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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 02.06.2005
Aktenzeichen: 7 U 199/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 463
BGB § 249 ff.
1. Das Vorhandensein einer sog. "Altlast" auf einem gemeinsam mit einem Hausgrundstück verkauften, benachbarten Flurgrundstück stellt einen aufklärungsbedürftigen Mangel auch des Hausgrundstücks dar.

2. Für die Bemessung des Minderwerts des Hausgrundstückes kommt es allenfalls im Hinblick auf §§ 254, 242 BGB auf die Höhe der Beseitigungskosten der "Altlast" an.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil Im Namen des Volkes

7 U 199/01

verkündet am: 02. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 06. März 2003 bleibt aufrechterhalten mit der Maßgabe, dass im Feststellungsausspruch der Passus "...sowie durch das Fehlen der im zwischen den Parteien am 26.04.1996 geschlossenen Kaufvertrag über das Grundstück F. 1, zugesicherten Eigenschaft "Abwesenheit von Altlasten"..." entfällt.

Die Beklagten tragen auch die weiteren Kosten des Berufungsrechtszuges.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger zu 2. gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zu 2. vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

Die Kläger - wobei die Klägerin zu 1. im Zuge des Rechtsstreits verstorben ist - nehmen die Beklagten gesamtschuldnerisch auf (kleinen) Schadensersatz, hilfsweise Minderung wegen arglistig verschwiegener Mängel und fehlender zugesicherter Eigenschaften eines verkauften Hausgrundstückes in Anspruch.

Die Kläger hatten durch notariellen Kaufvertrag des Notars M. vom 26.04.1996 (Urkundenrollennummer 250/1996) für einen Kaufpreis von 350.000,00 DM das Hausgrundstück in S., bebaut mit einem älteren Haus und bestehend aus mehreren Flurstücken erworben. Die verstorbene Klägerin zu 1. hatte Miteigentum zu 4/7, der Kläger zu 2. zu 3/7 erworben. Wegen der Einzelheiten, insbesondere wegen der in § 4 des Kaufvertrages enthaltenen Gewährleistungsregelungen wird auf Bl. 6-15 der Akte verwiesen.

Die später verstorbene Klägerin zu 1. hat ihren Miteigentumsanteil durch notariellen Vertrag vom 20. September 2001 auf den Kläger zu 2. übertragen, zugleich ihm sämtliche Ansprüche aus dem Kaufvertrag vom 26.04.1996 sowie aus dem hiesigen Rechtsstreit abgetreten; der Kläger zu 2. hat die Abtretung angenommen.

Der rückwärtige Teil des Grundstückes, der nicht bebaut ist und eine Größe von etwa 2.000 m² hat, war in den 60er Jahren aufgrund einer Vereinbarung zwischen der Stadt E. und dem Voreigentümer Sch. (Bl. 95 d.A.) als Mülldeponie genutzt worden; nach der Vereinbarung war die Stadt E. berechtigt, Müll- und Hausabfälle sowie Industrieabfälle etc. dort abzulagern. Diese ehemalige Nutzung des rückwärtigen Grundstücksteiles war den Beklagten bekannt, streitig war und ist, ob sie die Kläger vor Erwerb des Grundstückes darauf hingewiesen haben.

Des Weiteren verlangen die Kläger Ersatz von Kosten für eine Dachsanierung.

Alsbald nach Übergabe des Grundstückes am 01.10.1996 zeigten sich nämlich im Bereich des Anbaues des Hauses, in dem sich das Bad befindet, erhebliche Durchfeuchtungserscheinungen. Diese hatten ihre Ursache darin, dass das Flachdach des Anbaues komplett morsch und durchfeuchtet war.

Die Kläger waren und sind der Auffassung, diesen Mangel hätten die Beklagten arglistig verschwiegen, sie seien daher zur Zahlung von weiteren 5.850,00 DM Sanierungskosten - nach vorgerichtlicher Zahlung von 1.000,00 DM - verpflichtet. Unstreitig hatten sich bereits im Februar 1995 die seinerzeitigen Mieter des Hauses bei den Beklagten darüber beschwert, dass "immer mal wieder" durch das Dach des Anbaues Wasser in das Bad eindringt. Die Beklagten hingegen sind der Auffassung, dieser Mangel falle unter den vertraglichen Gewährleistungsausschluss.

Das Landgericht hat der auf Zahlung von 205.850,00 DM (200.000,00 DM Minderwert des Grundstücks) und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden im Hinblick auf die ehemalige Deponie gerichteten Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages vollen Umfangs stattgegeben, dem Zahlungsbegehren in Höhe von 155.850,00 DM, nämlich 150.000,00 DM Schadensersatz wegen arglistigen Verschweigens der Altlast sowie weitere 5.850,00 DM für arglistiges Verschweigen der Mängel des Daches. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, den ihnen bekannten Mangel des Daches des Anbaues hätten die Beklagten arglistig verschwiegen. Es habe sich um einen ihnen bekannten, aufklärungsbedürftigen Mangel gehandelt. Der (eingeschränkte) vertragliche Gewährleistungsausschluss greife nicht. Die zur Sanierung des Daches erforderlichen Kosten seien durch das Gutachten des Sachverständigen S. belegt.

Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme stehe auch fest, dass die Beklagten die Kläger nicht über das Vorhandensein der Altablagerung aufgeklärt hätten. Dies stelle zum einen im Hinblick auf die vertraglichen Regelungen eine arglistige Täuschung dar, denn auch insoweit seien die Beklagten aufklärungsverpflichtet gewesen, zum anderen fehle dem Grundstück auch eine vertraglich zugesicherte Eigenschaft, wenn in § 4 des Vertrages ausgeführt ist, dass den Beklagten von Altlasten nichts bekannt sei. Die Höhe des Wertverlustes des Grundstücks ergebe sich aus dem Gutachten des Sachverständigen St. unter Berücksichtigung der Ausführungen in dem Gutachten des Sachverständigen Dr. -W. mit 150.000,00 DM.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen.

Mit der Berufung machen die Beklagten unter Vorlage zweier Privatgutachten im Wesentlichen geltend, dass zum einen von dem ehemaligen Deponiegelände keine Gefährdung ausginge, zum anderen der Verkehrswert für die jeweiligen Flurstücke einzeln zu bemessen sei, dabei insbesondere derjenige des mit dem Gebäude bebauten Flurstücks. Der vermeintliche Minderwert könne auch nicht höher sein als die Kosten für eine Sanierung des Deponiegeländes, diese beliefen sich auf allenfalls 13.000,00 €.

Die Beklagten haben ursprünglich beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, während die Kläger Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe, dass Zahlung allein an den Kläger zu 2. zu erfolgen habe und festgestellt werde, dass ihm jeglicher künftiger Schaden zu ersetzen sei, beantragt haben.

Durch Versäumnisurteil des Senats vom 06. März 2003 ist die Berufung entsprechend dem Antrag der Kläger zurückgewiesen worden.

Gegen dieses Urteil haben die Beklagten form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Sie beantragen nunmehr, unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Senats das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, während die Kläger auf Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils antragen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen Carsten St. sowie gemäß Beweisbeschlüssen vom 04. September 2003 und 22. April 2004 durch Einholung schriftlicher Gutachten des Sachverständigen H., darüber hinaus wurde der Sachverständige zur Erläuterung angehört. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Berichterstattervermerke über die Termine vom 14. August 2003 und 22. April 2004, darüber hinaus auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen H. vom 30. Januar und 22. Dezember 2004.

Die Berufung der Beklagten ist im Ergebnis unbegründet, so dass gemäß § 343 Satz 1 ZPO das Versäumnisurteil des Senats - unter geringfügiger Abänderung des Feststellungsausspruchs - aufrecht zu erhalten ist.

Den Klägern - nach Abtretung gemäß § 398 BGB nunmehr dem Kläger zu 2., auch wenn die verstorbene Klägerin zu 1. in Ermangelung einer Zustimmung der Beklagten nicht formell aus dem Verfahren ausgeschieden ist - stehen die geltend gemachten Ansprüche in vom Landgericht zuerkannter Höhe unter dem Gesichtspunkt des § 463 BGB a.F. zu.

Hinsichtlich der Kosten für die Dachsanierung des Anbaus haften die Beklagten zum einen wegen des Fehlens einer vertraglich zugesicherten Eigenschaft, darüber hinaus auch wegen arglistigen Verschweigens der (versteckten) Mängel des Daches.

Die in § 1 des notariellen Kaufvertrages vom 26.04.1996 in Bezug genommene und Vertragsbestandteil gewordene Hausbeschreibung enthält hinsichtlich des Daches des Anbaus die Angabe, es sei Ende 1993 komplett saniert und neu eingedeckt worden. Damit haben die Beklagten eine Eigenschaft zugesichert, nämlich dass diese Komplettsanierung und Neueindeckung auch tatsächlich erfolgt ist. Es handelt sich bei der Vertragsinhalt gewordenen Hausbeschreibung nicht nur um eine unverbindliche Beschreibung oder Anpreisung des Hauses, vielmehr haben die Beklagten durch diese Angaben einen Zustand des Daches zugesichert, der - wie die erstinstanzlich zur Akte gereichten Lichtbilder belegen - weder tatsächlich bei Übergabe bestand noch jemals bestanden hat. Denn ganz offensichtlich wurde keine Komplettsanierung durchgeführt, sondern es wurden nur einzelne Balken ausgetauscht und Mängel lediglich kaschiert.

Darüber hinaus haben die Beklagten in § 4 des Kaufvertrages zugesichert, dass verdeckte Mängel nicht vorhanden seien, zudem, dass sich in dem "Gemäuer des Wohngebäudes" keine Feuchtigkeit befinde. Vorhandene optische Feuchtigkeitsflecken sollten auf falsche Belüftung durch die ehemaligen Mieter zurückzuführen sein. Abgesehen einmal davon, dass mit dem Zustand des Daches sehr wohl ein verdeckter Mangel vorlag, war den Beklagten spätestens durch das Schreiben ihres ehemaligen Mieters vom 25.02.1995 bekannt, dass es (wieder) durch das Dach des Anbaus durchregnete. Diesen ihnen bekannten Umstand wären die Beklagten zu offenbaren verpflichtet gewesen, denn - wie auch die Formulierung in § 4 Abs. 2 des Kaufvertrages zeigt - es handelt sich bei eindringender Feuchtigkeit um einen für Kaufentschluss und/oder Preisbildung wesentlichen Umstand, den ein Verkäufer auch ungefragt zu offenbaren hat.

Der (eingeschränkte) Gewährleistungsausschluss in § 4 Abs. 2 Satz 1 des Kaufvertrages steht der Geltendmachung der Ansprüche nicht entgegen. Das Fehlen zugesicherter Eigenschaft und arglistiges Verschweigen von Mängeln werden davon gerade nicht erfasst (Palandt-Putzo BGB 61. Aufl. § 476 Rn. 3).

Die Höhe des insoweit zu leistenden Schadensersatzes (5.850,00 DM/2.191,06 €) ist zweitinstanzlich nicht mehr streitig.

Die Beklagten sind darüber hinaus gemäß § 463 Satz 2 BGB a.F. verpflichtet, wegen arglistigen Verschweigens der früheren Nutzung des rückwärtigen Grundstücksteils als Mülldeponie im Wege des Schadensersatzes (sog. kleiner Schadensersatz) den Minderwert des Grundstückes infolge der früheren Nutzung zu ersetzen.

Dass die ehemalige Nutzung eines Grundstückes oder auch nur eines Grundstücksteiles - wie hier - als Mülldeponie einen einem potentiellen Käufer zu offenbarenden Mangel des Grundstücks darstellt, bedarf keiner näheren Darlegung. Dass die Beklagten dies selbst auch so gesehen haben, ergibt sich schon aus ihrem Vortrag, sie hätten sämtliche Kaufinteressenten einschließlich der Kläger über eben diesen Umstand aufgeklärt.

Zur Überzeugung des Senats steht hingegen fest, dass jedenfalls die Kläger von den Beklagten gerade nicht über die frühere Nutzung des rückwärtigen Grundstücksteils informiert worden sind; der Senat folgt insoweit den überzeugenden Gründen des angefochtenen Urteils (S. 9 VU), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

Aufgrund der vom Senat durchgeführten ergänzenden Beweisaufnahme steht fest, dass der als Schadensersatz zu leistende Minderwert des Grundstücks sich auf (jedenfalls) 150.000,00 DM (76.693,78 €) beläuft.

Dabei vermag der Senat schon vom Ansatz her der Auffassung der Beklagten, bei dem verkauften Grundstücks handele es sich tatsächlich um mehrere "Grundstücke", die völlig getrennt voneinander zu bewerten seien, nicht zu folgen. Verkauft worden ist ein Grundstück, bestehend aus verschiedenen Flurstücken. Jede andere als diese wirtschaftliche Betrachtung ist schon angesichts der Formulierungen in § 1 des notariellen Grundstückskaufvertrages lebensfremd; danach ist verkauft worden "das Grundstück ... mit einer Gesamtgröße von 3.240 m²", so dass allein von daher eine Aufspaltung in mehrere Grundstücke nicht in Betracht kommt. Im Übrigen wären die Beklagten, hätten sie lediglich das bebaute Flurstück an die Kläger verkauft, in gleicher Weise zur Aufklärung darüber verpflichtet gewesen, dass sich unmittelbar angrenzend an das Haus ein ehemaliges Deponiegelände befindet. Aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten erschließt sich -wie ausgeführt -daß sie die Aufklärungsbedürftigkeit und ihre Aufklärungspflicht auch erkannt hatten.

Gemäß § 463 Satz 2 BGB a.F. haben die Beklagten den Schaden zu ersetzen, der auf dem arglistig verschwiegenen Fehler beruht. Das wäre zum einen der Betrag, der für die Entsorgung der Deponie nötig ist (vgl. BGH NJW 1995, S. 1549 ff. [1.550]), wobei die Kläger diesen Anspruch nur mit dem Feststellungsantrag für den Fall etwaiger zukünftiger behördlicher Auflagen zur Beseitigung verfolgen; zum anderen haben die Beklagten im Schadensersatzwege den Minderwert des Grundstückes zu ersetzen. Nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme schätzt der Senat (§ 287 ZPO) diesen Minderwert - wie auch das Landgericht - auf (jedenfalls) 150.000,00 DM (76.693,78 €).

Zwar hat der Sachverständige H. in seinem umfangreichen und wissenschaftlich fundierten geologischen Gutachten vom 22. Dezember 2004 festgestellt, dass von der ehemaligen Deponie eine akute Gefährdung der unmittelbaren Anwohner - also des Klägers zu 2. und seiner Familie - nicht ausgeht.

Zur Schadstoffbelastung und zum Gefährdungspotential der ehemaligen Deponie hat der Sachverständige ausgeführt (S. 21/22 des Gutachtens): "... Zusammenfassend ist festzustellen, dass in der Altablagerung stellenweise hochtoxische EOX-, PCB-, PAK- und Schwermetallbelastungen auftreten, die auf sondermüllartige Abfälle schließen lassen. Die in der Probe BS 11/2 gemessenen sehr hohen PCB- und EOX-Gehalte zeigen, dass auch Gewerbe- und Industrieabfälle in der Altablagerung vorkommen ... Die sehr hohen Zinkgehalte deuten auf Abfälle aus der Metallverarbeitung hin. Möglicherweise lagern in der Altablagerung auch Autobatterien oder Akkumulatoren. Die KW-Belastungen lassen vermuten, dass auch ölhaltige Abfälle (z.B. Autoschrottteile) in der Altablagerung auftreten. Im Hinblick auf den Wirkungspfad Boden-Mensch stellt die Altablagerung mit ihren stellenweise hochtoxischen Verunreinigungen keine Gefährdung für die Bewohner des Grundstücks dar, sofern eine orale Aufnahme ausgeschlossen werden kann. Beim ausschließlichen Betreten der Altablagerung besteht kein akutes Gesundheitsrisiko. Selbstverständlich sind Erdarbeiten oder Bodenumlagerungen, bei denen die Gefahr der oralen Aufnahme besteht, gesundheitsgefährdend ... Allerdings sind infolge von Wurzelwachstum und Bodenfrost Abfälle und damit schädlich verunreinigtes Bodenmaterial bis an die Geländeoberfläche umgelagert worden ... Solche Umlagerungsprozesse werden auch weiterhin stattfinden und können dauerhaft nur durch eine Deponieabdeckung vermieden werden. Durch eine Deponieabdeckung wäre auch die Gefahr einer oralen Aufnahme gänzlich ausgeschlossen."

Diese Feststellungen des Sachverständigen zeigen überdeutlich, dass zwar eine akute Gefährdung nicht vorliegt, von einer völlig ungefährlichen Altablagerung - so der Vortrag der Beklagten - aber nicht die Rede sein kann.

Die Höhe des zu ersetzenden Minderwertes des Grundstücks ergibt sich anhand der Ausführungen des Sachverständigen St., der nicht nur öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken ist, sondern darüber hinaus als Immobilienmakler über die Grenzen von Schleswig-Holstein hinaus tätig ist, mithin auch aus einem Fundus an praktischer Erfahrung, gerade was die Marktgängigkeit von Grundstücken angeht, schöpfen kann.

Schon in seinem erstinstanzlich eingeholten schriftlichen Gutachten, das der Sachverständige vor dem Landgericht erläutert hat, ist er zu einem Minderwert des Grundstücks infolge der Altablagerung von 150.000,00 DM gekommen. Den Beklagten ist zuzugeben, dass seinerzeit das geologische Gutachten des Sachverständigen Dr. -W. im Raume stand, der eine von ihm dem Deponiekörper zugeordnete Methangasbelastung der Umgebung festgestellt hatte, die er als zumindest potentielle Gefährdung eingestuft hatte. Der Sachverständige H. hat bei seinen weiterführenden Untersuchungen zwar auch Methangas festgestellt, dieses aber als geogenen Ursprungs und sich im Rahmen der natürlichen Hintergrundbelastung haltend klassifiziert.

In seiner Erläuterung vor dem Senat hat der Sachverständige St. dann aber ausgeführt: "...Nach dem Gutachten Dr. -W. konnte als Grundlage genommen werden, dass keine wesentlichen gesundheitlichen Gefährdungen von der Deponie ausgehen. Wenn das anders gewesen wäre, wäre der Wert des Grundstücks ins "Minus" gegangen ... Direkte Vergleichsfälle zu dem hier vorliegenden kenne ich nicht. Grundsätzlich sind aber Altlasten ein sehr sensibler Bereich. Bei der Bewertung des Minderwerts des Grundstücks handelt es sich letztlich um eine Schätzung ... Ausgangspunkt meiner Bewertung war, dass durch die Deponie keine Gefährdung aufgeht".

Der Sachverständige St. hat damit quasi im Vorwege das als Ausgangspunkt seiner Bewertung genommen, was sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen H. ergibt, dass keine (Sachverständiger St.) bzw. jedenfalls keine akute Gefährdung (Gutachten H.) vorliegt.

Mit dem Sachverständigen St., der im einzelnen seine Einschätzung eines Minderwertes des Grundstückes von 150.000,00 DM infolge des Vorhandenseins der Altlast bestätigt hat, ist auch der Senat der Auffassung, dass sich ein Grundstück wie das hier in Rede stehende einer "üblichen" Bewertung nach den für "normale" Grundstücke geltenden Regeln - wie der Wertermittlungsverordnung und den Wertermittlungsrichtlinien- entzieht. Maßgeblich für den Minderwert ist vielmehr die Frage, was tatsächlich am Markt für ein derartiges "besonderes" Grundstück zu erzielen ist. Denn, wie der Sachverständige St. ausgeführt hat: "...Es geht auch gar nicht um das Methangas, sondern um die Tatsache der ehemaligen Hausmülldeponie. Allein der Begriff ist für potentielle Käufer schon abschreckend, so dass da kaum einer mehr ran geht. Die Entfernung eines Hauses von einer Deponie ist nicht entscheidend, vielmehr die Tatsache einer benachbarten Mülldeponie, das ist reine Psychologie ...".

Dabei ergibt schon der gesunde Menschenverstand, dass kaum jemand freiwillig ein Grundstück kauft, auf dem oder in dessen unmittelbarer Nähe sich eine ehemalige Mülldeponie befindet. Die Ausführungen des Sachverständigen St. sind unmittelbar einleuchtend.

Betrachtet man den vertraglich vereinbarten Kaufpreis von 350.000,00 DM, ist der von dem Sachverständigen vor dem von ihm geschilderten Hintergrund angenommene Abschlag von 150.000,00 DM - mithin von noch nicht einmal der Hälfte des Kaufpreises - nicht zu beanstanden.

Es bedarf auch nicht - wie von den Beklagten beantragt - vor dem Hintergrund des Gutachtens des Sachverständigen H. der Einholung eines erneuten Wertgutachtens. Die Voraussetzungen des § 412 ZPO liegen nicht vor, insbesondere ist der Sachverständige St., wie sich aus seinen zitierten Ausführungen ergibt, quasi im Vorwege davon ausgegangen, dass von der Deponie keine Gefährdung ausgeht.

Der Schadensersatzanspruch der Kläger ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB (analog) bzw. § 242 BGB beschränkt auf die Höhe der Beseitigungskosten der Deponie, den die Beklagten für eine fachgerechte Sanierung mit allenfalls 13.000,00 € behauptet haben.

Nach den unbeanstandet gebliebenen Ausführungen des Sachverständigen H. belaufen sich die Kosten für eine fachgerechte Sanierung nämlich auf netto rund 438.260,00 €, schon Sicherungsmaßnahmen im Wege der Abdeckung würden Kosten von netto ca. 36.800,00 € verursachen (S. 31 des Gutachtens). Dabei wäre mit einer Abdeckung des Deponiekörpers - sofern sie bei den hier gegebenen Verhältnissen (Baumbestand) überhaupt möglich wäre - nichts weiter getan, als dass der Deponiekörper nach oben hin abgesichert wäre; vorhanden wäre er gleichwohl, von einer "Sanierung" könnte keine Rede sein, eher von einer nur provisorischen Maßnahme. Auch dadurch wäre der psychologische Faktor, nämlich die Tatsache einer Mülldeponie, nicht beseitigt.

Das Feststellungsbegehren ist in der nunmehr tenorierten Form begründet; zwar handelt es sich bei der Angabe in dem Vertrag, Altlasten seien nicht vorhanden, nicht um eine Zusicherung im Sinne von §§ 459 Abs. 2, 463 Satz 1 BGB, sondern schlichtweg um eine Wissenserklärung, wenngleich sie falsch war (Arglist). Gleichwohl würden die Beklagten - wie ausgeführt - auf die Kosten einer etwaigen Beseitigung haften. Es ist zwar auch auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen H. derzeit eher unwahrscheinlich, dass von der zuständigen Umweltbehörde derartiges verlangt würde; zukünftig ausgeschlossen ist aber ein solches Verlangen nicht. Dies rechtfertigt den Feststellungsausspruch.

Zinsen wie vom Landgericht zuerkannt gebühren dem Kläger zu 2. gemäß §§ 284, 288 BGB a.F..

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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