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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 21.02.2004
Aktenzeichen: 8 UF 251/04
Rechtsgebiete: Barwert VO, BGB


Vorschriften:

Barwert VO § 2 II S. 4
BGB § 1587 a IV
BGB § 1587 a III Nr. 2
Wird nach dem Ehezeitende und nach dem 31.12.2001 eine VBL-Betriebsrente an den Versicherten gezahlt, so ist diese nur mit dem nach § 2 Abs. 2 S. 4 Barwert VO dynamisierten Wert in die Ermittlung Ausgleichsbetrags nach § 1587 a I BGB einzustellen.
8 UF 251/04

Beschluss

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 21. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 20. September 2004 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 2000 €.

Gründe:

1. Die am 7. Oktober 1966 geschlossene Ehe der Parteien wurde durch Urteil des Amtsgerichts München vom 17. November 1992 (545 F 1293/92) geschieden. In jenem Urteil wurde der Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass - bezogen auf eine Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB vom 1. Oktober 1966 bis zum 29. Februar 1992 - Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung von 560,42 DM vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf dasjenige der Antragstellerin übertragen und zulasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners gegenüber der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) Rentenanwartschaften von monatlich 52,25 DM für die Antragstellerin begründet wurden. Letztgenannter Betrag entsprach der Hälfte der dynamisierten ehezeitlichen Versicherungsrente des Antragsgegners.

Mit ihrem am 13. April 2004 beim Familiengericht eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin die Abänderung der Erstentscheidung und die Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs aufgrund der sich nunmehr ergebenden Werte begehrt. Sie hat dazu ausgeführt, bei der Erstentscheidung sei neben den Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung nur die seinerzeit unverfallbare Anwartschaft des Antragsgegners auf eine statische Versicherungsrente berücksichtigt worden. Durch die Umstellung des Versorgungssystems der VBL habe sich der Wert der vom Antragsgegner ehezeitlich erworbenen Anwartschaft beträchtlich erhöht.

Das Familiengericht hat neue Auskünfte über die von den Parteien ehezeitlich erworbenen Rentenanwartschaften eingeholt und die Erstentscheidung dahin abgeändert, dass es, bezogen auf das Ehezeitende am 29. Februar 1992 und mit Wirkung ab 1. Mai 2004, Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung von 244,32 € zugunsten der Antragstellerin übertragen hat (718,62 € - 229,99 € = 488,63 €, geteilt durch 2) und die Begründung einer monatlichen Rentenanwartschaft von 164,25 € zulasten der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners gegenüber der VBL angeordnet hat. Die von der VBL mitgeteilte ehezeitliche Anwartschaft von 602,19 € auf eine Betriebsrente nach dem derzeit geltenden Versorgungssystem hat das Familiengericht in eine volldynamische Rentenanwartschaft von 328,49 € umgerechnet und dabei den Barwertfaktor von 5,4 der Tabelle 1 der Barwertverordnung, der für ein Lebensalter des Versicherten von 52 Jahren bei Ehezeitende gilt, wegen einer Dynamik der Rente im Leistungsstadium um 65 % auf 8,91 erhöht.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die Umrechnung der VBL-Anwartschaft des Antragsgegners nach der Barwertverordnung. Der Antragsgegner beziehe seit dem 1. Januar 2005 die VBL-Rente, die im Leistungsstadium dynamisch sei. Damit sei jeder Grund für die Umrechnung nach der Barwertverordnung entfallen.

Sie beantragt,

den Ausgleich hinsichtlich der Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners bei der VBL ohne Umrechnung nach der Barwertverordnung durchzuführen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die angefochtene Entscheidung sei richtig, weil die Abänderung sich auf den Stichtag 29. Februar 1992 beziehe.

2. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet.

a) Zutreffend hat das Familiengericht die Anwartschaft des Antragsgegners auf eine Betriebsrente gegenüber der VBL als teildynamisch - statisch in der Anwartschafts- und dynamisch in der Leistungsphase (vgl. BGH FamRZ 2004, 1474 ff.) - in eine dynamische Rentenanwartschaft der gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet, indem es entsprechend § 2 Abs. 2 Satz 4 BarwertVO den Kapitalisierungsfaktor von 5,4 (Alter des Antragsgegners bei Ende der Ehezeit: 52 Jahre) um 65 % auf 8,91 erhöht hat. Die Umrechnung nach § 1587a Abs. 4, Abs. 3 Nr. 2 BGB führt zu dem vom Familiengericht ermittelten Wert von 328,496 € (602,19 € x 12 x 8,91 x 0,0001231170 x 41,44).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann die Betriebsrente des Antragsgegners nicht deshalb ohne Umrechnung nach der Barwertverordnung in den Versorgungsausgleich einbezogen werden, weil der Antragsgegner seit dem 1. Januar 2005 neben der gesetzlichen Altersrente die Betriebsrente der VBL erhält, die fortan jährlich um 1 % steigt. Nach dem Stichtagprinzip ist vielmehr entscheidend, dass bei Ehezeitende am 29. Februar 1992 noch keine laufende Rente gewährt wurde. Der Bezug einer im Leistungsstadium dynamischen betrieblichen Altersversorgung, die sich zum Ehezeitende noch in einem statischen Anwartschaftsstadium befand, führt nach allgemeiner Ansicht nicht dazu, dass ab Rentengewährung ein erhöhter Ausgleichsbetrag anzunehmen wäre; dem Bezug einer im Leistungsstadium dynamischen Rente ist vielmehr durch Erhöhung des Kapitalisierungsfaktor um 65 % angemessen Rechnung getragen (vgl. BGH FamRZ 1999, 218 ff. (220)).

Nach der Umstellung der VBL-Satzung vom Gesamtversorgungsmodell auf das Punktemodell entsteht, falls der Versicherte bei Eintritt des Versicherungsfalles noch im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, nicht mehr ein neues, bislang verfallbares Anrecht, vielmehr tritt die Anwartschaft auf die Betriebsrente mit dem Versicherungsfall aus der statischen Anwartschafts- in die dynamische Leistungsphase. Nur bis zum Ablauf des Übergangsjahres 2001 wurde noch eine Versorgungsrente gewährt, die ab dem 1. Januar 2002 als Besitzstandsrente weitergezahlt wird. In den nicht veröffentlichten Entscheidungen des BGH vom 6. Oktober 2004 (XII ZB 139/04) und des OLG Celle vom 27. September 2004 (19 UF 230/03) waren die Versicherungsfälle in den Jahren 1993 und 2001 eingetreten und damit dynamische, bis zum Versicherungsfall noch verfallbare Versorgungsrenten nach dem alten Gesamtversorgungsmodell entstanden, die Anlass gaben zu einer Neubewertung des Versorgungsausgleichs nach § 10a Abs. 1 Nr. 2 VAHRG. Im hier zu entscheidenden Fall dagegen ist die von den Parteien bei der Erstentscheidung erhoffte, freilich mit den Unsicherheiten der Verfallbarkeit behaftete Versorgungsrente nicht (mehr) entstanden, so dass eine volldynamische Rente nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen werden kann (ebenso für die streitgegenständliche Konstellation die unveröffentlichten Entscheidungen des KG vom 14. Dezember 2004 (17 UF 64/04) und des OLG Köln vom 3. Januar 2005 (4 UF 194/02)).

b) Nach den aktualisierten Auskünften der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte haben die Antragstellerin ehezeitliche Rentenanwartschaften von 229,99 € und der Antragsgegner solche von 718,62 € erworben (Auskünfte vom 1. Juni 2004 und vom 7. Juli 2004). Im Rahmen der Totalrevision der Erstentscheidung, wie sie nach § 10a VAHRG vorzunehmen ist, waren danach gemäß § 1587b Abs. 1 BGB Rentenanwartschaften von 244,32 € (718,62 € - 229,99 € = 488,63 €, geteilt durch 2) vom Versicherungskonto des Antragsgegners auf das Versicherungskonto der Antragstellerin zu übertragen und nach § 1 Abs. 3 VAHRG zum Ausgleich der dynamisierten ehezeitlichen Betriebsrente des Antragsgegners zu deren Lasten für die Antragstellerin Rentenanwartschaften von 162,25 € (328,50 € : 2) zu begründen.

Der korrigierte Gesamtausgleich von 406,57 € (244,32 € zzgl. 162,25 €) weicht um mehr als 10 % von dem Gesamtausgleich der Erstentscheidung ab, der nur 313,25 € (560,42 DM + 52,25 DM = 612,67 DM, geteilt durch 1,95583) betrug, so dass die Abänderung nach § 10a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 VAHRG zulässig ist.

Schließlich hat das Familiengericht zutreffend die Umrechnung der zu übertragenden bzw. zu begründenden Anrechte in Entgeltpunkte angeordnet (§ 1587b Abs. 6 BGB) und ausgesprochen, dass die Abänderung auf den 1. Mai 2004 zurückwirkt (§ 10a Abs. 7 Satz 1 VAHRG; Eingang der Antragsschrift am 13. April 2004; zur Maßgeblichkeit des Eingangs und nicht der Zustellung der Antragsschrift vgl. BGH FamRZ 1998, 1504 f.).

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 13a Abs. 1 Satz 2 FGG, 2 Nr. 1, 99 Abs. 3 Nr. 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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