Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Beschluss verkündet am 26.06.2000
Aktenzeichen: 16 UF 148/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, KostO, FGG


Vorschriften:

ZPO § 621 Abs. 2 S. 1
ZPO § 621 Abs. 2 S. 2
ZPO § 621 Abs. 2 S. 3
ZPO § 623 Abs. 2 S. 1
ZPO § 623 Abs. 5
ZPO § 623 Abs. 2 S. 2
ZPO § 623 Abs. 3 S. 2
BGB § 1671 n.F.
KostO § 131 Abs. 3
KostO § 30 Abs. 2
KostO § 30 Abs. 3
FGG § 13 a
Isolierte Familiensachen nach § 621 Abs. 2 S. 1 - 3 ZPO, die vor Einleitung eines Scheidungsverfahrens anhängig gemacht, aber noch nicht entschieden sind, werden ab Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens kraft Gesetzes zu Folgesachen (§ 623 Abs. 2 S. 1, Abs. 5 ZPO). Eine Vorabentscheidung außerhalb des Scheidungsverbundes kommt nur in den Fällen des § 623 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO in Betracht. Eine unter Verstoß hiergegen ergangene Endentscheidung unterliegt im Beschwerdeverfahren der Aufhebung und Zurückverweisung zur Herstellung des Verfahrensverbundes.
Geschäftsnummer: 16 UF 148/00 2 F 9/00 AG Bad Saulgau

Oberlandesgericht Stuttgart

- 16. Zivilsenat -

- Familiensenat -

Beschluß

vom

26.06.2000

In der Familiensache

betreffend Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts u.a. für hat der 16. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Mitwirkung ...

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Amtsgericht - Familiengericht - S. vom 24.02.2000

aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - S.

zurückverwiesen.

Eine Beschwerdegebühr wird nicht erhoben, außergerichtliche Kosten im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 5.000,00 DM

Gründe:

Die gem. § 621 e ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Beschwerde führt in der Sache zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht. Diese ist entsprechend § 539 ZPO geboten, weil das Familiengericht den Charakter des vorliegenden Verfahrens als Scheidungsfolgesache verkannt und deshalb - bei insgesamt fehlender Spruchreife sowohl in der Scheidungssache selbst wie in der Folgesache - eine abschließende Entscheidung zur Unzeit getroffen hat. Um die Herstellung des Verfahrensverbundes (§ 623 ZPO) zu ermöglichen, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Familiengericht zurückzugeben.

Das vorliegende Verfahren auf Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes bei Getrenntleben der miteinander verheirateten, gemeinsam sorgeberechtigten Eltern und auf Kindesherausgabe kam auf Antrag des Antragstellers, gerichtet an das Amtsgericht L., in Gang, der seiner Formulierung nach dahin aufzufassen ist, daß eine Hauptsacheentscheidung der genannten Gegenstände erstrebt wird (dem damit verbundenen Prozeßkostenhilfeantrag läßt sich allerdings andeutungsweise entnehmen, daß der Antragsteller möglicherweise nur um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen wollte). Nachdem das Scheidungsverfahren beim Amtsgericht S. anhängig wurde, wurde das vorliegende Verfahren vom Amtsgericht L. an das Amtsgericht S. verwiesen, welches das Verfahren auch übernommen und - getrennt vom Scheidungsverfahren, mit weichem ebenfalls ein Antrag der dortigen Antragstellerin, hiesigen Antragsgegnerin auf Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für das gemeinsame Kind verbunden ist - weiter geführt hat. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen (Anhörung der Eltern und des Jugendamtes; Vernehmung von Zeuginnen; Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Kind) hat das Familiengericht aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18.02.2000 am 24.02.2000 den angefochtenen Beschluß erlassen, der nicht als vorläufige oder einstweilige Anordnung bezeichnet, sondern inhaltlich und formal so abgefaßt ist, wie es für eine Endentscheidung gem. § 621 Abs. 1 Nr. 1 und/oder Nr. 3 ZPO dem Gesetz entspricht; insbesondere enthält er eine Kostenentscheidung und eine Festsetzung des Geschäftswerts, die der Höhe nach dem regelmäßigen Geschäftswert für isolierte Familiensachen der genannten Art entspricht.

Gleichzeitig mit dem angefochtenen Beschluß in der vorliegenden Sache hat das Familiengericht im parallel laufenden Scheidungsverfahren 2 F 7/00 einen Beweisbeschluß dahingehend erlassen, daß über die Frage, ob eine Aufhebung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts und die Übertragung mindestens des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen (auf welchen?) Elternteil dem Wohl des Kindes entspreche, durch Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens Beweis zu erheben sei. Das umgehend in Auftrag gegebene Gutachten liegt (oder lag jedenfalls bis Ende Mai 2000) noch nicht vor, ist aber in Kürze zu erwarten.

Diese Verfahrensweise des Familiengerichts läßt erkennen, daß es sich bei Erlaß des angefochtenen Beschlusses nicht darüber im Klaren war, daß das von ihm im Verbund mit dem Scheidungsverfahren der Parteien betriebene Folgeverfahren zur Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für die gemeinsame Tochter den nämlichen Verfahrensgegenstand hat wie das vorliegende Verfahren. Seit der Rechtsänderung zum 01.07.1998 behält jede Sorgerechtsregelung für ein gemeinsames Kind getrennt lebender, bislang gemeinsam sorgeberechtigter Eltern gem. § 1671 BGB n.F. ihre Wirksamkeit über die Rechtskraft der Scheidung hinaus. Isolierte Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge während Getrenntlebens (oder von Teilen hiervon) sowie auf Herausgabe des Kindes, die vor Einleitung des Scheidungsverfahrens anhängig, aber noch nicht entschieden sind, werden, sobald die Scheidung rechtshängig ist, kraft Gesetzes (§ 623 Abs. 2 ZPO) zu Scheidungsfolgesachen (allerdings mit den in § 623 Abs. 2 Satz 2 - 4 genannten Besonderheiten); für isolierte Verfahren der genannten Art, die zunächst bei einem anderen Gericht als dem der Scheidungssache anhängig sind, gilt dies jedenfalls ab Eingang beim Gericht der Ehesache aufgrund Überleitung nach § 621 Abs. 3 ZPO (vgl. § 623 Abs. 5 ZPO). Ab diesem Zeitpunkt kann eine Endentscheidung in der (nunmehr) Folgesache nur im Verbund mit der Scheidung ergehen, es sei denn, daß die Abtrennung von einem Ehegatten beantragt (§ 623 Abs. 2 Satz 2 ZPO) oder vom Familiengericht gem. § 623 Abs. 3 Satz 2 ZPO angeordnet wird, weil es - unter den Voraussetzungen des § 1666 BGB - eine Vorabentscheidung zum Wohl des Kindes für erforderlich hält. Auch in den letztgenannten Fällen kann eine abschließende Entscheidung indessen nur ergehen, wenn das Familiengericht die Folgesache für insgesamt entscheidungsreif hält. Dies ist hier aber, wie der zeitgleich mit der angefochtenen Entscheidung ergangene Beweisbeschluß vom 24.02.2000 im Parallelverfahren 2 F 7/00 zeigt, gerade nicht der Fall.

Da das Familiengericht im Scheidungsverbundverfahren, zu dem richtigerweise auch die vorliegende Sache hätte verbunden werden müssen, selbst von fehlender Spruchreife in der Folgesache Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ausgegangen ist und (zu Recht) die Durchführung weiterer Ermittlungen angeordnet hat, hätte es auch den vorliegenden Beschluß nicht, jedenfalls nicht als Endentscheidung, erlassen dürfen. Der Verfahrensmangel läßt sich, wie ausgeführt, nur durch Aufhebung und Zurückverweisung beheben.

Abschließend weist der Senat darauf hin, daß die angefochtene Entscheidung aus seiner Sicht nur an formalen, nicht an inhaltlichen Mängeln leidet; inhaltlich erscheint die Entscheidung beim derzeitigen Kenntnisstand wohl abgewogen und billigenswert. Die Parteien sollten es deshalb - vorbehaltlich anderer Beurteilung aufgrund neuer Erkenntnisse aus dem einzuholenden Sachverständigengutachten - sinnvollerweise bei der derzeitigen Aufenthaltsregelung belassen, bis das Verfahren insgesamt entscheidungsreif erscheint.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens kann der Senat - trotz Zurückverweisung im übrigen - selbst treffen, weil vorliegend allein das Absehen von Gerichtsgebühren gem. § 131 Abs. 3 KostO und die Aufhebung der außergerichtlichen Kosten gem. § 13 a FGG sachgerecht erscheint.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 Abs. 2 und 3 KostO.

Ende der Entscheidung

Zurück