorher angekündigt worden sind.

Aufgrund der Art der beworbenen Waren und der Art der Werbung in dem Gesamtprospekt wird der Kunde durch die Werbeaussage für die Tagesangebote nicht veranlasst, seine Kaufentscheidung allein danach zu treffen, dass er möglichst schnell in den Genuss der Ware kommt, sondern ihm wird ermöglicht, seine Entscheidung auch noch nach der Güte und der Preiswürdigkeit zu treffen. Der Verbraucher muss sich anders als in dem vom Senat im Jahre 1996 entschiedenen Fall, wo die auf einen Tag begrenzte Werbung erst an diesem Tag erschienen war, nicht am demselben Tag aufmachen, um das Geschäft der Beklagten gezielt aufzusuchen und das Sonderangebot zu erwerben.

Nicht unberücksichtigt bleiben kann schließlich auch, dass die Art der beworbenen Ware mit einer Eilbedürftigkeit des Verkaufs anders als in dem vom Senat damals entschiedenen Fall durchaus in Verbindung gebracht werden kann. Während es bei Bekleidungsartikeln auch nicht ansatzweise erkennbar ist, warum diese nur für einen Tag zu herabgesetzten Preisen verkauft werden, liegt das bei Lebensmitteln der von der Beklagten beworbenen Art schon näher.

3. Ist der Unterlassungsanspruch unbegründet, ist es auch der vom Kläger geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die übrigen Nebenentscheidungen sind gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO erfolgt.

Ende der Entscheidung

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