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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
Urteil verkündet am 05.08.2008
Aktenzeichen: 17 UF 42/08
Rechtsgebiete: BGB, EGZPO


Vorschriften:

BGB § 1572
BGB § 1573 Abs. 2
BGB § 1578 b Abs. 2
EGZPO § 36 Nr. 2
1. Die stets wandelbaren Lebensverhältnisse rechtfertigen eine spätere erstmalige Geltendmachung nachehelichen Ehegattenunterhalts, falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse ändern (hier: teilweiser Wegfall von Verbindlichkeiten).

2. Wird nach rechtskräftiger Ehescheidung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt oder eine außergerichtliche Schuldenbereinigung unternommen, so sind ehebedingte Verbindlichkeiten nur noch im Umfang der pfändbaren Beträge berücksichtigungsfähig.

3. Für die Frage einer Befristung des nachehelichen Ehegattenunterhalts ist nicht ausschließlich auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in dem früher gewählten Beruf abzustellen. Die Tatsache oder auch nur die Möglichkeit einer Tätigkeit im erlernten Beruf ist deshalb allein als Indiz für das Fehlen ehebedingter Nachteile anzusehen. Für die Befristungsdauer (Übergangsfrist) ist auch der seitherige Unterhaltszeitraum in Betracht zu ziehen. Dem hat der Umstand gleichzustehen, dass Unterhalt wegen der Zahlung auf gemeinsame Verbindlichkeiten nicht geschuldet ist.


Oberlandesgericht Stuttgart 17. Zivilsenat - Familiensenat - Im Namen des Volkes Urteil

Geschäftsnummer: 17 UF 42/08

In der Familiensache

wegen nachehelichen Ehegattenunterhalts

Verkündet am: 5. August 2008

hat der 17. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juli 2008 unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Strohal des Richters am Oberlandesgericht Bißmaier des Richters am Oberlandesgericht Schindler

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Oberndorf vom 1. Februar 2008 - 4 F 162/05 - abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin nachehelichen Ehegattenunterhalt zu zahlen wie folgt:

a) für den Zeitraum von August 2005 bis April 2007 in Höhe von 9.933,- €

b) für den Monat Mai 2007 in Höhe von 531,- €,

c) für den Monat Juni 2007 in Höhe von 552,- €,

d) für die Monate Juli bis Dezember 2007 in Höhe von jeweils 419,- €,

e) sowie ab dem Monat Januar 2008 bis einschließlich Dezember 2009 in Höhe von monatlich jeweils 438,- €.

Die jeweils weitergehende Berufung wird zurückgewiesen, die weitergehende Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden in beiden Rechtszügen gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Berufungsstreitwert: 9.370,79 €.

I. Tatbestand:

Die Parteien streiten um nachehelichen Ehegattenunterhalt betreffend die Zeit ab August 2005. Ihre am 12. Juni 1981 geschlossene Ehe wurde auf den am 12. Juni 2002 zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil vom 26. März 2003 geschieden, rechtskräftig seit demselben Tage. Aus der Ehe sind die Töchter N., geboren am 29. November 1983, und N., geboren am 27. Mai 1986, hervorgegangen. Die Klägerin ist am 30. März 1961 geboren, jetzt also 47 Jahre alt. Der Beklagte ist wieder verheiratet. Unstreitig verfügt seine Ehefrau über bedarfsdeckende Einkünfte.

Das Familiengericht hat den Beklagten verurteilt, der Klägerin rückständigen und laufenden Aufstockungsunterhalt zu zahlen, nämlich im Umfang von 15.652,- € für die Zeit von August 2005 bis April 2007, in Höhe von 757,- € für den Monat Mai 2007, in Höhe von jeweils 845,- € für die Monate Juni bis September 2007, von jeweils 904,- € für die Monate Oktober bis Dezember 2007 und ab dem Monat Januar 2008 herabgesetzt auf monatlich 500,- €.

Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Der Beklagte erstrebt, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird. Die Klägerin ihrerseits stützt den Unterhalt auf eine andere Anspruchsgrundlage als durch das Familiengericht geschehen. Sie begehrt den Unterhalt als Krankheitsunterhalt. Ihr Rechtsmittel zielt ferner darauf ab, dass sie einerseits höheren Unterhalt zugesprochen erhält, und andererseits dessen Absenkung entfällt.

Durch Vergleich des Amtsgerichts - Familiengericht - Kirchheim unter Teck vom 26. März 2003 - 2 F 203/02 - war für die Zeit ab rechtskräftiger Ehescheidung geregelt worden, dass der Klägerin kein Ehegattenunterhalt zustehe, solange der Ehemann weiterhin Zahlungen auf bestehende Verbindlichkeiten (monatlich 1.261,91 €) sowie Kindesunterhalt für die Tochter N. in Höhe von monatlich 327,- € leiste. Zu den Verbindlichkeiten ist dort klarstellend formuliert: Der Antragsteller verpflichtet sich, die Zahlung von Verbindlichkeiten in Höhe von mindestens EUR 1.261,91 jeweils vierteljährlich nachzuweisen, erstmals zum 1.6.2003. Die Parteien sind sich hierbei darüber einig, dass zu den Verbindlichkeiten auch Zahlungen auf verbrauchsabhängige und verbrauchsunabhängige Nebenkosten für das Haus H. in L. gehören." Entspreche der seinerzeitige Antragsteller und nunmehrige Beklagte seiner Verpflichtung nicht, die genannten Zahlungen nachzuweisen, so könne "die Antragsgegnerin nachehelichen Unterhalt ohne weitere Inverzugsetzung in dann noch zu berechnender Höhe fordern." Weiter ist in die Vergleichsgrundlagen des vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Kirchheim unter Teck geschlossenen Vergleichs aufgenommen, der Ehemann erziele ein Nettoeinkommen von monatsdurchschnittlich 2.556,74 €, von welchem die Berufskosten mit 5 % abzuziehen seien. Der Kindesunterhalt wurde in der Folgezeit durch Vergleich des Amtsgerichts - Familiengericht - Esslingen vom 23. Februar 2005 - 2 F 596/04 - für die Zeit von Februar 2005 bis Mai 2007 auf monatlich 250,- € abgesenkt. Seit Juni 2007 wird kein Kindesunterhalt mehr gezahlt, weil die Tochter N. ihre Lehre beendet hat.

Ihr Hausgrundstück veräußerten die Parteien nach den durch das Familiengericht getroffenen Feststellungen zum Jahreswechsel 2003/2004 mit verbleibenden Restschulden zu einem Preis von 240.000,- €. Zum 30. Juni 2002 bestanden für die Finanzierung des Hausgrundstücks Verbindlichkeiten in Höhe von 243.354,32 €. Hinzu kamen weitere Verbindlichkeiten, welche aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit des Beklagten rührten. Der Schuldenstand belief sich danach auf insgesamt 358.177,66 €. Auf Antrag der Klägerin wurde über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte seinerseits befindet sich in Verhandlungen mit seinen Gläubigern, welche er mit dem Ziel einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung führt.

Der Beklagte war vormals in abhängiger Beschäftigung bei der Fa. tätig gewesen. Seit dem 15. Dezember 2003 geht er einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach. Für die Aufgabe des Arbeitsplatzes erhielt er von der Fa. eine Abfindung in Höhe von brutto 82.466,29 € = netto 56.028,41 €, welche er zur Tilgung der auf ihn entfallenden Verbindlichkeiten einsetzte.

Mit der Begründung, die Finanzierungslasten seien nunmehr entfallen, verlangt die Klägerin mit Wirkung ab dem Monat August 2005 die Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts.

Wegen mehrerer Bandscheibenvorfälle sah sich die Klägerin krankheitsbedingt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zunächst nicht in der Lage, auch nunmehr sei ihr eine Arbeit nur unter Inkaufnahme erheblicher Belastungen ermöglicht.

Den ersten Bandscheibenvorfall erlitt sie im Jahre 1999. Noch im selben Jahr unterzog sie sich deswegen einer Operation in der Klinik in L. Ein halbes Jahr später folgten weitere Bandscheibenvorfälle nach. Am 20. Dezember 2005 wurde sie krankgeschrieben, im Frühjahr 2006 ereignete sich ein weiterer Bandscheibenvorfall mit anschließender Schmerztherapie. Vom 17. Mai bis zum 21. Juni 2006 unterzog sich die Klägerin einer Rehabilitationsmaßnahme. Durch das zuständige Versorgungsamt ist ihr ein Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 20 % zuerkannt. Rentenanträge wurden wiederholt abgelehnt.

Bis zur Geburt des ersten Kindes im Jahre 1983 hatte die Klägerin als Arzthelferin in einer Kinderklinik gearbeitet. In der Ehezeit hatte der Ehemann, bei bestehendem Beschäftigungsverhältnis mit der Fa., eine Firma T. und später eine Firma I. gegründet. Seit dem Jahre 1993 war die Klägerin in dem unter wechselnder Firma geführten Unternehmen des Beklagten angestellt. Sie hat dort zuletzt monatlich brutto 3.000,- DM verdient und die Geschäfte der GmbH abgewickelt, als das Gewerbe nicht mehr weitergeführt werden sollte. Vom 1. Juli 2000 bis zum 30. April 2003 war sie bei einer Fa. Hausverwaltung S. angestellt, vom 1. September bis zum 1. Dezember 2004 sowie ab dem 1. Januar 2005 bei einer Firma R., wo sie im Umfang einer 2/3 - 3/4 -Tätigkeit einer Montagearbeit nachging. Am 20. Dezember 2005 wurde sie krankgeschrieben. Vom 17. Mai 2006 bis zum 21. Juni 2006 bezog sie Krankengeld sowie - für die Dauer einer Rehabilitationsmaßnahme - Übergangsgeld. Der Krankengeldbezug endete wegen Erreichens der Höchstdauer von 78 Wochen am 25. Juni 2007.

Ab dem Monat Juli 2007 bezog sie Leistungen nach dem SGB II. Seit dem Monat September 2007 versah sie daneben einen sogenannten 1,50 €-Job bei einer Sozialeinrichtung. Ihre Aufgabe bestand hierbei darin, aus Altteilen Computer neu zusammenzusetzen sowie aufzurüsten. Seit dem 9. Juni 2008 ist sie im Umfang einer an 20 Wochenstunden auszuübenden Erwerbstätigkeit bei der Firma E., befristet für zwei Jahre, angestellt. Soweit Unterhaltsansprüche auf öffentliche Träger übergegangen sind, sind jene an die Klägerin zurück übertragen worden.

Das Familiengericht hat die durch den Beklagten vormals bei der Fa. erzielten Einkünfte auf Grundlage der bis November 2003 aufgelaufenen Jahressummen mit monatlich 2.660,50 € ermittelt. Dass er inzwischen über geringere Einkünfte verfüge, sei weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Unterhaltsansprüche der nunmehrigen Ehefrau gingen den Ansprüchen der Klägerin im Range nach. Dem Wegfall der seitherigen Verbindlichkeiten und Zahlungen sei mit Rücksicht auf stets wandelbare Lebensverhältnisse Rechnung zu tragen. Die Klägerin sei an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert. Der durch das Familiengericht hinzugezogene Sachverständige Dr. med. S. halte in seinem Gutachten vom 28. September 2007 eine vollschichtige Erwerbstätigkeit für möglich, auch bezogen auf in der Vergangenheit liegende Zeiträume. Allerdings seien Einschränkungen für schwere Arbeiten, Zwangshaltungen sowie unter anderem für Tätigkeiten zu beachten, welche mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten einhergingen.

Das Familiengericht hat des Weiteren darauf abgestellt, die Klägerin habe zwar den Beruf einer Arzthelferin erlernt. Bereits seit langer Zeit übe sie diesen Beruf jedoch nicht mehr aus. Auch wenn das Berufsbild nicht überwiegend eine Konfrontation mit technischen Neuerungen aufweise, müsse sie bei Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit erst eingelernt werden, einer Berufsanfängerin vergleichbar. Sie könne deshalb als in der Lage angesehen werden, ein Einkommen in der Größenordnung von monatlich netto 1.000,- € zu erzielen (bei steuerklassenbedingten Schwankungen im Übrigen). Die Einkünfte seien wegen erwiesener Erwerbsfähigkeit für den gesamten Zeitraum fiktiv zugrunde zu legen. Die lange Berufspause führe zu fortwirkenden ehebedingten Nachteilen. Eine Unterhaltsbefristung komme im Hinblick hierauf und die lange Ehedauer nicht in Betracht. Als der Beklagte einen selbstständig ausgeübten Nebenerwerb (GmbH) aufgegeben habe, habe ihm die Klägerin auch dadurch den Rücken freigehalten, dass sie das Gewerbe abgewickelt habe. Nach einer - bereits verstrichenen - Übergangsfrist sei der laufende Unterhalt aber auf monatlich 500,- € herabzusetzen.

Der Beklagte rügt die Zulässigkeit der Klage. Seiner Auffassung gemäß wäre anstelle der erhobenen Leistungsklage eine Abänderungsklage statthaft. Im Übrigen trägt er vor, die ehelichen Lebensverhältnisse seien durch seine umfänglichen Zahlungsverpflichtungen geprägt gewesen. Der Klägerin stehe kein höherer Bedarf zu als derjenige, der dem damaligen Zuschnitt der Ehe und der Lebensführung der Eheleute entspreche. Daran müsse sie sich nach wie vor festhalten lassen.

Krankheitsbedingte Erwerbseinschränkungen seien zu bestreiten. Außerdem seien der Klägerin monatliche Beträge in Höhe von 250,- € zuzurechnen, die diese von der Tochter N. als Beteiligung an Wohn- und Lebenshaltungskosten erhalten habe. Erst jetzt habe er zudem in Erfahrung gebracht, dass die Klägerin während attestierter Krankheitszeiten auf den Namen der Tochter N. bei der Hausverwaltung S. und der Fa. gearbeitet habe, was bislang verschwiegen worden sei. Der Klägerin stehe ein Unterhalt nicht zu. Jedenfalls sei dieser zu befristen. In der mündlichen Verhandlung berichtete er über eine Darmoperation, welcher er sich am 13. März 2008 habe unterziehen müssen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 1.2.2008 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Oberndorf die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Berufung des Beklagten wird kostenpflichtig abgewiesen.

2. Das Urteil des AG - Familiengericht - Oberndorf vom 01.02.2008 AZ 4 F 162/05 wird wie folgt abgeändert:

a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständigen nachehelichen Ehegattenunterhalt zu bezahlen für die Zeit von August 2005 bis April 2007 in Höhe von 16.735,58 €.

b) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vom 01.05. bis 30.09.2007 nachehelichen Unterhalt zu bezahlen in Höhe von je 845,00 € sowie ab 01.10.2007 in Höhe von monatlich 1.000,- €.

Sie bestreitet den Vortrag des Beklagten. Sowohl den Tatsachenfeststellungen als auch den Schlussfolgerungen des Sachverständigen Dr. med. S. tritt sie entgegen. Zum einen beurteilten die sie behandelnden Ärzte den gesundheitlichen Zustand der Klägerin anders. Zum anderen seien nicht allein die erlittenen Bandscheibenvorfälle in Betracht zu ziehen. Vielmehr leide sie wegen der ihr verordneten Medikation unter Einschluss von Morphinpräparaten an solch erheblichen Nebenwirkungen, dass sie bereits nach einer vierstündigen Erwerbstätigkeit völlig erschöpft sei. Die Medikation sei wegen starker Schmerzen erforderlich. Nach Aufnahme ihrer regelmäßigen Erwerbstätigkeit sei die Dosierung erhöht worden. Zu einer vollschichtig auszuübenden Erwerbstätigkeit sehe sie sich nicht der Lage. Realistischer Weise bestehe für sie auf dem Arbeitsmarkt auch keine Chance auf Erlangung einer Anstellung. Ihre Bewerbungen seien vergeblich geblieben. Der Beklagte sei zur Zahlung des geforderten Unterhalts ohne Weiteres in der Lage. Eine durch ihn für das Wirtschaftsjahr 2005 vorgelegte Bilanz habe einen Gewinn von 175.000,- € ausgewiesen.

Der Beklagte stellt den weiteren Antrag:

Die Berufung der Klägerin wird abgewiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2008 hat der Sachverständige Dr. med. S. dem Senat sein schriftlich erstattetes Gutachten erläutert. Der Sachverständige führte unter Inbezugnahme dieses Gutachtens aus, für das Jahr 2003 sei bei der Klägerin keine Wurzelreizung feststellbar gewesen. Rückschlüsse auf ein behandlungsbedürftiges Wirbelsäulenleiden (Bandscheibenvorfall) seien, bezogen auf diesen Zeitpunkt, deshalb nicht in Betracht zu ziehen. Aufgrund der durch die Klägerin beschriebenen Medikation habe der Sachverständige ihren Morphinspiegel untersucht. Diese Untersuchung habe zu dem Ergebnis geführt, dass die Nachweisgrenze nicht erreicht worden sei. Dies wiederum leite zu der Folgerung, eine Erwerbseinschränkung sei im Hinblick auf die Einnahme von Morphinen nicht gegeben. Ohnehin sei, wie bereits im schriftlichen Gutachten ausgeführt, die Medikation zu hinterfragen, eher zu einem Entzug zu raten. Für die (einschränkende) Beurteilung der Erwerbsfähigkeit habe er diese Medikation jedoch berücksichtigt. Gegebenenfalls könne bei der Klägerin eine so genannte Somatisierungsstörung vorliegen. Deren "Kristallisationskeim" könne für die Zeit der Ehescheidung in Betracht kommen. Hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen der beschriebenen Somatisierungsstörung fehlten aber bislang.

II. Entscheidungsgründe:

Beide Rechtsmittel sind nach § 511 ZPO statthaft, gemäß §§ 517, 519 und 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. In der Sache haben sie einen jeweils teilweisen Erfolg.

1. Soweit der Beklagte allerdings rügt, die durch die Klägerin gewählte Klageart sei nicht statthaft, trägt dieser Einwand nicht. Zwar ist durch den Vergleich des Amtsgerichts - Familiengericht - Kirchheim unter Teck vom 26. März 2003 eine Vereinbarung über den nachehelichen Ehegattenunterhalt getroffen. Soweit dieser indes seinerzeit nicht geschuldet war, war er neu durch eine Leistungsklage geltend zu machen (vgl. BGH, FamRZ 2007, 983, 985).

2. Die Klägerin vermag den Unterhaltsanspruch nicht als Krankheitsunterhalt gemäß § 1572 BGB, sondern allein im Wege des Aufstockungsunterhalts nach Maßgabe des § 1573 Abs. 2 BGB geltend zu machen.

a) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit von ihm vom Zeitpunkt der Scheidung an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann (§ 1572 Nr. 1 BGB). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

Von einer krankheitsbedingten - vollen oder teilweisen - Erwerbsunfähigkeit unmittelbar vom Zeitpunkt der Scheidung an kann nicht ausgegangen werden. Damit scheidet auch die Möglichkeit aus, den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit deshalb noch dem Zeitpunkt der Scheidung zuzurechnen, weil sich ein zu dieser Zeit bereits vorhandenes, die Erwerbsfähigkeit minderndes Leiden verschlimmert und schließlich zur vollständigen Erwerbsunfähigkeit geführt hätte (vgl. BGH, FamRZ 2001, 1291, 1293).

aa) Die Bandscheibenvorfälle erfolgten im Jahre 1999 und, wie die Klägerin dem Sachverständigen gegenüber bekundete, ein halbes Jahr später. Nur der erste Vorfall wurde operativ behandelt. Wie der Sachverständige bereits in seinem schriftlichen Gutachten vom 28. September 2007 dargelegt hat, führten weder die Auswertungen ärztlicher Stellungnahmen noch die Untersuchung der Klägerin zu dem Befund von Wurzelreizungen, welche auf das Bestehen eines Bandscheiben- oder Rückenleidens zurückzuführen gewesen wären. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekräftige der Sachverständige, von Wurzelreizungen sei auch für das Jahr der Ehescheidung, das Jahr 2003, nicht auszugehen. Dies steht im Einklang mit der tatsächlichen Erwerbsausübung durch die Klägerin. So war sie in der Ehezeit bis zur Ehescheidung und darüber hinausgehend erwerbstätig. Im Zeitraum vom 1. Juli 2000 bis zum 30. April 2003 war sie bei einer Hausverwaltung S. angestellt, wo sie laut ihren eigenen Ausführungen am Computer Kontoauszüge verbucht hat.

Angeschlossen hat sich ab dem 1. Dezember 2004 eine Tätigkeit bei einer Fa., wo sie im Umfang einer 2/3 - 3/4 -Tätigkeit einer Montagearbeit nachging. (Erst) am 20. Dezember 2005 wurde sie krankgeschrieben. Die vorgetragenen Bandscheibenvorfälle standen mithin im Zeitpunkt der Ehescheidung einer Erwerbstätigkeit nicht entgegen.

bb) Entsprechendes gilt für die von ihrer Medikation ausgehenden Nebenwirkungen, welche die Klägerin zugleich als Begründung für Erwerbseinschränkungen heranzieht. Der Sachverständige hat derartige Einschränkungen bereits in seinem schriftlichen Gutachten weitgehend ausgeschlossen, soweit nämlich die durchgeführten Untersuchungen zu dem Ergebnis führten, dass der Morphinspiegel unterhalb der Nachweisgrenze lag. Seine hieraus abgeleiteten Folgerungen hat er dem Senat gegenüber überzeugend erläutert. Soweit ein durch ihn als ratsam erachteter Entzug nicht erfolgt sei, stehe das für sich genommen einer vollschichtig auszuübenden Erwerbstätigkeit nicht entgegen. Den sich hieraus für Art und Umfang einer anzusinnenden Tätigkeit ergebenden Einschränkungen hat der Sachverständige in seinem Gutachten Rechnung getragen.

cc) Für die Entstehung eines Unterhaltsanspruchs nach § 1572 BGB wird es zwar ferner als ausreichend erachtet, wenn eine Krankheit zu einem der Einsatzzeitpunkte nur latent vorhanden war, in einem nahen zeitlichen Zusammenhang damit ausgebrochen ist und zur Erwerbsunfähigkeit geführt hat (Nachweise bei BGH, FamRZ 2001, 1291, 1293, auch zur Gegenmeinung).

Ein solcher Zusammenhang besteht auch nicht hinsichtlich der Somatisierungsstörungen, welche der Sachverständige in Betracht gezogen hat. Somatisierungsstörungen können zu Schmerzen ohne nachweisbare organische Ursache führen. Eine aus solchen Störungen folgende Erwerbsunfähigkeit könnte indes nicht mehr dem Zeitpunkt der Scheidung zugerechnet werden (vgl. BGH, a.a.O.). Weder hat sich im Übrigen die Klägerin, auch auf Hinweis des Senats, auf das Vorliegen solcher Störungen berufen noch führen diese grundsätzlich zu Einschränkungen in der Erwerbsfähigkeit. Auch hierzu hat der Sachverständige dem Senat berichtet.

dd) Als Einsatzzeitpunkt für einen Krankheitsunterhalt kann auch der Zeitpunkt dienen, in welchem die Pflege oder die Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes endet (§ 1572 Nr. 2 BGB). Indes bestand im Zeitpunkt der Ehescheidung kein Anspruch auf Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) mehr. Gründe der Kindesbetreuung schränkten die für die Klägerin bestehenden Erwerbsmöglichkeiten nicht ein. N. war zu diesem Zeitpunkt bereits volljährig, N. vollendete knapp zwei Monate später ihr 17. Lebensjahr.

b) Die Klägerin vermag ihren Unterhalt nach alledem als Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zu verlangen. Ihre eigenen Einkünfte reichten zur Deckung ihres nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhalts nicht aus.

Soweit der Beklagte die Auffassung vertreten hat, nach der Ehescheidung habe die Klägerin ihren Bedarf nachhaltig gedeckt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Wie die Parteien selbst in dem vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Kirchheim unter Teck am 26. März 2003 geschlossenen Vergleich zum Ausdruck gebracht haben, konnte aus damaliger Sicht ein Ehegattenunterhalt weder gefordert noch gezahlt werden, weil der Beklagte hierzu bei Berücksichtigung der weiteren finanziellen Verpflichtungen zu einer Unterhaltszahlung nicht in der Lage war. Ungeachtet dessen waren die Parteien von einem auf ihr jeweiliges Einkommen bezogenen Gefälle ausgegangen. So nahmen sie für den Beklagten monatliche Nettoeinkünfte von 2.556,74 € an. In einer entsprechenden Größenordnung wären für die Klägerin als gelernter Arzthelferin Einkünfte nicht erzielbar (gewesen). Sie hat deshalb dem Grunde nach einen Anspruch darauf, dass das bestehende Einkommensgefälle ausgeglichen wird.

Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB).

3. Unterhaltsrelevante Einkünfte des Beklagten

a) Im familiengerichtlichen Vergleich hatten sich die Parteien auf ein Entgelt des Beklagten verständigt und dieses als Grundlage einbezogen, hier: mit monatlich 2.556,74 €. Dabei bewendet es ungeachtet etwa inzwischen möglicher Gehaltssteigerungen. Beruft sich eine Partei auf eine - positive oder negative - Abweichung hiervon, hätte sie geltend zu machen, dass insoweit zumutbarer Weise nicht mehr am Vergleich und seinen Grundlagen festzuhalten sei (§ 313 BGB).

Daran fehlt es. Unerheblich bleibt deshalb, dass die Parteien vor dem Familiengericht zunächst unstreitig von einem Einkommen des Beklagten in Höhe von 2.660,50 € ausgegangen waren, er seinerseits dann aber lediglich noch einen monatsdurchschnittlichen Nettobetrag von 2.438,32 € als berechtigt ansah.

b) Der Beklagte hat eine Abfindung für die Aufgabe des Arbeitsplatzes erhalten. Eine Abfindung dient unterhaltsrechtlich als Entgeltersatz (SüdL Nr. 1.2; BGH, FamRZ 2007, 983, 987). Wird etwa wegen einer Kündigung ein geringeres Einkommen erzielt, so wird die Abfindung auf einen angemessenen Zeitraum umgelegt und dient in dieser Weise dazu, etwa eine Differenz zwischen früherem Gehalt und Arbeitslosengeld aufzufüllen. Diese Situation besteht vorliegend nicht. Der Beklagte beruft und berief sich zu keiner Zeit darauf, weniger zu verdienen als vormals. Die Abfindung steht also, unterhaltsrechtlich betrachtet, zunächst zusätzlich zum laufenden Einkommen zur Verfügung. Daran vermag der unterhaltsberechtigte Teil, die Klägerin, nicht teil zu haben. Eine Situation, wonach die ehelichen Lebensverhältnisse eine Berücksichtigung der Abfindung erforderten, etwa indem deren Erhalt bereits damals angelegt oder voraussehbar gewesen wäre (vgl. BGH, FamRZ 2008, 968, 971 f. m. Anm. Maurer), ist nicht gegeben. Die Abfindung stand den ehelichen Lebensverhältnissen zu keiner Zeit zur Verfügung.

c) Das Einkommen ist um berücksichtigungsfähige Zahlungen zu bereinigen, soweit diese auf bestehende Verbindlichkeiten geleistet werden.

aa) In ihrem vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Kirchheim unter Teck geschlossenen Vergleich haben sich die Parteien insoweit auch auf die Finanzierung und Unterhaltung ihres vormaligen Familienheims bezogen. Das bedeutet, dass diese Verbindlichkeiten berücksichtigungsfähig sind, zudem sämtliche damals weiter bestehenden ("auch"). Zu diesem Befund führte zudem die gemäß §§ 242, 157 gebotene Auslegung.

bb) Die ehelichen Lebensverhältnisse sind stets wandelbar (vgl. BGH, FamRZ 2008, 968, 971 f. m. Anm. Maurer). Das bedeutet, dass zwangsläufig wegfallende Verbindlichkeiten die für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehende Masse erhöhen, auch bereits auf der Bedarfsebene. Denn ein vorhersehbarer Wegfall solcher Schulden ist berücksichtigungsfähig. Erfolgen hierauf keine Zahlungen mehr, so beeinflusst dieses die ehelichen Lebensverhältnisse ebenso wie andere, etwa Einkommens- Änderungen "nach oben oder nach unten." Eine Ausnahme gilt wegen solcher Entwicklungen, die derart von der Lebensplanung abweichen, dass sie nicht voraussehbar, in der Lebensgestaltung nicht angelegt und deshalb auch nicht zu berücksichtigen sind (BGH, a.a.O.).

cc) Soweit der Beklagte unter Verwendung der ihm zugeflossenen Abfindung sämtliche Verbindlichkeiten zurückgeführt hätte, hätte das nicht auch der Klägerin zugute zu kommen (s. oben). Zur vollständigen Ablösung der Schulden hätte indes selbst der Abfindungsbetrag von netto 56.028,41 € nicht hingereicht.

Zum Stand vom 30. Juni 2002 belief sich der Schuldenstand auf insgesamt 358.117,- €, wobei hiervon auf die Finanzierung des Hausgrundstücks H. in G. ein Anteil von 243.354,32 € entfiel. Auch nach Veräußerung dieses Hausgrundstücks zu einem Kaufpreis von 240.000,- € verblieb also ein Schuldenstand von (358.117,- € ./. 240.000,- € =) 118.117,- €. Unerheblich wäre, zu welchen Anteilen die Parteien anschließend diese verbliebenen Schulden unter sich aufgeteilt haben mögen. Wie ausgeführt, hätte die Klägerin an einem Einsatz der dem Beklagten zugeflossenen Abfindung nicht teil.

dd) Auch der Ansatz des Beklagten geht fehl. Denn die Vorschrift des § 1578 Abs. 1 BGB enthält auch eine objektive Komponente. Zwar ist an den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen anzuknüpfen. Umfassende Einschränkungen in Ausgabeverhalten und Lebensführung weichen indes einem objektiv anzulegenden Maßstab (BGH, FamRZ 2007, 1532). Ein solcher Maßstab ist hier angezeigt und aus Rechtsgründen geboten.

Über das Vermögen der Klägerin wurde antragsgemäß ein Insolvenzverfahren eröffnet; Restschuldbefreiung ist angekündigt. Damit die Restschuldbefreiung gewährt wird, ist der pfändbare Teil der Bezüge auf eine Laufzeit an den Treuhänder abzutreten (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO). Anders als für die Klägerin ist über das Vermögen des Beklagten bislang kein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Vielmehr betrieb und betreibt er mit seinen Gläubigern eine außergerichtliche Schuldenbereinigung (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO), welche noch nicht abgeschlossen ist.

Wie der zu den Akten gelangte Schriftverkehr belegt, hatte jedoch auch er die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens angestrebt. Zudem ist ein Schuldenbereinigungsplan hierzu zu dienen bestimmt.

Beantragen beide Ehegatten nach rechtskräftiger Ehescheidung die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, so sind nach Auffassung des Senats ehebedingte Verbindlichkeiten auf beiden Seiten nur noch im Umfang der pfändbaren Beträge berücksichtigungsfähig. Die Differenz zwischen pfandfreiem Betrag und unterhaltsrechtlichem Selbstbehalt führt zu einer erhöhten, "vollstreckungsrechtlichen" Leistungsfähigkeit (Hauß, in: Melchers/Hauß, Unterhalt und Verbraucherinsolvenz, Rn. 172).

Dieses beeinflusst vorliegend zugleich die Ebene der Bedarfsbemessung. Auf die unterhaltsrechtliche Berücksichtigung derjenigen Beträge, welche im Rahmen des Insolvenzverfahrens gepfändet werden können, musste sich die Klägerin einstellen und angesichts der nachehelichen Solidarität einlassen. Dieses gilt angesichts der bereits dargestellten Schuldenlast bis zur Restschuldbefreiung nach sechs Jahren, hier: jedenfalls bis zum Ablauf des Jahres 2009. In einem an die Kreissparkasse E. gerichteten Schreiben vom 19. Februar 2004 ist ein auf das Hausgrundstück bezogener Kaufvertrag vom 23. Dezember 2003 in Bezug genommen.

In deren Schreiben vom 6. August 2004 ist der Eingang eines Teilerlöses zum 18. Mai 2004 mitgeteilt. Wie der Beklagte ferner vortragen ließ, habe ihm sein Steuerberater im Laufe des Jahres 2004 die Einleitung eines Insolvenzverfahrens angeraten.

Der Zeitpunkt, zu welchem ein Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird, hängt von verschiedenen Erfordernissen und Gegebenheiten ab. Darauf kann es für die Berücksichtigungsfähigkeit von Verbindlichkeiten nicht ankommen. Für die gebotene Gleichbehandlung der Parteien ist deshalb die Frage zu beantworten, zu welchem Zeitpunkt von beidseits erfolgter Insolvenzeröffnung ausgegangen werden könne. Dann aber bleibt unerheblich, dass sich der Beklagte nach wie vor in außergerichtlichen Verhandlungen mit seinen Gläubigern befindet. Stellte man bei den vorliegenden Gegebenheiten lediglich formal auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ab, so führte dies zu einer weiterhin ungeschmälerten Berücksichtigung noch bestehender Verbindlichkeiten.

Dieses wäre angesichts des tatsächlichen Verhaltens beider Parteien nicht zu rechtfertigen. Dass den Schuldner des Trennungsunterhalts oder des nachehelichen Unterhalts regelmäßig keine Obliegenheit zur Einleitung der Verbraucherinsolvenz trifft (BGH, FamRZ 2008, 497, 499 m. Anm. Hauß), führt dann - wird auf das tatsächlich geübte Verhalten abgestellt - zu keiner abweichenden Beurteilung.

Die unterhaltsrechtliche Berücksichtigungsfähigkeit richtet sich deshalb nach den pfändbaren Beträgen. Diese sind nach der jeweiligen Pfändungstabelle und der Anzahl der Unterhaltsberechtigten zu ermitteln. Als Unterhaltsberechtigte sind die Klägerin und die Tochter N. anzusehen (letztere bis zum Ende ihrer Lehre im Mai 2007), nicht aber die neue Ehefrau. Sie verfügt über bedarfsdeckendes Einkommen.

Vom Nettoeinkommen in Höhe von 2.556,74 € waren demnach monatlich pfändbar:

- gemäß aktueller Pfändungstabelle, Stand 1. Juli 2005 (s. Zöller/Stöber, ZPO, 26. Auflage, Anhang zu § 850 c, bei 2 Unterhaltsberechtigten): 395,01 €

- ab Juni 2007 (nur noch 1 Unterhaltsverpflichtung): 597,05 €.

ee) Dass mit dem Ende der Unterhaltszahlungen für die Tochter N. höhere Beträge für die Schuldenzahlung berücksichtigt werden, liegt systematisch in der Natur der Sache. Den Kindesunterhalt selbst haben die Parteien bislang offenbar stets im Umfang des sich nach dem Kindergeldabzug ergebenden Zahlbetrags eingestellt. Auch aus den Grundlagen des vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Kirchheim unter Teck ergibt sich dieses. Die Berücksichtigung von Zahlbeträgen ist zutreffend. Denn N. ist ab Anbeginn des Streitzeitraums volljährig (zum Vorwegabzug des Zahlbetrags bei Volljährigen s. BGH, FamRZ 2008, 963, 967 m. Anm. Büttner).

4. Unterhaltsrelevante Einkünfte der Klägerin

a) Zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums (August 2005) war die Beklagte bei der Fa. beschäftigt. Nach erfolgter Krankmeldung zahlte der Arbeitgeber im gesetzlichen Umfang Entgelt fort, bevor die Klägerin ab dem 10. Februar 2006 für die (Höchst-) Dauer von 78 Wochen, nämlich bis zum 25. Juni 2007, Krankengeld bezog. In der Zeit vom 17. Mai bis zum 21. Juni 2006 wurde für die Dauer einer Reha-Maßnahme Überbrückungsgeld gewährt.

aa) Gemäß der für das Kalenderjahr 2005 vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung erzielte sie seinerzeit ein Jahresbruttoeinkommen in Höhe von insgesamt 12.060,- €, ohne dort allerdings vollschichtig beschäftigt zu sein. Auf Grundlage von Lohnsteuerklasse II und 0,5 Kinderfreibeträgen sowie anfallender Sozialabgaben leitet der Senat hieraus (§ 287 ZPO) monatsdurchschnittliche Nettoeinkünfte von 785, 42 € ab:

 Jahresbruttoeinkommen: 12.060,00 €
- davon steuerpflichtig: 12.060,00 €
- davon sozialversicherungspflichtig: 12.060,00 €
Gesamtmonatseinkommen (brutto): 1.005,00 €
Rentenversicherung p.M. aus 1.005,00 €: 97,99 €
Arbeitslosenversicherung p.M.: 32,66 €
Krankenversicherung p.M. aus 1.005,00 € (Beitragssatz 14,2 % + 0,9 % AN-Zuschl.): 80,39 €
Pflegeversicherung p.M. aus 1.005,00 € (Beitragssatz 1,7 %): 8,54 €
Summe der Sozialabgaben je Monat: 219,58 €
Lohnsteuerklasse: 2
Allgemeine Lohnsteuertabelle (Steuerjahr 2005)
Kinderfreibetrag: 0,5
Lohnsteuer aus 1.005,00 € p.M.: 0,00 €
Solidaritätszuschlag p.M.: 0,00 €
Kirchensteuer p.M.: 0,00 €
Summe der Steuern je Monat: 0,00 €
Monatsnettoeinkommen: 785,42 €.

bb) Wie bereits ausgeführt, beruhen diese Einkünfte nicht auf einer vollschichtigten Erwerbstätigkeit. Im Monat Dezember 2004 erzielte die Klägerin für 150 bezahlte Stunden ein Bruttoentgelt in Höhe von 1.270,- €. Von diesem tatsächlichen Einkommen geht der Senat auch für die Folgezeit bis zur Krankschreibung aus. Einerseits wird dadurch nicht bereits der Umfang einer vollschichtigen Tätigkeit erreicht, welchen einen monatlichen Einsatz von knapp 174 Stunden erforderte. Andererseits besteht für den Senat bei realistischer Betrachtung von Erwerbsmöglichkeiten und - fähigkeiten kein zureichender Grund, der Klägerin für den genannten Zeitraum im Wege einer weitergehenden Fiktion darüber hinausgehende Einkünfte zuzurechnen. Nach den genannten abgabenrechtlichen Grundlagen schätzt der Senat, dass aus dem genannten Brutto- ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.073,- € folgt.

b) Die gezahlten Krankengeldleistungen sind durch die Bescheide der GEK R. vom 17. Januar sowie vom 1. Februar 2007 belegt; das für die Zeit der Reha-Maßnahme gezahlte Übergangsgeld tritt hinzu:

 ZeitraumSumme
10.2.06-16.5.062.039,65 € Krankengeld
17.5.06-21.6.06634,90 € Übergangsgeld
22.6.06-31.12.064.060,23 € Krankengeld
Summe 2006:6.734,78 €
: 12561,23 €

Zu Beginn des Jahres 2006 hat der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung in Höhe von 880,- € für den Monat Januar und bis zum Beginn des Krankengeldbezugs am 10. Februar den Betrag von 320,- € gezahlt. Die Zahlungen werden mit ihrem Nominalbetrag, also brutto = netto, zugerechnet. Denn auch unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts nach § 32 b EStG sind für das Jahr 2006 keine Abgaben anzusetzen. Für den Monat Januar 2006 ist deshalb ein unterhaltsrelevanter Betrag von 880,- € einzustellen, für den Monat Februar 2006 ein solcher von (561,23 € + 320,- € =) 881,23 €. Wegen teilweiser Entgeltfortzahlung setzt der Senat für den Monat Februar noch zugunsten der Klägerin Berufskosten und einen Erwerbstätigenbonus an, für die nachfolgende Zeit des Kranken- und Übergangsgeldbezugs hingegen nicht.

Für die Zeiten des Bezugs von Kranken- und Übergangsgeld rechnet der Senat keine fiktiven Erwerbseinkünfte zu. Zwar hat der Sachverständige in seinem Gutachten eine grundsätzlich vollschichtige Erwerbstätigkeit auch für die Vergangenheit angenommen. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte setzt indes ein unterhaltsbezogen vorwerfbares oder leichtfertiges Verhalten voraus (vgl. BGH, FamRZ 2008, 968 m. Anm. Maurer). Diese Voraussetzung erachtet der Senat als nicht gegeben, so ein Unterhaltsberechtigter oder -verpflichteter die genannten Entgeltersatzleistungen bezieht. Vielmehr muss die Partei bei objektiver Betrachtung davon ausgehen, sie sei zu Recht krankgeschrieben und/oder unterziehe sich zu Recht einer ihr verordneten Maßnahme der gesundheitlichen Rehabilitation.

c) Für das Jahr 2007 sind folgende Krankengeldzahlungen belegt:

 1.1.07-15.1.07281,70 €
16.1.07-29.1.07262,92 €
30.1.07-14.2.07281,70 €
15.2.07-28.2.07300,48 €
1.3.07-14.3.07262,92 €
Summe: 1.389,72 €
: 2,5 Monate555,89 €.

Indem der Krankengeldbezug gemäß Bescheid der GEK R. vom 1. Februar 2007 bis zum 25. Juni 2007 in Aussicht gestellt ist, werden die vorstehend ermittelten Beträge bis zum Ende des Monats Juni 2007 fortgeschrieben. Denn die für ihre Bedürftigkeit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat nicht zu einem vorzeitigen Ende des Krankengeldbezugs vorgetragen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht sprach die Klägerin selbst von "zwei kurzen Zeiträumen", die dazu gekommen seien.

d) Ab dem der Reha-Maßnahme folgenden Zeitraum, mithin ab Juli 2007, sind fiktive Erwerbseinkünfte zugrunde zu legen. Der Sachverständige Dr. med. S. erachtet die Klägerin als vollschichtig erwerbsfähig, wenn auch mit Einschränkungen. Das entspricht der Einschätzung von Dr. med. G., der mit der gutachterlichen Stellungnahme zu einem durch die Klägerin gestellten Rentenantrag befasst war und die Klägerin am 23. November 2006 untersucht hatte.

Der Hausarzt Dr. med. S. rät in seiner ärztlichen Stellungnahme bereits vom 16. Februar 2005 aus gesundheitlichen Gründen von einer Ganztagstätigkeit ab, aus der Reha-Maßnahme wurde die Klägerin am 21. Juni 2006 als arbeitsunfähig entlassen. Das gilt aber lediglich wegen der bis dahin ausgeübten Tätigkeit, bei welcher die Klägerin mit dem Fuß ein Pedal bedienen musste. Das ist sie auch nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. med. S. nicht zu leisten in der Lage. Im Übrigen, also mit Einschränkungen, gelangt auch der genannte Entlassungsbericht zu der Annahme einer vollschichtigen Erwerbsfähigkeit. Auf die bereits oben dargestellten Erwägungen des Sachverständigen in dessen Gutachten vom 28. September 2007 sowie seinen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung nimmt der Senat ergänzend Bezug.

Allerdings ist der Senat nach dem von der Klägerin gewonnenen Eindruck davon überzeugt, dass sie bei realistischer Betrachtung des Arbeitsmarkts und den in gesundheitlicher Hinsicht zu beachtenden Einschränkungen keine Anstellung im vormals ausgeübten Beruf als Arzthelferin zu finden vermag. Das Familiengericht bezieht sich in der angefochtenen Entscheidung auf eine lange Berufspause, die einem Einstieg in den früher ausgeübten Beruf als Arzthelferin zwar nicht entgegenstehe, dann aber "bei null" ansetze. Die Klägerin übt ihren erlernten Beruf seit dem Jahre 1983 nicht mehr aus. Einer Tätigkeit im pflegerischen Bereich, die derzeit zweifellos gefragt wäre, wird sie wegen ihrer Bandscheibenproblematik nicht nachgehen können. Nach den nachvollziehbaren Erwägungen des Sachverständigen ist insbesondere ein schweres Heben und Tragen zu vermeiden, auch wenn Wurzelreizungen nicht mehr feststellbar waren oder sind.

Ihre weitere Vita (Montagetätigkeiten; Arbeit in einer Hausverwaltung und im selbstständigen Nebengewerbe des Ehemanns) belegt, dass die Klägerin auch im Laufe von Ehe und Kinderbetreuung berufliche Erfahrungen und Fähigkeiten gewonnen hat. Inzwischen befasst sie sich mit der Montage von Computern.

Seit dem 9. Juni 2008 steht sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis mit der Firma E. Als wöchentliche Arbeitsleistung ist ein Umfang von 20 Stunden vereinbart, als Gegenleistung eine Bruttovergütung von 594,94 €. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt hat, sieht sie für sich eine Arbeitsleistung im Umfang von 20 bis 30 Wochenstunden als ermöglicht. Dem ist jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu folgen. Die derzeit ausgeübte Tätigkeit trägt den durch den Sachverständigen Dr. med. S., auch mit Rücksicht auf die tatsächliche Medikation, für angezeigt erachteten Erwerbseinschränkungen Rechnung. Das gilt allerdings lediglich in qualitativer Hinsicht. Hieran anknüpfend gebietet die vollschichtige Erwerbsobliegenheit eine entsprechende Hochrechnung. Erzielt die Klägerin an 20 Wochenstunden das genannte Bruttoeinkommen von 594,94 €, so ist für eine vollschichtige Tätigkeit - der Größenordnung nach - ein doppelter Betrag dessen zu schätzen. Diesen rundet der Senat unter Abwägung des persönlichen Eindrucks von der Klägerin auf einen monatlichen Bruttobetrag von 1.200,- €. Ein Bruttoeinkommen in diesem Umfang ist die Klägerin nach der in der mündlichen Verhandlung sowie durch die Beweisaufnahme gebildeten Überzeugung zu erzielen in der Lage und verpflichtet.

Unzureichend bleiben die vorgetragenen, lediglich vereinzelt unternommenen (zwei) Erwerbsbemühungen. Anderenfalls hätte die Klägerin nach der Überzeugung des Senats eine ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechende Arbeitsstelle zu erlangen vermocht.

Auf fiktiver Grundlage rechnet der Senat der Klägerin deshalb das vorstehend ermittelte Einkommen ab dem Monat Juli 2007 zu. Der zwischenzeitlich zugleich ausgeübte "1,50 €-Job", wiederum bei der E., tritt nicht hinzu, sondern bleibt wegen bereits vollschichtiger Fiktion unberücksichtigt.

Bei sechsmonatigem Bezug von Juli bis Dezember 2007 errechnen sich aus einem fiktiven Bruttoeinkommen von 1.200,- (Gesamtsumme: 1.200,- € * 6 = 7.200,- €) folgende Abzugsbeträge: Rentenversicherung (19,9 %): 716,40 €, Arbeitslosenversicherung (3,3 %): 118,80 €, Krankenversicherung (Arbeitnehmeranteil 13,9 % / 2 + 0,9 %): 565,20 € sowie Pflegeversicherung (Arbeitnehmeranteil 0,85 %): 61,20 €. Lohnsteuer fällt keine an. Es verbleiben dann bei sechs Monaten Nettobeträge in Höhe von jeweils 956,40 €. Eine Steuerlast ergibt sich unter weiterer Beachtung des Progressionsvorbehalts für die Zeiten des Krankengeldbezugs (§ 32 b Abs 1 Nr. 1 b EStG). Der Senat rundet deshalb die errechneten Nettobeträge auf monatlich 950,- € ab. Die Krankengeldbeträge von monatlich 555,89 € reduzieren sich in gleicher Weise auf monatlich geschätzt 545,- €.

e) Für den Zeitraum ab dem Jahr 2008 ermittelt der Senat die (fiktiven) Erwerbseinkünfte wie folgt:

 Bruttoeinkommen: 1.200,00 €
Bezugszeitraum: 1 Monat
= Jahresbruttoeinkommen: 14.400,00 €
- davon steuerpflichtig: 14.400,00 €
- davon sozialversicherungspflichtig: 14.400,00 €
Gesamtmonatseinkommen (brutto): 1.200,00 €
Rentenversicherung p.M. aus 1.200,00 €: 119,40 €
Arbeitslosenversicherung p.M.: 19,80 €
Krankenversicherung p.M. aus 1.200,00 € (Beitragssatz 13,9 % + 0,9 % AN-Zuschl.): 94,20 €
Pflegeversicherung p.M. aus 1.200,00 € (Beitragssatz 1,95 %): 11,70 €
Summe der Sozialabgaben je Monat: 245,10 €
Lohnsteuerklasse: 1
Allgemeine Lohnsteuertabelle
Kinderfreibetrag: 0,0
Kirchensteuersatz: 0 %
Steuerfreibetrag pro Jahr: 0,00 €
Lohnsteuer aus 1.200,00 € p.M.: 49,08 €
Solidaritätszuschlag p.M.: 0,00 €
Kirchensteuer p.M.: 0,00 €
Summe der Steuern je Monat: 49,08 €
Monatsnettoeinkommen: 905,82 €

f) Die Zuwendungen für Kost und Logis der Tochter N., monatlich 250,- €, rechnet der Senat nicht zu den Einkünften der Klägerin. Die Tochter N. absolvierte eine Lehre und bekam während dieser Zeit Unterhalt vom beklagten Vater. Seit Mai 2004 ist N. volljährig. Dass sie ihrer Mutter etwas (von ihrer Ausbildungsvergütung und ihrem Unterhalt) abgibt, ist auf einen in keiner Weise zu beanstandenden Aufwendungsersatz zurückzuführen.

5. Nach alledem ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:

TABELLE

6. Der Unterhalt ist entgegen dem Vorbringen des Beklagten nicht gemäß § 1579 Nrn. 5, 7 BGB n.F. verwirkt. Seine Einwendung, die Klägerin habe während ihrer Krankheitszeiten "auf den Namen der Tochter N." gearbeitet, betrifft die Jahre 2002 bis 2004. Krankgeschrieben wurde die Klägerin hingegen erst am 20. Dezember 2005.

7. Der Unterhalt ist gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB zu befristen. Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 BGB). Der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ist zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre (§ 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB). So liegt es hier.

a) Für den Unterhaltszeitraum ab dem Monat Januar 2008 kommt gemäß § 36 Nr. 2 EGZPO eine Unterhaltsbefristung ohne die Beschränkungen der §§ 323 Abs. 2, 767 Abs. 2 ZPO in Betracht. Der im Zusammenhang mit der Ehescheidung getroffene Unterhaltsvergleich datiert bereits aus dem Jahre 2003. Die Ehe der Parteien währte bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags 21 Jahre. Unter diesen Voraussetzungen entsprach seinerzeit, im Jahre 2003, eine Unterhaltsbegrenzung oder -befristung nicht der Praxis (vgl. Dose, FuR 2007, 1289, 1296). Der Beklagte ist im Hinblick hierauf nicht gehindert, sich nunmehr darauf zu berufen, der Unterhalt sei nicht unbefristet zuzusprechen.

b) Die Darlegungs- und Beweislast für das Eingreifen des Ausnahmetatbestands § 1578 b BGB (Fassung durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz - UÄndG -) trägt zwar der Unterhaltsverpflichtete. Hat er allerdings Tatsachen vorgetragen, die - wie die Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in dem vom Unterhaltsberechtigten erlernten Beruf - einen Wegfall ehebedingter Nachteile nahe legen, obliegt es dem Unterhaltsberechtigten, Umstände darzulegen und zu beweisen, die gegen eine Unterhaltsbegrenzung oder für eine längere "Schonfrist" sprechen (BGH, FamRZ 2008, 134).

Grundsätzlich stellt es keinen ehebedingten Nachteil dar, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte nach der Ehescheidung in einen Beruf zurückkehrt, der seiner Ausbildung entspricht (BGH, a.a.O.; BGH, FamRZ 2008, 1325 m. Anm. Borth).

Ob die Klägerin im Zeitpunkt der rechtskräftigen Ehescheidung eine Anstellung im erlernten Beruf hätte erlangen können, ist durch sie nicht vorgetragen. Das Familiengericht hat in der angefochtenen Entscheidung Erwägungen angestellt, wie das Erwerbsleben der Klägerin ohne die Eheschließung und ihre Schwangerschaften hypothetisch verlaufen wäre. Als sie im Jahre 1983 ihren Beruf aufgab und sich fortan der Familie widmete, war die Klägerin 22 Jahre alt, stand also am Beginn ihres Berufslebens. Im Zeitpunkt der Ehescheidung bestand, wie bereits ausgeführt, eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit. Aus der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit erzielte sie (tatsächlich oder fiktiv, s. oben) ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 1.270,- €. Der Senat ist der Überzeugung, dass sie auch als Arzthelferin ein Gehalt in vergleichbarer Größenordnung erzielt hätte. Wählte sie eine andere Tätigkeit, so etwa wegen der zurückliegenden Bandscheibenvorfälle oder infolge zwischenzeitlich veränderter Neigungen und Erfahrungen, so bewendet es nicht bei der Festlegung auf einen früher, im jungen Erwachsenenalter gewählten Beruf. Die Tatsache oder auch nur die Möglichkeit einer Tätigkeit im erlernten Beruf ist deshalb allein als Indiz für das Fehlen ehebedingter Nachteile anzusehen.

Die durch die Klägerin erlittenen Bandscheibenvorfälle, aus welchen auch nach sachverständigenseits getroffener Einschätzung gewisse Einschränkungen der Erwerbsfähigkeiten resultieren, stellen für sich genommen schicksalhafte Ereignisse und grundsätzlich keine ehebedingten Nachteile dar, für welche der Unterhaltsverpflichtete einzutreten hätte. Der Klägerin ist deshalb anzusinnen, nach einer Übergangsfrist durch eigenes Einkommen für ihren Unterhalt zu sorgen.

c) Für die Bemessung der Übergangsfrist weist die Gesetzesbegründung zum UÄndG der Dauer der Ehe eine entscheidende - aber nicht die einzige - Bedeutung zu (Hollinger, in: Strohal/Viefhues, Das neue Unterhaltsrecht, § 1578 b BGB Rn. 64 unter Hinweis auf BT-Drs. 16/1830 S. 19; Borth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz, Rn. 144). Bis zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags waren die Parteien, wie ausgeführt, 21 Jahre lang verheiratet. Während dieser Zeit hat die Klägerin die gemeinsamen Kinder betreut und dem Beklagten "den Rücken freigehalten", indem sie überdies für sein selbstständig ausgeübtes Nebengewerbe tätig war. Die Ehescheidung erfolgte im Jahr 2003. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Klägerin über eigene Einkünfte. Nachehelichen Ehegattenunterhalt vermochte sie - vereinbarungsgemäß - nicht durchzusetzen, solange und soweit der Beklagte seine Zahlungen auf die bestehenden Verbindlichkeiten nachwies. Erst die später im Rahmen der stets wandelbaren Lebensverhältnisse eintretenden wirtschaftlichen Veränderungen rechtfertigten die erstmalige Geltendmachung von Geschiedenenunterhalt.

Für die Bemessung der Übergangsfrist ist der Zeitraum in Betracht zu ziehen, in welchem Unterhaltsleistungen bezogen werden. Dem hat jedoch der Umstand gleichzustehen, dass die unterhaltsverpflichtete Partei gemeinsame Schulden tilgt. Im Zeitpunkt der Ehescheidung stand die Klägerin kurz vor der Vollendung ihres 42. Lebensjahrs. Inzwischen ist sie 47 Jahre alt. Soweit sie sich einer angegriffenen Gesundheit ausgesetzt sieht, ist dies zwar bei der Bemessung fiktiv zuzurechnender Einkünfte berücksichtigt. Jedoch ist der Umstand, dass sie lediglich leichte oder leichtere Arbeiten zu verrichten vermag, auch für die Bemessung der Übergangszeit von Belang.

Der Beklagte berief sich seinerseits auf eine zurückliegende Darmoperation, ohne aber Näheres hierzu auszuführen. Wie klägerseits ausgeführt ist, sind seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse als durchaus gut zu bezeichnen. Nach unwidersprochenem Vortrag belief sich der bilanzielle Gewinn seines Unternehmens im Wirtschaftsjahr 2005 auf 175.000,- € (offenbar vor Steuern und zu leistenden Vorsorgeaufwendungen). Berücksichtigt man weiter eine etwa nach dem Jahre 2009 gemäß § 287 InsO ermöglichte Restschuldbefreiung, so werden für beide Parteien in dem darauf folgenden Jahr, dem Jahr 2010, Mittel für die Belange des eigenen Unterhalts frei.

Aus sämtlichen genannten Gründen erachtet der Senat als angemessen, den der Klägerin gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zustehenden Unterhalt auf den Ablauf des Jahres 2009 zu befristen (§ 1578 b Abs. 2 BGB). Die Ehescheidung der Parteien liegt dann 6 1/2 Jahre zurück. Nach diesem Zeitraum braucht der Beklagte angesichts der gegebenen Umstände selbst im Lichte der nachehelichen Solidarität nicht weiterhin für den Unterhalt der früheren Ehefrau einzustehen.

III. Nebenentscheidungen:

Die Nebenentscheidungen folgen aus entsprechender Anwendung des § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO sowie der §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Das Maß des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens rechtfertigen, auf eine Aufhebung der Kosten zu erkennen.

Für die Bemessung des Berufungsstreitwerts ist zunächst auf die Anhängigkeit der Klage (Prozesskostenhilfeantrag und Stufenklage) am 28. April 2005 abzustellen. Dieses ist der für die Anwendung des § 42 Abs. 5 GKG maßgebliche Zeitpunkt. Der Unterhalt wird ab dem Monat August 2005 beziffert. Unterhaltsrückstände im Sinne von § 42 Abs. 5 GKG bestehen deshalb nicht. Für den Zeitraum der ersten zwölf Unterhaltsmonate (§ 42 Abs. 1 GKG) weicht die Berechnung der Klägerin von der angefochtenen Entscheidung nicht ab. Das ergibt sich aus ihrer Bezifferung im Schriftsatz vom 18. April 2007. Die Ermittlung des Berufungsstreitwerts lässt sich wie folgt darstellen:

  Antrag 1. Instanz Verurteilung 1. Berufung 2. Berufung
8/05 - 12/053.791,30 €3.791,30 €0,00 €3.791,30 €
1/06 - 7/065.579,49 €5.579,49 €0,00 €5.579,49 €
gesamt9.370,79 €9.370,79 €0,00 €...
Differenz 9.370,79 €0

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich, dies insbesondere im Hinblick auf die Frage der Befristung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b Abs. 2 BGB.



Ende der Entscheidung

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