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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 11.09.2003
Aktenzeichen: 7 U 85/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 847 a.F.
ZPO § 301 I
Ein klagabweisendes Teilurteil über immaterielle Schadensersatzansprüche ist unzulässig, wenn materielle Schadensersatzansprüche anhängig bleiben
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

7 U 85/01

Verkündet am: 11. September 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 21.08.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.04.2001 verkündete Teil-Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe nebst dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Itzehoe zurückverwiesen.

Gerichtliche Gebühren und Auslagen, die durch das aufgehobene Urteil verursacht worden sind, sowie die Gerichtsgebühren der Berufungsinstanz werden nicht erhoben.

Im Übrigen hat das Landgericht über die weiteren Kosten - auch der Berufungsinstanz - zu entscheiden.

Gründe:

Die Klägerin nimmt die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden sowie Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle und immaterielle Schäden aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 07.01.1998, an dem sie als Fußgängerin beteiligt war, in Anspruch.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme, wobei es in Termin bekannt gegeben hat, dass es erwäge, ein Urteil zum Grunde zu erlassen, mit dem angefochtenen Teil-Urteil die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldes sowie des Antrages auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige immaterielle Schäden abgewiesen. Dazu hat das Landgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt, auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme sei der Klägerin der Nachweis des schuldhaften Verhaltens der Beklagten zu 1. nicht gelungen. Hinsichtlich der immateriellen Schadensersatzansprüche der Klägerin sei die Klage daher entscheidungsreif, nicht hingegen hinsichtlich der geltend gemachten materiellen Schadensersatzansprüche. Den Beklagten sei nämlich der Beweis der Unabwendbarkeit i. S. von § 7 StVG (a. F.) nicht gelungen. Zur Entscheidung über die Höhe der materiellen Schadensersatzansprüche der Klägerin bedürfe es der Erhebung weiterer Beweise.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen auf das angefochtene Teil-Urteil Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Klägerin, mit der sie weiterhin Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner erstrebt, an sie ein über den gezahlten Betrag von 5.112,92 € (10.000,00 DM) hinausgehendes angemessenes Schmerzensgeld, das sie mit mindestens weiteren 7.669,38 € (15.000,00 DM) beziffert, zu zahlen sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle Schäden, wobei die Beklagten auf Zurückweisung der Berufung antragen, ist begründet.

Das angefochtene Teil-Urteil und das ihm zugrundeliegende Verfahren leiden an einem wesentlichen Verfahrensmangel i. S. von § 539 ZPO (a. F.), wobei auf das vorliegende Verfahren insoweit noch altes Prozessrecht Anwendung findet. Eine eigene Sachentscheidung des Senats nach § 540 ZPO ( a.F. ) kommt nicht in Betracht, denn sie wäre angesichts der für die Entscheidung notwendigen Beweisaufnahme nicht sachdienlich.

Das Landgericht hat unter Verstoß gegen § 301 Abs. 1 ZPO ein Teil-Urteil hinsichtlich der immateriellen Ansprüche der Klägerin erlassen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH - R 2003, S. 304) darf ein Teil-Urteil nur erlassen werden, wenn die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Ein Teil-Urteil ist daher unzulässig, wenn es über eine Frage entscheidet, die sich im weiteren Verfahren über die anderen Ansprüche noch einmal stellt.

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Klägerin leitet sowohl ihren materiellen als auch ihre immateriellen Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 07.01.1998 her, die Frage eines etwaigen Verschuldens der Beklagten zu 1. ist dabei nicht nur für die immateriellen, sondern auch für die materiellen Ansprüche der Klägerin rechtlich von Bedeutung. Denn die materiellen Ansprüche der Klägerin können sich - wie in der Berufungsbegründung ausgeführt - nicht nur aus § 7 StVG (a. F.) ergeben, sondern auch aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB. Auch für eine Abwägung im Rahmen des § 9 StVG spielt ein etwaiges Verschulden der Beklagten zu 1. eine Rolle. Denn auch insoweit ist die Schuld als ein die Betriebsgefahr erhöhender Umstand zu berücksichtigen (Henschel, StVG, 36. Aufl., § 9 Rdnr 7 m. w. N.). Dabei ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. auch BGH NJW 1997, S. 3447 f.), dass die Frage des Verschuldens der Beklagten zu 1. anders beurteilt wird als bei der Entscheidung des Landgerichts über die immateriellen Ansprüche.

Wegen der Gefahr der Widersprüchlichkeit zwischen Teil- und Schluss-Urteil ist das ergangene Teil-Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht die ihm obliegende Hinweispflicht gem. § 139 ZPO verletzt hat, was ebenfalls einen beachtlichen Verfahrensfehler darstellt, indem es im Termin zur mündlichen Verhandlung den Erlass eines Grund-Urteils in Aussicht gestellt hat, stattdessen aber ein Teil-Urteil über die immateriellen Ansprüche der Klägerin verkündet hat, ohne zuvor darauf hingewiesen zu haben, dass es die Verschuldensfrage anders beurteilen wollte, als es die Parteien ersichtlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Teil-Urteil hin verkündet wurde, getan haben. Bis dahin gingen - wie auch das Schreiben des Beklagten zu 2. vom 24.03.1998 (Bl. 14 d. A.) belegt - die Parteien davon aus, dass auch die Beklagte zu 1. den Unfall schuldhaft verursacht hätte.

Das Teil-Urteil stellt daher auch eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar.

Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Klägerin für den von ihr behaupteten Unfallhergang Sachverständigenbeweis angetreten hat, wobei nicht zu verkennen ist, dass Anknüpfungstatsachen nur in geringem Umfange feststehen. Gleichwohl erscheint es geboten, einen Sachverständigen zumindest damit zu beauftragen festzustellen, ob die vorhandenen Anknüpfungstatsachen für die Erstellung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens ausreichen.

Von der Zurückverweisung kann nicht gem. § 540 ZPO (a. F.) abgesehen werden, denn eine eigene Entscheidung erscheint dem Senat im Hinblick auf die in jeder Hinsicht streitige Höhe auch der materiellen Ansprüche der Klägerin nicht als sachdienlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 GKG. Der Verfahrensverstoß des Landgerichts stellt eine unrichtige Sachbehandlung dar.

Über die weiteren Kosten - auch des Berufungsrechtszuges - hat das Landgericht zu entscheiden.

Gründe für eine Zulassung der Revision i. S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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