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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 19.08.2009
Aktenzeichen: 12 W 39/09
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 250
GVG § 17 a
1. Im Falle einer Stufenklage wird durch ein Teilurteil über die Begründetheit des Auskunftsanspruchs konkludent der beschrittene Rechtsweg für die gesamte Klage bejaht. Die Bindungswirkung dieser Entscheidung erfasst auch den noch anhängigen Leistungsanspruch.

2. Legen beide Parteien Beschwerde gegen die Erklärung der Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, ist für den Fall des Erfolgs beider Beschwerden die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorzubehalten.


Oberlandesgericht Stuttgart 12. Zivilsenat Beschluss

Geschäftsnummer: 12 W 39/09

19. August 2009

In Sachen

wegen Forderung

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart ohne mündliche Verhandlung unter Mitwirkung von

Vors. Richter am Oberlandesgericht Oleschkewitz, Richter am Oberlandesgericht Seichter, Richter am Landgericht Patschke

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin und die Anschlussbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Einzelrichters der 15. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 08.06.2009 - 15 O 375/07 - aufgehoben und wie folgt neu gefasst: Der Zivilrechtsweg wird für zulässig erklärt.

2. Das Verfahren wird an das Landgericht Stuttgart zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - zurückverwiesen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.400,-- € festgesetzt.

Gründe:

A.

1.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der O. die u.a. auf dem Gebiet der Vermittlung von Arbeitnehmern tätig war. Beklagt ist die B...

Die Insolvenzschuldnerin schloss mit der Beklagten am 23.01. bzw. 02.02.2004 einen Vertrag zur Beauftragung Dritter mit der Vermittlung nach § 37 SGB III (in der damals geltenden Fassung). Gegenstand des Vertrages war die Unterstützung der Beklagten bei ihren Vermittlungstätigkeiten durch Durchführung von Maßnahmen. Konkret wurde der Leistungsgegenstand in § 15 des Vertrages wie folgt umschrieben:

"(1) Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Vermittlung der von ihm in der Größenordnung des als Anlage beigefügten Los- und Preisblattes zugewiesenen Bewerber der angeführten Zielgruppen in betriebliche Ausbildungsverhältnisse und/oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im ersten Arbeitsmarkt.

(2) Die Beauftragung des Dritten umfasst alle Tätigkeiten, die zum Erfolg im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III führen. Art und Umfang richten sich nach den individuellen Erfordernissen. Wie der Ermittlungserfolg herbeigeführt wird, bleibt dem Auftragnehmer überlassen. Die vom Auftragnehmer zu erreichende Eingliederungserwartung ist dem beigefügten Losblatt zu entnehmen."

Als Vergütung war eine Aufwandspauschale sowie ein Erfolgshonorar vereinbart. Vertragsbestandteile waren nach § 2 des Vertrages in der genannten Reihenfolge die Bedingungen des Vertrages und dessen Anlagen, die Leistungsbeschreibung zur Ausschreibung, das Angebot der Insolvenzschuldnerin vom 20.11.2003 auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung, die VOL/B in der jeweils aktuellen Fassung sowie im Übrigen die Bestimmungen des BGB.

Die Insolvenzschuldnerin war nach § 6 des Vertrages zur Einhaltung der bei der Vermittlungstätigkeit relevanten gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet. Im Einzelnen wurde hierzu im Vertrag u.a. Folgendes geregelt:

"(1) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die bei seiner Vermittlungstätigkeit relevanten gesetzlichen Bestimmungen zu beachten. Richten sich dabei gesetzliche Bestimmungen an den Auftraggeber, so gelten sie auch für den Auftragnehmer entsprechend. Dies gilt insbesondere für die §§ 35 Abs. 2 Satz 2 und 36 SGB III. Der Auftragnehmer darf für seine Tätigkeit weder vom Arbeitgeber noch vom zugewiesenen Bewerber eine Vergütung erheben."

(2) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Vorschriften zum Sozialdatenschutz, einzuhalten. ..."

Der Kläger hat im Wege der Stufenklage beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm darüber Auskunft zu erteilen, ob hinsichtlich der im Einzelnen genannten zugewiesenen Bewerber die Voraussetzungen für das Erfolgshonorar gegeben sind. Darüber hinaus wird beantragt, dem Kläger einen sich aus der erteilten Auskunft ergebenden Betrag Zug um Zug gegen Rechnungslegung zu zahlen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

2.

Das Landgericht hat mit Teilurteil vom 15.08.2008 die Auskunftsklage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin wurde durch Urteil des Senats vom 07.04.2009 zurückgewiesen und der Rechtsstreit zur Entscheidung über den noch anhängigen Leistungsanspruch an das Landgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung des Senats ist rechtskräftig.

Nach erfolgter Zurückverweisung hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit des Zivilrechtsweges bestünden. Beide Parteien haben daraufhin erklärt, dass aus ihrer Sicht der ordentliche Rechtsweg gegeben sei. Zur Begründung wird ausgeführt, dass es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handele. Der zwischen ihnen geschlossene Vertrag sei privatrechtlicher Natur. Es liege kein Über- und Unterordnungsverhältnis vor. Unerheblich sei, dass hierdurch eine öffentliche Aufgabe erfüllt werde. Es handele sich um ein Beschaffungsgeschäft. Auch mit Blick auf die vorangegangene Ausschreibung sei daher zwingend von einem privatrechtlichen Vertrag auszugehen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Vertrag auf die Vorschriften des BGB verweise und - wie in privatrechtlichen Verträgen üblich - ein Gerichtsstand vereinbart worden sei. Schließlich sei durch die ergangene Entscheidung über den Auskunftsanspruch die Zulässigkeit des Zivilrechtsweges bindend festgestellt.

Das Landgericht hat im angefochtenen Beschluss den Zivilrechtsweg für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die zum inhaltsgleichen Vertrag ergangene Entscheidung des OLG Celle vom 12.12.2008 - 11 W 43/08 (OLGR Celle 2009, 111) verwiesen.

3.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass der ordentliche Rechtsweg gegeben sei. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die mit der Klage geltend gemachten Honoraransprüche privatrechtlicher Natur seien. Daneben wird der erstinstanzliche Vortrag vertieft.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Landgerichts Stuttgart aufzuheben.

Die Beklagte hat Anschlussbeschwerde eingelegt mit dem Ziel, dass der Zivilrechtsweg für zulässig erklärt wird. Sie verweist zur Begründung auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie ist nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft und wurde innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt. Die Anschlussbeschwerde der Beklagten ist ebenfalls zulässig. Die Beschwer der Beklagten folgt aus einer möglichen Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (vgl. Münchener Kommentar/Zimmermann, ZPO, 3. Aufl., § 17a GVG Rn. 32).

II.

Die Beschwerden sind auch begründet. Zwar ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass an sich der Rechtsweg zu den Sozialgerichten (§ 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG) gegeben ist (vgl. Senat v. 17.08.2009 - 12 W 42/09). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist jedoch im vorliegenden Fall keine Verweisung mehr möglich.

Das Landgericht hat durch das Teilurteil, mit dem der Auskunftsantrag abgewiesen wurde, den Zivilrechtsweg konkludent bejaht (vgl. BGH NJW 1994, 387; speziell für den Fall einer Entscheidung durch Teilurteil OLG Jena RdL 2003, 257). Damit steht der Zivilrechtsweg auch für den noch anhängigen Leistungsanspruch bindend fest. Zwar handelt es sich bei der vorliegenden Stufenklage um eine objektive Klagehäufung, so dass die Ansprüche auf Auskunft und auf Leistung als prozessual selbstständige Teile anzusehen sind (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 254 Rn. 4 m. w. N.). Eine Trennung in der Form, dass für den Auskunftsanspruch ein anderer Rechtsweg gegeben ist als für den Leistungsanspruch, ist aber denknotwendig ausgeschlossen, da die Ansprüche auf demselben Rechtsverhältnis beruhen (vgl. GmS-OBG NJW 1986, 2359). Dem entsprechend hätte das Landgericht im Falle eines Beschlusses nach § 17a Abs. 2 und 3 GVG nur eine einheitliche Entscheidung zur Zulässigkeit des Rechtsweges treffen können. Nichts anderes kann aber gelten, wenn die Entscheidung über den Rechtsweg durch Teilurteil erfolgt ist.

III.

Die Kostenentscheidung ist der Endentscheidung vorzubehalten. Zwar ist über die Kosten eines Rechtsmittels im Vorabverfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges regelmäßig nach §§ 91 ff. ZPO zu entscheiden (BGH NJW 1993, 2541). Ausgehend hiervon geht die obergerichtliche Rechtsprechung teilweise davon aus, dass im Falle des Erfolgs einer Beschwerde dem Gegner nach § 91 ZPO auch dann die Kosten aufzuerlegen sind, wenn er sich gar nicht gegen das Beschwerdeziel gewendet hat (so vor allem OLG Rostock MDR 2009, 464; OLG Schleswig v. 09.06.2009, 16 W 61/09). Es ist schon zweifelhaft, ob die Anwendung des § 91 ZPO in dieser Fallkonstellation richtig ist, da der Beschwerdegegner kaum als unterliegende Partei angesehen werden kann. Jedenfalls kann diese Rechtsprechung nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, nachdem beide Parteien erfolgreich Beschwerde eingelegt haben. Ein Fall der §§ 91 ff. ZPO liegt insoweit nicht vor.

Als Streitwert wurden 1/5 des Werts der Hauptsache angesetzt (vgl. BGH NJW-RR 2006, 286). Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht.

Ende der Entscheidung

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