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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 13.01.2005
Aktenzeichen: 7 U 78/02
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 11
StVG § 13
1. Der Verwaltungsakt, der zur vorzeitigen Pensionierung eines Beamten führt, ist grundsätzlich der zivilgerichtlichen Nachprüfbarkeit entzogen.

2. Zur Ermittlung und Bemessung des sog. Haushaltsführungsschadens.


Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 78/02

verkündet am: 13. Januar 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 09. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten wird das am 10. April 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 61.410,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 290,21 € seit dem 01. Juni 2000 sowie auf jeweils weitere 290,21 € ab jedem folgenden Monatsersten bis einschließlich 01. Februar 2001 sowie auf 1.278,23 € seit dem 01. März 2001 und auf jeweils weitere 1.278,23 € ab jedem folgenden Monatsersten bis einschließlich 01. Januar 2005 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin ab Februar 2005 monatlich im voraus bis einschließlich April 2010 1.278,23 € zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin ab Mai 2010 monatlich im voraus bis einschließlich April 2015 290,21 € zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab Mai 2010 jeden weiteren Verdienstausfallschaden zu ersetzen mit der Maßgabe eines gesamten monatlich zu zahlenden Höchstbetrages von 1.278,23 €.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, die weitergehenden Berufungen der Klägerin und der Beklagten werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4, von den Kosten des Berufungsrechtszuges tragen die Klägerin 1/8 und die Beklagte 7/8.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

Die 1945 geborene Klägerin, die bis zu ihrer vorzeitigen Pensionierung am 01. März 2001 als Grundschullehrerin tätig war, wurde im Februar 1998 Opfer eines Verkehrsunfalls, für dessen Folgen die Beklagte als Haftpflichtversicherer dem Grunde nach voll eintrittspflichtig ist. Sie nimmt die Beklagte auf Ersatz von Verdienstausfall und Haushaltsführungsschaden seit dem 01. März 2001 (Verdienstausfall) bzw. 01. Juni 2000 (Haushaltsführungsschaden) in Anspruch. Bei dem Unfall hatte die Klägerin eine Sprunggelenksverrenkungsfraktur rechts unter Beteiligung der Gelenkfläche des Schienbeins mit Abbruch des sog. hinteren "Volksmann'schen Dreiecks" erlitten. Unstreitig leidet die Klägerin auch heute noch unter den Folgen der Sprunggelenksverletzung, lediglich der Umfang ihrer Beeinträchtigungen ist streitig. Seit dem Unfall war die Klägerin bis zu ihrer vorzeitigen Pensionierung durchgängig krankgeschrieben, gleichwohl unternahm die Klägerin im Januar 2000 einen Arbeitsversuch in der Hamburgischen Schulbehörde, der aber nach dem zweiten Arbeitstag wegen Beschwerden am verletzten Bein abgebrochen wurde.

In einem Vorprozess (... ) haben die Parteien sich am 31. Mai 2000 dahingehend verglichen, dass an die Klägerin zur Abgeltung aller immateriellen und bis dahin aufgetretener materieller Nachteile aus dem Verkehrsunfall vom 09. Februar 1998 ein Betrag von 35.000 DM zu zahlen war. Ausgenommen hatten die Parteien lediglich zukünftige materielle Ansprüche, wobei die Beklagte mit Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils anerkannt hat, der Klägerin den zukünftigen materiellen Schaden aus dem Unfall ersetzen zu müssen.

In diesem Vergleich haben die Parteien ausdrücklich offen gelassen, ob die Schadensersatzpflicht auf der Grundlage der Vorschriften über die Gefährdungshaftung nach dem StVG oder aber auf der Grundlage der Haftung aus unerlaubter Handlung nach dem BGB besteht.

Den ihr nach dem 31.05.2000 ihrer Ansicht nach entstandenen materiellen Schaden verfolgt die Klägerin nunmehr. Unstreitig der Höhe nach ist die Differenz zwischen letztem Nettogehalt und der Nettopension mit monatlich 1.207,71 € (2.362,08 DM); insoweit war und ist die Beklagte der Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Ersatz der Einkommensdifferenz, denn sie sei an sich trotz gewisser unfallbedingter Beeinträchtigungen amtsangemessen weiter verwendbar. Auch als Beamte sei sie verpflichtet, die ihr verbliebene Arbeitskraft - auch wenn sie unfallbedingt nicht als Lehrerin habe weiter tätig sein können - einzusetzen. Das wäre ihr im Rahmen einer überwiegend sitzenden Tätigkeit auch möglich gewesen. Die Pensionierungsentscheidung sei allein darauf zurückzuführen, dass die Klägerin eine solche Tätigkeit verweigert habe. Jedenfalls treffe die Klägerin aber ein weit überwiegendes Mitverschulden an der vorzeitigen Pensionierung, so dass ihr jedenfalls im Ergebnis Ersatzansprüche wegen des Einkommensverlustes nicht zustünden.

Die Klägerin behauptet weitergehend, unfallbedingt sei sie in der Haushaltsführung zu rund 50 % beeinträchtigt. Der daraus ihr entstandene Schaden belaufe sich auf 591,97 € (1.157,80 DM) monatlich. Die Beklagte bestreitet eine schadensersatzrechtlich relevante Beeinträchtigung der Klägerin in der Haushaltsführung.

Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme zum Teil stattgegeben und - unter Anrechnung eines vor dem Vergleichsschluss in dem Vorprozess gezahlten Betrages von 5.000 DM - die Beklagte unter Klagabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin rückständige 15.772,01 € (30.847,38 DM) an Haushaltsführungsschaden und Verdienstausfall zu zahlen; darüber hinaus wurde die Beklagte verurteilt, auf den Haushaltsführungsschaden an die Klägerin eine monatliche Rente bis längstens zum 26.04.2020 in Höhe von 208,79 € (408,36 DM) und auf den Erwerbsschaden eine monatliche Rente in Höhe von 966,16 € (1.889,65 DM) bis längstens zum 26.04.2010 zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Klägerin ein 20%iges Mitverschulden an der Pensionierung zurechnen lassen müsse, da sie ihre vorzeitige Pensionierung erstrebt und in sachlich nicht gebotener Weise durch fehlende anderweitige Dienstaufnahme gefördert habe. Der Haushaltsführungsschaden berechne sich unter Anwendung der einschlägigen Tabellen bei Schulz-Borck/Hofmann unter Berücksichtigung eines von der Klägerin eingeräumten Urlaubes von jährlich 4 Wochen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil nebst darin enthaltener Verweisungen Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Während die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt - unter Beschränkung auf die Haftungshöchstbeträge nach dem Straßenverkehrsgesetz in der zum Unfallzeitpunkt geltenden Fassung -, will die Beklagte die Klage gänzlich abgewiesen sehen.

Die Klägerin beantragt,

unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil zu ändern, insgesamt neu zu fassen und die Beklagte zu verurteilen,

1. an die Klägerin 27.057,64 € (52.920,14 DM) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 591,97 € (1.157,80 DM) seit dem 01. Juni 2000 sowie auf jeweils weitere 591,97 € (1.157,80 DM) ab jedem folgenden Monatsersten bis einschließlich 01. Februar 2001 sowie auf weitere 1.278,23 € (2.500 DM) seit dem 01. März 2001 und auf jeweils weitere 1.278,23 € (2.500 DM) ab jedem folgenden Monatsersten bis einschließlich 01. Juli 2002 zu zahlen,

2. an die Klägerin ab August 2002 monatlich im voraus bis einschließlich April 2010 eine Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 1.207,71 € und bis einschließlich April 2020 eine Entschädigung für den Haushaltsführungsschaden in Höhe von 591,97 € zu zahlen mit der Maßgabe, dass insgesamt monatlich höchstens 1.278,23 € zu zahlen sind,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren Schaden zu ersetzen, der aus Verdienstausfall und als Haushaltsführungsschaden entsteht, soweit der Schaden nicht einen monatlichen Betrag von 1.278,23 € übersteigt.

Die Beklagte beantragt unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin und Abänderung des angefochtenen Urteils, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Nach Auffassung der Beklagten seien jedenfalls wegen Überschreitung der Haftungshöchstgrenzen gemäß § 12 Abs. 1 Ziffer 1 StVGa.F. etwaig zugunsten der Klägerin auszuurteilende Beträge zu quotieren.

Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. L. gemäß Beweisbeschluss vom 19. Februar 2004, das der Sachverständige im Termin vom 09. Dezember 2004 mündlich erläutert hat. Wegen des Inhalts wird auf das schriftliche Gutachten vom 24. Juni 2004 sowie den Berichterstattervermerk über den Termin vom 09. Dezember 2004 verwiesen. Die Klägerin wurde darüber hinaus gemäß § 141 ZPO persönlich angehört. Insoweit wird auf die Berichterstattervermerke über die Termine vom 19. Februar und 09. Dezember 2004 verwiesen.

Die Rechtsmittel der Parteien haben jeweils teilweisen Erfolg.

1. Die Beklagte ist gemäß §§ 11, 13 StVG a.F. i.V. mit dem in dem Verfahren ... geschlossenen Vergleich verpflichtet, der Klägerin bis einschließlich April 2010, dem Monat der regulären Pensionierung der Klägerin mit Vollendung des 65. Lebensjahres, die volle Differenz zwischen dem zuletzt bezogenen Nettogehalt und der nunmehrigen Nettopension, die sich unstreitig auf 1.207,71 € (2.362,08 DM) beläuft, zu zahlen.

Die Klägerin muss sich - entgegen der Auffassung des Landgerichts - weder ein anteiliges noch gar ein anspruchsausschließendes überwiegendes Mitverschulden an der vorzeitigen Pensionierung zurechnen lassen.

Unstreitig war und ist die Klägerin verletzungsbedingt nicht (mehr) in der Lage, ihrer Tätigkeit als Lehrerin nachzugehen.

Andererseits hätte die Klägerin, wie sich sowohl aus der Stellungnahme des personalärztlichen Dienstes der Freien und Hansestadt Hamburg vom 18.07.2000 als auch aus dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. T. ergibt, nach dem Bild der erlittenen Verletzung und unter Berücksichtigung der objektiv feststellbaren Beeinträchtigungen grundsätzlich eine sitzende Tätigkeit ausüben können.

Dabei ist der Verwaltungsakt "Pensionierung" zivilrechtlich nach allgemeiner Meinung nicht überprüfbar, vielmehr ist der Schädiger auch dann, wenn die Pensionierung - objektiv betrachtet - aufgrund der Unfallfolgen an sich nicht erforderlich war, zum Schadensersatz verpflichtet, solange die Pensionierung jedenfalls durch den Unfall verursacht wurde (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 7. Aufl., Rn. 554 m.w.N.).

Ein Mitverschulden des vorzeitig in den Ruhestand versetzten Beamten kommt nur dann in Betracht, wenn er es in erster Linie selbst veranlasst hat, dass er vorzeitig zur Ruhe versetzt worden ist, indem er entweder unangemessen auf die Pensionierung gedrängt hat oder es überwiegend von sich aus verhindert hat, dass ihm ein adäquater Ersatzarbeitsplatz zugewiesen wird; ebenfalls dann, wenn er sich gegen den Verwaltungsakt "Pensionierung" nicht energisch genug gewehrt hat, wenn dieser zwar nicht nichtig, gleichwohl unrechtmäßig war (Küppersbusch aaO Rn. 555 m.w.N.).

Dabei muss ein Beamter, um vorzeitig in den Ruhestand versetzt zu werden, nicht im sozialversicherungsrechtlichen Sinne erwerbsunfähig sein, sondern es bedarf dazu lediglich der voraussichtlich dauernden Dienstunfähigkeit. "Dienstunfähigkeit" ist ein speziell beamtenrechtlicher Begriff; ein Beamter ist dienstunfähig dann, wenn er nicht nur für das bisherige Amt, sondern auch für ein diesem nach Rang, Vor- und Ausbildungserfordernissen, Laufbahn und Endgrundgehalt gleich zu erachtendes Amt dienstunfähig ist, wobei hinreichend für die Annahme der Dienstunfähigkeit je nach den Gegebenheiten des Einzelfalles schon sein kann, wenn zu erwarten ist, dass der Beamte die Pflichten seines konkreten Amtes im funktionellen Sinn (Dienstposten) auf absehbare Zeit nicht mehr erfüllen kann. Das gilt dann, wenn sich bei seiner Dienststelle (Beschäftigungsbehörde) keine seinem funktionellen Amt im abstrakten Sinne entsprechende Amtsstelle befindet, deren Pflichten er noch erfüllen kann und die ihm ohne besondere Schwierigkeiten übertragen werden könnte.

Ob es sich bei der Tätigkeit, die die Klägerin im Rahmen des zweitägigen Arbeitsversuches ausgeübt hat, um ein "gleich zu erachtendes" Amt im vorbeschriebenen Sinne gehandelt hat, kann im Hinblick auf die grundsätzliche Nichtnachprüfbarkeit des Verwaltungsaktes "Pensionierung" im Zivilrechtsstreit letztlich dahinstehen. Denn es ist weder dargetan noch gar ersichtlich, dass der Klägerin der Abbruch des Arbeitsversuches als Mitverschulden im oben beschriebenen Sinne zugerechnet werden könnte. Vielmehr ergibt sich aus dem ärztlichen Attest vom 17.01.2000 (Bl. 13 d.A.), dass eine erhebliche Schwellung des rechten Unterschenkels und Fußes der Klägerin mit Überwärmung und Rötung der Haut-Weichteile über dem Sprunggelenk, schmerzhafter Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk und erheblichen Belastungsschmerzen im rechten Bein zum Abbruch dieses Arbeitsversuches geführt haben. Auch der Sachverständige Prof. T. konnte es in seinem Gutachten nicht ausschließen, dass es seinerzeit sinnvoll gewesen sein könnte, den Arbeitsversuch abzubrechen.

Wie die Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung dem Senat glaubhaft geschildert hat, war sie - wie auch das ärztliche Attest belegt - schlicht infolge der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen nicht in der Lage, den Arbeitsversuch weiter durchzuführen.

Weiteres, was die Klägerin - noch gar vorwerfbar - zu ihrer vorzeitigen Pensionierung beigetragen hätte, gibt es selbst nach dem Vortrag der Beklagten nicht. Aus den zur Akte gereichten Schreiben des Personalärztlichen Dienstes und der Hamburger Schulbehörde ergibt sich vielmehr, dass es eine amtsangemessene andere Verwendung für die als Lehrerin nicht mehr einsetzbare Klägerin nicht gab. Dass sie sich gleichwohl auf verwaltungsrechtlichem Wege gegen den Verwaltungsakt (Pensionierung) zur Wehr hätte setzen sollen oder gar müssen, ist weder dargetan noch ersichtlich.

Der Klägerin ist auch nicht im Sinne einer Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht im Sinne von § 254 BGB vorzuhalten, dass sie die ihr verbliebene Arbeitskraft nicht schadensmindernd einsetzen würde. Zwar ist auch ein vorzeitig pensionierter Beamter - wie jeder "normale" Arbeitnehmer - verpflichtet, die ihm verbliebene Arbeitskraft schadensmindernd einzusetzen. Darlegungs- und ggf. beweispflichtig für die konkrete Möglichkeit einer solchen schadensmindernden Tätigkeit ist die Beklagte. Es fehlt schon an jedem Vortrag der Beklagten, was konkret die Klägerin denn tun könnte. Allein schon deshalb braucht der Senat dem nicht weiter nachzugehen, zumal es wahrlich nicht auf der Hand liegt, welcher schadensmindernden Tätigkeit eine im Alter von fast 56 Jahren vorzeitig pensionierte Grundschullehrerin - auch wenn sie wie die Klägerin über eine Realschullehrerausbildung verfügt - nachgehen sollte.

Die Beklagte muss daher bis zum Zeitpunkt der regulären Pensionierung der Klägerin mit Ablauf des Monats April 2010 dieser die volle Nettodifferenz zwischen Nettogehalt und Pension erstatten.

Die bis einschließlich Januar 2005 aufgelaufenen rückständigen Beträge für 3 Jahre und 10 Monate ab März 2001 belaufen sich auf 55.554,66 € (46 Monate x 1.207,71 €).

Für die Zukunft ist die Einkommensdifferenz durch eine Geldrente gemäß § 13 StVG monatlich im voraus zu zahlen (entsprechende Anwendung von § 760 Abs. 1 BGB).

2. Des Weiteren sind die Beklagten verpflichtet, der Klägerin gemäß §§ 11, 13 StVG a.F. i.V. mit dem abgeschlossenen Vergleich ebenfalls unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Erwerbsschadens einen sog. Haushaltsführungsschaden zu ersetzen.

Dieser beläuft sich für den Zeitraum 01. Juni 2000 bis Februar 2001 (einschließlich) auf monatlich 290,21 €, unter Berücksichtigung der Antragsbeschränkung für den Zeitraum März 2001 bis einschließlich April 2010 auf monatlich 70,52 €, danach bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres der Klägerin bei vollem Ansatz (ggf. unter Berücksichtigung der Antragsbeschränkung der Höhe nach) wiederum auf 290,21 €. Dabei beschränkt der Senat in ständiger Rechtsprechung Renten wegen eines Haushaltsführungsschadens auf die Vollendung des 70. Lebensjahres, da danach erfahrungsgemäß ohnehin jedenfalls geringere verletzungsbedingte haushaltsführungsspezifische Einschränkungen überlagert werden können durch die natürlich eintretenden altersspezifischen Erschwernisse in der Haushaltsführung. Sollten gleichwohl über das 70. Lebensjahr hinaus speziell verletzungsbedingte weitere Einschränkungen verbleiben, hält es der Senat für angebracht, den sachnäheren Geschädigten damit zu belasten, ggf. erneut für den Zeitraum ab Vollendung des 70. Lebensjahres mit derartigen Forderungen an den Versicherer heranzutreten, statt diesem, der erkennbar sachferner ist, die Erhebung einer eventuellen Abänderungsklage aufzuerlegen.

Im einzelnen: Der Senat folgt, sowohl was den Umfang der von der Klägerin zu verrichtenden Haushaltstätigkeit als auch ihre verletzungsbedingte haushaltsspezifische Beeinträchtigung angeht, den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. . Dieser hat unter Zugrundelegung der auch für den Senat glaubhaften Angaben der Klägerin über Größe, Ausstattung und sonstige Gestaltung ihres Haushalts einen auf die Klägerin entfallenden Anteil von 24-25 Stunden Haushaltstätigkeit pro Woche ermittelt. Die verletzungsbedingte, haushaltsspezifische Einschränkung hat der Sachverständige mit 8 Stunden, mithin rund einem Drittel angegeben.

In seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat hat der Sachverständige in Kenntnis der schriftsätzlichen, durch ein Privatgutachten untermauerten Einwendungen der Beklagten, sein Gutachten nachvollziehbar erläutert und verteidigt, der Senat hat keine Bedenken, die Ausführungen des Sachverständigen der gemäß § 287 ZPO durchzuführenden Schadensschätzung zugrunde zu legen.

Dabei entspricht der Zweipersonenhaushalt der Klägerin mit einem Einfamilienhaus mit einer Wohn- und Nutzfläche von ca. 200 qm bei einer Gesamtgrundstücksgröße von 950 qm, wobei Fensterputzen bereits vor dem Unfall abgegeben war und ebenso die Mangelwäsche außer Haus erledigt wurde, der gehobenen Anspruchsstufe 3 der Tabelle nach Schulz-Borck/Hofmann (6. Aufl.). Danach würden als Ausgangspunkt in einem Zweipersonenhaushalt der Anspruchsstufe 3 wöchentlich 43 Stunden Haushaltstätigkeit anfallen, unter Berücksichtigung der schon vor dem Unfall anderweitig erledigten Haushaltstätigkeiten entspricht der konkret von dem Sachverständigen ermittelte Arbeitszeitbedarf im Haushalt der Klägerin annähernd den Tabellenwerten, rechnet man - wie üblich und auch von der Klägerin vorgetragen - dass auf sie insgesamt rund zwei Drittel aller anfallenden Tätigkeiten entfielen, was der Senat angesichts dessen, dass der Ehemann der Klägerin mit voller Stundenzahl als Lehrer tätig war und ist, sie hingegen nur mit einer Wochenstundenzahl von 21 Stunden täig war, für realistisch und auch der üblichen Aufteilung entsprechend hält. Dabei hat die vom Senat vorgenommene Schadensermittlung den Vorteil, dass sie konkret fallbezogen erfolgt, während Tabellenwerte nur statische Mittelwerte wiedergeben. Sie sind zwar nach Auffassung des Senats als Anhaltspunkte geeignet zur Berechnung des sog. Haushaltsführungsschadens, könnten eine konkrete Schadenermittlung aber grundsätzlich nicht ersetzen; vielmehr dienen die statistisch gefundenen Mittelwerte der Tabellen als Korrektiv zur Überprüfung der Angaben im Einzelfall.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen entfallen auf die Klägerin Haushaltstätigkeiten im nachfolgenden Umfang:

Kochen 7 Stunden Waschen etwa 1 1/2 Stunden Bügeln 2 Stunden Putzen ca. 6-7 Stunden kleine Einkäufe ca. 1 Stunde große Einkäufe etwa 3 1/2 Stunden Gartenarbeit durchschnittlich 1 Stunde Haushaltsführung 3 Stunden.

In diesen Tätigkeiten ist die Klägerin dauerhaft im Umfange von wöchentlich 8 Stunden verletzungsbedingt eingeschränkt, denn die arthrotischen Veränderungen infolge der umfangreichen Sprunggelenksverletzung, die sich zu einem Verschleißleiden entwickelt hat, verspricht auf Dauer - so der Sachverständige - keine Besserung, sondern allenfalls eine Verschlechterung.

Soweit die Beklagte meint, die Einschränkungen der Klägerin im Rahmen ihrer Haushaltstätigkeit würden sich im schadensersatzrechtlich nicht relevanten Bagatellbereich bewegen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine bagatellhafte Einschränkung der Haushaltsführungstätigkeit wird angenommen bei Beeinträchtigungen in der Größenordnung von 10 %. Schon statistisch liegt bei einer Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks nach der Tabelle 6 a bei Schulz-Borck/Hofmann (Spalte 11) eine Beeinträchtigung von 17 % vor. Dies erhöht sich statistisch bei einer Bewegungseinschränkung von oberem und unterem Sprunggelenk auf 26 %. Schon danach kann von einer bagatellhaften Einschränkung keine Rede sein. Dass der Sachverständige Dr. L. konkret zu einer Beeinträchtigung der Klägerin von rund 33 % kommt, ist aus Sicht des Senats ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn die Klägerin hat glaubhaft geschildert, dass es bei Belastungen - wie sie im Haushalt bei schwereren Tätigkeiten die Regel sind - immer wieder zu Schwellungen und erheblichen Schmerzen im Bereich von Sprunggelenk und Unterschenkel kommt, mithin nicht nur Bewegungseinschränkungen, sondern auch darüber hinausgehende Beschwerden vorliegen. Im Gegensatz zu den statistischen Werten liegt bei der Klägerin gerade keine Versteifung des bzw. der Sprunggelenke vor, sondern es handelt sich um konkrete weitergehende Beschwerden, die sie glaubhaft geschildert hat. Letztlich bestätigt sich dieser Befund auch durch die zur Akte gereichten ärztlichen Atteste und das erstinstanzlich eingeholte Gutachten.

Da die Klägerin keine Haushaltshilfe eingestellt hat, errechnet sich unter Zugrundelegung eines Nettostundensatzes für eine Haushaltshilfe von 18 DM - den der Senat im Hamburger Randgebiet für angemessen, aber auch ausreichend erachtet und den auch die Klägerin zugrunde legt - ein monatlicher Haushaltsführungsschaden in Höhe von 619,20 DM bzw. 316,59 € (8 Stunden x 4,3 Wochen = 43,4 Stunden pro Monat x 18 DM = 619,20 DM/316,59 €). Berücksichtigt man weiterhin, dass die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag durchschnittlich vier Wochen im Jahr im Urlaub ist, ein Haushaltsführungsschaden für diese Zeit also nicht anfällt, ist der Betrag um 1/12 pro Monat zu reduzieren, so dass sich ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von 567,60 DM bzw. 290,21 € pro Monat ergibt.

Diesen Betrag müssen die Beklagten für den Zeitraum Juni 2000 bis Februar 2001 (9 Monate) in voller Höhe ersetzen, der Rückstand für den Zeitraum beläuft sich mithin auf 2.611,89 €. Für den Zeitraum von März 2001 bis einschließlich Januar 2005 (46 Monate) macht die Klägerin lediglich einen Betrag von 70,52 € (137,92 DM) geltend, der Rückstand für diesen Zeitraum beläuft sich damit auf 3.243,92 €.

Im Hinblick auf die Antragsbeschränkung sind die Beklagten bis einschließlich April 2010 verpflichtet, (zumindest) monatlich 70,52 € an Haushaltsführungsschaden im Rentenwege an die Klägerin zu zahlen. Danach bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres hat die Klägerin wiederum Anspruch auf (höchstens) monatlich 290,21 € als Ersatz für den Haushaltsführungsschaden.

3. Der gesamte rückständige Betrag, der wie beantragt und zuerkannt zu verzinsen ist, beläuft sich damit 61.410,47 €, wobei entgegen der Auffassung des Landgerichts die vor Abschluss des Vergleichs in dem Vorprozess gezahlten 5.000 DM nicht in Abzug zu bringen sind.

Abgesehen einmal davon, dass sich darauf erstinstanzlich noch nicht einmal die Beklagte berufen hat, bildet der Vergleichsschluss eine Zäsur. Eine Verrechnung vor Vergleichsschluss gezahlter Beträge auf danach fällig gewordene Beträge kommt nicht in Betracht, denn die Zahlung war zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bekannt und hätte dort berücksichtigt werden können und müssen. Allenfalls hätte eine Verrechnung mit dem Vergleichsbetrag erfolgen können; einen etwaigen entsprechenden Anspruch aus § 812 BGB hat die Beklagte weder erst- noch zweitinstanzlich geltend gemacht.

4. Das Feststellungsbegehren der Klägerin rechtfertigt sich im Hinblick auf den Verdienstausfall, da nicht absehbar ist, wie sich der Einkommensverlust in Form eines etwaigen Pensionsverkürzungsschadens infolge der vorzeitigen Pensionierung nach ihrem 65. Lebensjahr - dem Zeitpunkt der regulären Pensionierung - darstellt. Hingegen ist die Entscheidung über die Höhe des Haushaltsführungsschadens abschließend.

Soweit allerdings die Beklagte meint, im Hinblick auf die Haftungshöchstbeträge des § 12 StVG a.F. seien der Klägerin zugesprochene Beträge zu quotierten, greift dies nicht durch. Das Schadensersatzbegehren der Klägerin bewegt sich im Rahmen des Rentenhöchstbetrages gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. mit jährlich 30.000 DM, die von der Beklagten geltend gemachte vermeintliche Überschreitung der Höchstbeträge bezieht sich hingegen auf den Kapitalhöchstbetrag von seinerzeit 500.000 DM. Angesichts des Rentenbegehrens der Klägerin sind die an dem Kapitalhöchstbetrag orientierten Berechnungen der Beklagten nicht relevant.

Im Hinblick auf die Antragsbeschränkungen durch die Klägerin selbst sieht der Senat auch keine Veranlassung, gesondert die Beschränkung der Haftung auf die Höchstbeträge gemäß § 12 StVG a.F. auszusprechen.

Sollten wider Erwarten an die Beklagte weitergehende Schadensersatzforderungen herangetragen werden, müsste sie sich in diesem Verhältnis - ggf. mit einer entsprechenden Abänderung - auf ihre Haftungsbeschränkung berufen.

Der nachgereichte, nicht nachgelassene Schriftsatz ( § 296 a ZPO ) der Beklagten vom 12.01.2005 bietet keinen Anlaß, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten. Abgesehen einmal davon, dass der unter Beweis gestellte Vortrag der Beklagten, die Anstellungsbehörde der Klägerin sei nach telefonischer Mitteilung bereit, einen Arbeitsplatz für die Klägerin einzurichten, als neues Angriffs - oder Verteidigungsmittel gemäß § 531 Abs.2 Ziff.3 ZPO nicht zuzulassen ist, denn eine derartige Anfrage hätte die Beklagte bereits erstinstanzlich stellen können und müssen. Der neue Vortrag ist mithin Folge nachlässiger Prozessführung der Beklagten. 5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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