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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 08.01.2002
Aktenzeichen: 8 UF 44/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1603 II
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Grundsätze der sogenannten höchstrichterlichen Hausmannrechtsprechung nicht zur Anwendung kommen.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

8 UF 44/01

Verkündet am: 08. Januar 2002

In der Familiensache (Kindesunterhalt)

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgericht - Familiengericht - Rendsburg vom 08. Februar 2001 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

I.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger folgenden Kindesunterhalt zu zahlen:

1.

an den Kläger zu 1.)

von Oktober bis Dezember 2000 weitere 114,00 DM monatlich, von Januar bis Juni 2001 weitere 135,00 DM monatlich, für Juli 2001 weitere 26,00 DM, von August bis September 2001 weitere 144,00 DM monatlich, von Oktober bis Dezember 2001 monatlich 100,00 DM, ab Januar 2002 monatlich 51,00 €;

2.

für die Klägerin zu 2.)

a) zu zahlen an die Unterhaltsvorschusskasse des Kreises Rendsburg-Eckernförde von Oktober bis Dezember 2000 weitere 79,00 DM monatlich, von Januar bis Juni 2001 weitere 97,00 DM monatlich, für Juli 2001 weitere 5,00 DM, von August bis September 2001 weitere 105,00 DM monatlich, von Oktober bis November 2001 monatlich 90,00 DM,

b) zu zahlen an die Klägerin zu 2.)

für Dezember 2001 90,00 DM, ab Januar 2002 monatlich 46,00 €.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger 5/8 und die Beklagte 3/8, von den Kosten der Berufungsinstanz die Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger zu 1. (G, geb. am 1988) und die Klägerin zu 2. (S, geb. am 1992) stammen aus der geschiedenen Ehe des Beklagten. Sie leben bei ihrem Vater, der die elterliche Sorge für sie erhalten hat. Die Beklagte hat eine weitere Tochter Y, geb. am 1986, die bei ihr lebt und noch zur Schule geht. Die Beklagte arbeitet teilschichtig als Altenpflegerin.

Für den Kläger zu 1. hat die Unterhaltsvorschusskasse bis September 2000 Unterhalt gezahlt, für die Klägerin zu 2. erhält deren Vater Unterhaltsvorschuss seit Januar 2000.

Die Beklagte hat zunächst monatlich 237,90 DM für beide Kinder an die Unterhaltsvorschusskasse gezahlt, seit Oktober 2000 zahlt sie monatlich 118,95 DM für den Kläger zu 1. an dessen Vater, die andere Hälfte weiter an die Unterhaltsvorschusskasse. Die Familie der Kläger hat zusätzlich Sozialhilfe erhalten.

Mit der vorliegenden Klage haben die Kläger Kindesunterhalt in Höhe des Mindestbedarfs für die Zeit ab Oktober 2000 sowie ab Januar 2001 den erhöhten Unterhalt unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB verlangt. Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und mangelnde Leistungsfähigkeit eingewendet, soweit mehr verlangt wird als sie freiwillig leistet. Sie hat geltend gemacht, wegen der Betreuung der Tochter Y und auch aus gesundheitlichen Gründen zu einer vollschichtigen Tätigkeit nicht in der Lage zu sein.

Das Familiengericht hat der Klage zum Teil stattgegeben. Ausgehend von dem tatsächlich erzielten Einkommen der Beklagten hat es eine Verpflichtung zu einer Vollzeittätigkeit wegen der Betreuung der Tochter Y verneint. Der Unterhalt für die Kläger ist im Wege einer Mangelfallberechnung ermittelt worden. Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung beanstandet die Beklagte die Aktivlegitimation der Kläger. Sie macht weiterhin mangelnde Leistungsfähigkeit geltend.

Die Beklagte beantragt (im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung) das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage für die Zeit von Oktober 2000 bis einschließlich Juli 2001 in vollem Umfang abzuweisen, für die Zeit ab August 2001 über monatlich 264,00 DM für G und monatlich 223,00 DM für S, ab Oktober 2001 über monatlich 100,00 DM für G und monatlich 90,00 DM für S.

Die Kläger beantragen, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Zahlung der Unterhaltsbeträge für S bis November 2001 an die Unterhaltsvorschusskasse des Kreises Rendsburg-Eckernförde zu erfolgen hat.

Sie machen im Wesentlichen geltend, dass die Beklagte zu einer vollschichtigen Tätigkeit verpflichtet sei, weil sie sich im Hinblick auf den Gleichrang aller Kinder nicht auf die Betreuung der Tochter Y berufen könne. Ihr sei deswegen fiktives Einkommen zuzurechnen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Beklagte im Termin vom 20. November 2001 gehört.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zum Teil begründet. Sie schuldet den Klägern geringeren Unterhalt als vom Familiengericht angenommen.

Die Kläger sind klagebefugt. Soweit sie Sozialhilfe erhalten haben, besteht eine Rückübertragungsvereinbarung mit dem Sozialamt. Wegen der auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangenen Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 2. ist diese gemäß § 265 ZPO weiterhin klagebefugt, wobei die Zahlung der bis November 2001 ausgeurteilten Unterhaltsbeträge an die Unterhaltsvorschusskasse zu erfolgen hat. Der Kläger zu 1. verlangt Unterhalt für einen Zeitraum, in dem er von der Unterhaltvorschusskasse keinen Unterhalt mehr erhalten hat.

Die Beklagte ist den Klägern gemäß § 1601 BGB unterhaltspflichtig, es besteht eine gesteigerte Unterhaltspflicht (§ 1603 Abs. 2 BGB). Sie ist jedoch nur in begrenztem Umfange leistungsfähig. Entgegen der Ansicht der Kläger ist die Beklagte im Hinblick auf die Betreuung der Tochter Y, die auch schon in der Familie der Kläger und deren Eltern gelebt hat, zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht verpflichtet. Das gebietet auch nicht der Gleichrang aller minderjährigen Kinder der Beklagten. Maßgeblich sind hier die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie bereits während des Zusammenlebens der Eltern der Kläger bestanden haben. Auch damals hat die Beklagte neben den Klägern die Tochter Y betreut. Sie hat aus diesem Grunde schon vor der Trennung von dem Vater der Kläger nicht vollschichtig arbeiten können. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Eine Verpflichtung zur Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit besteht für die Beklagte erst dann, wenn die Tochter Y nicht mehr betreuungsbedürftig ist. Das ist bis jetzt nicht der Fall. Die von den Klägern angeführte Hausmannrechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebietet im vorliegenden Falle keine andere rechtliche Beurteilung. Nach dieser Rechtsprechung darf sich ein barunterhaltspflichtiger Ehegatte im Hinblick auf den Gleichrang aller minderjährigen Kinder nicht ohne weiteres auf die Sorge für die Angehörigen aus einer neuen Ehe beschränken, sondern muss weiterhin für die minderjährigen Kinder aus erster Ehe sorgen (BGH FamRZ 96, 796). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, denn die Betreuung der Tochter Y ist nicht erst nach der Trennung der Beklagten von dem Vater der Kläger notwendig geworden, vielmehr hat diese Notwendigkeit schon vorher bestanden, sodass sich keine Änderung ergeben hat. Dagegen betrifft die Hausmannrechtsprechung den Fall, dass sich nach der Trennung bzw. Scheidung der Ehegatten für den barunterhaltspflichtigen Ehegatten eine neue Betreuungssituation ergeben hat. Die Beklagte kann deswegen gegenüber den Klägern ihre aufgrund teilschichtiger Erwerbstätigkeit eingeschränkte Leistungsfähigkeit geltend machen.

Von ihrem Einkommen sind eine PKH-Rate sowie Lebensversicherungs- und Invaliditätsversicherungsbeiträge abzuziehen, dagegen nicht PKW-Kreditraten, weil diese mit Fahrtkosten abgegolten sind, die die Beklagte ab Oktober 2001 geltend macht. Die Leistungsfähigkeit der Beklagten verringert sich auch deswegen, weil sie eine hohe Mietbelastung hat. Die über eine angemessene Miete hinausgehende Belastung ist unterhaltsrechtlich ebenfalls zu berücksichtigen. Ab August 2001 entfällt diese zusätzliche Belastung deswegen, weil die Beklagte wieder geheiratet hat und nunmehr mit ihrem Ehemann zusammenlebt, der sich an den Mietkosten zu beteiligen hat.

Es ergibt sich dann folgende Unterhaltsberechnung:

Ab Oktober 2000 Monatliches Nettoeinkommen der Beklagten 2.127,00 DM abzüglich PKH-Rate 30,00 DM Lebensversicherung für sie selbst 15,70 DM für Y 15,70 DM Invaliditätsversicherung für sie selbst 8,30 DM für die Klägerin zu 2. 8,30 DM verbleiben 2.049,00 DM Mietbelastung 1.180,00 DM

abzüglich Wohnkostenanteil und Kindes- unterhalt für Y 510 : 4 = 127,50 DM

abzüglich Kindergeldanteil für Y 135,00 DM

verbleiben 917,00 DM

angemessene Miete 700,00 DM

anzurechnen somit 217,50 DM verbleibendes Einkommen 1.831,50 DM Über den kleinen Selbstbehalt stehen somit 431,50 DM zur Verfügung.

Der Bedarf des Klägers zu 1. beträgt 510,00 DM monatlich, der Klägerin zu 2. 431,00 DM monatlich. Damit entfällt ein Anteil von 54 % auf den Kläger zu 1., das sind 232,74 DM. Abzüglich der freiwilligen Zahlung der Beklagten von 118,95 DM bleibt noch ein Rest von 114,00 DM. Auf die Klägerin zu 2. entfallen 198,26 DM, abzüglich der freiwilligen Zahlung der Beklagten verbleiben noch 79,00 DM monatlich.

Ab Januar 2001 Monatliches Nettoeinkommen der Beklagten 2.165,14 DM abzüglich PKH-Rate 30,00 DM Lebensversicherungsbeiträge 15,70 DM

15,70 DM Invaliditätsversicherungsbeiträge 8,30 DM

8,30 DM verbleiben 2.087,14 DM abzüglich erhöhte Mietbelastung 217,50 DM verbleiben 1.869,64 DM Über den kleinen Selbstbehalt somit 469,64 DM

Davon entfallen wieder 54 % auf den Kläger zu 1. und 46 % auf die Klägerin zu 2.. Unter Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten ergibt sich dann noch ein restlicher Betrag von 135,00 DM für den Kläger zu 1. und 97,00 DM für die Klägerin zu 2..

Ab Juli 2001 steigt der kleine Selbstbehalt auf 1.600,00 DM. Es ergeben sich dann unter Berücksichtigung der Zahlungen noch restliche Zahlbeträge von 26,00 DM für den Kläger zu 1. und 5,00 DM für die Klägerin zu 2..

Ab August 2001 entfällt die zusätzliche Mietbelastung, sodass über den kleinen Selbstbehalt wieder 487,14 DM zur Verfügung stehen. Das ergibt entsprechend der vorhergehenden Berechnung noch einen restlichen Zahlbetrag von 144,00 DM für den Kläger zu 1. und 105,00 DM für die Klägerin zu 2..

Ab Oktober 2001 wohnt die Beklagte in W. Sie hat Fahrtkosten nach einer einfachen Entfernung von 20 km zu ihrer Arbeitsstelle in B. Bei einer vollschichtigen Tätigkeit würden Fahrtkosten in Höhe von 370,00 DM anfallen. Da die Beklagte nur eine 3/4-Stelle hat, ist es angemessen, nur 4/5 dieser Fahrtkosten zu berücksichtigen, also monatlich 296,00 DM. Von dem anrechenbaren Einkommen wie oben bleiben dann noch 1.791,14 DM, über den kleinen Selbstbehalt somit nur noch 191,14 DM. Entsprechend der Aufteilung zwischen beiden Klägern ergibt sich für den Kläger zu 1. dann ein monatlicher Unterhalt von 100,00 DM und für die Klägerin zu 2. von 90,00 DM. Diese Beträge sind ab Januar 2002 in Euro umgerechnet.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 710 Nr. 8, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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