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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 15.06.2000
Aktenzeichen: 7 U 143/99
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 61
Einschlafen am Steuer nicht immer grob fahrlässig.

SchlHOLG, 7. ZS, Urteil vom 15. Juni 2000, - 7 U 143/99 -


7 U 143/99 2 O 104/99 LG Flensburg

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am: 15. Juni 2000

Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

der ... vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorsitzenden ...

Beklagten und Berufungsklägerin,

-Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen in Schleswig-

gegen

Herrn ...

Kläger und Berufungsbeklagten,

-Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Petersen, Dr. Peters, Grimm, von Hobe, Dr. Petersen und Schober in Schleswig-

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Lincke, den Richter am Oberlandesgericht Dresenkamp und den Richter am Amtsgericht Lewin für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Juli 1999 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Beklagte im Wert von 12.615,34 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet; sie hat nicht dargetan, daß es für den Kläger so deutliche Vorzeichen für einen drohenden Sekundenschlaf am Steuer gab, daß ihm ihr Verkennen nicht nur zum Verschulden, sondern in subjektiver Hinsicht zum groben Verschulden gereichte.

Es kann als wahr unterstellt werden, daß es Stand der medizinischen Wissenschaft ist, daß sog. Prodormal-Erscheinungen (wie Gähnen, Lidschwere etc.) einem Einnicken am Steuer vorangehen. Das reicht aber im Fall des Klägers nicht für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit, weil er bei einem Gähnen oder einer Lidschwere oder anderen Erscheinungen der genannten Art aufgrund der kurzen hinter ihm (von Eckernförde nach Schleswig) und vor ihm liegenden Fahrtstrecke (über Sörup nach Harrislee) davon ausgehen konnte, sein Fahrzeug weiter so zu beherrschen, daß er nicht von der Fahrbahn abkam, zumal die Bundesstraße 76 eine breite, gut ausgebaute und durchweg gerade verlaufende Fahrbahn aufweist. Hinzu kommt seine körperliche Verfassung, die es ihm erlaubte, auch nach dem mehrstündigen Diskothekenbesuch die Heimfahrt ohne die Gefahr eines Einnickens am Steuer anzutreten; der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Senat plausibel dargetan, daß er aufgrund seines Schichtdienstes bei der Firma Motorola gewohnt war, nachts wach zu bleiben; hinzu kommt, daß er vor dem Diskothekenbesuch von 07.00 Uhr, als er vom Schichtdienst nach Hause gekommen war, bis 16.00/17.00 Uhr geschlafen hatte. Im Hinblick auf die Gewöhnung des Klägers, nachts wach zu bleiben, kann zudem nicht ausgeschlossen werden, daß beim Aufkommen von Ermüdungsanzeichen seine Kritikfähigkeit "schleichend gelähmt war", so daß für ihn ein drohendes Einschlafen am Steuer nicht so signifikant sein mußte, daß das Verkennen ihm nicht nur zum Verschulden, sondern in subjektiver Hinsicht zum groben Verschulden gereichen mußte; bei dieser Sachlage führt eine Fehleinschätzung nicht dazu, daß der Kläger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten in hohem Maße außer Acht gelassen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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