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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 24.02.2005
Aktenzeichen: 8 WF 33/05
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 48 III S. 2
Der Umstand, dass beiden Ehepartnern ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, zeigt in der Regel an, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien im untersten wirtschaftlichen Bereich bewegen, so dass der Mindeststreitwert nach § 48 Abs. 3 Satz 2 GKG in Höhe von 2000 € angemessen ist. Allerdings darf dies nicht zu einer schematischen Festsetzung des Streitwertes der Ehesache führen, sondern es ist stets eine Einzelfallbetrachtung erforderlich.
8 WF 33/05

Beschluss

In der Familiensache

hat der 1. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 24. Februar 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Streitwertbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kiel vom 11. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Auf den am 30. Juli 2004 beim Amtsgericht Kiel eingegangenen Scheidungs-antrag hat das Familiengericht beiden Parteien für das Scheidungsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und den Gegenstandswert für die Ehescheidung auf 2000 € festgesetzt. Mit seiner Beschwerde erstrebt der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers eine Erhöhung des Streitwerts für die Ehescheidung.

Zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien ergibt sich aus den PKH-Beiheften, dass der Antragsteller arbeitslos ist und ein wöchent-liches Arbeitslosengeld in Höhe von 259,14 € erhält. Der Antragsteller hat Verbindlichkeiten gegenüber der Citibank in Höhe von 3407 € (Kreditkonto) sowie 2044 € (Girokonto). Darüber hinaus besteht ein Darlehensvertrag mit der Fidium Finanz AG, auf den der Antragsteller monatliche Raten in Höhe von 109,40 € zu zahlen hat. Die Parteien haben eine gemeinsame Tochter Jacqueline, geboren am 26. März 1997, die beim Antragsteller wohnt.

Die Antragsgegnerin ist Hausfrau und bezieht Sozialhilfe und Wohngeld.

II.

Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG i. V. m. § 32 Abs. 2 RVG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Einzelrichter hat die Sache dem Senat vorgelegt, weil die Streitwertbemessung in Ehesachen in Fällen der hier zu entscheidenden Art zwischen den Oberlandesgerichten umstritten ist (§ 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO).

Die Streitwertfestsetzung in Ehesachen erfolgt gemäß § 48 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien, wobei für die Einkommensverhältnisse in der Regel von dem dreimonatigen Nettoeinkommen beider Ehegatten auszugehen ist (§ 48 Abs. 3 Satz 1 GKG). Das maßgebliche Nettoeinkommen ist dergestalt zu ermitteln, dass von dem Nettoeinkommen, das sich nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben ergibt, weitere Abzüge gerechtfertigt sind, insbesondere Unterhaltsverpflichtungen gegenüber minderjährigen Kindern sowie fortlaufende Schuldenlasten (vgl. OLG Schleswig, FamRZ 2000, 1517; OLG Hamburg, OLG-Report 2003, 252).

Aus § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG schließt ein Teil der Rechtsprechung, dass stets das dreimonatige Nettoeinkommen der Parteien in die Streitwertberechnung einzustellen sei (u. a. OLG München, FamRZ 2002, 683; OLG Celle, OLG-Report 2002, 153). Demgegenüber wird von der Gegenmeinung die Auffassung vertreten, dass für den Fall, dass den Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, bei der Streitwertbemessung für das Scheidungsverfahren nicht auf das dreifache monatliche Gesamtnettoeinkommen abgestellt werden könne. Das Einkommen der Parteien mit ratenfreier Prozesskostenhilfe bleibe vielmehr unberücksichtigt, so dass stets auf den Mindeststreitwert von 2000 € abzustellen sei (OLG Hamm, FamRZ 2004, 1297). Eine vermittelnde Meinung hebt hervor, dass bei der Streitwertfestsetzung stets die Umstände des Einzelfalles heranzuziehen seien. Der Streitwert einer Ehesache sei, auch wenn beiden Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, nicht ausnahmslos auf den Mindestbetrag von 2000 € festzusetzen. Vielmehr sei zu beachten, dass bei der Beurteilung einer Zahlungsverpflichtung nach § 115 ZPO im Einzelfall höhere Belastungen einkommensmindernd zu berücksichtigen sein können als bei der Streitwertbemessung. Deshalb sei stets eine Einzelfall-betrachtung erforderlich (OLG Hamburg, OLG-Report 2000, 437, 438).

Der erkennende Senat hat im Beschluss vom 4. März 2004 (SchlHA 2004, 191) ausgeführt, dass der Streitwert in einer Ehesache, in der beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung gewährt worden ist, jedenfalls dann auf den Mindestwert von 2000 € festzusetzen ist, wenn fest steht, dass die Parteien alle verfügbaren finanziellen Mittel für eine kärgliche Lebensführung einsetzen und sich mit einem Lebenszuschnitt bescheiden müssen, der weitere Einschränkungen ohne Existenzgefährdung nicht gestattet. An dieser Rechtsprechung hält der Senat nach erneuter Prüfung der Rechtslage im Grundsatz fest. Denn der Umstand, dass beiden Ehepartnern ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, zeigt in der Regel an, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien im untersten wirtschaft-lichen Bereich bewegen, so dass der Mindeststreitwert nach § 48 Abs. 3 Satz 2 GKG in Höhe von 2000 € angemessen ist. Allerdings darf dies nicht zu einer schematischen Festsetzung des Streitwertes der Ehesache führen, sondern es ist stets eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Denn die Bewilligung von ratenfreier Prozesskostenhilfe ist - insbesondere nach der gesetzlichen Neuregelung des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 ZPO - nicht in jedem Fall ein sicheres Indiz für eine kärgliche Lebensführung der Parteien.

Im vorliegenden Fall ist es unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse der Parteien nicht zu beanstanden, dass das Familiengericht den Streitwert für die Ehesache auf den Mindestwert festgesetzt hat. Denn die finanziellen Verhältnisse der Parteien sind so knapp, dass sie sich mit einem bescheidenen Lebenszuschnitt begnügen müssen. Das Nettoeinkommen des Antragstellers beträgt wöchentlich 259,14 € = monatlich 1122,94 €. Von diesen Einkünften muss nicht nur die Wohnung und der Lebensunterhalt des Antragstellers, sondern auch der Unterhalt für die Tochter Jacqueline, geboren am 26. 3. 1997, bestritten werden. Im übrigen reichen die Einkünfte des Antragstellers nicht aus, um den Unterhalt der Antragsgegnerin sicherzustellen, so dass die Antragsgegnerin auf die Gewährung von Wohngeld und Sozialhilfe angewiesen ist.

Aus alledem folgt, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Parteien im untersten wirtschaftlichen Bereich bewegen, so dass es nicht zu beanstanden ist, dass das Familiengericht bei der Bemessung des Streitwertes für die Ehesache von dem Mindestwert in Höhe von 2000 € ausgegangen ist.

Zu dem gleichen Ergebnis führt im übrigen die Streitwertermittlung gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG, wie folgende Berechnung ergibt:

Das nach § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG maßgebliche Nettoeinkommen der Parteien ist in der Weise zu ermitteln, dass von den Nettobezügen Unterhaltszahlungen sowie fortlaufende Schuldenlasten, die die ehelichen Lebensverhältnisse nachhaltig geprägt haben, abzuziehen sind (vgl. SchlHOLG, FamRZ 2000, 1517; SchlHOLG, SchlHA 2002, 284; OLG Karlsruhe, FamRZ 2002, 1135; Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rdnr. 16 Stichwort "Ehesachen"). Hinsichtlich der Unterhaltsbelastung ist für jedes unterhaltsberechtigte Kind ein Betrag in Höhe von 250 € bis 300 € einkommensmindernd abzuziehen (vgl. dazu Zöller-Herget, a. a. O.), so dass von dem Arbeitslosengeld des Antragstellers in Höhe von monatlich 1122,94 € ein Betrag in Höhe von mindestens 250,00 € in Abzug zu bringen ist. Darüber hinaus ist die Darlehensrate gegenüber der Fidium Finanz AG in Höhe von 109,40 € abzusetzen. Wegen der Verbindlichkeiten gegenüber der Citibank ist ein monatlicher Abtrag in Höhe von jedenfalls 100,00 € angemessen, so dass ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 663,54 € verbleibt.

Die Einkünfte der Antragsgegnerin bleiben bei der Streitwertermittlung unberücksichtigt, weil die Sozialhilfe kein Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 3 GKG darstellt (vgl. dazu Zöller-Herget, a. a. O.).

Aus alledem folgt, dass der Streitwert gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG in der Weise zu berechnen ist, dass das maßgebliche Einkommen des Antragstellers in Höhe von 663,54 € mit dem Faktor 3 zu multiplizieren ist, so dass sich ein Gegenstandswert in Höhe von 1990,62 €, gerundet 2000 €, ergibt.

Nach alledem ist der angefochtene Streitwertbeschluss nicht zu beanstanden, so dass die Beschwerde keinen Erfolg haben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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