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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 13 W 21/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 127
Zur Frage des Rechtsmißbrauchs bei wiederholtem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe.
Oberlandesgericht Stuttgart - 13. Zivilsenat - Beschluss

Geschäftsnummer: 13 W 21/06

vom 19. Juli 2006

In Sachen

wegen Forderung

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Eberle, Richter am Oberlandesgericht Wetzel und Richterin am Oberlandesgericht Gaa

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 27. Zivilkammer (ER) des Landgerichts Stuttgart vom 10.3.2006 - 27 O 464/2005 - wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte machte gegen die Klägerin in einem vorangegangenen Rechtsstreit vor dem Landgericht Düsseldorf einen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich geltend. Ihr Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist als unbegründet zurückgewiesen worden. Ihre Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf ist erfolglos geblieben.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit vor dem Landgericht Stuttgart Ansprüche aus demselben Rechtsverhältnis geltend. Die Beklagte hat hierauf ihre Klage vor dem Landgericht Düsseldorf zurückgenommen und verfolgt ihren Anspruch auf Handelsvertreterausgleich im Wege der Widerklage im vorliegenden Rechtsstreit. Hierfür begehrt sie Prozeßkostenhilfe. Das Landgericht hat ihren Antrag als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre Widerklage ist unzulässig.

Das Landgericht Düsseldorf hat durch Beschluß vom 24.8.2004 - 37 O 86/03 - den dortigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, der auf der Grundlage desselben Lebenssachverhaltes gestellt worden war, zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten hat das Oberlandesgericht Düsseldorf durch Beschluß vom 14.1.2005 - I-16 W 66/04 - zurückgewiesen.

Zwar kann ein Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe grundsätzlich neu gestellt werden. Beschlüsse, mit denen die Prozesskostenhilfe versagt wird, erlangen keine materielle Rechtskraft (BGH NJW 2004, Seite 1805).

Der Beklagten fehlt es jedoch am Rechtsschutzbedürfnis für eine neuerliche Entscheidung, weil keine neuen Tatsachen vorgetragen worden sind (OLG Frankfurt OLGR 2004, Seite 287; OLG Hamm, FamRZ 2004, Seite 1218; OLG Naumburg OLG-NL 2003, Seite 91; OLG Saarbrücken OLGR 2000, Seite 246; OLG Bamberg FamRZ 1997, Seite 756). Der Vortrag der Beklagten erschöpft sich in einer Wiederholung der Behauptungen, die sie bereits in den Verfahren vor dem Land- und Oberlandesgericht Düsseldorf vorgebracht hat. Dies gilt auch für den Widerklagantrag Ziffer 2, nachdem die Beklagte in ihrer Beschwerdeschrift ausdrücklich klargestellt hat, daß sie mit der Zahlung an die LBBW keine Rückforderung bezüglich der von der Klägerin verwerteten Bürgschaft begehre, sondern einen Teil ihres Ausgleichsanspruchs verfolge (Bl. 311 d.A.). Neues Vorbringen ist trotz des Hinweises des Senates in der Verfügung vom 21.6.2006 weder von der Beklagten bezeichnet worden noch aus den beigezogenen Akten des Landgerichts Düsseldorf - 37 O 86/03 - ersichtlich. Dies gilt mit Ausnahme der Behauptung (Bl. 270 d.A.), die Beklagte habe am 27.7.2001 auch deshalb ordentlich gekündigt, weil sie durch den Vertragsentwurf vom 26.7.2001 erstmals erfahren habe, daß ihr Vertragspartner in Wegfall geraten sei. Angesichts des Umstandes, daß die Beklagte dies erstmals knapp 6 Jahre nach der Kündigung und nach mehrjähriger Prozessführung vorbringt, ist dieser Vortrag als reine Schutzbehauptung zu werten.

Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin für deren Klage in Abrede stellt, ist dies für ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Widerklage ohne Bedeutung.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es in diesem Zusammenhang für die Annahme desselben Lebenssachverhaltes unerheblich, daß die Beklagte vor dem Landgericht in Düsseldorf als Klägerin aufgetreten ist und sich hier gegen eine Klage der dortigen Beklagten mit einer Widerklage wehrt. Maßgeblich ist, daß sich der zu beurteilende Lebenssachverhalt durch formale prozessuale Umstände nicht ändert.

Zu Unrecht reklamiert die Beklagte eine Veränderung des Lebenssachverhalts mit dem Argument, daß das Landgericht Düsseldorf der Frage nachgegangen sei, ob der Ausgleichsanspruch den jetzt von der Klägerin geltend gemachten Anspruch übersteige und dies verneint habe, während hier die Beklagte die Zahlungsansprüche der Klägerin in Frage stelle und im Wege der Widerklage einen höheren Betrag verlange als im damaligen Klagverfahren. Maßgeblich ist, daß das Landgericht Düsseldorf und das Oberlandesgericht Düsseldorf den geltend gemachten Ausgleichsanspruch der Beklagten insgesamt verneint haben.

Die Beklagte geht auch fehl in der Annahme, die Klägerin habe im Gegensatz zu dem Verfahren in Düsseldorf den Sachvortrag der Beklagten im hiesigen Verfahren nicht substantiiert bestritten. Soweit die Behauptungen der Beklagten für die Entscheidungen des Land- und Oberlandesgerichts Düsseldorf erheblich waren, hat die Klägerin diesen Vortrag auch im vorliegenden Verfahren hinreichend bestritten. Dies gilt insbesondere für die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 26.1.2006 und vom 5.5.2006.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte im vorliegenden Verfahren tatsächlich weitere Beweismittel vorgelegt hat. Für die Entscheidung zumindest des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat die Frage, ob die Beklagte im dortigen Verfahren ausreichend Beweis angetreten hat, keine Rolle gespielt.

Die Veränderung der persönlichen Verhältnisse bei der Beklagten ist für die Entscheidung des Senates unerheblich. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Düsseldorf haben ihre Entscheidungen ausschließlich darauf gestützt, daß die objektiven Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe nicht vorliegen. Angesichts dieser Sachlage kommt es für die Frage, ob eine Wiederholung des Antrages zulässig ist, auf eine Veränderung der subjektiven Voraussetzungen nicht an.

Entgegen der Auffassung der Beklagten wird das Rechtsschutzbedürfnis für eine Wiederholung des Antrages auch nicht durch den Umstand begründet, daß nunmehr statt des Landgerichts bzw. Oberlandesgerichts Düsseldorf das Landgericht bzw. Oberlandesgericht Stuttgart über den Sachverhalt zu entscheiden hat. Die Beklagte kann die Wiederholung nicht allgemein schon dadurch rechtfertigen, daß das im vorliegenden Fall zuständige Gericht bisher noch nicht über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden hat. Der Beklagtenvertreter kann seine Auffassung nicht auf die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (OLGZ 1989, Seite 67) stützen. Für eine zulässige Wiederholung des Prozesskostenhilfeantrages im Falle einer Zuständigkeitsänderung kommt es nach Auffassung des Senates vielmehr darauf an, daß ein Kläger, der keine Prozesskostenhilfe begehrt, bei vernünftiger Betrachtungsweise von der Herbeiführung einer solchen Zuständigkeitsänderung nicht abgesehen hätte. Dies ist bei einem Kläger, der seine Klage erhöht, nicht der Fall. Hier steht die Erhöhung seines Begehrens im Vordergrund. Die Zuständigkeitsveränderung ist lediglich eine mittelbare Folge, auch wenn in dem einen oder anderen Fall damit eine Zuständigkeitsverändung beabsichtigt sein mag. Demgegenüber hätte ein nicht Prozesskostenhilfe beanspruchender Kläger seine Klage vor dem Landgericht Düsseldorf nicht zurückgenommen, um diese mit demselben Lebenssachverhalt, wenn auch mit erweitertem Antrag, als Widerklage vor dem Landgericht Stuttgart einzureichen. Der Umstand, daß der Kläger seinerseits vor dem Landgericht Stuttgart verklagt worden ist, ändert hieran nichts. Der nicht Prozesskostenhilfe beanspruchende Kläger hätte gegebenenfalls auf eine Aussetzung des Verfahrens gem. § 148 ZPO vor dem Landgericht Düsseldorf hingewirkt. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Kläger, wie dies die Beklagte im vorliegenden Fall getan hat, vor dem Landgericht Stuttgart im Wege der Hilfsaufrechnung gegen die dortige Klage verteidigt und der streitgegenständliche Lebenssachverhalt der Klage vor dem Landgericht Düsseldorf mit dem der Hilfsaufrechnung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt übereinstimmt.

Soweit die Beklagte mit ihrer Beschwerdeschrift die Widerklage erweitert hat und hierfür ebenfalls Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist das Prozesskostenhilfeverfahren in der Beschwerdeinstanz nicht angefallen. Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluß des Landgerichts vom 10.3.2006, der sich wiederum auf die Widerklage im seinerzeitigen Umfang bezieht. Über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Erweiterung der Widerklage hat daher zunächst das Landgericht zu entscheiden. Das Landgericht wird aber auch hier zu erwägen haben, ob der Antrag zumindest teilweise wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig ist. Der Lebenssachverhalt, der dem geltend gemachten Anspruch in Höhe von € 1.207,56 wegen Ausfalls des Nachttankautomaten zugrunde liegt, lag mit derselben Berechnung bereits dem Beschluß des Landgerichts Düsseldorf (dort Seite 6) zugrunde. Die geltend gemachten Ansprüche wegen Provisionsausfall vom 28.12.2001 bis 31.12.2001 in Höhe von € 427,72 sowie der beanspruchte Gehaltsentgang aus abgetretenem Recht in Höhe von € 3.207,20 werden auf die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 28.12.2001 gestützt, wobei der hier zugrunde liegende Lebenssachverhalt ebenfalls bereits Gegenstand des Verfahrens vor dem Landgericht Düsseldorf (Seite 4 des dortigen Beschlusses) war und die Wirksamkeit dort verneint worden ist.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vor. Sowohl die Fortbildung des Rechts als auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Zum einen ist die Rechtsfrage zum Rechtsmissbrauch bei wiederholter Antragstellung im Prozesskostenhilfeverfahren vor verschiedenen Gerichten bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden. Zum anderen beinhaltet die Differenzierung des Senates in dieser Frage eine Abweichung von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (OLGZ 1989, Seite 67).

Ende der Entscheidung

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